Das Elsässer Haus

Aus: Ueber Land und Meer
Autor: Müller, Julius (1881-1949) österreichischer Architekt., Erscheinungsjahr: 1909

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Hausbau, Bauernhaus, Baustil, Fachwerkbau, Nutzformen, Baustoffe, Grundformen, Grundriss, Höfe, Anwesen, Schwarzwald,
Deutschland ist noch immer überaus reich an originellen Bauernhäuser, von einer Grenze zur anderen gibt es eine Fülle von Grundformen mit zahllosen Abarten, verschieden nach Anlage und Grundriss, nach Baustoffen und Handwerksweisen, nach Nutzformen und Zierat. Nun war das Elsaß ja nicht immer deutsch, indessen blieb der Elsässer auch zur französischen Zeit eben Elsässer. Und seine Art wurde von dem Nationalitätenwechsel wenig berührt; wenn durch die fränkische Freude an Schmuck und Zier manches beeinflusst ist, so lassen wir uns dies gern gefallen. Alte Häuser sind über das ganze Elsaß zerstreut. Die vielerlei Holzarbeiten, das Schnitzwerk, die Tore, Brunnen, schließlich die ganze Einteilung überhaupt sind in vielen Fällen sehr bemerkenswert. Man muss aber mit der Taxierung des Alters der betreffenden Architektur vorsichtig sein. Die Häuser des Gebirges werden im allgemeinen kaum älter sein als 300 bis 400 Jahre. Man redet zwar im Schwarzwald von Höfen, die 900 Jahre alt sein sollen, und sicher kann zuweilen die Anlage eine uralte sein, die Häuser in ihrer jetzigen Form sind meist viel jünger, als man denkt, eine ganze Masse derselben ist erst im vorigen Jahrhundert entstanden, die meisten allerdings wohl im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert. Wir haben zum Beispiel Häuser in Büsweiler von 1599, Obersteinbrunn von 1528, Kerzfeld 1527, 1589, Kötzingen von 1585, Heiligkreuz 1584, Avolsheim von 1582, Uffholz 1581, Dangolsheim und La Faite von 1562, Friesenheim 1556 und so weiter. Rechnen wir städtische Anwesen, in welcher früher ebenfalls Ökonomie getrieben wurde, auch zu den Bauernhäusern, was doch immerhin berechtigt ist, so erhalten wir, zumal im Gebiet des Weinbaus und der ummauerten Orte, wo dank des Befestigung die Häuser sich länger intakt erhalten haben, zumal dort Massivbau neben Holzfachwerk üblich war, noch um einiges älteres Jahreszahlen. Eine Zahl 1526 aus der Jungferngasse zu Schlettstadt dürfte zu den älteren gehören.


Der Grundplan des elsässischen ländlichen Wohnhauses entspricht im allgemeinen dem üblichen Schema: Eingang entweder zur ebenen Erde oder über Treppen und Veranden in ein höheres Stockwerk, Küche nahe dem Eingang, nach der Straße Stube und Kammer. Es ist anzunehmen, dass eine gemeinsame Bauweise sich über das ganze Elsaß erstreckt hat, die wir als die alemannische bezeichnen können.

Bekanntlich wurden die Bauernhäuser seit alter Zeit von Berufshandwerkern erbaut, früher durch herrschaftliche, später durch bürgerliche; die Bauern selbst, soweit sie nicht selbst ein Handwerk betrieben, gewährten nur Handlanger- und Spanndienste. Richtig ist allerdings wohl in jedem Fall, dass das Hauptschema des Hofplanes vom Bauern mit entworfen und bestimmt wurde. Im oberelsässischen Holzfachwerkbau finden wir eine uralte Bauform, die deutlich erkennbar namentlich in den höher gelegenen Teilen des Sundgaus vorkommt. In der Einhausform liegen dort Wohnung und Ökonomie unter einem gemeinsamen Dach. Indessen wären auch dies noch nicht die ältesten Typen überhaupt. Vielmehr weist die Form des Grundrisses der Vogesenhäuser, bei denen man das Haus durch die Küche betritt und ein besonderer Eingangsplatz, das Ehren (Oehre, Oehra, eventuell verwandt mit dem lateinischen ara, Hausaltar, Stelle des heiligen Herdes) fehlt, wobei ferner die Treppe nach dem Obergeschoss in einer Seitenkammer liegt, auf eine einfache Urform hin, wenn auch die Einfachheit des Grundrisses, die aus beschränkter Örtlichkeit und dem wirtschaftlichen Bedürfnis sich herausentwickelt hat, an sich noch kein genügender Grund ist. Bei dieser Urform werden in einem großen, bis zum Dach offenen Raum um ein mittleres Herdfeuer herum die Wohn-, Schlaf- und Viehstätten sich befunden haben, so dass die Frau des Hauses gewissermaßen von einem Zentrum aus alles übersehen und dirigieren konnte. Diese Form treffen wir bekanntlich überall bis zur Meeresküste hin, auch die alten friesischen und Vierländer Höfe hatten dieselbe Einteilung. Die Gebirgseinhäuser verraten sowohl deutschen wie französischen Einfluss, was ganz einfach dadurch erklärt würde, dass die Mehrzahl der Typen aus dem achtzehnten Jahrhundert, also der Zeit der französischen Herrschaft im Elsaß, stammt. Die Bauernhäuser im Mittel- und Unterelsaß sind wesentlich durch die Bauformen der benachbarten größeren und befestigten Ort beeinflusst worden und haben vielfach die primitive Bauart, wie sie im Oberelsaß noch vorhanden ist und wie sie ehedem im ganzen Elsaß als alemannische verbreitet war, durch Hinstreben zu dekorativ reicherer und städtischer Bauart erweitert. Ebenso sind die Grundformen der Hofanlagen im Unterelsaß, woselbst der Acker- und Getreideanbau überwog, gegenüber den oberelsässischen und denen des Gebirges erweitert worden und besitzen kaum mehr die altursprüngliche Form. Jene älteren elsässischen Bauernhäuser mögen manchem Wanderer und Forscher dürftig erscheinen. Aber sie sind die Ausgangsformen für reichere Weiterentwicklung gewesen. Sie zeigen ein einfach-kerniges, schlichtes Wesen, eine in erster Linie auf das Notwendige gehende Art, eine weise Ökonomie der Mittel: jener dem germanischen Geiste eigne, dem fränkischen vielfach fremde Zug zur Selbstzucht.

EH 00 Elsässer Häuser (1)

EH 00 Elsässer Häuser (1)

EH 00 Elsässer Häuser

EH 00 Elsässer Häuser

EH 00 Hauseingang in Scherweiler

EH 00 Hauseingang in Scherweiler

EH 01 Bauernhaus mit Holzschnitzerei in Andlau_

EH 01 Bauernhaus mit Holzschnitzerei in Andlau_

EH 01 Bauernhaus mit Holzschnitzerei in Andlau

EH 01 Bauernhaus mit Holzschnitzerei in Andlau

EH 02 Elsässer Bauernhof_

EH 02 Elsässer Bauernhof_

EH 02 Elsässer Bauernhof

EH 02 Elsässer Bauernhof

EH 03 Torturm mit angebauter Wohnung in Kestenholz

EH 03 Torturm mit angebauter Wohnung in Kestenholz

EH 04 Giebel eines ländlichen Wirtshauses (Scherweiler)

EH 04 Giebel eines ländlichen Wirtshauses (Scherweiler)

EH 05 Altes Haus in Dambach

EH 05 Altes Haus in Dambach

EH 06 Typische Giebelseite eines Elsässer Hauses

EH 06 Typische Giebelseite eines Elsässer Hauses