Das Dirndlscheiben in Tirol.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1900
Autor: Atlantic, Erscheinungsjahr: 1930

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Kegelbahn, Feiertag, Volksfest, Preiskegeln,
Wie beim Zitherspielen und Trutzliedersingen seinen Witz und Verstand, so zeigt der Tiroler „Bua“ beim Rankeln (Ringkampf), beim Fingerhakeln und auf der Kegelbahn seine körperliche Kraft und Gewandtheit. Die Kegelbahn des Dorfes ist denn auch an allen Sonn- und Feiertagen fleißig besucht. Die Bua'm zeigen, was sie können, und die Alten schauen zu und kritisieren tiefsinnig jeden Wurf! Das ist eine Lust für die jungen Kraftmaier, und es fehlt auf der Dorfkegelbahn so wenig wie auf dem fashionabeln Lawn-Tennisplatze an Gigerln und Prahlhänsen. Mancher liegt den ganzen Tag auf der Kegelbahn und verputzt beim „Kegelscheiben“ all sein Geld.

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Am schönsten und lustigsten aber ist das „Dirndlscheiben“ im Herbst, ein Fest, das im Inntale allerwärts gefeiert wird. Wenn der warme Südwind, der „Türkenreifer“, seine Schuldigkeit getan hat, und der Türken (türkischer Weizen, Mais) als letzte Frucht von den Feldern eingebracht worden ist, dann findet am darauffolgenden Sonntag das Dirndlscheiben statt, das heißt ein Preiskegeln, an dem nur die Mädchen teilnehmen dürfen. Die Dorfburschen schmücken die Kegelbahn mit grünen Zweigen, Gewinden und Fahnen und schaffen Preise an, die gewöhnlich in Kopftüchern oder Miedertüchern von verschiedenem Werte bestehen. Meist veranstalten die Burschen mehrerer Dörfer gemeinschaftlich ein Dirndlscheiben, damit mehr Geld zusammenkommt, und die Preise kostbarer werden können. Schon am frühen Nachmittag geht’s los. Jedes Dirndl, das mittut, muss einen Sechser (zehn Kreuzer) Einschreibegebühr zahlen, die Anzahl der Teilnehmerinnen ist jedoch beschränkt, denn sonst würde der Andrang zu groß werden, und die Kegelei tagelang dauern. Die meisten der herbeigeströmten Dirnen kommen nur, um zuzuschauen, mit den Burschen zu schäkern und, was schließlich die Hauptsache ist, nach der Preisverteilung an dem Tanze teilzunehmen, der das Fest beschließt. Unser hübsches Bild auf S. 17 führt uns solch ein Tiroler Dirndlscheiben vor Augen. Ist das ein Vergnügen für Bursche und Mädchen! Mittun dürfen die Burschen ja nicht, aber als ritterliche Helfer und Berater ihrer Auserwählten zeigen sie sich in ihrem höchsten Glanze! und die Dirndl wollen natürlich auch beweisen, was sie leisten können und bieten all ihre Liebenswürdigkeit und ihre Körperkräfte auf. Jeder gute Schub wird von den Burschen mit Jauchzen begrüßt, und die Spannung und die Eifersucht ist nicht gering, wenn das Preiskegeln sich seinem Ende nähert. Endlich ist die Entscheidung gefallen. Die Stadlbauer Mirzl hat den ersten Preis gewonnen, die Resel vom Brixenhof den zweiten und die rote Vevi von der Klopflesmühl den dritten. Jetzt strömt alles jubelnd in den Tanzsaal, wo die Musikanten schon harren, und bald dröhnt und zittert die Diele vom Stampfen der kräftigen Füße, und alles dreht sich wirbelnd im Reigen.

Volksbelustigung, Das Dirndlscheiben in Tirol

Volksbelustigung, Das Dirndlscheiben in Tirol