Das Denkmal

„Aber unter der ,Pieta‘ Michelangelos hängt Schlüters großes Denkmal.“ Alfred Lichtwark, (Beschreibung des Ateliers Adolph Menzels)

Dass ein bedeutender Mann darzustellen und ein großer Bildhauer vorhanden war, genügte aber noch nicht: es musste auch ein Bildgießer da sein, der den Bronzeguss meisterte. Er fand sich in Johann Jacobi, der 1661 in Homburg vor der Höhe geboren war, dort das Schmiedehandwerk erlernt, in Paris, wo die Kunst des Metallgusses zu hoher Vollendung gediehen war, bei einigen berühmten Erzgießern gearbeitet und viel gelernt hatte, und der im Jahre 1695, vielleicht auf Empfehlung seines Landesherrn, des Prinzen von Homburg (Abb. 15), der bei Fehrbellin kommandiert hatte, in Berlin als „churfürstlicher Figurengießer“, als „Hof- und Artilleriegießer“ angestellt wurde (Abb. 16). Sein erster Meisterguss war das erwähnte Standbild Friedrichs III. Daneben hatte er in dem auf dem Werder neuerbauten Gießhause vollauf zu tun, die Aufträge für Kirchenglocken und Kanonen auszuführen. Nur diesem technisch begabten, menschlich aufgeschlossenen Mann konnte die Aufgabe, eine Reiterfigur solchen Ausmaßes zu gießen, anvertraut werden. Wie ernst es damit genommen wurde, beweist der Umstand, dass Jacobi, als ihm der Guss gelungen war, berühmter wurde als Schlüter. Die Kunst des künstlerischen Erzgusses war in Berlin noch fast unbekannt. „Wie sehr man sich auf die Person Jacobis verlassen musste, wird daran erkannt, dass die von ihm erworbenen Fähigkeiten nach seinem Tode wieder völlig verloren gingen. Als hundert Jahre später Gottfried Schadow die Quadriga für das Brandenburger Tor gießen lassen wollte, musste er wie von neuem beginnen und zum Selbstunterricht mühsame Reisen nach Stockholm und St. Petersburg unternehmen.


Wie der Arbeitsverlauf war, ist nur lückenhaft überliefert. Das Modell einer Reiterstatuette des Großen Kurfürsten im Hohenzollernmuseum hat sich als eine spätere Arbeit in Anlehnung an das Denkmal erwiesen; ein kleines Bronzepferd in Homburg hat kaum etwas mit Schlüter zu tun. Andere Skizzen und Modelle sind nicht bekannt. Zunächst entstand das Modell von Reiter und Pferd in der endgültigen Größe. Ein Gipsabguss davon wurde vergoldet und zur Probe, um den Maßstab zu beurteilen, in der Brückenmitte aufgestellt. Die Gussformen wurden in den Jahren 1697 und 1698 angefertigt. Wie das Denkmal in diesem Zustand aussah, veranschaulicht der moderne Nachguss im Berliner Kaiser-Friedrich-Museum. Dem Sockel fehlen noch die Eckvoluten und auch die vier gefesselten Sklaven. Gegossen wurde der Reiter von Jacobi im Jahre 1700, aufgestellt aber wurde er erst 1703. Die Sockelfiguren waren von vornherein vorgesehen. Schon im Jahre 1696 war von ihnen die Rede, doch waren sie erst zwischen 1702 und 1704 in Arbeit. Ausgeführt sind sie wahrscheinlich von anderen Bildhauern nach kleineren Modellen und unter der Leitung Schlüters, doch hat dieser die letzte Überarbeitung vorgenommen, wie auf Grund einer berechtigten Stilkritik angenommen wird. Die Gussformen dieser Begleitfiguren wurden 1707 gemacht, der Guss erfolgte 1708, aufgestellt wurden sie ein Jahr später. Zu dieser Zeit war Schlüter bereits in Ungnade. Um sie dem Sockel formal zu verbinden, wurde dieser an den Ecken mit breit ausladenden Voluten versehen, die sich oben nischenartig vorwölben; ebenso wurden Blöcke und einige gestufte Platten hinzugefügt, als Sitze und Fußstützen für die vier Gefesselten. Die beiden Seitenreliefs des Sockels waren im Modell 1708 fertig. Sie sind offenbar nicht von Schlüter modelliert, doch wird darüber heute noch debattiert. Zur selben Zeit wurde die schöne Wappentafel mit der Inschrift fertiggestellt und dem Sockel angefügt.

Vielfach ist auf andere Reiterdenkmale hingewiesen, die Schlüter als Vorbilder gedient haben sollen. Genannt wird das Denkmal Ludwigs XIV. in Paris von François Girardon; doch ist diese Annahme nur gegründet, wenn Girardons Denkmal in der Tat im Jahre 1692 aufgestellt worden ist und nicht, wie andere Kunsthistoriker behaupten, erst 1699. Der künstlerische Wert des Monuments lässt sich mit dem Schlüters kaum vergleichen. Mit besserem Recht ist auf das schwungvolle Barockdenkmal Alessandro Farneses in Piacenza von Francesco Mocchi verwiesen worden. Wird jedoch nach einem geistig ebenbürtigen Vorbild gesucht, so muss man auf Donatellos berühmten Gattamelata in Padua zurückgreifen: im Geiste kommt ihm Schlüters Werk am nächsten (Abb. 3). Dabei ist grundsätzlich anzumerken, dass das Zurückführen eines Kunstwerks auf ein anderes nicht eine Schwäche des Gestalters beweist, sondern eine Stärke. Denn jedes große Kunstwerk kommt von einem andern her. Bedeutende Werke der Kunst bilden Ahnenreihen. Die Selbständigkeit wird durch Tradition nicht in Frage gestellt, sondern erhärtet — wie der Sohn durch die Ähnlichkeit mit dem Vater nicht verliert, sondern gewinnt. Was Schlüters Denkmal von dem Donatellos unterscheidet, ist vor allem der Zeitstil: dort gestaltete der Barock großdekorativ, hier fasste die Frührenaissance streng sachlich zusammen. Ungeachtet der Stilunterschiede aber haben die beiden großen Talente verwandte Züge: sie haben denselben Ernst der Formgesinnung, dieselbe Souveränität der Formbehandlung und dieselbe zudringende Kraft der Naturauffassung — Eigenschaften, die der modernen Plastik so sehr verlorengegangen sind, dass sie den Nachgeborenen ganz legendär erscheinen.

Schlüters Reiterdenkmal ist für die Fernwirkung geschaffen. Doch hat die auf Detaillierung verzichtende Steigerung nichts mit kunstgewerblicher Stilisierung zu tun. Es ist eine Stilhaltung gewonnen, die, über den Barock hinaus, ewig aktuell bleibt. Die entscheidenden, charaktergebenden Formen des Mannes, der, wie Gattamelata, in der Rechten den Feldherrnstab, mit der Linken die Zügel hält, die Formen der Gewänder und des Pferdes sind so gesteigert, dass ein Element des Grotesken, ohne das es keine lebendige Monumentalität gibt, mit in Erscheinung tritt. Die eigenwillig gebogene Nase des Großen Kurfürsten springt energisch profilierend vor, der fest geschlossene Mund und das willenskräftige Kinn haben etwas Aggressives, das groß in die Ferne blickende Auge wirkt weithin, in dem Kontur des en face gesehenen Gesichts ist eine eigene Mächtigkeit, der Kopf ist wie von den Wettern des Schicksals gehärtet. Jede Form ist eindeutig. Die Haartracht hält die Mitte zwischen natürlichem Wuchs und Allongeperücke, der Kopf ist Bildnis und zugleich Herrschertypus, ist charakteristisch und idealisiert (Titelbild und Abb. 14). Glücklich ist das Kostüm gewählt. Es ist eine antikische Tracht, eine reich verzierte Rüstung mit darüber geworfenem Mantel; doch lässt nichts an Verkleidung oder Kostümkunde denken, an Rom so wenig wie an das 17. Jahrhundert. Das Kostüm macht die Gestalt zeitlos, das heißt in diesem Fall: dauernd aktuell. Allerdings ist ihm, ebenso wie der Gebärde, etwas szenarisch Gesteigertes eigen, doch ist dieses nicht erkünstelt, sondern, ebenfalls im Sinne des Gattamelata, eine höhere Wirklichkeit. Das Pferd ist von einer schweren Rasse. Alles daran ist Muskel und schnaubende Aktivität. Es schreitet ruhig, doch unaufhaltsam, den mit ihm verwachsenen Reiter mühelos tragend. In Mähne und Schweif spielt der Gegenwind, die Adern schwellen unter der Haut, die gezügelte Erregung, wie sie vor allem im Kopf und Hals zum Ausdruck kommt, weist auf streitbare Überkraft (Abb. 5). Obwohl nicht nur der Reliefschmuck des Brustpanzers (Abb. 4) — eine Kriegsgöttin mit zwei Gefangenen — , sondern jede Schnalle und Agraffe der genauesten Sonderbetrachtung standhalten, ist der Blick für das Ganze nirgends in Frage gestellt. Alles ist seiner Bedeutung gemäß behandelt. Entscheidend bleibt das mächtige Spiel der Flächen, die Kraft des Formverbandes, die Standfestigkeit des Ganzen und die souveräne Behandlung der Oberfläche. Das Denkmal ist ganz Rundplastik, es wirkt von allen Seiten, als wäre es nur für diesen Standpunkt konzipiert. Dass Schlüter den Großen Kurfürsten mit Augen nie gesehen und nach Bildnissen gearbeitet hat, ist der Einheitlichkeit zugute gekommen. Nichts lenkt von der Gesamtvorstellung ab; in der ungezwungensten Weise ist ein groß gesehener Mann heroisiert worden.

Die Sockelfiguren sind bewegter gebildet und lassen dadurch die gespannte Ruhe des Reiters um so eindrucksvoller erscheinen (Abb. 6 — 9). Dargestellt ist das stille Brüten, die leidenschaftliche Ungeduld, das ohnmächtige Flehen und die Ergebung von Besiegten, in den Lebensaltern von Jüngling, Mann und Greis, dargestellt ist der dramatische Kontrast von Kraft und Ohnmacht, von gebeugten und aufrechten Formen. Schlüter berührt darin freilich ein Äußerstes; ein Schritt weiter, und die Bewegung wäre zur Unruhe ausgeartet. So war es, zum Beispiel, ein Wagnis, die Füße der beiden vorderen Gestalten über die Sockelstufen hinausragen zu lassen und damit die imaginären Kompositionsgrenzen zu missachten.

Einen besonderen Anteil verdient der Marmorsockel mit seinen kräftigen Profilen, mit den schönen Eckvoluten und mit der von einer Kronenkartusche überragten bronzenen Schrifttafel (Abb. 10).

Die gegenwärtige Art der Aufstellung ist nicht ganz richtig. In den Jahren 1812 bis 1817 ist der Fußboden der Brücke erhöht worden. Dadurch sank das Denkmal zu tief ein. Die Folge war, dass für den vorgestreckten Fuß der linken Sockelfigur der Fußboden etwas ausgehöhlt werden musste. Dieser Fehler wurde 1896 bei der Verbreiterung und Umgestaltung der Brücke verbessert. Doch wurden nun statt der beiden von Schlüter vorgesehenen Stufen gleich vier dem Denkmal treppenartig untergeschoben. Dadurch ist es zu sehr erhöht worden. Zu wünschen bleibt, dass die ursprüngliche Form einst wiederhergestellt werde (Abb. 1 und 2).

Das Denkmal hat in den verflossenen Jahrhunderten die Gestalt des Großen Kurfürsten popularisiert. Acht Generationen haben es erlebt, jede in ihrer Art und doch insofern gleichartig, als die Vorstellung des Bildhauers Gemeingut geworden und die der Nachlebenden bestimmt hat. Ähnliches geschah im 19. Jahrhundert, als der Zeichner Adolph Menzel Friedrich den Großen zum Gegenstand einer künstlerischen Heldenverehrung machte. Auch in diesem Fall zwang die geniale Phantasie eines Künstlers das ganze Volk, die geschichtliche Person Friedrichs mit ihren Augen zu sehen. In einem solchen Vorgang wird etwas von der Mission des großen Talents erkennbar. Beide Male trafen zwei bedeutende Menschen aufeinander, ein Herrscher und ein Künstler. Sie verherrlichten sich gegenseitig; denn so gesehen hat Friedrich auch Menzel, hat der Große Kurfürst auch Schlüter verherrlicht. Der Bildhauer war von seinem Gegenstande voll, er bewunderte gestaltend. Darum vermochte er und vermag er noch heute zu packen; er konnte eines der wenigen Werke der Plastik schaffen, die aufs edelste volkstümlich geworden sind, ein Werk, das mit den besten plastischen Gestaltungen aller Jahrhunderte wetteifert und in dem die höchste Kraft europäischer Bildnerei siegreich zu Tage tritt.

Karl Scheffler.

015. Andreas Schlüter, Kopf des Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Homburg. Von der Bronzebüste in Schloss Homburg v. d. Höhe.

015. Andreas Schlüter, Kopf des Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Homburg. Von der Bronzebüste in Schloss Homburg v. d. Höhe.

016. J. G. Wolfgang, Bildnis des Gießers Johann Jacobi. Kupferstich nach dem Gemälde von Wenzel.

016. J. G. Wolfgang, Bildnis des Gießers Johann Jacobi. Kupferstich nach dem Gemälde von Wenzel.

003. Donatello, Das Reiterstandbild des Gattamelata in Padua

003. Donatello, Das Reiterstandbild des Gattamelata in Padua

014. Andreas Schlüter, Kopf des Großen Kurfürsten. Seitenansicht

014. Andreas Schlüter, Kopf des Großen Kurfürsten. Seitenansicht

008. Andreas Schlüter, Gefesselter Sklave vom Sockel des Denkmals

008. Andreas Schlüter, Gefesselter Sklave vom Sockel des Denkmals

009. Andreas Schlüter, Gefesselter Sklave vom Sockel des Denkmals

009. Andreas Schlüter, Gefesselter Sklave vom Sockel des Denkmals

010. Andreas Schlüter, Der Sockel des Denkmals

010. Andreas Schlüter, Der Sockel des Denkmals

001. Andreas Schlüter, Das Denkmal des Großen Kurfürsten. Alte Aufstellung

001. Andreas Schlüter, Das Denkmal des Großen Kurfürsten. Alte Aufstellung

002. Andreas Schlüter, Das Denkmal des Großen Kurfürsten. Neue Aufstellung

002. Andreas Schlüter, Das Denkmal des Großen Kurfürsten. Neue Aufstellung

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