Das Denkmal des Großen Kurfürsten in Berlin von Andreas Schlüter
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Für den Auftrag kam, nachdem Andreas Schlüter berufen war, kein anderer mehr in Frage. Zwei Kraftmenschen begegneten einander, und jeder steigerte den andern. Schlüter stand, als er die große und, wie alles Große, gefährliche Aufgabe übernahm, auf der Höhe seiner Lebenskraft. Leider wissen wir wenig vom Leben dieses seltenen Künstlers; es ist um so bedauerlicher, als dieses kraftvoll-tragische Leben in allen Einzelheiten bekannt zu sein verdiente. Das Geburtsjahr ist strittig. Einige geben das Jahr 1660 an, andere das Jahr 1664. Als Geburtsort wird Hamburg genannt, doch steht fest, dass Danzig die Jugendheimat wurde. Die ersten Kunsteindrücke sind vor den Formen des schweren, niederländisch beeinflussten Danziger Barocks erlebt worden. Schlüters Lehrer wurde der in Danzig arbeitende, aus der Pfalz stammende Bildhauer David Sapovius, der später von seinem Schüler nach Berlin berufen wurde und dort starb. Die Wanderjahre bleiben dunkel. Die ersten nachweisbaren selbständigen Arbeiten finden sich in Warschau; sie sind unter der Regierung Johann Sobieskis und wahrscheinlich in dessen Diensten entstanden. Schlüter muss sich dort den Ruf erworben haben, der ihm vorausging, als er 1694 nach Berlin berufen und als Hofbildhauer angestellt wurde. Die mit ihm konkurrierenden Niederländer überflügelte er schnell. In den Jahren 1695 und 1696 sind kurze, aber ergebnisvolle Reisen in Frankreich, den Niederlanden und Italien nachweisbar. Ein solches Talent braucht auf die Vorbilder nur kurz hinzublicken, um sich gleich das Entscheidende anzueignen. Zu den ersten Berliner Arbeiten gehörten die Zierschilder der ihrer Vollendung entgegengehenden Langen Brücke, die prachtvollen dekorativen Helme und Kriegermasken des noch im Bau befindlichen Zeughauses und das Standbild Friedrichs III., von dem bereits die Rede war. Im Jahre 1696 begann Schlüter dann mit den Entwürfen für das Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten. Dieser Auftrag und der Stil, in dem er bewältigt wurde, erhöhte Schlüters Ansehen so, dass er auch als Baumeister einflussreich wurde. Nach dem Tode Nerings übernahm er nicht nur die Bauleitung des Zeughauses, sondern wurde 1699 auch Schlossbaudirektor und schuf mit dem neuen Schloss ein Bauwerk, das ihn als Baumeister ebenso unsterblich macht wie den Bildhauer das Kurfürstendenkmal (Abb. 12). Die Leitung des Zeughauses musste Schlüter freilich nach wenigen Jahren wieder abgeben, weil ein Einsturz vorkam. In den Jahren 1701 bis 1704 erbaute er, hart neben dem Kurfürstendenkmal, die „Neue Post“, die erst am Ende des 19. Jahrhunderts abgerissen worden ist. Anschließend beschäftigte sich der universale Künstler mit einer städtebaulichen Behandlung der Spreeufer. 1701 wurde er Mitglied der auf eine Anregung von Leibniz gegründeten Akademie der Wissenschaften, in den Jahren 1702 bis 1704 war er Direktor der Berliner Akademie. Neben dem Schlossbau liefen kleinere Bauaufträge. Die Zeit der höchsten Hofgunst bezeichnet das Jahr 1705: Schlüter wurde Oberbaudirektor für alle Bauten in Berlin und Potsdam. Auch der Bildhauer war nicht müßig: er hat das Grabmal für den Hofgoldschmied Daniel Männlich in der Nikolaikirche, die reiche Kanzel der Marienkirche, die meisterhafte Bronzebüste des Prinzen von Homburg und den ergreifenden Prunksarkophag für die Königin Sophie Charlotte geschaffen. Bei deren Tod hat er auch die pomphafte Trauerfeier inszeniert.
Dann trat der Wendepunkt ein. Als Baumeister hatte Schlüter das Unglück oder das technische Ungeschick — es lässt sich schwer entscheiden, welches Wort zutrifft — , dass Teile seiner Neubauten mehrfach einstürzten. Im Jahre 1706 zeigten sich nun auch Senkungen und Risse in dem an der Nordwestecke des Schlosses errichteten „Münzturm“. Sie waren so gefahrdrohend, dass der halbfertige Bau wieder abgetragen werden musste. Dieser dem König empfindliche Zwischenfall gab Schlüters Neidern erwünschte Gelegenheit, gegen ihn zu arbeiten: er fiel in Ungnade und wurde in der Folge amtlich nur noch wenig beschäftigt. Diese Katastrophe überschattete die letzten Arbeiten am Kurfürstendenkmal. Die Enttäuschung stürzte den Künstler in schwere Krankheit. Er, der bisher im Mittelpunkt gestanden hatte, führte nun ein verhältnismäßig verborgenes Dasein in seinem Hause in der Klosterstraße. Wie sich das große Talent aber selbst unter so misslichen Umständen weiterentwickelt hat, zeigt das zwischen 1711 und 1712 erbaute Landhaus für den Minister von Kameke: die Formen neigen einem leichteren Rokoko zu und erscheinen spiritueller als die des schweren Barocks in den Prunkräumen des Schlosses. Sehr eindrucksvoll ist auch der nach dem Tode Friedrichs I. (1713) entstandene Prunksarkophag, ein Pendant zu dem der Königin. Mit dem Tode des Königs waren für Schlüter in Berlin die letzten Fäden zerrissen. Er folgte 1714 einem Ruf an den Hof von St. Petersburg; doch starb er dort bereits im selben Jahre, verbittert, gebrochen und mathematischen Grübeleien hingegeben.
Aufstieg und Niedergang dieses Lebens machen aus Andreas Schlüter eine ergreifende Gestalt: sie scheint leibhaft aus einem Drama Shakespeares hervorzutreten. Eben diese von Tragik bedrohte Menschlichkeit ist dem Denkmal des Großen Kurfürsten jedoch zustatten gekommen: an der siegreichen Form ist etwas Drohendes beteiligt, das die Monumentalität steigert und dem Barock einen Ernst gibt, wie er sonst in diesem prunkvollen Zeitstil kaum irgendwo anzutreffen ist. Es ist derselbe Geist, der dieses Denkmal gebildet und der im Zeughaus das Medusenhaupt, auf dem Sarkophag Sophie Charlottes den schreibenden Tod und im Grabmal Männlich das nach dem Kind greifende Gerippe anschaulich ersonnen hat. Zudem lebt in dem Kurfürstendenkmal ein Abglanz des ungeheuren historischen Wagnisses, das Preußen heißt.
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Scheffler, Karl (1869-1951) Kunstkritiker, Redakteur und Publizist
Schlüter, Andreas Dr. hc.(ca.1660-1714) Architekt und Bildhauer
000. Titelbild: Andreas Schlüter, Kopf des Großen Kurfürsten, Vorderansicht
001. Andreas Schlüter, Das Denkmal des Großen Kurfürsten. Alte Aufstellung
002. Andreas Schlüter, Das Denkmal des Großen Kurfürsten. Neue Aufstellung
003. Donatello, Das Reiterstandbild des Gattamelata in Padua
008. Andreas Schlüter, Gefesselter Sklave vom Sockel des Denkmals
009. Andreas Schlüter, Gefesselter Sklave vom Sockel des Denkmals
010. Andreas Schlüter, Der Sockel des Denkmals
011. C. T. Fechhelm, Die Lange Brücke. Ölgemälde um 1770. Berlin. Hohenzollern-Museum
012. P. Schenck. Stich des Schlüterschen Entwurfs für das Berliner Schloss. Um 1700
013. J. Rosenberg, Ansicht der Langen Brücke mit Schloss und Denkmal. Kupferstich, 1781
014. Andreas Schlüter, Kopf des Großen Kurfürsten. Seitenansicht
015. Andreas Schlüter, Kopf des Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Homburg. Von der Bronzebüste in Schloss Homburg v. d. Höhe.