Kraft, eine der ältesten und angesehensten Familien

Zu den ältesten und angesehensten Häusern der schwäbischen Reichsstadt gehörte im XV. und XVI. Jahrhundert die Familie Kraft. Ihre Altvordern waren Notare oder „Schreiber“ im Dienste hohenstaufischer Könige, des jüngern Heinrich und Konrads IV. gewesen. Sie besaßen ein Haus in Ulm, den Salmansweiler Hof, der von ihnen an das Kloster Salmansweil, später, im Jahre 1274, an das Kloster Reichenau überging. Nach jenem kaiserlichen Amte hieß die Familie zuerst Schreiber, da aber der Name Kraft oder Krafto in derselben häufig wiederkehrte, wurde dieser der Geschlechtsname.

Aegidius und Otto Kraft gründeten im Jahre 1355 die Dreikönigskirche in Ulm, der Bürgermeister Ludwig Kraft legte am 30. Juni 1377 den Grundstein zu dem Ulmer Münster, und noch jetzt bewahrt dieser seinen Denkstein. Ulrich und Konrad Kraft, Gebrüder, waren in der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts Pfarrer am Münster und halfen die Reformation vorbereiten. Im folgenden Jahrhundert war Johann Kraft von Dellmensingen Bürgermeister in Ulm, später, nachdem Kaiser Karl V. die Verfassung von Ulm im Jahre 1548 gestürzt hatte, der Stadt Gesandter auf den Tagen zu Worms, Augsburg und Naumburg und starb als Ratsälterer am 17. März 1577. Zu seinen sechs Söhnen gehörte unser Hans Ulrich, geboren am 25. März 1550.


Der Vater bestimmte ihn für den Kaufmannsstand, ließ ihn früh im Deutschschreiben, Lesen und Rechnen unterrichten und schickte ihn in seinem 12. Jahre zu Hieronymus Imhof nach Augsburg in die Lehre. Von hier begab er sich nach Lyon und Florenz, wo er seine kaufmännische Bildung vollendete und die französische und italienische Sprache erlernte. In Florenz war es, wo er viel erzählen hörte von dem Morgenlande und seinen Sitten, und es erwachte in ihm der Wunsch, auch „in dergleichen orientalische Gegenden zu geraten,“ Im Jahre 1573 trat er deshalb in den Dienst des damals sehr blühenden Mannlich'schen Hauses in Augsburg und reiste als dessen Faktor nach Syrien, doch hatte er hier noch nicht lange seine Tätigkeit begonnen, als sein Handelshaus fallierte und er, weil er sich für die übernommenen Waren mit verbürgt hatte, in Tripolis gefangen gesetzt wurde.

Nach drei Jahren endlich befreit, kehrte er im Jahre 1377 nach Europa zurück, reiste noch zehn Jahre meistens in fremden Diensten in Österreich, Schlesien und Polen, wurde dann Pfleger des ulmischen Amtes zu Geislingen und feierte zu gleicher Zeit am 24. Oktober 1587 im Salmansweiler Hofe seine Hochzeit. Hier verfasste er im hohen Alter eine Beschreibung seiner Reisen und seiner Gefangenhaltung, und widmete dieses Buch seinen Söhnen Raimund, Christoph Eglof und Hans Ulrich. Im Jahre 1861 wurde dasselbe aus der Original-Handschrift unter dem Titel „Reisen und Gefangenschaft des Hans Ulrich Kraft“ von Dr. Haßler in Ulm herausgegeben und im Jahre 1862 von Adolph Cohn in unserer heutige Sprache übertragen.