Handelreise in die Türkei

Von einem Metzger geleitet, — Metzger übernahmen damals gewöhnlich die Boten- und Postdienste — mit Geld reichlich versehen, mit einer schön vergoldeten, dreiläufigen Jagdbüchse und zwei schönen schlagenden Uhren ausgerüstet, die in der Not zu Geschenken an fremde Befehlshaber bestimmt waren, ritt er lustig über die Iller, nach Schafshausen, Kaiserstuhl und Baden. Unterwegs fragte ihn der Begleiter, ob es denn wirklich wahr sei, dass er in die Türkei reise? Als er fröhlich erwiderte, in drei bis vier Monaten hoffe er in Jerusalem oder doch nicht weit davon zu sein, fragte Jener treuherzig, was ihn denn für eine Not zu einer solchen weiten Reise treibe, ob er sich etwa in Jerusalem verheiraten wolle?

In Baden besuchte er vor Allem das berühmte Bad, das seinen vom Postreiten versteiften Gliedern sehr wohl tat. Nachdem er mit seinem Gefährten etwa 1 1/2 Stunde — man badete damals stets mehrere Stunden — im Bade gewesen war, ward er von zwei Ratsherren unter einer schönen, breitästigen Linde mit trefflichem Wein bewirtet und von einer französischen Gräfin zu einem Besuche eingeladen. Er traf sie im Bade sitzend, von einem Knaben und einem Mädchen bedient. Sie unterhielt sich sehr vertraulich mit ihm, gab ihm Briefe mit an den Gouverneur von Lyon und an den Kardinal von Avignon und lud ihn zum Abendessen ein. Kraft aber schlug diese Einladung aus und ritt noch denselben Abend nach Aarau, den andern Tag nach Solothurn. Da er hier durch das Fronleichnamsfest aufgehalten wurde, nahm er eine Einladung des französischen Botschafters zum Mittagsmahl an und wurde von demselben mit großer Achtung behandelt. Er saß zwischen dem Botschafter und einem deutschen Edelmann, der es sich angelegen sein ließ, den Ulmer zu verspotten, indem er behauptete, der König von Frankreich sei stets von den Schwaben schlecht bedient worden. Kraft aber erwiderte, die königl. Majestät von Frankreich sei den oberdeutschen Städten Augsburg, Nürnberg und Ulm etliche Tonnen Goldes schuldig, und welche andere Staaten denn wohl in gleicher Weise dem Könige gedient hätten oder nur dienen könnten? Da schwieg der Edelmann und der Botschafter war wohlzufrieden mit der Antwort. —


In Peterlingen, wohin Kraft nach Mitternacht kam, weigerte sich der Postmeister, seine zwei Schimmel, die als gute Postpferde bekannt waren, herzugeben. Als Kraft zwei Goldkronen auf den Tisch legte, meinte Jener, die eine sei nicht vollwichtig, doch Kraft erwiderte: „Die ist so gut wie Euer Pferd.“ Da sprang der Postmeister zornig nach seinem breiten Schweizerdegen und fragte drohend, ob er auch so gut sei, wie die Goldkrone? Kraft aber hielt ihm die Jagdbüchse entgegen und warnte, nicht näher zu kommen. Ein anwesender kleiner Mann sprang behend dazwischen und versöhnte die Beiden, und als nun Kraft zwei Maß vom allerbesten Wein spendete, ließ denn auch der Postmeister seine Schimmel satteln. Wohlberitten kam Kraft noch denselben Vormittag über Lausanne nach Genf, wo er Melchior Mannlich, seines Herrn Sohn, der nach Augsburg zurückreiste, traf und von ihm Briefe an Anton Mannlich, den Bruder desselben in Marseille, mitnahm. In Lyon aber traf ihn die Nachricht, dass Anton Mannlich in Marseille gestorben sei: da konnte er nicht einmal seinen früheren Lehrherrn aufsuchen, sondern ritt sogleich mit Postpferden über Vienne auf Avignon. Ohne Abenteuer kam er glücklich bis Montelimart.

Als er hier in Begleitung eines französischen Edelmanns eine Anhöhe hinaufritt, sahen sie plötzlich vor sich 12 gascognische Hakenschützen aufgestellt, welche Miene machten, die beiden Reisenden, die sie wegen ihrer deutschen Tracht für feindliche Hugenotten hielten, von den Pferden zu schießen. Nachdem sie sich zu erkennen gegeben hatten, durften sie ungehindert weiter reisen und erfuhren nun von den Hakenschützen, dass ihnen ein Trupp von 25 Reitern, wahrscheinlich um sie auszuplündern, nachgeritten sei, der sich aber beim Anblick der Schützen zurückgezogen habe. So einer doppelten Gefahr glücklich entronnen, erreichte Kraft am 29. Mai St. Esprit, das er von französischen Soldaten angefüllt fand, welche von der fruchtlosen Belagerung der Stadt Rochelle zurückkehrten.

Das hugenottisch gesinnte La Rochelle hatte sich unter dem Schutze Englands zur Republik erklärt. Wiewohl von der einen Seite durch den Herzog von Anjou belagert, von der Hafenseite durch de la Garde bedrängt, verteidigte sich die Einwohnerschaft aufs Mutigste und ihr Heldenmut ließ sich nicht schrecken, als eine überlegene Flotte vergebens sich bemühte, de la Gardes Blockade-Geschwader zu vertreiben. Die Ausdauer der wackern Bürger fand ihren Lohn: die Belagerung La Rochelles musste aufgegeben werden.

Hier nun sollte Ulrich ein mit spanischem Wachs sorgfältig versiegeltes Päckchen, das ihm seines Herrn Faktor, Oswald Sengen zu Lyon, mit großer Ängstlichkeit übergeben, abliefern. Kraft hatte geglaubt, es befänden sich kostbare Edelsteine darin, und hütete es aufs Beste. Als es nun in seiner Gegenwart geöffnet wurde, erblickte er nur Schusser und Märbel, worüber er, so arg es ihn auch zuerst verdross, doch herzlich lachen musste. — Lange vermochte er nicht zu Rochelle zu verweilen: aus Besorgnis vor neuen hugenottischen Unruhen fuhr er mit dem Edelmann von St. Esprit zu Schiff auf der Rhone gen Avignon, wo er vom Kardinal, dem er seine Briefe übergab, sehr leutselig und ehrenvoll aufgenommen und mit trefflichem Wein in vergoldetem Gefäße erquickt wurde. Die Einladung, im Palast zu übernachten, schlug Kraft aus und machte sich sogleich auf den Weg nach Marseille, wo er am 30. Mai um 1 Uhr Mittags glücklich ankam.