Famagusta, der Stadthalter und sein Schicksal

Vom 18.—22. Oktober hielt sich Kraft in Famagusta auf. Durch die Vermittlung seines jüdischen Dolmetschers und eines Griechen, Bernhardin Martinengo, wurde er von dem Bey mit Auszeichnung behandelt, zu Tische geladen und erhielt die Erlaubnis, nach Belieben in und um Famagusta Alles besichtigen zu dürfen. Daher verehrte ihm Kraft vier Ellen braunes englisches Tuch, 6 Dukaten im Wert. Ungehindert besah er nun die Stadt, die Ringmauern mit den Türmen und Basteien, die alle mit Geschütz wohl bewahrt waren, die beiden Kastelle und den Hafen, den des Nachts eine starke Eisenkette verschloss, welche von einem festen Turme aus zu gleicher Höhe mit dem Wasser aufgezogen wurde, am Tage aber auf dem Grunde des Meeres lag. Die Bewohner der Insel traf unser Reisender überall in großer Armut uud harter Dienstbarkeit, aller Waffen beraubt. Die Reichsten hatte man nach Einziehung ihrer Güter hinweggeführt und nur Wenige waren von Allem entblößt zurückgekehrt. Die schönsten Häuser hatten die Türken an sich genommen, die Cyprioten selbst wohnten in elenden, niederen Hütten. Martinengo zeigte mit weinenden Augen auf sein früheres stattliches Wohnhaus, auf das er jetzt nicht einmal mit dem Finger deuten durfte, aus Furcht, bei den Türken Argwohn zu erwecken. 7.000 wehrhafte Türken hielten 40.000 wehrlose Christen in Knechtschaft. So sehr sich der Sultan Mühe gab, auf die noch vor Kurzem gleich einem prächtigen Garten angebaute, jetzt aber ganz verödete Insel neue Bewohner durch mancherlei Vergünstigungen hinüber zu ziehen, so hatte doch sein erster Statthalter durch Tyrannei und Raubgier Alle abgeschreckt. Freilich hatte den Pascha dafür auch die Strafe erreicht. Als er auf die erste Warnung von seiner Räuberei nicht hatte lassen wollen, schickte der „Beherrscher der Gläubigen“ einen Tschausch, d. i. einen vertrauten, vom tiefsten Geheimnis umgebenen Kriegsobersten, an ihn ab, dem Alle, bei denen er erschien, im Namen des Sultans unbedingt gehorchen mussten. Auf geradestem Wege eilte der Abgesandte ganz allein von Konstantinopel nach Nicosia, fand den Pascha inmitten einer glänzenden Hofhaltung und begrüßte ihn in ehrfurchtsvoller Weise. Nachdem er sich jedoch als Tschausch zu erkennen gegeben und die Beamten des Paschas mit der trotzigen Weisung: „Packt Euch, packt Euch!“ weggeschickt hatte, zog er den Brief seines Gebieters aus seinem Turban und las dem erschrockenen Statthalter vor, dass der Kaiser seinem ungehorsamen Diener befehlen lasse, an ihn, den Sultan, den Kopf des Ungetreuen durch den Überbringer der kaiserlichen Botschaft zu übersenden. Der Pascha wählte, da ihm der Tod durch Gift oder Säbel frei gestellt wurde, das Gift und empfing nun von dem Tschausch aus einer kleinen Flasche einen Trank, der seinem Leben ein schnelles Ende machte. Nun rief der Tschausch die Räte des Hingerichteten wieder zusammen, setzte den Desterdar oder Schatzmeister zum Statthalter ein, steckte den abgeschnittenen Kopf des Toten in seinen rosshärenen Ranzen und eilte nach der Mahnung, sich ein Beispiel an dem Schicksal des Pascha zu nehmen, da Gott und der Sultan kein Unrecht unbestraft lassen, eben so schnell und auf demselben Wege, den er gekommen, wieder von dannen, von der Zustimmung und dem Jubel des Pöbels, der die Steigbügel und die Hufe des Pferdes küsste, geleitet. In Stambul musste er durch sieben Personen beweisen, dass der überbrachte Kopf der des verurteilten Paschas sei, darauf trat er in seine frühere Stellung zurück. Das Vermögen des Getöteten ward eingezogen, während dessen Kinder unter die übrigen Paschas zur Erziehung für den kaiserlichen Dienst verteilt wurden.


Durch jenen Wüterich war die fruchtbare, ehemals so blühende Insel in eine Wüstenei verwandelt worden. In den verödeten Garten war kaum noch ein Baum zu sehen, nur Sträucher waren stehen geblieben. Unter diesen erregten große spannenlange Zitronen, welche von den Türken gering geschätzt wurden, Krafts Verwunderung. Vor Eintritt der türkischen Herrschaft waren sie von den Cyprioten in großer Menge in Zucker und Honig eingemacht und nach Venedig verfahren worden. Jetzt hingen sie unbenutzt an niedrigen, scheinbar schwachen Stauden: doch so schwer die Früchte auch waren, sie vermochten es doch nicht, das Gesträuch bis zum Boden herabzuziehen. Zwischen diesen Zitronensträuchern wuchs auch das Johannisbrot an fast ganz blätterlosen Bäumchen, so dass die Früchte bei jedem Windstoß klappernd an die Äste schlugen. Hinsichtlich der Behandlung des Getreides beobachtete Kraft, dass es auf dem offenen Felde von Pferden und Ochsen ausgetreten und dann sogleich eingegraben ward, damit es bei der großen Hitze sich frisch erhalte. Bei Salines sah er auf einem weiten ebenen Platze die Salzgruben. Sie waren mit einer etwa einen Fuß dicken Salzkruste, die einer weißen Eisdecke glich, bedeckt. Darüber leitete man das Meerwasser durch Gräben herein, bis alle Gruben gefüllt waren. Sobald das Wasser abgedampft und das Salz zurückgeblieben war, war auch das Salz fertig. Man grub es nun bis auf eine einen Fuß hohe Schicht wieder heraus, bildete daraus Salzhaufen, hinter denen sich recht wohl ein Mann mit seinem Ross verbergen konnte, und verführte es zu einer durch den Sultan festgesetzten Taxe über Land und Meer. Bis zum Jahre 1571 hatten die Venetianer aus diesen Gruben jährlich 20—30.000 Dukaten gelöst, jetzt aber Mussten sie das Salz vom Sultan teuer erkaufen.


Die vornehmste Kirche in Famagusta hatten die Türken in eine Moschee umgewandelt und nur die kleine und alte St. Georgenkirche war den Cyprioten geblieben. Auf dem Kirchhof dieser letzteren besuchte Rauwolf mit Kraft das Grab seines Bruders, der in Cypern, wo er Wolle für sein Haus einkaufen sollte, in Folge der heißen, schweren Weine am Fieber gestorben war. In der Kirche von St. Georg hielten die Cyprioten ihren Gottesdienst ganz stille, ohne Sang und Klang, damit keinem Muhamedaner, wenn er vorüber ging, ein Ärgernis bereitet werde. „Gott gebe,“ schließt Kraft diesen Teil seiner Schilderung, „dass die Insel ihre Fruchtbarkeit wieder erlange und in die Hände rechter Christen komme.“