Besuch des Libanon

Auch nach dem Libanon ritt Kraft während seines sechsmonatlichen Aufenthaltes in Tripolis. In Gesellschaft von zwei Italienern und neun Franzosen machte er sich am 18. April 1374, mit Proviant und Wein wohl versehen, dahin auf den Weg. Sie ritten durch wohlbebaute Getreidefelder, Weingärten und Olivenwälder, welche die geknechteten Eingeborenen für die arbeitsscheuen Türken pflegen mussten, vorbei an armseligen, elenden Dörfern, dann wieder über schöne grüne Wiesen, wo sie bei erfrischendem, köstlichem Wasser ein fröhliches Mittagsmahl hielten, hierauf zu dem Kloster U. L. Frauen. Hier wurde ihnen so starker Wein vorgesetzt, dass sie ihn nur mit vier Fünfteilen Wasser vermischt trinken konnten.

Nachdem sie sich etwas gestärkt, besahen sie sich den Weinkeller, wo der Wein in mannshohen irdenen Krügen, die nur schlecht mit Brettern zugedeckt waren, aufbewahrt wurde, desgleichen die von büßenden Christen hier angelegten Felsenhöhlen: dann bereiteten sie sich auf dem Fußboden der Kirche ihr Nachtlager, bestehend aus hartem Unterbett, und dürftigen Decken. Das ungewohnte Geläute der hier allein erlaubten zwei Glocken erweckte sie wieder aus dem Schlafe und sie sahen jetzt fünf alte Nonnen an Krücken herankommen und vor dem Altar stehend ihr Nachtgebet verrichten. Nachdem am Morgen Kraft mit Kreide seinen Namen zum Gedächtnis hinter den Altar geschrieben hatte, erklommen sie auf ihren stolzen Rossen noch manchen steilen Bergweg, bis sie zu den berühmten Zedern gelangten.


Sie zählten derselben aber nur noch 27 und auch unter diesen waren drei schon im Absterben. Unter der stärksten Zeder hielten sie ihr Mittagsmahl und wässerten ihren Wein mit Schnee, denn Wasser war hier oben nicht zu finden. Ringsherum sahen sie keinen andern Baum, recht wohl aber bemerkten sie, dass hier früher ein stattlicher Wald gestanden habe, dessen schönste Säulen Salomo auf dem nahen, jetzt fast versiegten Gebirgsbach zu seinem Tempelbau herunterschaffen ließ. Beim Hinabsteigen genossen sie eine wundervolle Aussicht über das ganze Gebirge, über das weite Meer und den Hafen von Tripolis. Auf dem steilen Wege hatte Kraft das Unglück, zu fallen, und er wäre sicherlich in die Tiefe gestürzt, wenn er sich nicht behend auf den Bauch geworfen und mit den Händen im Boden festgeklammert hätte. Im Kloster erlangten sie durch Geld und List zwei fette Zicklein, die von zwei Franzosen so vortrefflich gebraten wurden, dass Kraft niemals besseren Braten essen zu können vermeinte.

Am nächsten Tage kehrte die Gesellschaft nach Tripolis zurück, wo Kraft nicht nur das lang' erwartete Schiff „St. Christina“ fand, sondern auch den Ludwig Lutz, der sechs Monate in Aleppo krank gewesen war. Darüber höchlichst erfreut, steigerte sich das Behagen unseres Reisenden zum Entzücken, als er erfuhr, dass ihm seine Prinzipale mit dem Schiffe eine trefflich zubereitete Lagerstelle geschickt, versehen mit trefflichen Betten, Kissen, Decken und schönen Vorhängen, ausgestattet wie ein französischer Pavillon, eine Auszeichnung, über welche seine Gefährten freilich nicht geringen Verdruss empfanden.