Vorwort

Der Text der vorliegenden Publikation sollte ursprünglich aus kurzen erläuternden Notizen zu den Abbildungen bestehen.

Bei der Ausarbeitung erschien es mir mehr und mehr zweifelhaft, ob damit den Wünschen und Bedürfnissen des Leserkreises, an den sich die Darstellung wendet, entsprochen wäre.


Da das Werk ausschließlich für die Mitglieder des Kunstvereins bestimmt ist, und da ich nicht die Absicht habe, es später in den Buchhandel zu geben, lag keinerlei Hindernis vor, es dem Zweck in Anlage und Ausführung nach Kräften anzupassen. Ich habe mich deshalb überall gefragt, was wohl den Nichtfachmann zu wissen interessieren könnte, was ihm von Nutzen und was, als bloße Notiz, überflüssig erscheinen dürfte, und schließlich, welche Fingerzeige ihm helfen könnten, sich in die historische und künstlerische Beobachtung des Bildnisses selbständig hineinzuarbeiten.

Die Folge war eine vollständige Umgestaltung des Planes.

In einer längeren Einleitung über Bildnis und Bildnismalerei ist der Versuch gemacht worden, in die soziale, politische und künstlerische Funktion des Bildnisses einzuführen und die Mittel zu einer selbständigen Beobachtung des sachlichen Inhalts zu geben, dessen Bewältigung hier wie überall die Voraussetzung des künstlerischen Genusses bildet.

Ebenso erhielten die einzelnen Abschnitte längere oder kürzere orientierende Einleitungen, die immer darauf berechnet sind, Material und Methode für ein selbständiges Einarbeiten an die Hand zu geben. Als Anhang kamen sodann kurze Abschnitte über Miniaturmalerei, Silhouette, Kupferstich, Lithographie und Daguerreotypie hinzu.

Bei den Künstlern konnte es nun nicht mit der Aufzählung der Daten und Lebensumstände sein Bewenden haben. Es musste der Versuch gemacht werden, jeden einzelnen aus seinen Werken zu charakterisieren. Die Art der Behandlung richtete sich nach dem Material. Genügten die noch vorhandenen Bildnisse, so ist darüber nicht hinausgegangen. Wo bei einem so hervorragenden Künstler wie Matthias Scheits die Bildnisse fast sämtlich verloren gegangen sind, wurden die übrigen Werke zur Charakteristik herangezogen. Künstler, deren Wirken nur literarisch oder traditionell bezeugt ist, sind im allgemeinen weggelassen. Eine Ausnahme macht u. a. Elias Galli, der nach der mündlichen Tradition sehr bedeutende Bildnisse gemalt haben soll, und von dem an bezeugten Originalen fast nichts nachzuweisen war.

Überall habe ich, soweit irgend möglich, unterdrückt, was nur den Gelehrten angeht, was nur Notiz ist.

Der Umfang des Werkes hat sich trotzdem von den ursprünglich angenommenen acht bis zehn Bogen auf etwa fünfundfünfzig erweitert, und die Zahl der Abbildungen musste verdreifacht werden. Dem Vorstande des Kunstvereins fühle ich mich zu großem Dank verpflichtet, dass er die erheblichen Opfer, die diese Umwandlung erforderte, nicht gescheut hat, und dass er den auf Weihnacht 1897 berechneten Termin der Fertigstellung des Werkes aus Rücksicht auf meine sehr beschränkte Müsse hinausgeschoben hat.

Wie es nun vorliegt, ist es kein Werk der Kunstgeschichte, sondern der Kunstpflege. Sein Zweck liegt nicht in der Vermehrung und Verbreitung kunsthistorischen Wissens, sondern in der Pflege der Fähigkeit und der Gesinnung, die die gegenwärtige und die kommende Kunst tragen sollen. Ist das Bewusstsein in Hamburg erst einmal vorhanden, dass wir eine alte, reiche und bedeutende künstlerische Vergangenheit haben, so lässt es sich wohl unschwer, in Willen umsetzen. „Man soll alles nur wissen, des Tuns willen.“

Dass trotz dieser Einschränkung der kunstgeschichtliche Inhalt manches Neue bietet, liegt an dem bisher so gut wie unbearbeiteten Stoff. Mit Ausnahme der verdienstvollen Publikation über die Lithographie in Hamburg von Dr. Ernst Zimmermann und dem Hamburger Künstlerlexikon des Vereins für Hamburgische Geschichte fehlte es an Vorarbeiten. Von den abgebildeten Kunstwerken sind bisher mit Ausnahme der Bildnisse von Klopstock und Lessing nur einige Lithographien publiziert worden.

Soweit irgend tunlich, habe ich mich auf das Material der Kunsthalle und der öffentlichen Sammlungen Hamburgs beschränkt. Leider ging es nicht überall.

Für die Illustrationen einen einheitlichen Maßstab durchzuführen, was der geschmackvollen Wirkung des Druckes zu gute gekommen wäre, erwies sich als untunlich. Auch ließ es sich nicht einrichten, die Bilder immer dort anzubringen, wo sie im Text behandelt werden. Doch sind sie, soweit möglich, innerhalb des Abschnitts untergebracht, der ihren Urheber behandelt.

Die Versuchung, bei dieser Gelegenheit eine kurze Geschichte der Bildnismalerei zu geben, die, obwohl sehr nötig und nützlich, noch nicht existiert, lag nahe, musste aber abgewiesen werden. Das Hamburger Material ist dafür zu lückenhaft, manche Phasen des Bildnisses fehlen überdies in unserer Kultur gänzlich. Dann aber würde der Standpunkt für die Betrachtung bedenklich verschoben werden, wenn unsere Bruchstücke in den Rahmen einer allgemeinen Geschichte des Bildnisses eingefügt worden wären.

Der Standpunkt für die Betrachtung der heimischen Kunst kann zunächst nur lokal sein, wir laufen dabei zwar die Gefahr, gelegentlich zu überschätzen, aber das ist weniger gefährlich als die bisherige Nichtachtung.

Den Vorsitzenden des Kunstvereins, Herrn Syndikus Dr. von Melle, und Herrn Baudirektor Zimmermann, die nacheinander dieser Arbeit ihr besonderes Interesse bewiesen haben, fühle ich mich aufrichtig verpflichtet.

Für vielfältige Unterstützung bitte ich Herrn Senatssekretär Dr. Hagedorn, Herrn Dr. Walther, Herrn Direktor Professor Dr. Eyssenhardt, Herrn Hauptmann Gaedechens, Herrn H. D. Hastedt, Herrn Arnold Otto Meyer, Herrn Fabrikbesitzer Paul Runge und Herrn Geh. Justizrat Lessing in Berlin, und besonders Herrn Hans Brauneck, sowie allen Besitzern der hier reproduzierten Kunstwerke den Ausdruck aufrichtigen Dankes entgegennehmen zu wollen. —

Zu den hamburgischen Bildnissen des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts sind noch die ganz kleinen Stifterbildnisse der Eheleute Nigel auf dem Kreuzigungsbilde und die des Bürgermeisters Henning Büring und seiner Frau auf der Salbung des Leichnams Christi in der Catharinenkirche nachzutragen. Jenes gehört in die zweite Hälfte des fünfzehnten, dieses in den Anfang des sechzehnten Jahrhunderts.

Burckhardts eben erschienene Abhandlung über das Bildnis konnte ich leider nicht mehr benutzen.

LICHTWARK
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Bildnis in Hamburg. Band 1