Matthias Scheits, tätig von 1650—1700

Von den hamburgischen Künstlern des siebzehnten Jahrhunderts ist Matthias Scheits weitaus der vielseitigste, fruchtbarste und einflussreichste.

Sein Name wird in sehr verschiedener Form zitiert. Er selbst schreibt sich auf seinen Handzeichnungen und Radierungen Scheitz oder Scheits, auch wohl — auf einer Radierung von 1660 — Scheiets. In der Literatur findet sich außerdem die Form Scheutz.


Über seine Lebensdaten ist nichts Näheres bekannt. Seine Handzeichnungen und Radierungen sind durchweg von 1660 bis etwas über 1680 hinaus datiert. Einen ungefähren Anhalt geben die Daten auf den Radierungen, die sein Sohn Andreas nach seinen Zeichnungen ausgeführt hat. Sie beginnen mit 1677. Die Angabe bei Nagler und im Hamburger Künstlerlexikon, dass der „schlafende Schäfer“ 1657 datiert sei, beruht auf einem leicht erklärlichen Lesefehler. Es steht ebenfalls 1677, doch ist die erste Sieben etwas unklar. Nimmt man zwanzig Jahre als das Alter des Sohnes um die Zeit an, wo er dem Vater als Radierer helfen konnte, so erhält man als Jahr der Eheschließung etwa 1655 oder 1656. Da Matthias Scheits vor seiner Niederlassung in Hamburg sich in Holland und Belgien aufgehalten hat, in Holland so lange, dass es ihm bequem war, in sein Exemplar des Schilderboek von K. van Mander Nachträge in holländischer Sprache einzufügen, so dürfen wir kaum annehmen, dass er erst um 1640 geboren sei, wie angegeben wird, sondern müssen sein Geburtsjahr wohl um reichlich ein Jahrzehnt zurücksetzen. Auch über sein Todesjahr gibt es nur die allgemeine Notiz, dass er um 1700 gestorben sei. Die Hauptjahre seiner Tätigkeit in Hamburg dürften in die Zeit von 1660 bis 1690 fallen.

Wer in Hamburg sein Lehrer war, wissen wir nicht. Nach der Tradition soll er sich anfangs an Ph. Wouverman angeschlossen haben, und Ostade, Teniers und Pieter de Laar werden als seine späteren Vorbilder genannt.

Nach seinen Bildern, Zeichnungen und Radierungen haben Rembrandt und Ostade sehr stark auf ihn gewirkt.

Dass er mit der holländischen und vlämischen Kunst sehr genau vertraut war, bezeugen seine Eintragungen in das Schilderboek. Den charakteristischen Passus über Frans Hals zitiert Bode in seinen „Studien“ und fügt dann hinzu:

„Von besonderem Interesse ist, dass die Meister, die er (Matthias Scheits) für sein „Memorial“ unter der reichen Zahl der vlämischen und holländischen Künstler auswählt, außer seinem Lehrer Wouverman noch Rubens und Jordaens, Rembrandt und Frans Hals sind — also gerade die Meister, welche erst jetzt wieder als die Altmeister der vlämischen und holländischen Malerei anerkannt werden, während kein anderes altes Zeugnis sie so klar und ausschliesslich als die Spitzen jener beiden Schulen bezeichnet.“

Nach dieser Äußerung ist es erklärlich, dass in den Gemälden von Scheits Anklänge an die verschiedensten holländischen und vlämischen Meister zu spüren sind. Doch wird seine eigene Art dadurch nicht unterdrückt. Es ist eben unvermeidlich, dass eine Begabung, die aus einem Ort ohne selbstständige sichere Produktion in ein Land hochentwickelter Kunst gelangt, Eklektiker wird.

Als Matthias Scheits nach Abschluss seiner Studienzeit zurückkehrte, traf er nach 1650 in seiner Heimat eine günstige Zeit. Der schwere Druck der Kriegszeit war von den Gemütern genommen. In Hamburg lebte man auf. Es war eine Stimmung wie in der französischen Gesellschaft nach dem Tode Ludwigs XIV. Alles atmete auf und begann das Leben wie ein neugeschenktes Gut zu genießen. Es ist bezeichnend, dass die Schilderung eines Picknicks am Saum eines Waldes von M. Scheits unter dem Namen Watteaus, der sechzig Jahre später die französische Gesellschaft in derselben Stimmung darstellte, in die Sammlung Glitza gelangt war. Der Besitzer hatte freilich den wirklichen Urheber sofort erkannt. Nach seinem Tode wurde das Werk von Frau Pastor Glitza der Kunsthalle als ein Andenken gestiftet. Es hat heute ein ganz besonderes Interesse für uns, dass uns Scheits eine Schilderung der Hamburger Gesellschaft jener Epoche des Aufschwungs erhalten hat, wo Hamburg als Hort der Keime nationaler Kultur in Musik, Literatur und Wissenschaft etwas wie eine Hauptstadt Deutschlands darstellte.

Bei der Begründung der Sammlung zur Geschichte der Malerei in Hamburg wurde auf Bilder von M. Scheits besonders gefahndet. Wilhelm Bode hatte ihn schon länger verfolgt und stellte in liebenswürdigstem Entgegenkommen seine Notizen zur Verfügung. Unter dem Vorrat der Hamburger Bilder erkannte er als ein Werk des Künstlers die Kinder mit dem Vogelnest aus der Johannes Amsinck-Stiftung. Im Laufe der letzten Jahre kamen hinzu ein biblisches Bild — Christus und die Samariterin — , das ich unter dem Namen Benjamin Cuyp im Kunsthandel fand, und das nach der Reinigung das Monogramm des Meisters zeigte, eine Darstellung der Rebekka am Brunnen, drei Gesellschaftsbilder, deren eines das Monogramm trägt, ein Seehafen, eine italienische Ansicht, drei Bilder aus dem Bauernleben und ein Bildnis.

In den Bildern mit religiösen Motiven ist Rembrandts Einfluss von fern zu spüren. Selbständiger verfährt Scheits in den sittenbildlichen Darstellungen aus dem Leben der Gesellschaft und dem des Volkes. Ein sehr großer Unterschied fällt in der Behandlung der verschiedenartigen Motive auf. Es ist, als gehörten die Gesellschaftsszenen einem andern Künstler an. Sie weichen in den Verhältnissen der Figuren zur Landschaft absolut von den Massen auf den Bauernbildern ab, sind zierlicher, amüsanter in der Verteilung, eleganter in der malerischen Gesamthaltung und in den koloristischen Details, sowohl was die Landschaft, wie was die Figuren anlangt. Das eigentliche Blau, das auf den Bauernbildern kräftig genug auftritt, fehlt ganz. Die Qualität der Grün, Mausefarbe, Pfirsichblütenfarbe, Rot und Gelb stehen auf einer weit höheren Stufe. Der malerische Vortrag ist zarter und geistreicher bei aller Kraft.

MATTHIAS SCHEITS
BILDNIS EINES RABBINERS
ÖLGEMÄLDE, KUNSTHALLE

Von großer Feinheit sind die Motive der Bewegung. Die Vorwürfe sind einander ähnlich. Es sind Picknicks am Waldesrande. Auf der reichsten dieser Kompositionen, einem Geschenk des Herrn Geheimrat Heye, „Wein, Weib und Gesang“ betitelt, führen die jüngeren Leute ein Konzert im Freien auf. Wir dürfen uns vor diesem Bilde an die leidenschaftliche Liebe zur Musik erinnern, die schon damals in Hamburg herrschte, und die 1677 zur Gründung der Oper in Hamburg führte. Die Laute, die der Jüngling auf den Knien hält, ist vielleicht schon ein Erzeugnis des berühmten hamburgischen Instrumentenbaues, dessen Existenz und Bedeutung erst in unseren Tagen durch Friedrich Chrysander wieder aufgedeckt worden ist, und an den nunmehr eine von Justus Brinckmann gegründete Abteilung in unserm Museum für Kunst und Gewerbe erinnert.

Im Hintergrund wartet die Equipage. Sie soll die Gesellschaft zur Stadt zurückbringen, deren ferne Silhouette den Horizont belebt. Einmal sieht man in der Ferne über Bäumen das rote Dach eines Landhauses, wie uns aus jener Zeit noch eins am Kirchweg bei Teufelsbrücke erhalten ist.

Gegen diese Gesellschaftsbilder treten die Bauernbilder äußerlich etwas zurück. Sie sind weder so kräftig und satt, noch auch so delikat in der Farbe. Aber dafür überrascht ein sehr lebendiger Humor, der in seinem Reichtum an Beziehungen an Jan Steen erinnert, ohne jedoch bloß Reflex zu sein. Es ist eigenes Licht darin. Dieser Humor leuchtet auch aus dem für die Epoche sehr bemerkenswerten Bild der Kinder mit dem Vogelnest. Gleich manchen anderen Zügen bei Scheits berührt dies Motiv wie eine Vorahnung von Stoffen, die der Stimmung einer weit späteren Epoche entsprechen.

Von keinem hamburgischen Meister des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts gibt es so viele und so interessante Handzeichnungen. Offenbar wurden sie bereits bei Lebzeiten des Meisters gesammelt. In der Regel sind es flotte Federzeichnungen, mit leichter Hand ausgetuscht. Die Kunsthalle hat gesammelt, was davon zu erlangen war.

Erstaunlich ist auch hier der Umfang des Stoffkreises. Neben religiösen Motiven kommen mythologische und allegorische vor, Ceres auf den Wolken thronend, als Entwurf für ein Deckengemälde, das Urteil des Paris, Reiterschlachten, Szenen aus dem Gesellschaftsleben, Allegorien, das Leben der Bauern, Landschaften usw.

Für uns sind die Bilder aus der Gesellschaft und vor allem die aus dem Bauernleben die interessantesten. Einmal, weil sie uns ein Bild seiner Zeit bieten. Wie unsere Landbevölkerung im siebzehnten Jahrhundert aussah, wie sie wohnte und lebte, wissen wir nur von ihm. Was er bietet, ist wohl durch die Holländer angeregt, aber man sieht doch auf den ersten Blick, dass die Typen und die Trachten nicht holländisch sind. Seine Phantasie zeigt sich gerade in diesen Zeichnungen — und in den seltenen Radierungen, die sie ergänzen — überaus beweglich. Von großen Millet-Motiven, wie dem der an der Wiege eingeschlafenen, den Kopf an die Wand lehnenden Frau in der Sammlung Ehlers in Göttingen, bis zu den ausgelassensten humoristischen Erfindungen fehlt keine Note.

Auch in seinen Allegorien zeigt er diesen in der deutschen Kunst seiner Zeit sehr seltenen Humor und den ebenso seltenen kräftigen Zug von Volkstümlichkeit. Die nach dem klassischen Motiv gebildeten Verkörperungen der Jahreszeiten, kräftige Jünglings- und Männergestalten, versieht er mit charakteristischen Begleittieren, der Wintergreis hat den Wolf, der Herbstmann das eichelfressende Schwein, der Sommer den Storch, der Frühling die Glucke neben sich. Aus einer Reihe von Charakterbildern besitzt die Kunsthalle den „Allverfechter“ und den „Gernegroß“ mit kräftigen plattdeutschen Versen darunter, wie er sie auch wohl unter einer Radierung verwendet.

Die eigenhändigen Radierungen von Matthias Scheits behandeln ähnliche Stoffe. Sie gehören zu den tüchtigsten deutschen Leistungen des Jahrhunderts und sind sehr selten und sehr gesucht.

Das bekannteste Werk des Meisters sind jedoch seine Illustrationen zu der Bibel, die im Jahre 1672 zu Lüneburg im Sternschen Verlag erschien. Deutsche und holländische Künstler, haben sie nach seinen Skizzen gestochen. Bis weit ins achtzehnte Jahrhundert blieb diese Bibelausgabe im ganzen Norden populär. Die Kunsthalle hat vor einigen Jahren eine Reihe der Grisaillen in Ölmalerei erworben, die den Stechern als Vorlage gedient haben.

Dass ein Künstler wie Matthias Scheits in einer Epoche, wo das Bildnis noch im Mittelpunkt der Kunstübung stand, auch als Bildnismaler tätig gewesen sein muss, liegt auf der Hand. Die Tradition, die das Künstlerlexikon festgelegt hat, spricht denn auch von „sehr braven Porträts“.

Aber es ist davon sehr wenig auf uns gekommen, nicht einmal im Kupferstich mehr als einige Blatt.

Das Bildnis in der Kunsthalle stammt aus der Kasseler Galerie und ist als Geschenk des Herrn Senator Möring unlängst in unsere Sammlung gekommen. Es ist das Brustbild eines Mannes mit ergrautem Haar und Bart. Der braune Mantel über dem schwarzen Untergewand wird von der linken Hand in eleganter Bewegung über der Brust zusammengehalten. Den Kopf deckt eine blauschwarze, mit Pelz verbrämte Kappe.

Die Form des Mundes und der großen braunen Augen, der lange unverschnittene Bart und die Tracht lassen vermuten, dass der Dargestellte ein Rabbiner sei.

Das andere, ebenfalls unbezeichnete Bildnis des Meisters, ist das einer Dame mit ihrem Schosshund im Arm im Museum zu Braunschweig. Dies Werk von vornehmer Haltung dürfte den jüngeren Jahren des Künstlers angehören, der hier noch unter dem unmittelbaren Einfluss seiner großen niederländischen Vorbilder schafft. Es mag vielleicht gegen Ende der vierziger oder zu Anfang der fünfziger Jahre des Jahrhunderts entstanden sein.

Dominicus van der Smissen
Der Dichter Hagedorn
Sammlung Gaedechens

Die nicht mehr ganz junge Dame trägt Schwarz. In der Linken hält sie einen schlanken, weißen, schwarzgefleckten Schoßhund, das schmale Gesicht mit der geraden Nase und den großen Augen verrät auch in seinem ruhigen Ausdruck die vornehme Dame, auf die die sehr geschmackvolle, bei aller Beschränkung auf Schwarz und Weiß reiche Tracht deutet.

Das Porträt des Pastor Winckler ist ein typisches Pastorenbildnis. Die Linke hält das offene, auf dem Lesepult liegende Buch, der Zeigefinger der Rechten weist auf den Text, das Auge blickt darüber weg auf den Hörer.

Im Anschluss an Matthias Scheits mag gleich hier sein Sohn Andreas erwähnt werden.

Der Tradition nach soll Andreas Scheits um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts in Hannover gestorben sein.

Doch dürfte diese Annahme sich schwerlich aufrecht erhalten lassen, denn es gibt Radierungen von ihm mit den Daten 1677 und 1678, er müsste also siebzig Jahre als Künstler tätig gewesen sein. Wir werden mithin sein Leben wie das seines Vaters um einige Jahrzehnte weiter zurück zu schieben haben.

Andreas begann als Schüler und Gehilfe seines Vaters. Für uns zuerst als Kupferstecher in der Werkstatt des alten Matthias Scheits, der, wie die Unterschriften der Radierungen aussagen, eine Zeitlang seine und seines Sohnes Arbeiten selber verlegte.

MATTHIAS SCHEITS
PASTOR WINCKLER
GESTOCHEN VON J. GOLE

Nach einer späteren Studienzeit in Holland kam Andreas Scheits nach Hannover, wo er Hofmaler wurde. Aus dieser Zeit stammt das Bildnis von Leibnitz in der Galerie zu Braunschweig, das Bause gestochen hat, mit der dunkeln Allongeperücke und dem reichdrapierten violetten Samtmantel. Außerdem finden sich in Bauses Stecherwerk noch zwei Bildnisse nach A. Scheits, das von Fiquet und von Raspe.

Es ist möglich, dass noch andere Söhne des alten Scheits sich der Malerei zugewandt haben. Mattheson nennt ohne Vornamen einen Scheits als Maler an der Hamburger Oper (1706), ein Hendrik Scheits malte noch 1669 Füllungsbilder am Südlektor von St. Katharinen.

ANDREAS SCHEITS
LEIBNITZ
ÖLGEMÄLDE GALERIE ZU BRAUNSCHWEIG
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Bildnis in Hamburg. Band 1
039 Bildnis eines Rabbiners (M. Scheits)

039 Bildnis eines Rabbiners (M. Scheits)

040 Hagedorn, Friedrich von (1708-1754) Hamburger Dichter (Smissen)

040 Hagedorn, Friedrich von (1708-1754) Hamburger Dichter (Smissen)

041 Winckler, Johann Friedrich (1679-1738) Hamburger Prof. f. orientalisch. Sprachen, Theologe, Pastor (Scheits)

041 Winckler, Johann Friedrich (1679-1738) Hamburger Prof. f. orientalisch. Sprachen, Theologe, Pastor (Scheits)

042 Leibnitz, Gottfried Wilhelm Dr. (1646-1716) Philosoph, Wissenschaftler, Historiker, Politiker, Jurist, Publizist (Scheits)

042 Leibnitz, Gottfried Wilhelm Dr. (1646-1716) Philosoph, Wissenschaftler, Historiker, Politiker, Jurist, Publizist (Scheits)

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