Joachim Luhn, tätig um 1670—1700

Es ist unbekannt, wo der ältere Luhn geboren ist, nicht in Hamburg, scheint es, vielleicht in den Niederlanden. Er soll ein Schüler des A. Backer gewesen sein. In Hamburg fand er es schwer, Boden zu fassen. Doch wurde sein Streit mit dem Maleramt schließlich beigelegt; er trat 1677 in das Amt ein und wurde 1692 Ältermann.

Er war ein vielseitig tätiger Künstler, hat mythologische Stoffe behandelt, malte für das Rathaus eine siebzehn Fuß lange Ansicht von Hamburg — „worauf die Stadt mit mühsamem Fleiß und genauer Observanz dargestellt war“, führte für den Dom in Quedlinburg einen Jonas aus, der vom Walfisch ausgespien wird, und scheint hauptsächlich als Bildnismaler tätig gewesen zu sein.


Erhalten sind von ihm außer einem nicht sehr charakteristischen Bildnisse in St. Jakobi die zwei Bildnisse im Museum zu Braunschweig und einige Stiche nach Bildnissen.

Die Braunschweiger sind die wichtigsten; das größere stellt ihn selber mit seiner Frau, seinem Sohn und seiner Schwiegertochter dar, — eine Gruppe, lebensgroß bis zu den Knien im Querformat angeordnet, links die Eltern, rechts Sohn und Schwiegertochter.

Der Vater sitzt am Tisch, er stützt den rechten Arm auf die Platte und lehnt sich zurück gegen seine Frau, die sich über ihn beugt, die Rechte auf den Tisch gestützt, die Linke vertraulich um seine Schulter gelegt. Der Schatten ihres Kopfes fällt über sein Gesicht, so dass eben nur ein Streifen der Stirn hell beleuchtet ist. Beide sehen auf den Beschauer. Der Alte trägt in der Rechten einen Totenkopf, mit der Linken weist er auf seinen Sohn. Beide Alten tragen Schwarz mit sehr viel Weiß um Brust und Schultern.

Sohn und Schwiegertochter stehen vor ihnen. Der Sohn hält in der Linken Pinsel und Palette, die seine Hand beschattet, die Rechte hat er um die Schulter der jungen Frau oder Braut gelegt. Er blickt scharf auf den Beschauer. Die junge Frau hat in anmutiger Bewegung das Antlitz ihm zugewandt. Ihre leicht erhobene Rechte wirft die Schatten der Finger auf ihren nackten linken Unterarm

Sie trägt ein Kleid aus orangefarbenem Brokat mit goldenen Blumen. Der Sohn trägt einen braunen Rock.

Der Künstler hat offenbar mit Freude an dem Werk gearbeitet. Er hat sich in der Beleuchtung ungewöhnliche Probleme gestellt und ein Werk von sachlicher Vertiefung zu schaffen gesucht. Für ein Bildnis des siebzehnten Jahrhunderts ist der emotionelle Inhalt sehr stark. Die beiden Alten bilden eine Gruppe, in der das herzliche Freundschaftsverhältnis alternder Eheleute ergreifend ausgedrückt ist. Die beiden gehören in tiefem Vertrauen zu einander. Sie haben vom Leben für sich nichts mehr zu hoffen, als den Fortbestand ihrer Liebe und Treue, das liegt in der Haltung ausgedrückt, darauf weist der Totenkopf in der Hand des Alten.

Was ihnen daneben noch blüht, das deutet der Alte mit der Geberde der Linken an, die auf die in Jugendkraft vor ihnen stehende Gruppe des Sohnes und der lieblichen Schwiegertochter zeigt. In den Zügen malt sich der Zustand dann noch einmal in leise, aber mit unverkennbarer Absicht gegebener Charakteristik. Die Mutter blickt milde und mit einem kaum fühlbaren Lächeln von Genügen und Ruhe. Im Antlitz des Vaters, das mit der auf den Sohn weisenden Hand zusammengehört, spricht sich die Befriedigung des alternden Mannes aus, der sein Lebenswerk auf die Schultern des Sohnes zu legen sich anschickt; der Sohn steht mit der Kühnheit der Jugend da, die als Sieger durchs Leben zu schreiten vorhat, und die junge Frau, die er an sich zieht, ist Lieblichkeit und Glück.

Der alte Luhn wird dieses Bild wohl bei der Verlobung oder der Hochzeit des Sohnes gemalt haben. Sein Werk öffnet einen Blick in seine und der Seinigen Seele und Stimmung.

Wir besitzen weder aus früherer Zeit, noch aus dem achtzehnten Jahrhundert ein Bildnis von ähnlicher Vertiefung. Erst bei Ph. O. Runge taucht dieser Geist wieder auf.

Der Astronom, der ebenfalls im Braunschweiger Museum aufbewahrt wird, gibt ein anderes Beispiel von der Art des Künstlers, eine momentane Stimmung im Bildnis auszudrücken. Der Dargestellte steht vor einem Altazimut. Er hat es eben gestellt, die Hände halten gerade mit der Beschäftigung inne, und die Rechte beginnt, eine demonstrierende Bewegung zu machen. Während der Körper noch dem Instrumente zugekehrt ist, hat er den Kopf zu seinen Hörern umgewandt. Die Stirn ist wie bei scharfem Sehen oder konzentriertem Nachdenken in senkrechte Falten gelegt, die Augen blicken fest, die Lippen sind fest aufeinander gepresst. Seine Miene fordert die Hörer zu scharfer Beobachtung auf. Es ist das Individuum in der Ausübung seines Berufes aufgefasst, aber nicht, wie sonst die Regel, in einem mehr andeutenden Quantum momentaner Energie, sondern in der vollsten Betonung der charakteristischen Geberde und Miene. Diese dramatische Kraft Joachim Luhns wird durch einen Vergleich mit dem in derselben Situation geschilderten Astronomen Jurian Jacobs augenfällig.

Die Beleuchtung, die von rechts hoch und konzentriert einfällt, lässt das Altazimut im Halbdunkel und hebt die Hände und die linke Hälfte des Gesichts kräftig heraus, die Beleuchtung der rechten Hand erinnert an die der Hände auf dem Familienbild.

Mit großem Geschmack ist die reiche Tracht geschildert. Der Rock ist graubraun mit silbernen Streifen, das Schulterstück besteht aus Bändern in Orange.

Unser Künstlerlexikon berichtet über Joachim Luhn, von dem bis zur großen Zerstreuung des alten Hamburger Kunstbesitzes wohl noch mehr als ein Werk in Hamburg erhalten gewesen sein mag, sein Kolorit sei in seiner ersten Zeit farbiger gewesen und später bräunlicher und stark von Schatten geworden. Biesendorf, L. Kilian, P. van den Berge und H. van Hensbergen haben nach ihm gestochen.

Über den Sohn des 1717 verstorbenen älteren Joachim Luhn fehlen sichere Nachrichten. Eckhardt nennt ihn ebenfalls Joachim und muss Ölgemälde von ihm gekannt haben. Er berichtet von diesem jüngeren Luhn, dass er „die Manier des älteren vollkommen nachgeahmt und ähnliche Gegenstände, jedoch in einem kleinlicheren Geschmack gemalt“ habe. „Seine Färbung sei nicht so rein und anziehend, seine Zeichnung oft unrichtig und der Ausdruck in seinen Köpfen ohne Charakter gewesen. Indessen sei er nicht ohne Wert und verliere nur in Gegenstellung mit dem ersten.“

Über einen Johann Luhn, der möglicherweise mit diesem identisch ist, berichtet unser Künstlerlexikon, dass er 1695 Meister, 1722 Ältermeister des Maleramts wurde und 1750 gestorben sei. A. de Blois hat nach ihm das Bildnis des Professor J. A. Fabritius gestochen.

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Ein großes Familienbildnis, das ich in meiner Kindheit auf dem Bauhof hängen sah, das später in das Museum für hamburgische Geschichte gelangt ist und kürzlich der Sammlung zur Geschichte der Malerei in Hamburg überwiesen wurde, gehört den Jahren um 1650 an. Die Tracht des Mannes ist schwarz, die der Frau und der Kinder dagegen sehr farbig. Mann und Frau stehen Hand in Hand in einem mit Marmorfliesen gepflasterten Raum. Die Frau legt die eine Hand auf einen Tisch, der mit einem prachtvollen orientalischen Teppich belegt ist. Vor dem Tisch stehen zwei rotgekleidete Kinder, das jüngste sitzt hinter dem Tisch auf einem hohen, mit Leder überzogenen Stuhl.

Soweit sich vor der Restauration erkennen lässt, ist der kulturhistorische Wert höher als der künstlerische anzuschlagen. Aber als Darstellung einer hamburgischen Familie aus einer Epoche, die uns sonst fast nur Brustbilder und gar keine Kinderbildnisse hinterlassen hat, ist es für uns von sehr großer Bedeutung.

An den älteren Luhn erinnert das herzliche Motiv der Verbindung der beiden Eltern durch die Berührung der Hände, ebenso die aufgestützte Hand der Frau und der Ausdruck im Gesicht des Mannes.

Die Tracht der Kinder mit ihren kostbaren Seidenstoffen und den mit höchster Sorgfalt ausgeführten Spitzen liefert ein wichtiges kostümgeschichtliches Dokument.

Überaus gut getroffen ist der etwas befangen spießbürgerliche Ausdruck im Antlitz der Frau.

Im übrigen bleibt abzuwarten, was die Restauration des in allem Wesentlichen gut erhaltenen, aber gegenwärtig in vielen Partien kaum erkennbaren Bildes ergeben wird.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Bildnis in Hamburg. Band 1