David Kindt 1580—1652

Vom Bildungsgang dieses seiner Zeit offenbar vielbeschäftigten hamburgischen Bildnismalers ist nichts Sicheres bekannt. Über den Wert der älteren Angaben, dass er sich Rubens, van Dyck und sogar Rembrandt zum Muster genommen hätte, brauchen wohl kaum erst Untersuchungen angestellt zu werden. Er wurde 1605 Meister, 1629 Ältermann des Maleramts.

Au?er einigen wenigen Bildnissen ist von ihm nur das merkwürdige, dem Kreise der Totentänze angehörende Werk in unserer Jakobikircke erhalten.


Die Familie des Künstlers gehörte nicht zu den alteingesessenen. Sein Vater Johan Kindt soll infolge der Religionswirren aus Cortrijk (Courtray) in Westflandern nach Hamburg geflüchtet sein. Er war ebenfalls Maler, wurde 1587 Amtsmaler und starb 1608.

Wie viel Kunst er seinem Sohn übermitteln konnte und welcher Art sie war, kann nur durch den glücklichen, aber unwahrscheinlichen Fund eines bezeichneten Werkes erschlossen werden.

Wenn das Geburtsdatum des David Kindt mit 1580 richtig angegeben ist, so dürfte er der Schule seines Vaters wohl manches zu danken haben. Denn schon 1604, mit vierundzwanzig Jahren, wird er von den vornehmen Familien beschäftigt, muss also wohl schon bei Lebzeiten seines Vaters, sich eines tüchtigen Rufes erfreut haben.

Bezeichnete Werke von David Kindt sind sehr selten. Zwei Bildnisse mit vollem Künstlernamen befinden sich in der Sammlung Lichtmann in Wien. Diese, wohlerhalten, müssen als Grundlage für die Kenntnis der künstlerischen Eigenart Kindts gelten, denn das ebenfalls mit vollem Namen bezeichnete Totentanzbild in der Jakobikirche ist stark übermalt und dürfte ohne die Bezeichnung wohl kaum demselben Künstler zugeschrieben werden.

DAVID KINDT 1606
BILDNIS DES DITMAR KOHL
ÖLGEMÄLDE, KUNSTHALLE

Auf Grund der Wiener Bilder hatte Theodor von Frimmel schon vor Jahren den Ditmar Kohl in der Kunsthalle (seit 1890 vom Museum für Hamburgische Geschichte überwiesen) als ein Werk Kindts bestimmt. Nach eigener Untersuchung muss ich mich seinem Urteil anschließen.

In Hamburg fanden sich nun noch vier, vielleicht fünf Bildnisse des Meisters, zwei unter den Amsinckschen Familienbildnissen, zwei — verputzte — , der Kunsthalle vom Museum für Hamburgische Geschichte überwiesene und vielleicht das Bildnis der Gertrud Moller in der Kunsthalle.

Unter den in Hamburg befindlichen Bildnissen sind die der Amsinckschen Eheleute von 1604 die ältesten.

Sie sind im ganzen wohlerhalten. Mann und Frau tragen den großen Radkragen, der bei dem Manne, was in dieser Zeit die Regel zu sein scheint, breitere Tollen und ein weicheres Gefüge hat. Die Augen blicken auf den Beschauer. Eine abweichende Richtung des Blickes würde in dieser Epoche auffallen. Das Inkarnat ist auffallend frisch, überhaupt hat die Farbe etwas Glänzendes, Prächtiges.

Der junge Ehemann hält in der Hand eine Taschenuhr. Dasselbe Motiv findet sich auf dem Wiener Bildnis. Die weisende Geberde, mit der die Uhr hochgehalten wird, gilt vielleicht ein wenig dem damals so seltenen und kostbaren Kleinod. Aber es soll doch wohl noch etwas anderes und tieferes angedeutet werden. Hatte doch jenes Geschlecht zuerst in der Taschenuhr nicht nur den bequemen, allzeit zur Verfügung stehenden Zeitmesser erhalten, sondern zugleich ein Symbol, das den Besitzer in jeder Minute an das knappe Maß der ihm zuerteilten Spanne erinnerte.

Die Frau lässt durch die Finger der rechten Hand spielend den goldenen und mit Email geschmückten Anhänger gleiten, der ihre Gürtelkette schmückt. Sie trägt eine schwarze, ärmellose Jacke aus geschorenem Samt und mit Quasten besetzt, darunter ein leuchtend krapprotes Kleid mit Stickereien. Ihre Haube und ihre weißen Ärmelaufschläge sind mit kostbaren Spitzen besetzt. An Schmuck sind außer der schweren goldenen Kette ein goldenes Armband, zwei goldene Ringe auf dem Zeigefinger und eine Perle im Ohr zu sehen.

Im Ausdruck der Züge sucht der Künstler den Moment ruhigen Betrachtens oder Beobachtens zu geben. Eine Steigerung nach dem mürrisch Unzufriedenen als Ausdruck der Vornehmheit wird nicht angestrebt.

Das nächste datierte Bildnis ist das des Ditmar Kohl von 1606. Hier sucht der Künstler offenbar den Eindruck von Würde und Ernst zu geben. Es ist ein Hüftbild. Die Rechte stützt sich auf den Tisch, die Linke ist in die Hüfte gestemmt, so dass nur der Rücken der Handwurzel zu sehen ist. Das Antlitz mit dem kurzgeschnittenen Spitzbart blickt sehr ernst, fast finster. Ditmar Kohl gehörte einem berühmten Geschlecht an. Sein Großvater war der ruhmreiche Besieger der Seeräuber, dem jetzt an der Brücke im Elbpark ein spätes Denkmal gesetzt ist. Er selbst wurde später Ratsherr.

Von den beiden kürzlich in die Sammlung gelangten Bildnissen ist das der Frau das besser erhaltene. Beide Halbfiguren sind sehr geschickt in den Rahmen gebracht. Bei der Frau hat man deutlich das Gefühl, sie sitzt auf einem Stuhl mit nicht sehr tiefem, hoch von der Erde befindlichen Sitze. Sie hat die Hände im Schoß übereinandergelegt und den Zeigefinger durchgesteckt. Auf dem Zeigefinger der rechten Hand trägt sie einen mit Edelsteinen geschmückten Ring. Sonst hat sie als Schmuck auf dem ganz schwarzen Gewande nur ein kaum noch sichtbares Bruststück und Spitzen an der Haube und am Ärmel. Ihr Gesicht stellt den Typus der behäbigen, im engen Kreise lebenden Bürgersfrau dar.

Der Mann soll durch den Brief in der Rechten, dessen Aufschrift nicht mehr vorhanden ist, wohl als Kaufmann charakterisiert werden.

In diesen und den nahe verwandten Wiener Bildnissen zeigt sich David Kindt als einen Künstler, der zu seiner Zeit auch in Holland mitgezählt haben würde.

Die Jakobikirche bewahrt von David Kindt ein Gemälde, das dem Totentanzkreise angehört. Ein reichgekleideter Mann steht hinter einem Tisch und hat einen Sack Geld, einen silbernen Teller mit Trauben und Äpfeln, eine vergoldete Vase mit Blumen, unter denen die Tulpe nicht fehlt, ein Brot, ein zierliches venezianisches Glas mit Rotwein und eine lose auf dem weißen Tuche liegende Rose vor sich. Die Linke hat er auf den Tisch gestützt, die Rechte beteuernd auf das Herz gelegt. Von hinten naht, ihm unsichtbar, der Tod als Gerippe mit Stundenglas und dem Todespfeil — die Sense hatte den Pfeil noch nicht verdrängt. Plattdeutsche und lateinische Inschriften bedecken einen großen Teil des Bildes.

Es ist leider sehr stark übermalt. Die Grotesken in Graumalerei, die die untere Inschrifttafel einfassen, stammen sicher nicht von Kindt. Die braune Inschrifttafel über dem Haupt mit sehr strengem, noch nicht vom Ohrmuschelstil berührten Rollwerk dagegen stimmt mit dem Datum 1622. Auffallend ist, dass der reiche Mann ein Kostüm trägt, das dem sechzehnten Jahrhundert angehört.

Das Werk hat seinem Inhalt nach großes Interesse für uns. Für die Charakteristik der künstlerischen Eigenart Kindts kommt es wegen der Übermalungen kaum noch in Betracht. Es ist dies sehr zu bedauern, da der Künstler, nach einzelnen Zügen zu schließen, sehr viel Liebe auf das Werk, eine Bestellung der Kirche, verwandt hat, das ihn in der Behandlung der Stoffe nach allen Richtungen erklärt haben würde.

Wir haben einen Künstler vor uns, der schon in jungen Jahren ernste und in ihrer Art groß gesehene Bildnisse schuf, wie das des Ditmar Kohl, der dann noch beinahe fünfzig Jahre in seiner Vaterstadt tätig war und nach den uns erhaltenen Werken der Maler der Patrizier war. Und von all dem, was er in diesen mehr als fünfzig Jahren gearbeitet hat, ist uns kaum ein halbes Dutzend Bilder übrig geblieben.

Dem David Kindt steht das Bildnis der Gertrud Moller aus dem Jahre 1618 nahe, das die Sammlung zur Geschichte der Malerei in Hamburg besitzt. Ich bin nicht abgeneigt, es ihm zuzuschreiben. Die Haltung ist wohl etwas steifer — aber das mag mit an der Tracht liegen und an der Stellung. Die Dame ist nicht sitzend, sondern stehend dargestellt und mit übereinander gelegten Händen. Ditmar Kohl steht viel freier und ungezwungener da, aber es ist eben ein Mann, und es lässt sich auf Familienbildnissen aus Norddeutschland in derselben Epoche auch

sonst beobachten, dass die Haltung der Frau gebundener ist als die des Mannes. Kopf und Hände der Gertrud Moller sind leider etwas verputzt. Aber der Ausdruck der Züge, die delikate Zeichnung des Mundes, die Haltung und Zeichnung der Hände erinnern lebhaft an die des unbezeichneten, aber nach der Verwandtschaft mit den Bildnissen der Sammlung Lichtmann in Wien mit Sicherheit dem Kindt zuzuschreibenden Frauenporträts unserer Hamburger Sammlung.

Auffallende Uebereinstimmung herrscht in der technischen Behandlung des schwarzen Gewandes. Auf allen Bildnissen Kindts erscheint das Schwarz heute wie versunken.

DAVID KINDT (?)
GERTRUD MÖLLER
KUNSTHALLE

Koloristisch steht das Bildnis der Gertrud Moller sonst allein. Es ist eine vornehme Komposition in Schwarz, Weiß, Silber, Braun, Gold, Orange und wenig Rot. Blau und Grün fehlen. Sehr auffallend erscheint der köstliche braune Seidenvorhang als Hintergrund.

Die Tracht ist typisch hamburgisch oder norddeutsch: ein ärmelloser schwarzer Rock, der sich bei uns in der Frauentoilette bis über die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts gehalten hat, eine farbige Jacke darunter, deren Ärmel aus Silberbrokat mit goldenen Blumen von hohem koloristischen Reiz sind, feine silberne Ketten, die das Mieder vollständig bedecken, eine weiße, feingefaltete, orange und rot gestreifte Schürze. Diese gehörte ebenfalls bis weit ins siebzehnte Jahrhundert hinein zum eisernen Bestände der Hamburger Frauentracht. Goldene Ringe, schwere lange goldene Ketten mit goldenen Medaillen, schwere goldene Armketten, ein goldgesticktes, mit echten Perlen besetztes Häubchen geben der fein gestimmten Toilette die Akzente des Glanzes und der Pracht.

Das im Anhang zu Luhn zu behandelnde große Familienbild von etwa 1650 zeigt die Frauentracht im wesentlichen noch auf derselben Stufe der Entwickelung.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Bildnis in Hamburg. Band 1
034 Kohl, Ditmar (..-1563) Hamburger Bürgermeister und Seeheld (D. Kindt)

034 Kohl, Ditmar (..-1563) Hamburger Bürgermeister und Seeheld (D. Kindt)

035 Moller, Gertrud (1641-1705) deutsche Dichterin

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