Theodor Friedrich Stein, tätig in Hamburg etwa um 1750—1770

Es ist uns nicht überliefert, wann dieser von etwa 1750 bis 1770 bei uns, wie es scheint, viel beschäftigte Künstler in Hamburg geboren ist und wo er seine Ausbildung erhielt. Die letzten beiden Jahrzehnte seines Lebens verbrachte er in Lübeck, wo er 1788 gestorben sein soll. Doch ist auch dies nicht sicher. Nach Eckhardt ist er schon 1780 in Eutin verschieden. Eckhardt sagt von ihm: „Er malte in Miniatur und vorzüglich in Pastell sowohl Brustbilder als ganze Figuren von jungen schönen Damen in mannigfaltigen und reizenden Stellungen und mit einem gefälligen Kolorit.“ Das Künstlerlexikon erwähnt seine Arbeiten in Silberstift. Außer den nach seinen Originalen in Kupfer gestochenen Bildnissen von H. S. Reimarus und Peter His (von C. Fritzsch gestochen), Baron Bielefeld (gestochen von Houbraken und auch von Folkema), Pastor Geraud und Jürgen Eiert Kruse (gestochen von J. C. G. Fritzsch) ist besonders sein Bildnis von Christoph Wolff zu nennen, das sich im Wanddenkmal des Treppenhauses der Stadtbibliothek befindet. Der Gelehrte, in vornehmer Tracht, sitzt an seinem reichgeschnitzten Arbeitstisch. Er blickt von der Lektüre auf, aber nicht auf den Beschauer herab, sondern sinnend in die Ferne. Die Linke hält die Blätter des Buches, die Rechte ein rundes Leseglas, durch das ein Lichtschein auf das Buch fällt. Die Züge haben etwas durchaus Weltmännisches, ein verbindliches Lächeln spielt wie erstarrt um den Mund. Auch die Tracht ist die des Weltmannes, und die Umgebung würde einem Fürsten des Rokokozeitalters keine Schande machen. Der mit grünem Tuch bezogene Schreibtisch ist geschnitzt und reich vergoldet, der reichgeschnitzte Lehnstuhl ist wie ein Thron mit Vergoldung bedeckt. Ein grüner Vorhang umspielt eine Säule, im Hintergrund prangt eine Wand prächtig gebundener Bücher.

Es ist sehr interessant, dies typische Gelehrtenbildnis des achtzehnten Jahrhunderts mit einem verwandten Werk des siebzehnten zu vergleichen, den Astronomenbildnissen von Luhn und Jacobsen zum Beispiel. Bei den beiden letzteren erscheint als Absicht des Künstlers, zugleich den Menschen in seiner individuellen Eigenart und den Stand, dem er angehört, zu charakterisieren. Beide Themata durchdringen sich, wie beim Menschen der Charakter durch den Beruf und die Berufsübung durch den Charakter gefärbt werden. Siehe, ein Mensch! ist der Eindruck, den diese Kunstwerke erwecken.


STEIN
STUDIE ZUM BILDNIS VON
PROFESSOR WOLFF
STADTBIBLIOTHEK

Bei dem Gelehrtenbildnis des achtzehnten Jahrhunderts liegt dem Künstler am Herzen, den vornehmen Weltmann zu kennzeichnen. Die Berufsunterschiede waren durch diesen neuen Typus, den alle angenommen hatten, verwischt, wie heute in England der Typus des Gentleman bis auf leichte Spuren die Berufstypen unterdrückt hat, und wie in Deutschland den oberen Ständen der Offizierstypus sich aufzuprägen beginnt. Professor Wolff hat das Lächeln des Mannes der vornehmen Gesellschaft um die Lippen, deren reiche Tracht er angelegt hat. Seine Umgebung ist ebenso kostbar geschmückt wie er selber. Alles ist berechnet, einem Geschlecht zu gefallen, das mit dem Auge zu genießen gewohnt war. Die Gegenstände auf seinem Schreibtisch, die seinen Beruf andeuten, könnten fehlen, ohne dass ein wesentlicher Zug abhanden käme. Die Astronomen von Luhn und Jacobsen stehen auf dem Katheder, demonstrieren oder reden. Der Künstler gibt sie in der Ausübung ihres Berufs. Professor Wolff könnte auf Steins Bildnis auch ein Fürst oder Edelmann sein, der wissenschaftliche Interessen hat. Ebenso könnte auf Steins Bildnis der Kaufmann Pierre His (Abbildung S. 13), der auf einem Thron vor seinem wie ein Altar geschmückten Schreibtische sitzt und durch das Fenster auf sein Schiff weist, ein König sein, der an seine starke Flotte erinnern will.

Wenn das von Fritzsch gestochene Bildnis Richeys, das auch von D. Lüders sein kann, auf ein Gemälde von Stein zurückgeht, hat dieser Künstler auch den höchsten Typus des Dichterbildnisses seiner Zeit geschaffen. Mit heroischer Geberde stützt sich der Dichter, im Fürstenmantel und umgeben von einem Stillleben aus allen Requisiten, die der Poet nötig hat, auf eine zierliche Leier. Mantel, Leier, alles scheint an der Ekstase des Dichters teil zu haben. So ernst es gemeint ist, können wir dies Bildnis heute nur mit Mühe anders als eine Karikatur empfinden.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Bildnis in Hamburg. Band 1
054 Wolff, Johann Christoph (1683-1739) Hamburger Theologe, Pastor, Prof. d. Philosophie

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