Anton Paulsen, tätig in Hamburg etwa um 1718—1730

In den zwanziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts war bei uns ein Bildnismaler tätig, der sich einer großen Beliebtheit erfreut zu haben scheint, Anton Paulsen. Von seinem Leben ist nichts bekannt. Er soll in Leipzig gemalt haben und soll — wohl weil er in Hamburg tätig gewesen ist — ein Schüler Denners gewesen sein.

Diese Angabe wird durch seine fünf in der Sammlung zur Geschichte der Malerei in Hamburg befindlichen Bildnisse nicht bestätigt.


Die ältesten, ein Ehepaar, sind aus dem Jahre 1718 datiert. Es sind Brustbilder ohne Hände.

Die beiden ehrbaren Bürgersleute sind nicht in einem wirklich vorhandenen Raum dargestellt. Es sieht aus, als ob sie aus einem grauen ovalen Steinrahmen blickten, dessen Hintergrund, beim Manne mehr grau, bei der Frau mehr gelblich, zur Steinfarbe des gemalten Rahmens passt. Das Motiv kommt, nebenbei, schon im siebzehnten Jahrhundert auf und hält sich bis spät ins neunzehnte. Ob die Dargestellten stehen oder sitzen, ist nicht mit absoluter Sicherheit zu sagen. Der Mann scheint zu sitzen, indem er den linken Arm weit von sich auf die Lehne stützt. Bei der sehr aufrechten, steifen Haltung kommt das Bewegungsmotiv zu kurz. Die Köpfe sind mit etwas absichtlicher Bewegung in eine von der des Körpers abweichende Achsenstellung gerückt. Alles ist darauf abgesehen, Stolz und Unnahbarkeit auszudrücken, einerlei, ob sie den Dargestellten natürlich waren oder nicht. Der Ausdruck von Mund und Augen verstärkt diese Note. Der Mund ist fest geschlossen, die Augen blicken fast erstaunt auf den Beschauer! Auch alle übrigen Eigentümlichkeiten der Darstellung gehen darauf aus, die Empfindung von Würde und Vornehmheit zu wecken, die über die Not und Arbeit des täglichen Lebens erhaben sind. Am deutlichsten wird es beim Bildnis der Frau. Sie ist eine Fünfzigerin, trägt ihr in Locken gebranntes Haar gepudert, zwei lange Locken sind aus dem Nacken genommen und in zierlichen Linien auf den Schultern arrangiert, wo eine unbedachte Bewegung sie abwerfen würde. Das rote Samtgewand ist weit ausgeschnitten, ein feiner durchsichtiger Stoff verhüllt vorn die Brust ein wenig. Am kurzen Ärmel und an der Brust erscheint das gelbseidene Unterfutter des Samtkleides. Über die linke Schulter ist ein grüner, goldgestickter Samtmantel geworfen. Der Mann trägt zu der weißen Allongenperücke einen nach Pfauenblau neigenden Samtrock über einer lachsfarbenen Weste. Noch reicher ist die Toilette eines jüngeren Kaufherrn aus dem Jahre 1719.

ANTON PAULSEN
BILDNIS DES KAUFMANNS TÖNNIES
ÖLGEMÄLDE KUNSTHALLE

Die Haltung ist wieder ziemlich steif, die Toilette dagegen mit absichtlicher Nachlässigkeit getragen. Die eine Hälfte der weißen Allongenperücke fällt über die Schulter nach vorn, die andere ist über die Schulter zurückgeworfen. Die Weste ist bis zum sechsten Knopf von oben offen und das Ende des kostbaren Spitzenhalstuchs ist durch ein Knopfloch gezogen. Die ganz effeminierte Toilette besteht aus einer Weste von seladonfarbener Seide mit goldenen Borten dicht besetzt und mit lila Seide gefüttert, und einem prachtvollen roten Samtrock. Wenn wir vor dieser fürstlichen Pracht der Erscheinung mit ihrer koketten, studierten Nachlässigkeit stehen, wird es uns schwer, zu begreifen, dass es sich um einen Mann handeln sollte, der über Tag auf dem Kontor arbeitet.

ANTON PAULSEN
BILDNIS VON NICOLAUS SCHUBACK
ÖLGEMÄLDE IM BESITZ DES HERRN W. AMSINCK

Durch eine Aufschrift auf der Rückseite sind die beiden folgenden Bildnisse bestimmbar.

Das glänzende stellt den Kaufmann Johann Friedrich Tönnies (in Firma Tönnies & Behrmann) dar. Er war ein wohlbeleibter Herr mit scharfblickenden runden Augen und festem Munde. Auch er ist wie ein König gekleidet, trägt den purpurnen Samtmantel nachlässig über einer goldenen Weste, auf der ein Blumenmuster in grüner und roter Seide kaum mitspricht, und sein Spitzenhalstuch lässt ein zartes schwieriges Muster erkennen. An seiner Perücke ist die eine Seite länger als die andere, und er hat sie in einen leichten Knoten geschlagen. Es ist ein sprechendes Bildnis, dessen Anblick die ganze Epoche zum Leben erwecken kann. Der Künstler hat es nicht gezeichnet, aber über die Urheberschaft kann kein Zweifel sein.

Auch das Bildnis des Ratsherrn Joachim Coldorf ist sicher von Paulsen. Der alte Herr steht vor einem Tisch, die Linke auf den schwarzen festen Hut gestützt, der in dieser Form noch heute zur repräsentativen Tracht des Senats gehört. Diese Hand und die kostbare Spitzenmanschette, aus der sie hervorkommt und deren völlig ausgeführtes Muster die Luftigkeit der Erscheinung nicht stört, sind mit offenbarer Sorgfalt behandelt, bei Denner kommt eine so tüchtig gezeichnete Hand kaum vor. Aber der Kopf in der mächtigen Staatsperücke ist doch die Hauptsache. Ein langes, schmales Gesicht, um dessen Augen das Leben tausend Falten gegraben hat, mit klugen Augen und einem feinen Mund, der zu schweigen gewöhnt scheint.

Von den fünf Bildnissen Paulsens in unserer Sammlung dürfte dies das späteste sein. Es hat weit mehr Haltung als die ersten mit der Jahreszahl 1718.

Unter den Amsinckschen Bildern ist Paulsen das des Nicolaus Schuback zuzuschreiben.

Nach dem vorliegenden Material will es fast scheinen, als ob Paulsen in Hamburg ein Stück Entwicklung durchgemacht hat. Seine ältesten Bilder zeigen am wenigsten Haltung. Eine Berührung mit Denner, der in den zwanziger Jahren selten in Hamburg war, ist mir nirgends ersichtlich. In der Farbe geht er ganz eigene Wege, sein Rot, sein Grün, sein Blau sind durchaus individuell. Auffallend erscheinen in seinen ältesten datierten Bildern die grünen Schatten des Fleisches.

Von Wustmann erfahre ich, dass sich von Paulsen in Leipzig drei Bildnisse finden, zwei mit den Daten 1722 und 1744, dass Paulsen jedoch nicht zu den eigentlich Leipziger Künstlern gerechnet wird.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Bildnis in Hamburg. Band 1
052 Tönnies, Johann Friedrich (1662-1736) Hamburger Kaufmann (Paulsen)

052 Tönnies, Johann Friedrich (1662-1736) Hamburger Kaufmann (Paulsen)

053 Schuback, Nicolaus (1700-1783) Jurist und Hamburger Bürgermeister (Paulsen)

053 Schuback, Nicolaus (1700-1783) Jurist und Hamburger Bürgermeister (Paulsen)

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