Der Kupferstich

Unter den reproduzierenden Techniken ist in Hamburg vom sechzehnten bis zum achtzehnten Jahrhundert für die Vervielfältigung des Bildnisses fast ausschließlich der Kupferstich angewandt worden. Kurze Zeit kommt im sechzehnten und nach der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts der Holzschnitt zur Verwendung. Beide Male so unkünstlerisch, dass es hier mit der bloßen Erwähnung der Tatsache reichlich genug ist.

Aber auch um den Kupferstich ist es im ganzen recht kläglich bestellt. Weitaus die Masse der Produktion ist Handwerkerarbeit ohne jeglichen künstlerischen Wert. Im besten Falle leidlich geschickt. Freilich müssen wir zu unserer Beschämung gestehen, dass wir heute nicht einmal Handwerkerarbeit zu leisten vermögen.


Es lässt sich wohl verstehen, wie es kam, dass bei uns, wo doch der Bedarf an Senatoren- und Pastorenbildnissen allein die Produktion hätte über Wasser halten können, in drei Jahrhunderten nicht ein einziger wirklich hervorragender Kupferstecher sich hat entwickeln können. Es fehlte an einem erhaltenden und fördernden Element, wie der Buchhandel in Leipzig, und ebensowenig war, wie in Berlin und anderen Fürstenstädten, der Stimulus zu den höchsten technischen Leistungen vorhanden, den der Fürst und die Aristokratie bilden. Auch dass es keine Kunstakademien bei uns gab, ist mit in Anschlag zu bringen. Wer mit den mäßigen Leistungen der einheimischen Kräfte nicht zufrieden war, pflegte sich nach den bessergeschulten Stechern des In- und Auslandes umzusehen.

Im siebzehnten Jahrhundert halfen die Niederländer aus, im achtzehnten die Leipziger, Augsburger und späterhin ein Hannoveraner, der von England beeinflusst war, ein englischer und gegen das neunzehnte Jahrhundert französische Stecher. Diese Bildnisstiche waren bis gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts für das Buch oder die Mappe gedacht. Noch das Rokoko kannte die Vorrichtung von Glas und Rahmen nicht. Das Format war deshalb nur von geringem Umfang. Größere Blätter werden erst um 1800 herum häufiger, wo die Sitte des Einrahmens sich eingebürgert hatte. Um dieselbe Zeit kommt eine Behandlung auf, die von der Miniatur beeinflusst wird. Ein Franzose, Quenedey, fertigt Bildnisstiche von der Größe von Miniaturen und in rundem Format an, die als Schmuck getragen oder in kleinen Rahmen an die Wand gehängt werden.

JOACHIM WICHMANN f 1686
PASTOR DAVID KLUG
KUPFERSTICH
NACH H. KAMPHUS

CHRISTIAN FRITZSCH UM 1727
HEINRICH PETER KENTZLER
KUPFERSTICH

Seit dem sechzehnten Jahrhundert herrschte der Kupferstich in Linienmanier. Selten kommt die Schabkunst vor, im achtzehnten Jahrhundert wurde sie gelegentlich von auswärtigen Künstlern in hamburgischem Auftrage geübt. Kurze Zeit vor dem Eindringen der Lithographie hat um 1810 der Maler Faber Bildnisse in Aquatinta hergestellt.

Mit den einzelnen Vertretern des Kupferstiches in Hamburg brauchen wir uns nicht aufzuhalten.

Aus dem sechzehnten Jahrhundert ist uns nicht viel an Bildnissen in Kupferstich und Holzschnitt erhalten, das vom künstlerischen Standpunkt der Erwähnung wert wäre. Der Niederländer Franz Hogenberg stach hier 1589 das Bildnis von J. Greve.

Im siebzehnten Jahrhundert bildet sich ein Stamm einheimischer Kräfte. Aber sie stehen, wie die Familie Diercksen, künstlerisch und technisch meist nicht sehr hoch. Als Beispiel möge Joachim Wichmanns Bildnis von Pastor Klug nach einem Gemälde von Kamphus dienen. Gegen Ende des Jahrhunderts, als der Wohlstand zunahm, kamen niederländische Stecher in größerer Anzahl nach Hamburg, und es mögen auch wohl von solchen, die mit den Leistungen der einheimischen Stecher nicht zufrieden waren, Zeichnungen hamburgischer Bildnismaler nach Holland gesandt sein, oder man wird sich bei einem Aufenthalt dort haben stechen lassen. Von einigen niederländischen Stechern ist die Anwesenheit in Hamburg bezeugt. Petrus van den Berge, Bloteling, J. Gole, Hensbergen, Anseimus van Hülle, Isselburg, P. Schenck, Stuerheldt sind die Namen, die am häufigsten vorkommen.

CHRISTIAN FRITZSCH
SYNDIKUS RICHEY
NACH EINEM GEMÄLDE VON DAVID LÜDERS

An die Stelle der Holländer treten im achtzehnten Jahrhundert wohl Augsburger, Leipziger, Berliner Stecher. Doch leisten die eigentliche Arbeit die unendlich fruchtbaren einheimischen Stecher der Familie Fritzsch (s. d.). Der Hannoveraner J. G. Huck führt in Schabkunst die Bildnisse Klopstocks nach Hickel und des Domherrn Meyer nach Graff aus. Englische Stecher wie Townley, der nach Schade das Bildnis Lütkens, des Reformators der Bank, sticht, und französische Stecher, wie Alix, Fournier und Quenedey, werden doch nur ausnahmsweise in Anspruch genommen.

Von den einheimischen Stechern des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts mögen die fruchtbarsten hier genannt werden.

Fast ein Jahrhundert haben mehrere Mitglieder der Familie Fritzsch eine Art Monopol für die Bildnisstecherei in Hamburg innegehabt. Doch war keiner von ihnen ein irgendwie hervorragender Künstler, und ihre Werke halten mit den lithographierten Bildnissen Speckters, Hornemanns und Graupensteins keinen Vergleich aus, von denen der Aldenrath und Gröger ganz zu geschweigen. Man muss sie mehr als geschickte Handwerker ansehen.

Sie haben jedoch das Verdienst, nach älteren Vorlagen, die bis ins sechzehnte Jahrhundert zurückreichen, eine Reihe historisch nicht unwichtiger Bildnisse aufbewahrt zu haben, während die Originale, nach denen sie arbeiteten, längst verschwunden sind.

CHARLES TOWNLEY 1790
SENATOR NICOLAUS G. LÜTKENS
KUPFERSTICH NACH SCHADE

Der Stammvater war der 1695 in Sachsen geborene Christian Fritzsch, der schon von 1719 ab in Hamburg tätig war und bis zu seinem im Jahre 1769 erfolgten Tode mehr als zweihundert Blätter gestochen hat. Er war ein Schüler des Leipziger Stechers Bernigeroth. Gelernt hat er jedoch außer der geschickten Technik nicht viel. Er lebte in Schiffbek bei Hamburg, wo ihm ein Herzog von Holstein-Gottorp, Großfürst von Russland, dessen Hofkupferstecher er sich nennen durfte, Haus und Garten eingeräumt hatte. Er war der hauptsächlichste Stecher Dennerscher Bildnisse, und diese Arbeiten gehören zu seinen besten Werken. Ein Teil seiner Arbeiten gehört zu der Gattung von Gelegenheitsblättern, aus der sich in unserm Jahrhundert die die Zeitgeschichte darstellenden illustrierten Zeitungen entwickelt haben. So gleich sein erstes Werk aus Hamburger Zeit, das Mahl der Bürgerkapitäne von 1719, die Abbildung der Feuerwerke bei der Krönung Karls VII. und Franz I., die Prospekte der Häuser des neuen Walls, der „Prospekt der Gegend des Hamburger Berges, woselbst im Monat Juni 1734 von dem Altonaer Pöbel ein Wirtshaus spoliiert wurde“, Prospekt des Billwärders bei Hamburg, perspektivische Ansicht des Schlosses und Schlossgartens von Ploen, eine Ansicht des Gutes Jarsbeck von Sonnin.

J. G. HUCK
BILDNIS DES DOMHERRN MEYER
SCHABKUNST NACH ANTON GRAFF

Christian Fritzsch hatte zwei Söhne, die seine Schüler und Nachfolger wurden. Christian Friedrich Fritzsch begann seine Tätigkeit schon als Knabe, wie ein in seinem fünfzehnten Lebensjahre 1734 gestochenes Bildnis seines Vaters aussagt. Auf dem Bildnisse des Fechtmeisters Kuhn nennt er sich Acad. Goetting. Sculptor. Er soll vor 1774 gestorben sein.

Sein jüngerer Bruder Johann Christoph Gottfried Fritzsch soll 1802 oder 1803 in St. Georg im Elend gestorben sein. Er hatte in Amsterdam gearbeitet und hat außer Illustrationsblättern zu Langermanns Münz- und Medaillenvergnügen etwa fünfzig Bildnisse gestochen, die zum Teil in der ornamentalen Umrahmung nicht ohne Geschmack sind, wie das des Broderus Pauli.

Andreas Stöttrup (s. d.), der am Ende des achtzehnten und im ersten Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts bei uns arbeitete, hat sich seine eigenen Ausdrucksmittel geschaffen. Dies gilt in noch höherem Grade von Johann Friedrich Faber, der um 1810 an seine Stelle trat.

Als vielseitig begabte Natur hat er sich auf allen Gebieten der Malerei versucht und daneben eine angesehene Stellung durch seine Bildnisse in Aquatinta erworben. Er war in Hamburg, wo er 1778 geboren wurde, ein Schüler des Malers und Kunsthändlers Waagen, Vaters des berühmten Kunstforschers und Direktors der Berliner Gemäldegalerie. Nach einem Studienaufenthalt in Dresden und Prag ging er über Wien nach Rom. An diese Epoche erinnert das ehemalige Altarblatt der Katharinenkirche: Lasset die Kindlein zu mir kommen, das heute an der Nordwand hängt. Auf diesem Gebiete fand er, wie alle, die denselben Weg eingeschlagen hatten, nach seiner Rückkehr in Hamburg keinen Boden und musste sich dem Bildnisfach zuwenden. Im Jahre 1816 ging er wieder nach Italien, wo er elf Jahre tätig war und sich der Landschaft zuwandte. Ansichten aus Italien finden sich im Besitz hamburgischer Familien nicht selten, u. a. im Abendroth-Berkefeldschen Hause. Später wirkte er in Hamburg als Lehrer an den Schulen der Patriotischen Gesellschaft und fand daneben als Bildnismaler Beschäftigung. Das Künstlerlexikon nennt aus dieser Zeit die Bildnisse des Baron Vogth und des Pastors Weltmann.

Seine Tätigkeit als Aquatintist fällt vor die Zeit seines zweiten italienischen Aufenthalts. Als er gegen Ende der zwanziger Jahre zurückkehrte, war die Lithographie im Bildnisfach die Alleinherrscherin. Unter seinen Bildnissen in Aquatinta ist das der Dichterin Christine Westphalen nach W. Tischbein (s. d.) die beste Leistung. Es gibt das jetzt im Besitz der Kunsthalle befindliche Gemälde sehr feinfühlig wieder.

Um 1810 führte er eine Anzahl wirkungsvoller Bildnisse zum Teil größeren Formates aus. Er bediente sich dabei eines malerisch sehr entwickelten Aquatintaverfahrens und setzte das Bildnis mit kräftigen Tönen in eine hellere Umrahmung, die wie eine Platte farbigen Marmors wirkte. Die Bildnisse von Busch und Gurlitt sind besonders hervorzuheben. Seine kleineren Bildnisse erinnern an Quenedey.

QUENEDEY
BILDNIS
RADIERUNG UND AQUATINTA
GRÖSSE DES ORIGINALS:
MINIATURFORMAT

Ob Kupferstich, Schabkunst, Aquatinta und Radierung im Bildnisfach bei uns wieder aufleben, wird davon abhängen, wie weit eine künstlerische Kraft sie sich als Ausdrucksmittel dienstbar zu machen im stände sein wird. Dass sie von dem Moment an, wo sie dem Kunstfreund annehmbar erscheinen, Boden finden, dürfte kaum zweifelhaft sein. Versuche sind bereits wieder im Gange, seit die Kunsthalle zum Gebrauch für die einheimischen Künstler eine Kupferdruckpresse aufgestellt hat.

Aber es ist nicht denkbar, dass sich in Hamburg die Bildnisradierung oder der Bildnisstich aufs neue einbürgert, wenn nur die Künstler sich dafür interessieren. Diese vornehmen Techniken können erst gedeihen, wenn der Besteller auftritt und in seinem Gefolge der Sammler. An hervorragenden Männern, deren Bildnis Vielen als Wandschmuck willkommen wäre, fehlt es nicht. Der gegebene Ansatzpunkt ist jedoch das Pastorenbildnis, nach dem zur Zeit der Konfirmation alljährlich ein großer Bedarf herrscht. Hier könnte auch ein Kunsthändler sehr wohl sich eine Aufgabe stellen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Bildnis in Hamburg. Band 1
071 Klug, David Dr. (1618-1688) Hamburger evangelischer Theologe, Pastor, studiert in Rostock, wirkte in Greifswald, Wismar etc.

071 Klug, David Dr. (1618-1688) Hamburger evangelischer Theologe, Pastor, studiert in Rostock, wirkte in Greifswald, Wismar etc.

072 Kentzler, Heinrich Peter (1606-1662) Hamburger Kaufmann und Oberalter (Fritsch)

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073 Richey, Michael (1678-1761) Hamburger Syndikus und Publizist (Fritsch)

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074 Lütkens, Nicolaus Gottlieb (1716-1788) Hamburger Kaufmann und Senator (Townley)

074 Lütkens, Nicolaus Gottlieb (1716-1788) Hamburger Kaufmann und Senator (Townley)

075 Meyer, Friedrich Johann Lorenz (1760-1844) Jurist, Hamburger Domherr und Reiseschriftsteller (Huck)

075 Meyer, Friedrich Johann Lorenz (1760-1844) Jurist, Hamburger Domherr und Reiseschriftsteller (Huck)

076 Bildnis, Radierung und Aquatinta (Quenedey)

076 Bildnis, Radierung und Aquatinta (Quenedey)

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