Das Artelwesen in Russland.

Aus: Russische Revue. Monatsschrift für die Kunde Russlands. IX. Band
Autor: C. Gruenwaldt,, Erscheinungsjahr: 1876

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Russland, Russen, Fang von Wallrossen, Genossenschaft, Grundkapital, Unternehmer, Gewinnanteile, Fischerei, Jagd,
Die Arbeiter-Artele.

Artele, in Russland sehr verbreitete eigentümliche Art von Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, die vielfach auch beim Eisenbahnwesen gewisse, mit der Güterbewegung im Zusammenhang stehende Arbeiten besorgen.

Die Artele, die auf Grund der allgemeinen „Vorschriften für Artele“ und der darauf bezüglichen Bestimmungen des Handelsgesetzes errichtet werden, leisten für Eisenbahn- und sonstige Privatgesellschaften, für staatliche Behörden sowie für private Verfrachter alle gesetzlich erlaubten Arbeiten und Dienste, die sich auf das Auf- und Abladen von Gütern und Gepäcksstücken, deren Beförderung an die Bahnstationen und das Abrollen von letzteren, das Lagern in Magazine usw. beziehen. Die Artele übernehmen ferner für die bezeichneten Gesellschaften, Behörden und Privaten die Ausführung von Aufträgen zum Einziehen von Geld sowie von jeder Art sonstiger Aufträge. Die Versender von Gütern haben indes volle Freiheit, sich zur Ausführung ihrer Aufträge der angegebenen Art anderer, als der zum Artele gehörigen Personen zu bedienen.

Der Betrag der Vergütung, die die Artele für die Ausführung von Arbeiten erhalten, wird durch freie Vereinbarung zwischen der Vertretung des Arteles und den Auftraggebern festgesetzt. Näheres über Artele s. Claus, im Archiv für Eisenbahnwesen 1890, S. 422 ff. und Handwörterbuch der Staatswissenschaften, 3. Auflage, Bd. 2, S. 196.

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Von nicht geringerer Bedeutung, als die Artele der Handwerker, sind diejenigen der gewöhnlichen Arbeiter. Denn während jene m den Strichen Russlands vorherrschen, welche von Alters her als die Wiege einheimischen Gewerbefleißes gelten, sind diese mehr in solchen Gegenden zu finden, wo weder die Natur, noch die sonstigen Verhältnisse das Gedeihen und die Entwicklung der Industrie begünstigen. Daher werden wir bei Betrachtung der Arbeiter-Artele vor Allem den Norden im Auge behalten — ein Umstand, welcher um so eher zu rechtfertigen ist, als gerade jene Region die charakteristischesten Beispiele für alle Arten von Arbeiter-Artelen darbietet. Solcher Arten lassen sich in unbedingter Anlehnung an äußere Merkmale fünf nennen: es sind dies die Artele für Seetierfang, Fischerei, Jagd, Landwirtschaft und die eigentlichen Arbeiter-Artele. Teilt man sie aber nach der in ihrer Organisation emanent gewordenen Idee, so können sie auf zwei reduziert werden: selbständige, das heißt solche, welche in sich selbst die Mittel zur Arbeit finden, und unselbständige, durchaus vom Kapital abhängige. Letztere, welche auf einem System beruhen, das ähnlich dem Kulak-System der Handwerker-Artele ist und hier den Namen Pokrut führt, werden wir zuerst berücksichtigen. Wir wenden uns deshalb sofort zu den

                  I. Artelen für den Seetierfang.

                  I. Die Artele für den Wallrossfang.


Ein direkter Hinweis auf die Existenz von Artelen für den Fang von Wallrossen im jetzigen Gouvernement Archangel findet sich schon in den Urkunden des XIII. Jahrhunderts. Damals hatte der Fürst Andreij Alexandrowitsch mehreren Watagen — der ursprüngliche Ausdruck für Artel — einen Freibrief behufs Regelung des Vorspannes und Unterhaltes gegeben. Leider haben wir über die Organisation jener Watagi fast gar keine Nachrichten und erst im XVII. Jahrhundert bringen die Chroniken. Ausführliches. Unterdess war der Wallrossfang von den Ufern der Petschora allmählich bis nach Nowaja-Ssemlja vorgerückt und hatte sich der Typus von Artelen herausgebildet, welcher mit mehr oder weniger wesentlichen Änderungen noch heute besteht. Nur eine Artelart war vollkommen verschwunden: die durch freie Vereinigung mehrerer Bauern, welche ihr Geld, ihre Gerätschaften und ihre Arbeit als Grundkapital hergaben, entstandene unabhängige Genossenschaft. Diese einzig rationelle Gattung, in welcher Alle gleiche Anteile und keiner Löwenprozente erhält, vermochte ihr Leben aber nicht zu fristen. Es blieben also nur die Artele übrig, welche als Fonds allein ihre Arbeitskraft einlegten, alles Übrige aber vom Unternehmer empfingen. Eine derartige Artel bestand gewöhnlich aus 15 Mann, welche sich ihrem Ältesten, der Kormsichtschik (Steuermann) genannt wurde, zu blindem Gehorsam verpflichteten. Dieser Älteste war entweder der Unternehmer selbst oder ein von ihm eigens erwählter, durch Geschicklichkeit und Erfahrung ausgezeichneter Arbeiter, welcher für seine Mühewaltungen besondere Privilegien genoss. So erhielt er vor der Abreise im Mai ein größeres Douceur, als die Übrigen — 4 Griwen, die Anderen 10 Altyn — und nach der Rückkunft einen vollen Pai (Anteil) am Ertrage der Beute, während von den Anderen noch Abzüge à conto der Unkosten gemacht wurden.

Der Erlös aus dem Fange der 15 Genossen wurde nämlich in 17 Teile zerlegt. Hiervon bekam einen der Steuermann, zwei der Unternehmer ausschließlich für den Wert des Schiffes, und die restierenden 14 wurden dann gemäß früher festgesetzten Abmachungen verteilt. Wie gering hierbei der Anteil des Einzelnen war, lässt sich deutlich aus den Rechenschaftsberichten des erzbischöflichen Hauses zu Cholmogory erkennen. Dieses Haus, mit den Rechten einer juristischen Person entsandte als Unternehmer jährlich eine große Anzahl von Artelen und schloss mit den betreffenden Mitgliedern besondere Verträge über die Anteilsforderungen. Hiernach hatten im Jahre 1694 in einer Artel 9 Personen von ihren 9 Teilen nur ½ , 2 Mann von 2 Teilen ¼ , 3 Mann von 3 Teilen 1/12 zu erhalten. Es bekamen folglich die Artelgenossen von ihren 14 Teilen nur 35/112, während dem Unternehmer, dem erzbischöflichen Hause, 77/112, d. h. 2 1/5 Mal mehr zufielen. Wenn nun der Gesamtbetrag des Fanges 1 Pud 1 Pfund Wallrosszähne, 17 Wallrosshäute und 15 Tönnchen Wallrossfett war, was damals 75 Rubeln 35 Altyn 2 Djengi gleichkam, so ist ersichtlich, dass dem Einzelnen wenig genug zufiel.

Ein solches Missverhältnis zwischen Kapital und Arbeit lässt sich hier nur dadurch erklären, dass der Unternehmer wirklich mit bedeutenden Opfern und großem Risiko an seine Arbeit gehen musste. Denn mehr als ein Mal wiederholte sich der Unglücksfall des Jahres 1695, da dem erzbischöflichen Hause zwei Schiffe mit schwerer Ladung untergingen — ein Schaden, welcher mit 2000 Rbl. heutigen Geldes nicht aufzuwiegen sein wird. Rechnet man hierzu noch den Umstand, dass die Preise für die Ware in Archangel ansehnlichen Schwankungen ausgesetzt waren (in den Jahren 1685 — 1695 zwischen 25 und 1), dass die Unternehmer oft selbst gegen hohe Prozente — 15 bis 25 — Geld aufnehmen mussten, so ist der bedauerliche ökonomische Zustand der Wallross-Artele im XVIL Jahrhundert einigermaßen entschuldigt. Das XVII. Jahrhundert sah eine merkwürdige Veränderung in dem Leben dieser Artele. Bisher waren sie durch freie Unternehmungslust entstanden, war ihre Arbeit uneingeschränkt und mehr durch das Erfordernis des Augenblicks geregelt, als durch wohlüberdachte Gesetzesbestimmungen — das wurde jetzt Alles anders. Als zur Zeit der Regierung der Kaiserin Elisabeth der Graf Schuwalow das Monopol auf allen Seetierfang in den nördlichen Meeren und hiermit das Recht alleiniger Unternehmer, alleiniger Aufkäufer aller erbeuteten Tiere zu sein, erhielt, forderte die Archangersche Talg-Verwaltung die im Mesen'schen Gebiete lebenden Artelgenossen auf, ihr die Satzungen mitzuteilen, nach welchen sie sich zu einem Ganzen zu verbinden, zu arbeiten und schließlich aufzulösen pflegten. Diese wurden nun wörtlich niedergeschrieben und bildeten dann die für alle Wallrossfang-Artele gültige sogenannte Meer-Ordnung. Wir lassen die in ihr enthaltenen zahlreichen Reglementationen jeder einzelnen Arbeit bei Seite und berücksichtigen nur das auf die Artele Bezügliche.

Darnach besteht eine Artel aus 8—20 Mann, zwischen welchen die strengste Arbeitsteilung herrschte. Der Leiter des Ganzen ist der vom Monopolisten autorisierte Pächter, „der Wirt“, oder des Letzteren Stellvertreter, der „Kormschtschik“. Ihm haben Alle zu gehorchen und er allein ist unterwegs Richter aller Streitigkeiten. Reicht sein Ansehen nicht aus, so ist er befugt, die ihm Gleichgestellten anderer Artele zu Hilfe zu ziehen. Immer aber hat er bis zur Rückkehr auf dem Schiffe zu bleiben und erhält den stipulierten Anteil. Dieser wird folgendermaßen festgestellt: den Ertrag der Beute teilt man in zwei Hälften, die eine erhält der Wirt allein, die andere fällt der Artel zu. Von den einzelnen Teilen dieser Hälfte empfängt dann jedes Mitglied, also auch der Steuermann oder seine Erben, so viel, als bei Beginn der Expedition, gemäß seinen Fähigkeiten, seiner speziellen Arbeit, ihm „gelobt“ worden war. Ist der Ertrag groß und die Artel klein, so bekommt wohl der Unternehmer noch ein gewisses Prozent von der Hälfte des Artelanteils.

Der Unternehmer ist also jetzt scheinbar noch besser gestellt, als vor einem Jahrhundert. Denn während früher die Artele im Mai auszogen und im September desselben Jahres zurückkehrten, war es jetzt zur Gewohnheit geworden, im Juni aufzubrechen und im September des nächsten Jahres heimzukehren. Eine solche Expedition lieferte aber verhältnismäßig weniger, da die Arbeiter immer in Menge von Skorbut dahingerafft wurden und der langdauernde Unterhalt bedeutende Mittel erforderte. Im Allgemeinen nahm man jeden Manu mit: 30 Pud Roggen- und Gersten-Mehl, 5 Pud Gerstengrütze und gedörrtes Hafermehl, 5 Pud geräucherten Stockfisch, 5 Pud Salzfleisch, 1 Pud Butter, 5 Pfund Hanföl, 2—3 Pfund Honig, 5 Pfund Erbsen, 5 kleine Eimer Käsequark mit Meierkraut und etwas Schellbeeren. Außerdem lag dem Wirt die Sorge für Unterhaltung des Schiffes, der Wohnhütte in Nowaja-Semlja etc. ob — alles dieses summiert, ergab für den einzelnen Artelgenossen nie weniger als 30 Rbl, Unkosten. Schickte folglich ein Unternehmer, was übrigens Regel war, mehrere Artele hinaus, so bedurfte er bedeutender Kapitalien, welche zu beschaffen damals ungleich mühevoller und teurer war, als heute. Unter solchen Verhältnissen kann der Anteil, welchen die Unternehmer für sich beanspruchten, wenngleich als hoch, so doch nicht als ungerechtfertigt bezeichnet werden.

Nun kam es aber vor, dass eine Artel für sich allein nicht im Stande war, mit Erfolg ihren Arbeiten nachzugehen. Es verbanden sich dann mehrere, kleine Artele, unbeschadet ihrer Selbst Verwaltung, zu einer einzigen großen, welche den Namen Kotljana führte.*) Die Schiffe, welche den Artelen einer Kotljana gehörten, hatten einen gemeinsamen Hafen in einer der vielen Buchten. Von dort aus ging man auf den Fang, und zwar so, dass unter Zustimmung der Kotljana auf jedem Boote einige Vertreter aller Artele fuhren. Die Beute wurde dann unter die bezüglichen Artele gleichmäßig erteilt, so dass die, an der betreffenden Expedition nicht Partizipierenden auch Nichts erhielten. Nur hinsichtlich solcher Personen, welche im Auftrage der Kotljana Arbeiten ausgeführt hatten, die sie an der Beteiligung verhinderten, wurde eine Ausnahme gemacht. Daher zählten die dejourierenden Köche, Wächter usw. bei der Teilung der Beute immer als voll. In der Kotljana galten also keine Unterschiede und keine Vorzüge der Spezialitäten: alle Arbeit wurde gleich honoriert. Doch dieser Vorzug der Kotljana vor der Artel hatte nur wenig praktischen Wert, da der Ertrag des Einzelnen unbedingt der Artel gehörte. Er war deshalb nur dann von Bedeutung, wenn viele Mitglieder einer Artel ohne Beute zurückbekommen waren, da dann auch der ihnen eigentlich nicht zukommende Teil zuerkannt wurde.

*) Der Name kommt von Kotjól = Kessel her. In einem großen Kessel wurden die Speisen für alle Genossen bereitet, in einem Kessel das Fett von allen erbeuteten Tieren gekocht. „Die Männer von der Kesselrunde“.


Ein solcher Innungsvertrag galt so lange, als es den Parteien gefiel und als eben die Möglichkeit gegeben war, zusammen zu arbeiten: wenn ein Sturm die Schiffe in alle Winde wehte, so war die Kotljana mit allen Rechten und Pflichten zu Ende. Was bis zu solch einem Unglücksfall erbeutet war, wurde, wenn sich die Genossen einst wiederfanden, gleichmäßig verteilt. Natürlich unterlag dieser Teilung nicht Dasjenige, was in der Zwischenzeit gefangen ward.

Von einer derartigen Kotljana unterschied sich durch größere Einengung der Artel-Tätigkeit die sogenannte kompakte Kotljana (plotnaja Kotljana). Sie konnte nicht einseitig durch den Willen der Artel, des Steuermanns oder des Unternehmers geschlossen werden, sondern bedurfte der Zustimmung aller dieser Personen zusammengenommen. Das vor allen Dingen deshalb, weil eine ihrer wesentlichsten Bestimmungen dahin lautete: die Beute dürfe nicht eher gezählt und geteilt werden, als bis alle Mitglieder der verschiedenen Artele nach Ablauf der Fangperiode heimgekehrt seien.

Außer diesen beiden wohlorganisierten Kotljanen gab es noch eine dritte, kurzlebige. Sie war durch das Bedürfnis des Augenblicks hervorgerufen und verschwand auch ebenso schnell wieder. Wenn z. B. die Mitglieder mehrerer Artele zufällig zu gleicher Zeit auf eine Schaar von Wallrossen stießen, so gab Jeder das Allen bekannte Signal und dann ging es gemeinsam auf die Jagd. Nach Beendigung derselben ward die Beute sofort geteilt und nur Diejenigen, welche in das Signal freiwillig nicht eingestimmt, hatten auch kein Anrecht an den allgemeinen Gewinn.

Abgesehen aber von solchen „Gemeinschaften“, welche mehrere Artele umschlossen, waren sie Alle samt und sonders durch das Gefühl der gemeinsamen Not und Verlassenheit verbunden. Darum ist auch niemals ein Fall bekannt geworden, dass das Mitglied einer Artel oder Kotljana einen fremden Genossen oder sonst wen in der Gefahr verlassen hätte. Ohne jede Vergütung mussten Schiffbrüchige aufgenommen werden*) und wenn die Zahl derselben einem Fahrzeuge zu groß wurde, so war das erste ihm Begegnende verpflichtet, einen Teil derselben abzunehmen, von welchem wieder

*) Für das Retten und Befördern von Gegenständen aus dem scheiternden Schiffe wurde freilich eine Belohnung erhoben: 20 Kop. pro Pud für Schiffsund Arbeitsgeräte, von der Heute aber, welche sich auf dem Wracke befand, Dreiviertel.

einige auf demnächst folgende Schiffe übergeführt werden durften. Nur überwinternde Schiffe hatten das Rechte derartige Hilfeleistungen auf ein gewisses Maß zu beschränken.

Das sind im Allgemeinen die Gebräuche und Gewohnheiten des XVIII. Jahrhunderts, welche durch die „Meer-Ordnung“ Gesetzeskraft erhielten. Das XIX. Jahrhundert schuf zu diesen Bestimmungen nur wenig Neues. Desto deutlicher trat aber jene Artelart hervor, welche wir schon oben mit dem Namen Pokrút bezeichneten, und welche darin besteht, dass eben der Unternehmer sowohl sein Geld, als seine Gerätschaften und den Unterhalt hergibt und dafür auch das Recht erwirbt, einen um so größeren Teil von der Beute zu verlangen, welche ihm allein verkauft werden darf. Hält man das mit der notorischen Armut der Arbeiter zusammen, so ist die Behauptung erklärlich, dass die Artelmitglieder sich in nicht mehr freiem Zustande befinden. Sie bleiben immer den Unternehmern, welche nach Aufhebung des Schuwalow’schen Monopols wie die Pilze emporkeimten, verschuldet, und selbst der beste Fang ist nicht im Stande. sie von ihrer Schuldenlast zu befreien.

Die Artele von 8—15 Mann überwintern jetzt nur selten in Nowaja Semlja. Sie ziehen im Mai aus und kehren im September wieder. Zum Unterhalt erhält jeder Mann 7 Pud Roggen- und Gerstenmehl, je 1 ½ Pud Gerstengrütze und gedörrtes Hafermehl, gesalzenen Stockfisch, Salzfleisch, 10 Pfund Butter, Hanföl, Käsequark — Alles summiert beträgt oft mehr, als 20 Rbl, Die Arbeit ist nicht so streng geschieden, wie im vorigen Jahrhundert, weshalb auch der Anteil in nicht allzu großem Umfange variiert. Nur der Steuermann steht über dem Niveau und seine Anteilsforderung ist deshalb auch größer. Die Teile, jetzt Ushna genannt, werden in den verschiedenen Kreisen verschieden gefunden. Am üblichsten ist die Teilungsart des Kreises Kem. Dort zerlegt man den Ertrag der Beute — d. h. Dasjenige, was der Unternehmer dafür gibt, da die Artel nach Belieben zu verkaufen nicht das Recht hat — in drei Mal so viel Teile, als die Artel Mitglieder zählt und von allen diesen Anteilen erhält der Unternehmer 2/3, — 1/3 verbleibt also der Artel. Wenn demnach die Artel aus 10 Personen besteht, so wird der Erlös der Beute in 30 Teile zerlegt, 20 davon bekommt der Unternehmer, 10 die Artel. Von diesen letzteren gehen 4—5 Ushna für den Steuermann, 1 ½ — 2 für seinen Gehilfen ab, wenn ein solcher erforderlich war, und das übrige kommt dann den Artelmitgliedern zu. Von diesem Reste werden oft noch kleine Beträge à conto der Vorschüsse, welche der Unternehmer im Mai oder im verflossenen Winter gewährt, abgezogen. Seit langen Jahren gelten nun als Durchschnittszahl des Erlöses aus dem Fange einer Artel 1.500 Rbl. Hiervon 2/3 für den Wirt = 1.000 Rbl., Rest für die Artel 500 Rbl.; das gäbe für den Mann, da die meisten Artele aus 10 Mann bestehen, 50 Rbl. Doch so viel bekommen, wie gezeigt worden, nur Wenige. Es bleibt für die Meisten also eine ganz geringe Summe, die ihnen nur selten bar, gewöhnlich aber in Lebensmitteln ausgezahlt wird, welche der Unternehmer selbst auf Kredit mit einem Zuschlag von 20 % gekauft hat.

Solche und ähnliche Verhältnisse haben die Wallross-Artele auf eine kleine Zahl reduziert. In den Dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts belebten noch mehr als hundert Artelschiffe die unwirtlichen Gestade des Nordmeeres — im Jahre 1867 arbeiteten nur 14 und 1872 bloß 5. Der Mesen'sche Kreis zieht gar nicht mehr nach Nowaja-Semlja, sondern geht auf die südlicher gelegenen Inseln Matwejew und Dolgy, aus dem Kreise Kem nur diejenigen Artele, welche den Unternehmern am meisten verpflichtet sind. Das Ende ist, wenn nicht bedeutende Kapitalien zu Hilfe kommen, nahe, und eine Artelart, welche eine Jahrhunderte alte Geschichte hat, bald verschwunden. Es ist dies um so mehr zu bedauern, als das Artelleben auf die Arbeiter von einem moralischen Einfluss gewesen, dessen Folgen noch heute unverkennbar sind. An Stelle aller weiteren Belege führen wir nur die Beispiele an, welche uns der Akademiker v. Baer mitteilt, *) und welche zur Genüge die große Gewissenhaftigkeit und Ehrlichkeit dieser Artelschtschiki kennzeichnen.

*) Über ethnographische Forschungen im Allgemeinen und die in Russland insbesondere. Archang. Gouv.-Zeit. 1848, Nr. 10 und 11.

Hr. v. Baer erzählt, dass die Hütten auf Nowaja Semlja nie verschlossen seien. Man lässt seine Sachen ruhig dort stehen und kann sicher sein, sie, wenn auch nach Jahren, vollzählig wiederzufinden. Hr. v. Baer hat eine Hütte gesehen, deren Bewohner ausgestorben waren. Die wertvollen Felle, welche sie erbeutet hatten, lagen unberührt da, und erst, als man im September aufbrach, wurde Alles durchgezählt und mitgenommen, da die Erben den anderen Artelen bekannt waren. Wenn Jemand dort ein erjagtes Tier oder sonst etwas schleppt und damit nicht zum Ziele gelangen kann, so stellt er neben demselben einen Stock als Zeichen, dass die Sache einen Eigentümer hat. Hr. v. Baer wollte sich einmal an solch' einen Stab lehnen, welcher neben einem Boote stand, aber man wehrte es ihm, weil es eine große Sünde sei, den Stab zu rücken oder zu berühren. Er beauftragte einen Knaben, ihm eine Maus zu fangen und versprach ihm hierfür einen Rubel. Als der Knabe ihn erhielt, dankte er und drückte seine Freude aus, dass der Artel ein ungeahnter Zuwachs an Geld geworden sei. Verwundert fragte Hr. v. Baer, was dieses Geld denn die Artel angehe. Aber der Knabe erwiderte, dass jeder Vorteil redlich geteilt werden müsse, und pflichtgetreu übergab er das Geld seinem Vater.

Robben, Walross

Robben, Walross

Wildtiere, Walrosse

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Walross

Walross

035 Walrosse

035 Walrosse

Eskimos, Angriff eines Walrosses

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