Zeitpunkt der Bildung des für sich bestehenden Kannengießer-Amts in Rostock

In welchen Zeitpunkt die Bildung des für sich bestehenden Kannengießer-Amts in Rostock zu verlegen ist, läßt sich nicht genau angeben. Die älteste uns erhaltene Rolle 33) vom 16. Mai 1482 ist die der vereinigten Grapengießer und Kannengießer und das älteste Protokollbuch in der Lade, im Jahre 1575 angefangen, führt die Aufschrift „Kannengeter unde Grapengeter ehr boeck“. Dagegen heißt ein zweites Protokollbuch vom Jahre 1597 das Amtbuch der Rostocker Kannengeter und diese Benennung erfährt das Amt auch in dem Zusatz zu einer Copie der alten (1482er) Rolle vom Jahre 1678, während endlich auf dem Titel des dritten uns erhaltenen Protokollbuches aus dem gleichen Jahre steht „das löbliche Ambt der Zinnengiesser Buch“. Hiernach ist es wahrscheinlich, daß die Trennung der beiden Handwerke am Ende des 16. Jahrhunderts vor sich gegangen ist. Die Grapengießer scheinen damals vom Schauplatz abgetreten zu sein; wenigstens ist von ihrer Zugehörigkeit zum Amt nicht mehr die Rede.

Den Kannengießern, bei welchen es nach dem Absterben ihrer einstigen Genossen, der Grapengießer, noch 300 Jahre dauerte, bis auch ihr Stündlein schlug, passirte das Mißgeschick bei der großen verheerenden Feuersbrunst, welche im August 1677 Rostock heimsuchte, ihre Originalrolle und vermuthlich auch andere Papiere einzubüßen. Eine Abschrift ihres Statuts konnte ihnen aus dem großen Wette- und Rollenbuch im folgenden Jahre geliefert werden, wobei eine Uebersetzung des Niedersächsischen ins Hochdeutsche für angemessen erachtet wurde. Die übrigen Documente waren natürlich unwiederbringlich dahin bis auf die bereits erwähnten Amtsbücher. Das Jahr 1678, das Jahr nach dem Brande, schien zu einem Wendepunkt in der Geschichte unseres Gewerbes ausersehen. Man begann ein neues Protokollbuch und legte sich einen neuen Namen bei. Indeß ist es zu einer regelrechten Benutzung des Buches nicht gekommen. Die hauptsächlich wichtigen Eintragungen über die aufgenommenen Meister und eingeschriebenen Lehrlinge bis auf die neueste Zeit finden sich in den älteren Bänden, die vielleicht in der Unruhe des Brandes verloren gegangen, sich später als gerettet herausstellten.


Die Rolle von 1482 hat dem Amte bis zum letzten Augenblick seines Bestehens, nur verändert durch eine im Jahre 1585 getroffene Verordnung über die Feier von Meister-Essen und Aeltermanns-Mahlzeiten, welche für alle Handwerke in ganz Meklenburg galt, gedient. Wohl fühlten in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die ehrsamen Zinngießer das Bedürfniß nach einem den modernen Anforderungen gemäß umgestalteten Statut, „da die alte von 1482 herige Amptsrolle so sehr tunckel und nichts auf jetzigen Zeiten Passendes in sich enthält“. Es seien nun bald 300 Jahre, heben sie in dem Brouillon zu einer Eingabe an den Rath hervor, seit dem Erlaß der alten Rolle verflossen „ in welcher Zeit die Weldt ganz andere Meinungen gefasset“ und baten daher um eine neue Rolle, zu der sie einen Entwurf vorlegten. Doch der Rath erhörte ihr Gesuch nicht und so behielt das alte Statut von 1482 bis 1880 für die Mitglieder des Amts bindende Kraft. Ein Unglück war das eben nicht, denn die neue Rolle von 1773 hatte es vorzugsweise auf die Regelung der ausschließenden Absatzverhältnisse und der Bedingungen des Meisterwerdens abgesehen, d. h. die bloß eigennützigen Absichten der damaligen Handwerker zum Ausdrucke gebracht.

Wann die „Neu-Revidirte und Renovirte Punctationes“ entstanden sind, die im dritten Protokollbuche, scheinbar von einer Hand des 18. Jahrhunderts, stehen, läßt sich nicht bestimmen. Sie weisen kein vollständiges Statut auf, sondern regeln nur einige Punkte und zwar namentlich die Bedingungen, welche für die Erlangung des Meisterrechtes zu erledigen waren. Die „Fernere gebreuchliche Ambtsaussgaben undt Nachrichten“, von derselben Hand in demselben Protokollbuche eingetragen, also vermuthlich aus der gleichen Zeit wie die Punctationes, wollen ebenfalls nur einige, etwa zweifelhaft gewordene Observanzen ins Reine bringen und sind nicht als eine Rolle im gewöhnlichen Sinne anzusehen.

Uebrigens deutet dieses Festhalten an der alten Rolle nicht an, daß jede Weiterbildung des Sonderrechts aufgehört hatte. Vielmehr fand eine solche auf den Versammlungen statt, welche Deputirte der verschiedenen Zinngießer - Aemter alle 7 Jahre in Lübeck abzuhalten pflegten. Wann diese zuerst begonnen haben, läßt sich zur Zeit nicht bestimmen. Bereits aus dem 15. Jahrhundert liegen Beschlüsse derartiger Vereinigungen vor. So z. B. von den Schmieden der wendischen Städte. Die Kannengießer waren schon in den Jahren 1589, 1603 und 1617 in Lübeck zusammengekommen, wie aus dem Protokollbuche hervorgeht, ob damals, wie es den Anschein hat, in bestimmten Zeiträumen, etwa alle 14 Jahre, regelmäßig wiederkehrend, oder ad hoc, je nach Bedürfniß zusammentretend, entzieht sich unserer Kenntniß. Ebenso schickten die Rostocker Zinngießer Vertreter zu den Versammlungen in den Jahren 1640 und 1662. Recesse ihrer Zusammenkünfte haben sich aus den Jahren 1678, 1705, 1710, 1719 und 1729 erhalten. Wieviel Versammlungen außerdem in dieser Periode vorkamen, läßt sich natürlich nicht sagen. Es scheint aber, als ob dieselben überhaupt nicht in der ursprünglich festgesetzten Weise, alle 7 Jahre, veranstaltet wurden, sondern, weil die Kosten der Beschickung zu große wurden, in längeren Zwischenräumen. Auf der Tagfahrt von 1729 wurde ausdrücklich beschlossen, daß wenn nichts „Hauptsächliches“ zur Sprache kommen sollte, die Einberufung der Deputirten 2 bis 3 Jahre über den 7jährigen Termin hinausgeschoben werden könnte. Daß die Kosten unter Umständen ein Hinderniß für die Beschickung werden konnten, ergiebt sich daraus, daß z. B. der Vertreter der Rostocker Zinngießer im Jahre 1640 30 Gulden, die beiden Meister aber, die im Jahre 1662 nach Lübeck reisten 61 Gulden und 10 Schillinge Reisespesen vergütet bekamen.

Die Verhandlungen, die hier geführt wurden, erstreckten sich zum Theil auf ganz untergeordnete Dinge. Es handelte sich z. B. um die Bestimmung darüber, welche Landstädte den Vororten zugezählt werden sollten oder welche Märkte den einzelnen Städten zu beschicken gestattet war. Jeder Stadt war der Umkreis, innerhalb dessen Zinnsachen zum Verkauf ausgeboten werden konnten, genau vorgezeichnet und man achtete nur darauf, daß dieser eingehalten wurde. So war der Parchimsche Markt den Wismarschen zugewiesen und nur zu Michaelis durften ihn die Schwerinschen Zinngießer beziehen. Schleswig hatte das Recht, die Märkte in Flensburg zu besenden. Neustadt, Oldenburg und Lütjenburg durften von den Lübeckern bezogen werden. Der Markt zu Gadebusch stand den Wismarschen, Lübeckern und Schwerinschen gleichmäßig zu. Anklam und Greifswald sollten wohl den Markt zu Demmin, nicht aber den zu Stralsund besuchen dürfen.




33) Die obige Darstellung gründet sich auf das in der Lade der Zinngieser vorhandene Urkunden- und Aktenmaterial (Rathsarchiv).

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Amt der Zinngießer in Rostock