Vereinbarung der Zinngießer-Ämter der Seestädte

Nach einer Vereinbarung der Zinngießer-Aemter der Seestädte, deren Zeitpunkt sich nicht ermitteln läßt und die man auch bei anderen Aemtern findet, waren in unserem Handwerk einige Städte als Hauptort ausersehen. Dem in diesen bestehenden Amt schlossen sich die Meister der kleineren Städte an, ohne eine eigene Verbindung zu bilden. Bereits im Protokollbuche von 1597 sind unter dem Vermerk „wat wi van Rostock vor stede under uns tho strafen hebben“ Malchin, Neubrandenburg, Friedland, Bützow und Teterow namhaft gemacht. Aus einer späteren Aufzeichnung erfährt man, daß zum Rostocker Amte die Zinngießer der Städte Güstrow, Plau, Malchin, Neubrandenburg, Wahren, Ribnitz, Bützow und Teterow gehörten. Ueber die Vertheilung der kleineren Städte unter die größeren scheint es dabei mitunter Streitigkeiten gesetzt zu haben. So werden die Schweriner Zinngießer ursprünglich nach Wismar, später nach Lübeck gewiesen, und noch im Jahre 1814 regelte eine großherzogliche Verordnung die Zugehörigkeit der kleineren Landstädte zu den Zinngießer-Aemtern in Güstrow, Schwerin u. s. w. Man nannte derartige Meister zuerst die „gestraften“, später die „incorporirten“. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts finden sich im Protokollbuche zwei Zinngießer aus Neubrandenburg genannt, die sich auf diese Weise von dem Amte in Rostock strafen ließen. Ich weiß den Ausdruck nicht besser zu erklären, als daß diese Meister sich der Jurisdiction der Rostocker, d. h. der etwa über sie zu verhängenden Strafen, unterwarfen. Solche Meister gab es nicht wenig: im Jahre 1721 beispielsweise 11. War ein derartiger Meister aufgenommen, so wurden die anderen verbündeten Städte davon in Kenntniß gesetzt. In der Lade der Rostocker Zinngießer finden sich mehrere derartige Briefe aus Lübeck, Wismar u. s. w., sowie Formulare für die jedesmal gleichlautenden, in solchen Fällen aufzusetzenden Anzeigen. Diese incorporirten Meister wurden, wenn ihre Papiere in Ordnung waren, ohne weiteres aufgenommen und hatten nur eine Geldgebühr zu entrichten, die im 17. Jahrhundert 8 Thlr. betrug, im vorigen auf 12 Thlr. sowie 40 Schillinge für das Aufgebot des Amts und die Ausstellung des Meisterbriefs erhöht wurde.

Was nun die Rostocker Meister anlangt, so interessirt uns von den ihnen auferlegten Bedingungen namentlich das Meisterstück. Die Rolle von 1482 sieht die Anfertigung eines solchen auf der Werkstube des Aeltermanns im 9. Artikel vor, giebt aber nicht an, worin es bestehen solle, sondern verlangt nur, daß drei Stücke gegossen werden sollen. Wie es scheint, waren dieselben nie fest bestimmt, sondern ihre Wahl dem Bewerber überlassen. Nach den Einträgen im Protokollbuch über die von den einzelnen Meistern seit dem Jahre 1701 angefertigten Stücke wechselten in bunter Reihenfolge Waschgefäße, Schüsseln, große Schalen, Weinkannen, halbstöfige Kannen, Bettpotte, Gelachskannen, Willkommen, Terrinen mit und ohne Deckel, u. a. m., je nach der Neigung und Geschicklichkeit des Kandidaten, mit einander ab. Eine hierbei namhaft gemachte „Volcks - Schahle“, im Gewichte von 5 bezw. 6 Pfund, weiß ich nicht zu deuten.


Die Formen zu seinen Güssen mußte der angehende Meister selbst herstellen. Sie wurden wohl meist aus weichem Sandstein gedreht, den der Steinmetz vorher nach Anweisung des Zinngießers bearbeiten mußte. Es kam darauf an, schon bei Verfertigung dieser Formen Geschicklichkeit zu beweisen. Messingformen, die wegen ihrer Dauerhaftigkeit vor allen den Vorzug verdienen, wurden in Rostock erst spät gebräuchlich und waren der größeren Kosten wegen wohl nie allgemein verbreitet. Nach einer Angabe in Sprengels Handwerken und Künsten (aus dem vorigen Jahrhundert) konnte ein angehender Zinngießer, wenn er Messingformen anschaffen wollte, leicht dafür 2000 Rthlr. ausgeben. Dieser Aufwand nöthigte in größeren Städten die Zinngießer häufig zum gemeinschaftlichen Ankauf dieser Formen; in den kleineren Städten bedienten sich die Handwerker der steineren. Als im Jahre 1880 das Rostocker Amt sich auflöste, waren unter 21 Formen, die in seinem Besitze waren, nur 4 aus Messing - sämmtlich zur Anfertigung von Hähnen bestimmt - und 2 aus Gußeisen, alle übrigen aus Stein.

Das fertig gegossene Stück mußte, ehe es die Werkstätte verließ, mit dem „r“ als dem Stadtzeichen und dem Handwerkszeichen des Erzeugers versehen werden. Das letztere findet sich in der Regel zwei Mal angebracht, vielleicht um für den Fall, daß die eine Marke sich verwischen sollte, aus der anderen den Meister in Erfahrung bringen zu können.

Ueber das zur Verwendung kommende Rohmaterial gab es im Statut keine eingehenden Vorschriften. Die älteste Rolle verlangte nur (Art. 2), daß Flaschen und Kannen aus so gutem Zinn gegossen werden sollten, wie es in den Seestädten gebraucht werde und der Entwurf von 1773 schreibt vor, daß probemäßiges englisches Zinn oder Mankgut benutzt werde, übrigens auch schlechteres Zinn zur Verwendung kommen könne. Ueber das Maaß des erlaubten Bleizusatzes verlautet nichts. Im 14. Jahrhundert war die Feststellung der zur Anfertigung der Zinngefäße bestimmten Mischung von Zinn und Blei der Gegenstand mehrfacher Verhandlungen auf dem Hansetage. Die Handwerker behaupteten, ohne die Beimischung von Blei das Zinn nicht mit Erfolg bearbeiten zu können. Ueberdies war Blei wohlfeiler als Zinn. Es lag daher nahe, daß mit dem Zusatz Mißbrauch getrieben wurde, und dem wollten die Obrigkeiten entgegenarbeiten. Man einigte sich auf der Versammlung von Stralsund im Jahre 1376, nachdem mehrere fruchtlose Besprechungen vorausgegangen waren, dahin, daß bei Kannen eine Mischung von drei Theilen Zinn und einem Theil Blei zu Grunde gelegt werden mußte, Standen, Flaschen, Schüsseln, Salzgefäße u. dgl. m. aber aus reinem Zinn gegossen werden sollten. Nach Sprengel benutzte der Zinngießer des vorigen Jahrhunderts sein Metall überhaupt nie unvermischt, sondern jederzeit unter Zusatz eines andern Metalles oder Halbmetalles. Verarbeitet wurde in Rostock offenbar vorzugsweise englisches Zinn, dessen Transport zur See bequemer und billiger gewesen sein dürfte als der des böhmischen oder sächsischen Zinns. Ostindisches Zinn spielt erst seit dem vorigen Jahrhundert eine Rolle im Handel, doch war es bereits seit Anfang des 16. Jahrhunderts in Europa bekannt. Australisches Zinn ist wohl überhaupt erst in der Mitte unseres Jahrhunderts zur Geltung gekommen. Ueber die Bezugsquellen der Rostocker Zinngießer läßt sich zur Zeit nichts mittheilen.

Mit der Anfertigung des Meisterstücks allein war es nicht gethan. Eine Geld-Abgabe an das Amt und die Aelterleute kam hinzu. Die letztere Summe repräsentirte gleichsam eine Entschädigung für die Unbequemlichkeit, welche der angehende Meister dem Aeltermann verursachte, indem er in dessen Werkstätte arbeitete. Wie groß diese Summe im 15. Jahrhundert war, läßt sich leider nicht angeben, da die Rolle nur verfügt, daß der Betreffende thun soll „den oldirluden unde ampte, wes en na older lovelker wonheyt behort.“ Sie forderte übrigens den Nachweis eines Vermögens von 30 Mark und einen Betrag von einer Mark als sog. „Harnischgeld“, d. h. zur Bestreitung der Unkosten, welche die kriegerische Ausrüstung einiger Genossen, die das Amt auf sich zu nehmen hatte, verursachte. Auch über die Höhe des im 16. Jahrhundert gezahlten Betrages kann man sich eine klare Vorstellung nicht entwerfen. Im Protokollbuch von 1575 heißt es, daß den Aelterleuten bei der ersten Einreichung des Gesuches um Zulassung zur Meisterschaft 4 Schillinge zu zahlen waren. Dieser Summe folgten, wenn das Meisterstück angefertigt worden war, 4 Mark Harnischgeld, 6 Gulden „vor dat stovenlach“ (eine Abgabe, die wie es scheint, bei der Verheirathung zu zahlen war) und 12 Gulden für die Amtsköste, wobei sich nicht feststellen läßt, ob dieser letztere Betrag statt der Mahlzeit gezahlt wurde oder mit ihm das Essen angerichtet werden sollte. Im 17. Jahrhundert mußten 38 Gulden und 16 Schillinge entrichtet werden, nämlich 1 Gulden 8 Schillinge beim ersten Gesuch „weil das ambt darumb zusamenkumbt“, 2 Gulden jedem Aeltesten, deren das Amt zwei hatte und 33 Gulden 8 Schilling in die Amtskasse. Eine Erhöhung erfahren diese Beträge jeweilig dadurch, daß für nicht in Ordnung befindliche Papiere, für ein nicht zu voller Zufriedenheit ausfallendes Meisterstück u. s. w. Strafgelder gezahlt werden mußten. Dem entsprechend kostete einigen Meistern am Ende des 17. Jahrhunderts die Niederlassung 46, bezw. 52 Gulden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Amt der Zinngießer in Rostock