Meisterstück, Meister, Kapital

Diese Summe wurde im vorigen Jahrhundert auf 35 Thlr. und 40 Schill. umgerechnet, nämlich 24 Schillinge für das Aufgebot des Amts, jedem Aeltesten 1 Thlr. und 33 Thlr. 16 Schill. in die Amtslade. Später scheint der Betrag auf 40 Rthlr. erhöht worden zu sein. Wenigstens antworten, als im Jahre 1813 ein herzogliches Rescript vom 4. März die Kosten des Meisterwerdens bei den einzelnen Gewerben festzuhalten wünscht, die Zinngießer am 26. April, wie folgt:

1) Dafür, daß ein angehender Meister sein Meisterstück in dem Hause des Aeltesten machen muß, dieser ihm seine Werkstatt, seine Geräthschaften zur Verfertigung des Meisterstücks liefert, muß derselbe an den Aeltesten bezahlen Rthlr. 6.


2) Bey dem Gutbefinden des verfertigten Meisterstücks muß derselbe die Hälfte des zu erlegenden Quantums von 34 Rthlr. N 2/3, nämlich 17 Rthlr. sogleich an die Amtskasse erlegen, die andere Hälfte aber jährlich mit 2 Rthlr. abtragen.

Es ist nun ganz charakteristisch, daß diese Summen fast nie vollständig auf ein Mal von den angehenden Meistern bezahlt werden können. In den meisten Fällen überstiegen sie vermuthlich die materielle Leistungsfähigkeit der Betreffenden. Eine geringfügige Summe wurde gleichsam als Abschlagszahlung in der Lade niedergelegt und der Rest als Schuld betrachtet, die jährlich zu verzinsen und in kleineren Raten zu tilgen war. Jahre vergingen darüber, bis der Einzelne seinen Verpflichtungen genügt hatte und mancher starb hinweg, ohne daß ihm dieses gelungen war, so daß das Amt sich, wie in einem gegebenen Falle, an den vom Verstorbenen hinterlassenen Formen schadlos zu halten suchen mußte. Dabei war dieser Meister nicht etwa eines frühzeitigen Todes verblichen. Im Jahre 1687 Meister geworden, starb er 1722 und hatte demnach in 35 Jahren nicht die Summe von 33 Gulden abzutragen vermocht. Seit 1673 bis zum Jahre 1791, in welcher Zeit 23 Meister neu aufgenommen wurden, findet sich nicht ein einziger, der seinen Geldbetrag sofort baar entrichtet hätte. Vielmehr dauerte es, abgesehen von einem Meister, der schon nach 2 Jahren das Fehlende hatte beibringen können, in den günstigen Fällen 7 - 8 Jahre, in den weniger günstigen 12 - 17 Jahre und in den ungünstigsten 22 - 25 Jahre, bis alle Ansprüche des Amts befriedigt waren. Seitens des Amts war man auf diese Säumigkeit vollständig eingerichtet und scheint auch nicht das geringste Bedenken darin gefunden zu haben, wie der zweite Absatz der Antwort auf das herzogliche Rescript von 1813 beweist. Doch mag diese langwierige Verschleppung nicht immer Allen nach Wunsch gewesen sein. Wenigstens sieht der Entwurf von 1773 vor, daß die Hälfte der vorschriftsmäßigen Summe, also 16 Thlr. und 32 Schill, von vornherein baar entrichtet werden müsse und nur ein ebenso großer Rest gestundet werden könne.

Es unterliegt kaum einem Zweifel, daß in diesen hochgeschraubten Geldforderungen ein Hauptgrund für das Elend lag, in welchem das deutsche Handwerk seit dem 30jährigen Kriege schmachtete. Was hier von den Zinngießern genauer nachgewiesen werden kann, stellte sich in den anderen Gewerben durchaus nicht besser. Ueberall waren, um vom Eintritt in das Amt abzuschrecken, die Gebühren im Laufe der Jahre stark erhöht worden; die Klage darüber ist eine allgemeine. Wenn nun der mittellose Handwerker sein Geschäft, zu dessen erster Einrichtung er doch auch des Kapitals bedurfte, schon mit Schulden begann, so kann man sich denken, wie sehr ihm sein Vorwärtskommen erschwert war. Sich dem Amte zu entziehen, konnte er aber nicht wagen, weil er als Freimeister, von allen verfolgt und zurückgestoßen, ganz sicher eine kärgliche Existenz fristete, während er als Amtsgenosse, wenn das Glück ihm hold war, mehr verdienen zu können hoffen durfte. Darnach zu urtheilen, daß die Abtragung der Restzahlung so lange Zeit beanspruchte, müssen freilich solche Hoffnungen unserer Rostocker Zinngießer oft getäuscht worden sein.

Zu diesen Geldabgaben kamen schließlich noch die Unkosten für die zu veranstaltenden Mahlzeiten, die sog. Meister-Essen. Auf diese scheinen die meklenburgischen Gewerbetreibenden von jeher großes Gewicht gelegt zu haben, ließen sich wohl auch manche Uebertreibung zu Schulden kommen. Denn schon die ältesten Landespolizei-Ordnungen des 16. Jahrhunderts eifern gegen das Uebermaaß bei der Veranstaltung dieser „Kösten“. Das Protokollbuch von 1575 hat uns einen culturhistorisch nicht uninteressanten Speisezettel aufbewahrt, der bei Gelegenheit der Erlangung der Meisterschaft eingehalten zu werden pflegte. Er lautet:

„Hernach volget watt man vor gerichte spyset up datt vorbenomede ampt.

Thom ersten spiset he den olderluden und olderfrowens eine schincken unde droge flesch und grapenbrade myth mandelen unde rosinen und ein richte Honern myth bygot 66) und eine brade; darna botter unde kese.

Thom andern deith he de meisterkost und hefft dat gantze ampt, unde spiseth ehn alßden grapenbrad myth mandelen unde rosinen, darna lahmsfleisch, darna ryeß, darna braden und gebraden honer, darby entlichenn botter unde kese, und op den avendt even desulve gerichte und ein gericht heketh 67) darbeneven.

Thom dridden deith he den wynkosth, wen idt den olderluden geleveth, und spiset ehne grapenbrade myth mandelen unde rosinen, darna honer myth bygoet, darna lamfleisch, darna wyenmoeß, darna Lammesbraden myth gebraden honern, suletzt botter unde keeß, und schencket clareth 68) unde wyen; up dat afent en gerychte heket. 67)

Diese vielleicht weniger an sich schwelgerischen aber die Mittel unserer Handwerker in der Regel wohl übersteigenden Mahlzeiten wurden am Ende des 16. Jahrhunderts durch landesherrliche Verordnung eingeschränkt. In dem Güstrowschen Erbvertrag von 1585 wurde den Handwerkern die Abhaltung solcher Festlichkeiten bei Strafe von 50 Thlrn. ganz verboten. Statt der „Ambtsköste“ sollte ein junger Amtsbruder jedem Aeltermann 1 Gulden, der Amtsbüchse 10 Gulden und ebensoviel zum Ankauf von Silbergeschirr geben. Obwohl nun diese Verfügung den Gewerbetreibenden sämmtlich mitgetheilt wurde, indem man sie den Rollen der einzelnen Aemter als Zusatz anfügte, scheint ihr Erfolg doch nur ein unbedeutender gewesen zu sein. Man nahm seit der Zeit von dem jungen Meister Geld (das ursprünglich als Abfindung für die Mahlzeit gedacht war), erhöhte diesen Betrag sogar allmählich und ließ ihn die „Köste“ trotzdem veranstalten. Das einzige, wozu man sich bequemte, war größere Sparsamkeit in der Anordnung des Essens, wozu indeß vielleicht auch die Noth drängte. Die „Punctationes“ sprachen von einem Meister-Essen, das aus Braten, Fisch (Hecht oder Lachs), Käse und Butter, einer Kanne Rheinwein und Bier nach Bedarf bestand, und der Entwurf von 1773 sieht sogar die Möglichkeit vor, daß wegen der Mahlzeit „ein Billiges mit dem Amte accordiret werde“.




66) Sauce.
67) Hecht.
68) Würzwein.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Amt der Zinngießer in Rostock