Der gewöhnliche Stand der Finanzen

Daß die Herbeischaffung einer solchen Summe für das Amt die allergrößten Schwierigkeiten hatte, wird man gewahr, wenn man sich über den gewöhnlichen Stand ihrer Finanzen zu unterrichten sucht. Es liegt uns zwar nur eine einzige Amts-Rechnung vor, welche die Zeit vom 20. März 1721 bis 8. Februar 1723 umfaßt, doch dürfte dieselbe als typisch zu betrachten sein. In diesem Zeitraum von fast 2 Jahren betrugen die gesammten Einnahmen des Amts 61 Thlr. und 15 Schillinge, die Ausgaben 65 Thlr. 4 Schillinge und 6 Pfennige. Vermuthlich besaß das Amt außerdem einiges Vermögen. Wenigstens ist z. B. bis 1578 im Protokollbuch der Betrag einer Jahres-Rente von 4 Gulden nachgewiesen, welche der Rath für ihm geliehene 200 Mark Sund zahlte. Auch ein Privatmann steht mit einer Schuld von 100 Mark Sundisch, die er mit 2 Gulden jährlich zu verrenten hatte, in den Jahren 1569 - 1578 verzeichnet. Einmal machte das Amt (im Jahre 1603) sogar eine Erbschaft, indem eine Wittwe, vielleicht die Frau eines einstigen Genossen, ihm 100 Gulden Lübisch testamentarisch zugewiesen hatte. Die Summe wurde auf das Haus eines Amtsbruders, Michael Westfal, „bi dem water nedden in der grapengeter strate“ eingetragen und mit 5 Prozent jährlich verzinst. Indeß weist das Protokollbuch aus späterer Zeit derartige Glücksfälle nicht mehr nach und es ist sehr zu fürchten, daß in der Bedrängniß des 30jährigen Krieges dieses kleine Vermögen aufgebraucht worden war, und während des 18. Jahrhunderts nur unvollkommen ersetzt wurde.

Abgesehen von diesen zufälligen Einnahmen war die Zunft angewiesen auf das sog. Stättegelt (Steydtegelt) der Meister, das jeder für seine Verkaufsstelle mit 2 Thlrn. zu entrichten hatte, die Gebühren für das Einschreiben der Lehrlinge. die Meister- und die Strafgelder. Daß in einem Amte von durchschnittlich 5 Meistern aus diesen Quellen für gewöhnlich keine großen Einnahmen zu verzeichnen waren, liegt auf der Hand. In dem genannten Rechnungsjahr war der Betrag höher als sonst gewesen, weil ein Amtsbruder eine Strafe von 20 Rthlrn. zu begleichen gehabt hatte.


Die Ausgaben der Zunft erstreckten sich einmal auf jährliche Bezahlung des sog. Rollgeldes, d. h. der Summe, welche das Gewett dafür empfing, daß es die Amtsrolle zur Verlesung brachte und die Aufrechterhaltung ihres Inhalts zu überwachen versprach. „Anno 1625, den 14. Januar“ heißt es im Protokollbuch „des Amptes Rulle vor den geweddeherren verlesen unde confirmeret Ein erbar ampt darby tho beschutten im nahmen erbarn hochwisen rades sich vorpflichtet unde angelavet“. Diese Vorlesung kostete dem Amte ursprünglich jährlich 2 Gulden 14 Schillinge, in welchen Betrag sich der Gewettsherr, der Secretär und der Diener theilten. Zehn Jahre später findet man den Betrag auf 5 Gulden und 12 Schillinge erhöht, ohne daß ein Grund dafür angegeben werden kann. Im Protokollbuch heißt es darüber: „den 20. January 1625 heft Hartich Budeholt einen mitoldesten Frantz Kruding to sich forderen laten unde ehme dise 2 Fl. 14 Schill. wedder thogestellet unde hebben jederem weddeherren moten geven einen riksdaler, dem secretario einen halven riksdaler und dem dener twelf Lubs. schillinge, facit 5 Fl. 12 Schill.“ In jener Amtsrechnung vom Jahre 1721 ist das Rollgeld mit 5 Thalern und 12 Schill. angesetzt. An die Verlesung der Rolle knüpfte sich ein Frühtrunk, der gleichfalls auf allgemeine Kosten veranstaltet zu sein scheint. Wenigstens ist einige Male dafür der Betrag von 2 bis 6 Gulden ins Protokollbuch eingetragen.

Eine weitere Ausgabe betraf die Morgensprachen, jene Versammlung der Amtsbrüder, die ein bis zwei Mal im Jahre stattfand und auf der alle gemeinsamen Angelegenheiten zur Sprache kamen, die Anmeldung zukünftiger Meister, die Rechenschaftsablegung des verflossenen Jahres, die Einschreibung neuer Lehrlinge u. s. w. Offenbar waren diese Zusammenkünfte mit gemeinsamen Mahlzeiten verknüpft. Die Kosten hierfür sind es wohl, die gelegentlich in den Jahren 1584 - 1627 im Protokollbuche nachgewiesen sind. Sie beliefen sich

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Angaben für die neuere Zeit fehlen.

Neben diesen Hauptposten gab es Unkosten für die Correspondenzen mit den benachbarten Städten, für die Abschrift von Privilegien, für die Gänge aufs Niedergericht, für die Abfassungen von „Conclusa und Decreta“, für Trink- und Bestellgelder an die Rathsdiener, für Honorare an die Rechtsgelehrten, deren Meinung in manchem Prozeß angesprochen wurde. Es scheint, daß diese Liebhaberei für gerichtliche Geltendmachung bestrittener Rechte dem Amte kein kleines Sümmchen kostete. Herr Professor Petersen liquidirte in den Jahren 1721/22 9 Thlr. 12 Schill. für Mitwirkung in einem Prozeß gegen den Goldschmied Schröder, der einen Eingriff in die Arbeitsgrenzen der Kannengießer gethan hatte. Hofrath Rönnberg, der im Jahre 1791 dafür sorgte, daß eine in Vergessenheit gerathene herzogliche Verordnung über die accisfreie Einfuhr von altem Zinn wieder in Kraft trat, berechnete sich 7 Thlr. 7 Schill. (N2/3), nämlich 2 Thlr. Honorar für eine umständliche Conferenz mit dem Accise-Einnehmer und das Aufsetzen der Klage, den Rest für Porto, Abschriften u. dgl. m. Ein Prozeß mit den Brauern und Kaufleuten, die den Handwerkern das Recht zum Brauen eines Haustrunks und die Berechtigung zur Ausfuhr von Getreide streitig machten, am Anfang des vorigen Jahrhunderts, kostete dem Zinngießer-Amt auf seinen Theil die beträchtliche Summe von 104 Gulden. Man begreift es eigentlich nicht, wie das wenig zahlreiche Amt derartige Beträge, die mit dem ihm für gewöhnlich zur Verfügung stehenden Mittel nicht recht in Einklang standen, beschaffen konnte.

In seiner inneren Organisation bietet das Amt keine Abweichungen von dem gewöhnlichen Zuschnitte derartiger Korporationen und es hat daher kein Interesse bei ihren Einzelheiten zu verweilen. Ein Blick in die Rolle von 1482 belehrt uns, daß diese Zunft sich der gleichen Eigenthümlichkeiten erfreute und an denselben Uebelständen krankte wie alle anderen. Nur ein Punkt, der naturgemäß bei den einzelnen sich verschieden gestalten mußte und der zur Beurtheilung der Bedeutung der ganzen Zunftverfassung wichtig ist, sei hervorgehoben, nämlich die Bedingungen, unter welchen das Meisterrecht erworben werden konnte. Sie bestanden, abgesehen von der vorschriftsmäßigen Lehrlings -, Gesellen -, Wander- und der sog. Muthzeit (ein Ausdruck, der in Rostock nicht üblich gewesen zu sein scheint), d. h. einem ein-bis zweijährigen Dienst bei einem hiesigen Meister vor der Niederlassung, 1) in der Anfertigung eines Meisterstücks, 2) der Erlegung einer Geldsumme und 3) der Veranstaltung einer oder mehrerer Mahlzeiten. Doch ist hierbei zu unterscheiden zwischen denen, welche darum nachsuchten sich als Meister in Rostock niederlassen zu dürfen und denen, welche, obwohl in anderen Städten ansässig, dennoch Meister des Rostocker Amts werden wollten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Amt der Zinngießer in Rostock