Beschlüssen der Kannengießer-Ämter

An den Beschlüssen der Kannengießer-Aemter der wendischen Städte zur Regelung des Gesellenwesens nehmen indeß unsere Rostocker Meister stets regen Antheil. Schon an denen des Jahres 1526, zu welchen Hamburg, Lübeck und Lüneburg sich vereinigen, sind die Rostocker betheiligt. Ungefähr 50 Jahre später - 1573 - ist Rostock mit den genannten Städten und einigen andern zur Ausarbeitung einer neuen Gesellen - Ordnung zusammengetreten und dieser folgen in gemeinsamer Aufstellung diejenigen von 1662 und 1729. Alle diese Statute lassen erkennen, daß man von den unbehaglichen Zuständen, wie sie der Uebermuth und die Unbotmäßigkeit der Gesellen überall erregten, in Rostock nicht verschont blieb; nur daß man sie hier nicht so drückend empfunden haben mag, wie an andern Orten, weil die Nachfrage nach Gewerbsprodukten größtentheils durch die Meister allein befriedigt werden konnte.

Allgemein interessant ist die Wahrnehmung wie stereotyp diese Ordnungen bleiben. Obwohl es sich um Regulirungen aus drei verschiedenen Jahrhunderten handelt - 1573, 1662, 1729 - so treten besondere Abweichungen nicht zu Tage. Abgesehen von dem Gebrauch des Hochdeutschen in den beiden letzten Erlassen gegenüber dem Niederdeutschen in den älteren, sind einschneidende Veränderungen nicht nachzuweisen. Ein merklicher Unterschied zeigt sich nur in den beiden Verordnungen aus dem 16. Jahrhundert.


Die Beschlüsse von 1526 charakterisiren sich als Festsetzungen über die Art und Weise, wie die Knechte selbständige Meister werden können. Es ist eine Art Präventivpolitik, die aus ihnen spricht. Um allen Zwistigkeiten, die entstanden sein mochten, weil keine festen Gesetze vorhanden waren, auf die man sich in streitigen Fällen berufen konnte, vorzubeugen, beschlossen die genannten Städte ihr Gewohnheitsrecht aufzuzeichnen. Mancher Zank war zwischen Meistern und Gesellen entbrannt, weil das Recht vielleicht nicht immer gleichmäßig gehandhabt worden war. So beschließen die Meister nun fortan: „desse nabeschrevene bewilligung unde articuln ernstlick tho holden“. Anders verhält es sich mit der Vereinbarung von 1573. Sie tritt als eine Repressivmäßregel auf: „Na dem und also to dissen bösen tyden under unseres amptes gesellen vele unlust overdaent und mötwille dageliches erwasset“ sehen sich die Meister veranlaßt eine strenge Satzung aufzustellen. Die Gesellen, die widerspenstigen, trägen, liederlichen, zu Ausschreitungen jeder Art sofort bereitwilligen Bursche, sollen kurz gehalten und darüber belehrt werden, wessen sie sich zu gewärtigen haben, wenn sie nicht in den Grenzen des Hergebrachten bleiben. So freundlich und wohlwollend die Beschlüsse von 1526 klingen, so hart und rauh fällt die Vereinbarung von 1573 aus. Die Zeiten haben sich eben geändert. Keine einzige Freiheit wird den Knechten eingeräumt. Bündig erklären die gereizten Meister die schweren Bedingungen, unter welchen fortan gearbeitet werden soll. Der Wochenlohn wird ein für alle Male bestimmt (Art. 2), die tägliche Arbeitszeit auf nicht weniger als 16 Stunden angesetzt (Art 4), die früher reichliche Beköstigung wird beschränkt (Art. 6), das Freibier, das die Gesellen sich gegenseitig zu schenken pflegten, nur ausnahmsweise zugelassen (Art. 9), die Zahl der Krugtage, d. h. der Kneipgelage (Art. 10) vermindert und dergleichen mehr.

Auf diesem Standpunkte bleiben die späteren Beschlüsse dann stehen. Neuerungen fehlen natürlich nicht ganz, aber sie hauchen denselben Geist aus wie die oftmals wiederholten Bestimmungen der alten Recesse - den Geist kleinlicher Beschränkung der freiheitlichen Bewegung der Gesellen, dem gegenüber man nicht immer sicher ist, ob er wirklich nur dem Wunsche, bestehenden Ausschreitungen und Uebergriffen zu begegnen, entsprang. So wenn der abziehende Geselle nur von einem Genossen ans Stadtthor gebracht, zu Hause kein Tabak geraucht werden durfte und ohne Licht zu Bette gegangen werden mußte. Auf der anderen Seite werden freilich auch sehr verständige Maßregeln laut. So wird den Gesellen verboten, von der Arbeit in der Werkstatt weg, zur Bewillkommnung eines zuziehenden Gesellen in den Krug zu laufen, die Arbeit beliebig in der Woche für einen Tag oder einen halben niederzulegen, um spazieren zu gehen, den Meister in der Woche zu verlassen - nur am Sonntag sollen sie die Wanderschaft fortsetzen -, von den Lehrlingen, wenn sie dieselben zu Gesellen machen, nicht zu viel Geld zu fordern u. a. m.

Doch gehen die Meister in ihren Anforderungen weiter. Sie wollen nicht nur sich vor Schaden bewahren, der ihnen aus dem tölpelhaften Benehmen der Gesellen erwachsen könnte - sie erblicken in dem Gesellen den zukünftigen Konkurrenten und lassen ihn demgemäß ihre Macht fühlen. Die Zeit des dreißigjährigen Krieges war offenbar nicht dazu angethan, den Erwerb zu erleichtern. So sah man es ungern, wenn die Gesellen zahlreich kamen, weil man fürchtete, dermaleinst mit zu vielen das schmale Stücklein Brod theilen zu müssen. Demgemäß suchte man ihr Fortkommen eher zu hindern als zu befördern. Man bestrafte den Gesellen, der sich unterfing bei einem außerhalb der Beliebung stehenden Meister Arbeit zu nehmen. Man duldete nicht, daß die Gesellen außerhalb des Hauses ihrer Meister irgend welche Arbeit in Angriff namen. Man verlangte vor allen Dingen, daß der einwandernde Geselle, der sich schließlich in Rostock niederlassen wollte, die Tochter eines Meisters oder eine Meisterswittwe heirathen sollte. Man gestattete auch nicht, daß der zuziehende Geselle den Meister, bei welchem er arbeitete, sich auswählen konnte, sondern wies ihn dahin, wo gerade Bedarf an Arbeitskräften war, unabhängig davon, ob der Geselle sich in der betreffenden Werkstatt vervollkommnen konnte oder nicht.

Weiß man gegenüber diesen Verfügungen nicht, inwieweit sie in Rostock überhaupt nöthig waren oder die Meister sich vielleicht einfach den Beschlüssen der anderen Städte unterwarfen, so liegt uns doch auch eine Rostocker Local-Verordnung vor, allerdings erst vom Jahre 1775. Meister und Gesellen des ganzen Zinngießer-Amts zusammen bestimmen in ihr für die „Oberlender Gesellen“, wie es mit diesen gehalten werden soll. Wenn sie in Rostock eintreffen, soll der Schaffer (wohl der Altgesell), falls sie es verlangen, für sie um Arbeit sich umschauen und wenn sie wieder den Wanderstab weiter setzen, sollen sie ihren Fortgang bei dem Altgesellen anmelden.

Ergiebt sich aus der Zahl der Meister und Lehrlinge, daß es nur ein kleines Amt war, dessen Vergangenheit wir erforschen, so füllte dasselbe im städtischen Leben doch seinen Platz aus wie alle andern. Es war regelmäßig im zweiten Quartier vertreten, selbst dann, als zeitweilig nur ein Mitglied im Amte war und dieses sich selbst wählte, und es trug gleich den andern Aemtern, wenn es nöthig wurde, die communalen Lasten. So mußte es im siebenjährigen Kriege, in welchem Meklenburg, ohne an demselben thätigen Antheil zu nehmen, doch ein Tummelplatz der kämpfenden Preußen und Schweden war, an das Königliche Preußische Feld-Kriegs-Commissariat die erhebliche Summe von 100 Thlr. zahlen. Die Quittung hierüber, aus welcher ersichtlich, daß in 4 Terminen, vom 7. April bis 13. Mai 1762, das Geld wirklich beschafft wurde, liegt unter den Papieren der Lade.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Das Amt der Zinngießer in Rostock