Goldschmiedemeister Matz Unger

Vor mehr schon als fünfzig Jahren hat Glöckler aus einem im Güstrowschen Superintendentur- Archive erhaltenen und demnächst an das Großhgl. Geh. u. Haupt - Archiv abgegebenen Rechnungsbuche eines Goldschmiedes, als welchen er Matz Unger in Güstrow erkannte, gelegentliche Mittheilungen gemacht, doch wird es gestattet sein, in Anlaß des Vorstehenden noch einmal auf den genannten Meister und sein Buch zurückzukommen.

Das gedachte Buch hat numerirt 99, in der That aber, da das auf Fol. 66 folgende Blatt überschlagen, 100 Blätter in schmalem Hochoctav, welche, in sechs ungleichen Lagen geheftet, anscheinend nie einen Umschlag gehabt haben. Die Eintragungen sind von vielen verschiedenen Händen gemacht und theils Niedersächsisch abgefaßt, theils Hochdeutsch, vielfach in einer Mischung von beiden, und rühren also nicht von einer und derselben Person her, sodaß Matz Unger sich der Hülfe Anderer, vielleicht seiner Gesellen, bedient hat, etwa weil er selbst der Sprache und vielleicht dazu des Schreibens noch unkundiger war als jene. Weder findet sich eine Hand irgend hervorragend, noch Spuren eines Dialectes, der auf Matz Unger bezogen werden könnte, obgleich nicht anzunehmen ist, daß er trotz langen Wohnens in Güstrow, vorab beim Schreiben, den Dialect seiner Heimath gänzlich abgelegt haben sollte. Denn Matz Unger, wie er in Güstrow nicht bloß, sondern auch auswärts, z, B. in Wismar, genannt wurde, oder Mathias Kreiten, wie sein rechter Name lautete, war nach der Inschrift seines in der Pfarrkirche zu Güstrow befindlichen Gemäldes, auf dem er mit seiner Frau an einem Tische sitzend dargestellt ist, aus Pest gebürtig und hatte 1580 - dies Jahr steht auf der Tischdecke -- vierzig Jahre als Goldschmied in Güstrow gewohnt.


Diese in Uncialen ausgeführte Inschrift lautet folgendermaßen:

Der erbar wolgeachten Mathes Kreiten Unger genandt
von der stadt Pest in Pononia, in Gustrow 40 jahr sein
goltsmidt ampt fleisich gewartet, in erkentnitz Christi
gelebet, der kirchen und den armen treulich
fuhrgestanden, ist in Gott verstorben ano 15... den. Der
erbare und tugentsame Anna. seine eliche hausfrau, . . . 15 .. de

Jahre und Tage sind nicht ausgefüllt.

Matz Unger ist hiernach also 1540 nach Güstrow gekommen, mithin schon bei Lebzeiten Herzog Albrechts des Schönen, und nicht etwa erst, wie man vermuthen könnte, von Herzog Ulrich dorthin gezogen, der, wie die Wismarschen Goldschmiede 1583 sagten, mit ihrer Kunst sich abgab und seine Freude daran hatte. Ebenso wenig hat dieser ihn ausschließlich beschäftigt und viel mehr neben ihm auch anderen Goldschmieden Arbeit gegeben. Aus der Frühzeit seines Wohnens in Güstrow liegen bisher keinerlei Nachrichten vor, und die erste ist in einem Bittschreiben -an Herzog Johann Albrecht vom 7. November 1552 enthalten, durch welches er an die Zusage erinnert, daß ihm 99 fl., welche weiland Herzog Georg dem Platenschläger Peter Meyworm zu Güstrow schuldig geblieben, ausgezahlt werden sollten. Matz Unger nennt darin Meyworm seinen Vorfahren, ist mithin Ehemann von dessen Wittwe gewesen. Von seiner Berufsthätigkeit berichtet am frühesten das Tagebuch des Stralsundischen Bürgermeisters D. Nicolaus Gentzkow, welcher Anfangs Mai 1563 in Güstrow gewesen war und bei Matz Unger eine goldene Kette und drei kleine Ringe bestellt hatte, die abzuholen er am 26. Juni einen Boten absandte. Eine klarere Vorstellung über den Geschäftsbetrieb unseres Meisters gewähren aber theils die bereite angezogenen Rechnungsbücher Herzog Ulrichs, die von 1575 bis 1585 reichen, theils und mehr noch eben unser Journal, welches die Jahre 1574 bis 1591 umfaßt.

Die Eintragungen in letzteres sind weder in chronologischer Folge gemacht, noch haben die einzelnen Kunden ein eigenes Folium erhalten, vielmehr haben, wie es in allen derartigen Büchern alter Zeit der Fall ist, die Schreibenden bald hier, bald da ihre Notizen eingetragen, wo immer eine leere Stelle sich darbot; zwölf Seiten sind nicht beschrieben. Auch sind bei den Notizen nur hin und wieder Jahreszahlen vermerkt zu den rund tausend einzelnen Notizen etwa 130 Mal und noch seltener Tage angegeben, so daß nur in wenigen Fällen festzustellen ist, wann ein Kauf abgeschlossen, eine Schuld contrahirt, eine Zahlung geleistet ist, ein Mangel, der neben meist ungenügenden Angaben über die Person des Käufers oder des Auftraggebers den Werth der Notizen erheblich vermindert. Es ist dem Buche auch nicht zu entnehmen, ob Matz Unger Alles, was er lieferte oder verkaufte, hat eintragen lassen, oder ob er Einzelnes, z. B. Gegenstände, über die er Schuldverschreibungen hatte, draußen ließ, welches Letztere sicher der Fall war bei einem Halsbande mit Edelsteinen und einem Ringe mit einem Rubin, welche Herzog Christopher 1587 erhalten hat. Größere Arbeiten hat Matz Unger auf Bestellung ausgeführt, von kleineren, z. B. Löffeln und Ringen, Vorrath gehalten. Die Preise der Arbeiten, welche aus seiner Werkstatt kamen, gehen, wenn auch nicht überall, so doch meistem aus einer Berechnung hervor, der bald Münzwerthe, bald Gewichte zu Grunde liegen und öfters beide, und wenn dazukommt, daß vielfach Silber und Goldsachen angegeben und nach Goldwerth oder nach Gewicht eingerechnet wurden, so ist es nicht anders möglich, als daß die Preise oftmals durchaus unklar bleiben. Versuche, alle Ansätze klar zu stellen, würden eine ungeheure Mühe machen, über mein Vermögen, und noch dazu unnöthig sein, da genug Notizen da sind, um Aufklärung über Werthe und Preise zu geben. Der hauptsächlichste Gewinn, welcher Matz Ungers Journal zu entnehmen ist, besteht darin, daß man erfährt, was in jener Zeit von den Goldschmieden überhaupt verlangt wurde, und was insbesondere Matz Unger geliefert hat.