Obgleich nun zu Anfang des XVI. Jahrhunderts die noch ungeschwächte Macht der Hanse den Handel der nordischen Reiche beherrschte...

Obgleich nun zu Anfang des XVI. Jahrhunderts die noch ungeschwächte Macht der Hanse den Handel der nordischen Reiche beherrschte, so waren doch schon in ihrem inneren Verhältnisse die Keime ihres bald hervortretenden Verfalls und des allmählichen Zurücktritts von dieser bevorzugten Stellung vorbanden. Es trat vor Allem der Mangel an Einheit der Bundesinteressen schon gegen das Ende des XV. Jahrhunderts deutlich hervor. Der Eifer, mit welchem einst die Bundesglieder im Kriege gegen Waldemar III. Eines für Alle und Alle für Eines gestanden hatten, war einem bedächtigen Abwägen, ob des Bundes allgemeine Interessen auch die der einzelneu Stadt wären, gewichen. So hatten schon im Kriege gegen Erich von Pommern die holländischen Städte ihre eigene Politik befolgt und unter dem Schutze einer besonderen Neutralität den Verkehr in der Ostsee, der von den Wendischen Städten schon längst mit scheelen Augen angesehen wurde, ungestört fortgesetzt. Zwar waren die Lübecker, deren Stadt so lange der Hauptstapelplatz für die Ost- und Westhanseaten gewesen war, gleich nach Beendigung des Krieges eifrig bemüht, die Holländer als Außerhansische ganz von der Segellation auf der Ostsee auszuschließen, indem es einerseits den übrigen Städten den Verkehr mit ihnen verbot, andererseits Dänemark zu bewegen suchte, den Sund für sie zu schließen. Allein dieses, das schon den Willen gezeigt hatte, die Vorrechte der deutschen Kaufleute zu kürzen, konnte nur bei dieser Konkurrenz selbst gewinnen; und die übrigen Städte, namentlich die Preußischen und Liefländischen, fanden nun eine günstige Gelegenheit, sich von dem oft herrischen Gebot der Hansekönigin und ihrem oft lästigen Stapelzwange zu emanzipieren. Wenn nun auch die holländische Segellation in der Ostsee eben nicht bedeutend war, so hatte diese Weigerung doch Lübecks Macht über die übrigen Bundesglieder im Prinzipe erschüttert. Dazu kam, dass auch andere Städte im Innern Deutschlands, die bisher nur in losem Untertanenverhältnis zu ihren Landesherren gestanden und allen Eifer dem Interesse des Bundes geweiht hatten, in der letzten Hälfte des XV. Jahrhunderts gegen die zunehmende Macht der deutschen Fürsten ihre Unabhängigkeit einbüßten und in ihren Privilegien beschränkt, an der Bundesteilnahme behindert wurden. So geschah es, dass auch sie nicht mehr dem allgemeinen Zwecke der Hanse, mit Aufopferung eigener Interessen, dienten, sondern nur dann ihre Tätigkeit mit der der übrigen Städte verbanden, wenn ohne Kosten oder Gefahren besondere Vorteile erzielt werden konnten.

Diese Verhältnisse kamen besonders Danzig zu gut, welches, wenn auch noch nicht unter dem Namen einer Quartierstadt, doch die übrigen Preußischen Städte überragte und in der ganzen Hanse dem Range nach nur Lübeck an Reichtum und Macht nachstand. Der dreizehnjährige Krieg (1454—66), welcher die Preußischen Länder von der drückenden Herrschaft des entarteten deutschen Ordens befreite, halte zwar dem Wohlstande der Stadt, die mit der größten Bereitwilligkeit dem Wohle des ganzen Landes während des Krieges nicht unbedeutende Opfer gebracht hatte, tiefe Wunden geschlagen, aber zu gleicher Zeit auch die Tatkraft und Energie ihrer Bürger so gehoben, dass ihre Bestrebungen, den im Kriege erlittenen Schaden wieder gut zu machen, von dem glücklichsten Erfolge gekrönt wurden, zumal sie durch die vom Könige von Polen erlangten Privilegien angeregt und begünstigt wurden. Daher nimmt denn auch Danzig schon in der letzten Hälfte des XV. Jahrhunderts vermöge seiner überlegenen Macht zur See eine hervorragende Stellung unter den Städten des östlichen Hansegebietes ein.


Obgleich aber die innere Selbstregierung der Stadt durch die Freiheitsbriefe des Königs von Polen gesichert schien, so war sie dennoch nicht ohne Kampf gegen Polnische Übergriffe zu behaupten. Schon Casimir selbst, der Erteiler jener Freiheitsbriefe, lies nicht undeutlich auf den Preußischen Städtetagen das Bestreben erkennen, die Preußischen Lande, die ihn als ihren Schutzherrn anerkannten, zu einem abhängigen Theile des Polnischen Reiches zu machen und so die Rechte derselben zu verletzen. Solchen Eingriffen der Krone Polens hätten sie wohl einen nachhaltigen Widerstand entgegensetzen können, wenn nicht kleinliche Streitigkeiten, namentlich mit Elbing und Thorn, die Eintracht der Preußischen Städte gestört hätten. Zu Anfang des XVI. Jahrhunderts, als Sigismund 1506 den Polnischen Thron bestieg, wurden die Bestrebungen, Preußen in Untertänigkeit zu bringen, immer offenbarer. Die Preußischen Städte wurden immer dringender angegangen, ihre Landesangelegenheiten mit den Beratschlagungen der Krone zu vereinigen, und Sigismund selbst bestätigte die Landesprivilegien erst nach acht Jahren, nachdem die Preußischen Stände sich tapfer seinen versuchten Eingriffen widersetzt hatten.

Wie nun die Städte Preußens auf die von dieser Seite zu fürchtenden Angriffe ihre Aufmerksamkeit richten mussten, so waren auch Ihre Verhältnisse zu den nordischen Staaten fast immer den drohendsten Gefahren ausgesetzt. Das Gefühl der schmachvollen Abhängigkeit in Handel und Wandel von den Hansestädten trieb Fürsten und Untertanen dieser Reiche oft ohne den geringsten Vorwand zu stets erneuerten Versuchen, die Privilegien dieser lästigen Nebenbuhler zu brechen. Zu schwach, um in offenem Kriege der Lebermacht der Städte die Spitze bieten zu können, scheuten sie sich nicht zu Seeräubereien ihre Zuflucht zu nehmen, welche oft mit großer Kühnheit der Einzelnen und zum großen Nachteil des hansischen Handels ausgeführt wurden. Namentlich war es König Johann I. (1481 —1512), der sich durch Begünstigung, ja wohl gar Besoldung solcher Seeräuber berüchtigt gemacht hat, und nach Kaspar Weinreichs Chronik 1491 sogar mit den Königen von England und Schottland zur Unterdrückung der Hanse in Verbindung trat.4) Auch die Kämpfe der nordischen Staaten mit einander, namentlich seitdem Schweden (1470) sich von der Union losgerissen hatte, störten den Handelsverkehr der Städte, auch wenn diese die Neutralität im Kampfe zu beobachten suchten, zumal da bei der Kriegführung jener Staaten allgemein der Grundsatz galt: „dat fiende guth makt fyende bodenn vnd fiende boddeme fiende guth.“ 5) Solchen Gefahren gegenüber fehlte es auch der Hanse an einträchtigem Handeln, nicht nur die Hauptstädte, sondern sogar in dem engeren Kreise der verschiedenen Gebiete befolgten die einzelnen Städte oft eine von einander ganz abweichende Politik. Während Lübeck gegen die Macht der Skandinavischen Könige, besonders gegen Johann I. in Verbindung mit Schweden den tätigen Angriff nicht scheut, in der sichern Erkenntnis dass die nordische Königsmacht die gefährlichste Feindin der hanseatischen Interessen ist, zeigt sich Danzig der dänischen Herrschaft günstig und untersagt seinen Kaufleuten den unmittelbaren Verkehr mit Schweden.

Kaum hatte nämlich König Johann (24. Novbr. 1497) nach der Besiegung Sten Stures bei Rotebro und nach der Versöhnung mit diesem die Krone Schwedens erlangt, auch seinem damals achtzehnjährigen Sohne Christian die Anerkennung als Thronerbe verschafft, als das Unglück in der Hemmingstedter Schlacht, in welcher die Blüte des Holsteinischen und Dänischen Ritteradels gegen die republikanischen Dithmarschen erlag, auch der nationalen Partei in Schweden, welche den alten Hass gegen die Union nicht vergessen hatte, Gelegenheit gab, ihr Haupt wieder zu erheben. Der eben noch auf Sten Sture erbitterte Adel machte sofort gemeinschaftliche Sache mit ihm und erwählte ihn zu Wadstena (1501 am 29. Juli) zum Reichverweser. Vergebens eilte König Johann mit einer Flotte seiner in Stockholm belagerten Gemahlin zu Hilfe; drei Tage vor seiner Ankunft hatte sie das Schloss nach einer achtmonatlichen Belagerung, welche Hemming Gadd, der Bischof von Linköping, leitete, übergeben. Auch nach Sten Stures Tode wurde der Krieg gegen Dänemark unausgesetzt fortgeführt. Der zum Reichsverweser erwählte Svante Sture, aus altem königlichem Geschlechte entsprossen, und sein Gehilfe in der Regierung Hemming Gadd erglühten beide von Hass gegen die Dänische Herrschaft und wussten allen Bestrebungen einer zum Frieden geneigten Adelspartei entgegenzutreten. König Johann hatte unterdessen nicht nur durch den Dänischen Reichsrat die Schwedischen Reichsräte ihrer Ehre und Güter verlustig erklären, sondern auch alle Schwedischen Güter, die in Dänemark oder Norwegen lagen, anhalten lassen, ja sich sogar an den Kaiser Maximilian gewendet und von ihm die Erklärung der Reichsacht über Schweden, welches nie vom Kaiser Notiz genommen hatte, und ein allgemeines Verbot des Handelsverkehrs mit diesem Lande erwirkt. Allein der kaiserliche Urteilsspruch blieb wirkungslos bei den Hansestädten. Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund und Lüneburg hatten sich schon früher im Bunde mit Sten Sture an diesen Kämpfen beteiligt. Zwar hallen sie mit König Johann zu Nyköping auf Falster 1507 einen Vergleich geschlossen, nach welchem sie versprochen hatten, auch Danzig, Riga und Reval zur Anhaltung Schwedischer Güter, die zu diesen Häfen kämen, und zum Aufgeben der Schwedischen Segellation zu bewegen, bis er dies Reich wieder unterworfen haben würde. Allein diese weigerten sich, den Vergleich anzuerkennen, und Lübeck selbst benutzte nachher ihre Häfen, um seinen Verkehr mit Schweden fortsetzen zu können. So gerieten auch die Wendischen Städte von Neuem mit Dänemark in Krieg und verheerten, mit den Schweden verbündet, die Küsten dieses Landes. Damals wendete sich Johann auch an Sigismund, den König von Polen, um durch ihn aller Unterstützung der Schweden und ihrer Bundesgenossen aus dem Hafen Danzigs ein Ende zu machen. Allein Danzig bewies dem Polnischen Könige, wie widersprechend ein Bund mit Dänemark den Interessen der Preußischen Lande wäre. König Johann stütze die an Danzig gestellte Forderung, Schwedische Schilfe und Güter anzuhalten und aufzubringen, auf die kaiserliche Achtserklärung; ginge der König von Polen darauf ein, so würden dadurch die Preußischen Lande als ein Teil des deutschen Reiches anerkannt, und Danzig und Elbing den nachteiligen Folgen der über sie verhängten Reichsacht ausgesetzt etc.) Außerdem habe sich Johann die Ansprüche auf so große Vergünstigung verscherzt, da sein Vater während des Preußischen Städtekrieges ein eifriger Verfechter des deutschen Ordens gewesen wäre, und auch er selbst die Schmälerung der Hansischen Privilegien häufig beabsichtigt hätte. Solche Gründe waren hinreichend, um den König von Polen von der Unrechtmäßigkeit der Dänischen Forderungen zu überzeugen. Daher erklärte er dem König Johann, dass Danzig die Feinde Dänemarks weder anhalten, noch irgend sonst belästigen könne, ohne Unrecht zu tun und dass sich der Rath dieser Stadt schon dadurch freundschaftlich genug bezeigt habe, dass er seinen Bürgern verboten hätte, die Küsten des Schwedischen Reichs zu besuchen.

Nach solcher Abweisung musste freilich Lübeck hoffen, das mächtige Danzig noch zum offenen Kampfe gegen Dänemark oder wenigstens zur Einstellung der Schifffahrt nach diesem Lande und zur Vermeidung der Sunddurchfahrt bewegen zu können. Allein Danzig behauptete, sowie Hamburg, während des ganzen Krieges eine sehr laxe Neutralität und setzte seine handeltreibenden Bürger dadurch von Seiten der Lübischen Auslieger manchen Belästigungen aus, die leicht zu einem Bruche des Friedens hätten rühren können, wenn nicht Nachgiebigkeit von beiden Seiten und der bald geschlossene Friede mit Dänemark diesen für beide Hansestädte gefährlichen Kampf verhindert hätten. Denn wenn auch die Unterstützung Lübecks das Kriegsglück auf die Seite des Schwedischen Reichsverwesers Svante Sture und seines Gehilfen Hemming Gadd neigte, so dass der letztere das Schloss Calmar, den Schlüssel Schwedens, und die Insel Oeland mit Borkholm eroberte und trotz seiner geistlichen Würde die Klöster auf Laaland brandschatzte und plünderte, so waren doch die Opfer, die durch den Krieg selbst und durch die Handelsstörung veranlasst wurden, Tür Lübeck zu groß, außerdem auch die Erkenntnis, dass durch längere Fortsetzung des Krieges dem neutralen Hamburg große Vorteile zugewendet wurden, so entscheidend, dass der Rain den Abschluss des Friedens zu Malmoe (23. April 1512) mit Freuden begrüßte. Durch denselben wurde den Schweden ein Jahr Frist gegeben, um sich zu entschließen, ob sie den Dänischen König als ihren Herrn anerkennen oder ihm einen jährlichen Tribut von 1300 Mark Stockholmisch zahlen wollten. Am 2. Januar war bereits Svante Sture gestorben und sein Sohn Sten Sture der Jüngere zum Reichsverweser ernannt. Dieser, der edelste und ritterlichste der Sturen, vom Volke geliebt und mehr als sein Vorgänger auf dieses seine Macht gründend, musste bald an dem alten Schwedischen Adel, der über der Erhaltung seiner Selbstständigkeit und seiner Vorrechte eifrig wachte und daher auch dem Frieden mit Dänemark geneigt war, einen Gegner finden. Denn sofort verpflichteten sich die vornehmsten Herren des Schwedischen Reichsrates unter einander durch einen Eid, sich der Freiheit und Macht, mit welcher sie in Ermangelung eines Königs über die Regierung des Reiches zu verfügen hätten, nicht berauben zu lassen und den Frieden mit Dänemark wiederherzustellen. Wenn sie mit ihren Plänen auch nicht sogleich durchdrangen, so bot doch der innere Zwiespalt im Reiche dem Dänischen Könige die beste Gelegenheit, den verlorenen Thron Schwedens nochmals zu erlangen und die alte Union der nordischen Reiche wiederherzustellen. Mit solchen Plänen starb aber König Johann am 21. Febr. 1513, aber sie fanden an seinem Sohne Christian II., der nun den Thron Dänemarks und Norwegens bestieg, einen noch kühneren und gewalttätigeren Vertreter.

Nicht leicht hat die Nachwelt über einen Fürsten verschiedenere Urteile gefällt, als über diesen. Von der einen Seite glänzend gepriesen, wird sein Name von der andern zu denen eines Nero oder anderer Tyrannen gestellt. In der Tat scheint seine hastige Unternehmungslust, die bald zu Gutem, bald zu Verabscheuungswürdigem sich hinneigt und dabei Nichts von Allem zu Ende bringt, ein festes, sicheres Urteil zu erschweren. Gleich vom Anfang seiner Regierung sieht man ihn mit den verschiedenartigsten Entwürfen beschäftigt; aber Alles, was er unternimmt, wird mit einer Heftigkeit angegriffen, die ihm von allen Seiten Gegner und Feinde hervorrufen und zugleich das Misslingen zur Folge haben musste. Äußert er doch selbst gegen Erasmus, mit welchem er auf seiner Reise zu seinem Schwager, Kaiser Carl V., zusammentraf: „Man richtet mit gelinden Mitteln Nichts aus; die kräftigsten sind Immer die, so den ganzen Körper erschüttern.“ Was hat er nicht Alles in der kurzen Zeit seiner Regierung unternommen? Eine unumschränkte Herrschaft suchte er auf dem Sturz der zu tiefer Erniedrigung herabgesunkenen Geistlichkeit und des übermächtigen Adels, auf Erhebung des Bürger- und Bauernstandes und auf den Trümmern der Handelsmacht der Hansestädte zu gründen. Zugleich aber hatte er auch den Plan, Holstein zu erwerben und Schweden zu erobern. Das Alles suchte er bald durch Gesetze, bald durch Mord, List und Waffen, kurz mit so gewalttätigem Sinne durchzuführen, der von einem Extrem zum andern ging und jedes Mittel für erlaubt hielt. So tritt uns überall die größte Inkonsequenz seines Handelns entgegen. In Schweden benutzt er eine päpstliche Bulle zum Vorwand seiner Grausamkeit, während er in Dänemark die Übermacht der Geistlichkeit durch die Einführung der Reformation zu brechen hofft. Bald steht er mit Luther in Briefwechsel und beruft Carlstadt nach Kopenhagen, bald sehen wir ihn, als eine Untersuchung des Stockholmer Blutbades aus Rom drohte, bei dem Papste um die Kanonisation zweier neuen Heiligen anhalten. Heute erhebt er seinen allgemein verabscheuten Günstling Dietrich Slaghek zum Erzbischof von Lund, und bald darauf lässt er ihn als den Urheber des Stockholmer Mordes hinrichten. So erscheint Christian II. als ein Fürst, welcher die Schwächen der Skandinavischen Reiche sehr wohl erkannt hat und getrieben vom Geiste der modernen Zeit seine Regierung auf die neuen Prinzipien des Absolutismus, die bereits in andern Europäischen Reichen zur Durchführung gekommen waren, zu stützen suchte; der aber in seinem Streben der Wildheit seines Charakters erlag, der zugleich der seines noch in Unkultur und Rohheit versunkenen Volkes war. Mit Recht sagt daher Geijer, der Schwedische Geschichtsschreiber, von ihm: er war „ein König, bei dem man nicht weiß, was die Aufmerksamkeit am meisten fesselt, ob das, was er Alles unternommen, oder was er aufgegeben, oder was er mit Blut besudelt hat; ob seine Kühnheit oder seine Schwäche, oder jenes vieljährige Elend, womit er eine kurze und übel benutzte Gewalt büßen musste. Es gibt Menschen, die, wie die Sturmvögel vor dem Ungewitter, in der Geschichte wie Warnungszeichen eines annähernden Ausbruchs großer Erschütterungen hervortreten. Christian, zwischen allen verschiedenen Richtungen seiner Zeit ohne Mittelpunkt hin und her geworfen, ist ein solches Wesen, geeignet, Furcht oder Mitleid zu erregen.“ —

Dass für einen solchen König die Bestimmungen des Vertrages von Malmoe nichts gelten würden und keinen dauernden Frieden zu begründen im Stande wären, lies sich mit Gewissheit voraussehen. Die Alternative, welche er den Schweden stellte, entweder den Dänischen König anzuerkennen oder sich zur Zahlung eines jährlichen Tributes zu verpflichten, wurde von beiden Seiten zu weitern Unterhandlungen benutzt, um dadurch Zeit zur Rüstung zu gewinnen. Auch Christian erwartete von dem Schwedischen Reichsverweser keine ihm günstige Entscheidung und entschlossen, je eher je lieber den Krieg gegen ihn zu beginnen, lies er noch während des Waffenstillstandes eine Aufforderung durch einen besonderen Botschafter an Sigismund, den König von Polen, ergehen, dass er den Handelsverkehr seiner Preußischen Untertanen mit den Schweden verhindern möge. Diese Forderung hatte er auf das alte, mit seinem Vater geschlossene Bündnis und auf die Artikel des 1507 abgemachten Nyköpingschen Vertrages, die nun dem Polnischen Könige schriftlich mitgeteilt wurden, gestützt. Aber der königlich Polnische Kanzler wusste von diesem Vertrage nichts und zog daher den Danziger Ratssendboten, George Zimmermann, der sich damals am Polnischen Hofe zu Wilna befand, zu Rate und lies sich von ihm die in Lübscher Sprache geschriebenen Artikel ins Lateinische übersetzen. Auf seine weiteren Nachfragen, welche Bewandtnis es mit diesem Vertrage habe und ob auch die Danziger zu diesen Artikeln verpflichtet wären, teilte ihm der Gesandte mit, dass zur Zeit des Krieges, den König Hans gegen die Schweden geführt habe, die Danziger stets mit diesen, wenn sie nach Danzig gekommen wären, Handel getrieben hätten; in Betreff aber der Fahrt nach dem Schwedischen Reiche habe der Rat durch öffentliche Anschläge an den Kirchen seine Bürger warnen und ankündigen lassen, dass er für etwaigen Schaden, der Danziger Schiffen auf der Fahrt dorthin geschähe, keine rechtliche Verantwortung übernehmen könnte. „Est istud a prudentibus inventum“, antwortete der Kanzler beistimmend. 7) In Folge dieser Unterredung teilte Sigismund, der allerdings die Schweden auch nur als Rebellen gegen ihren rechtmäßigen Oberherrn ansah, dem Danziger Rate mit, dass er gesonnen sei, dem Könige Christian, quia justum bellum moturus est adversus Suecos, zu willfahren. Aber wohl wissend, dass er mit dem direkten Verbot der Schwedischen Segellation dem Handel seiner Untertanen eine schwere Wunde schlagen würde, 8) forderte er zunächst auf, wohl zu beraten, wie er dem Dänischen Könige helfen könne, ohne dem Danziger Handel Schaden und Beschwerden zuzufügen („citra dispendium et gravitatem vestram“); doch verbot er wenigstens sofort aufs Nachdrücklichste, den Schweden Söldner oder Kriegsmaterial zukommen zu lassen. 9)
Indessen wurde der Waffenstillstand noch verlängert, und ein auf den 7. Febr. 1517 verabredeter Kongress zu Halmstadt sollte das Schicksal Schwedens entscheiden. Da führte noch früher (Novbr. 1516) eine Gewalttat Christians den offenen Bruch des Friedens herbei. Ein schwedisches Schiff, welches für Rechnung des Reichsverwesers Sten Sture mit Tuch, Waffen und Munition von Lübecker Bürgern befrachtet war und auf der Reede vor Travemünde lag, wurde auf Veranlassung der in Dänemark lebenden und mit Sten Sture entzweiten Witwe Svante Stures plötzlich weggenommen und mit Erlaubnis Christians II. nach Kopenhagen aufgebracht. In Folge dieses Friedensbruches brach Sten Sture die Unterhandlungen ab und der Krieg halte sofort angefangen, wenn Christian genügend gerüstet und der Reichsverweser nicht durch die Dänische Partei in Schweden selbst bedroht gewesen wäre. An der Spitze dieser Partei stand Gustav Trolle, welchen Sten Sture selbst zum Erzbischof von Upsala ernannt hatte, um ihn wegen der Verdrängung seines Vaters von der Reichsvorsteherschaft zu versöhnen. Dieser erhob nun, auf Rache sinnend und auf Christians Hilfe rechnend, das Banner der Empörung gegen den Reichsvorsteher. Allein sein Versuch, schon jetzt die Dänische Herrschaft in Schweden zu begründen, misslang; er wurde auf seinem festen Schloss Stäket, am Meere unweit Stockholm gelegen, eingeschlossen und obgleich ein geistliches Gericht in Dänemark auf päpstlichen Befehl den Reichsvorsteher mit dem Banne und das ganze Land mit dem Interdikt belegte, obgleich ein Dänisches Heer den gefangenen Erzbischof, freilich vergeblich, zu entsetzen suchte, zur Übergabe gezwungen, seiner erzbischöflichen Würde entsetzt und in ein Kloster gesperrt. Im folgenden Jahre (1518) erschien Christian mit neuer Heeresmacht, erlitt aber wiederum bei der Kirche des Stockholm benachbarten Dorfes Bränkyrka am 22. Juli eine vollständige Niederlage. Der Unwille über den schlechten Erfolg seiner Waffen trieb ihn zum Verrat. Er verlangte eine persönliche Zusammenkunft mit dem Reichsvorsteher und als zu seiner Sicherheit Geiseln auf die Dänische Flotte geschickt wurden, unter ihnen der junge Gustav Erichson Wasa und Hemming Gadd, nahm er dieselben wider Treu und Glauben gefangen und eilte mit ihnen nach Kopenhagen zurück.