In der Hanse hat uns die Geschichte das Beispiel einer Handelsmacht gegeben...

In der Hanse hat uns die Geschichte das Beispiel einer Handelsmacht gegeben, deren Existenz nicht an einen zusammenhängenden Grund und Boden, sondern an eine Anzahl zerstreut und von einander entfernt liegender Städte geknüpft war. Ähnlich wie die Mönchsorden, welche sporadisch eine Menge von Klöstern und andern Besitzungen innerhalb verschiedener Staaten besaßen, bildete sie eine Art Staat im Staate, nach dem Charakter jener mittelalterlichen Zeit, welche sich noch nicht zum Begriff des Staates als eines Allgemeinen erheben konnte. Dennoch verlieh das die Tatkraft stählende Bewusstsein eines allgemeinen Interesses den Bundesgliedern eine Macht, welche Königreichen die Spitze bieten konnte, und ein Ansehen, welches Fürsten und Könige bestimmte, um die Gunst und den Beistand des Städtebundes zu buhlen. In dieser Machtfülle hat die Hanse den größten Einfluss auf die Kultur der nordischen Länder geübt. In den Zeiten der größten Finsternis wurde durch sie bei wilden Barbaren der Grund zur Religion und Sitte gelegt, durch sie wurden die Wälder des Nordens gelichtet, und die Bewohner erst mit dem Segen ihres Vaterlandes bekannt gemacht. Stets wird die Weltgeschichte das Andenken an diesen segensvollen Städte- und Bürgerbund bewahren, der zu einer Zeit, als die gesegneten Südländer im Blute wateten, Leben und Licht in jene rauen liegenden brachte.

Aber nachdem die Hanse ihre Aufgabe, den Norden Europas auf dem Wege des Seeverkehrs in den Kulturbereich der Geschichte zu ziehen, vollbracht hatte, ging sie ihrer Auflösung entgegen. Als die nordischen Staaten in ihrer Entwickelung soweit vorgeschritten waren, dass sie die bisher von den Städten vertretene Lebensrichtung in sich aufnehmen konnten, gerieten diese mit der Zelt in Gegensatz und in Widerspruch mit jenen und konnten sich der Einfügung in die höhere staatliche Ordnung eben so wenig entziehen, wie ihre vereinzelten Niederlassungen der räumlichen Einverleibung in das größere Ganze. Während im Mittelalter der Handel der baltischen Welt die Politik geordnet hatte und der „gemeine Kaufmann“ die Ostsee beherrschte, wurde nach der Entdeckung Amerikas der Gesichtskreis des Welthandels weit über die Binnenmeere Europas hinaus erweitert, und als die Staaten aufhörten, sich von der kirchlichen Hierarchie bevormunden zu lassen, als das politische Selbstgefühl an dem Bewusstsein, dass man sich nicht mehr an Rom zu ergänzen brauche, erwacht war, da ordnete der Staat den Handel, so wie er auch die Kirche, die Schule, die Justiz und das Heerwesen ordnete und sie zu dem Seinigen machte. Die Staaten selbst waren darauf bedacht, die Vorteile des Handelsverkehres, der bisher nur im Interesse einer Anzahl bevorzugter Städte betrieben wurde, sich selbst und dem Ganzen zu Gute kommen zu lassen. Selbst zu Seemächten erwachsen, öffneten sie ihre Häfen den Niederländern und Engländern und die Hanse verlor die Hegemonie auf der Ostsee und mit derselben ihren Halt.


Die Hauptrolle in dem Umschwung dieser Verhältnisse fällt Schweden zu. Dies Land, dessen Bewohner den germanischen Stammcharakter rein bewahrt haben und von den nordischen gefahrvollen Binnengewässern zu einem starken und abgehärteten Geschlechte von Seehelden erzogen waren, so dass sie, nur spärlich für ihren Fleiß vom Boden des Landes belohnt, den kühnen Blick über die heimischen Gewässer hinausrichteten und fremde Gestade mit ihren Kriegsschaaren überschwemmten, — dies Land erkämpfte sich seine Unabhängigkeit von Dänemark und trat in der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts aus seiner nordischen Abgeschlossenheit in den allgemeinen europäischen Zusammenhang heraus. Seitdem gab es kein Gebiet der Ostsee, auf welches der Schwede nicht im Wege des Angriffs seinen Fuß gesetzt hätte.

Diese Erhebung Schwedens , die mit der Befreiung von dem Joche des dänischen Königs Christian II. durch Gustav Wasa beginnt, ist zugleich der Anfang des Kampfes, den die nach höherer Kultur strebenden nordischen Staaten gegen das bisher behauptete Übergewicht der privilegierten Hansestädte führen. Zur richtigen Würdigung desselben erscheint die Vergegenwärtigung der damaligen politischen Lage der beteiligten Staaten und Städte notwendig.

Während des XV. Jahrhunderts hatten die Hansestädte in den nordischen Reichen die ihrem Handel gewährten Privilegien trotz mancher Versuche, sie zu entreißen, zu behaupten gewusst. Der deutsche Kaufmann besaß die freie Ab- und Zufuhr in allen Städten, das Recht, sich in ihnen sowohl bleibend, als auch nur für bestimmte Zeit niederzulassen, ohne dabei die Lasten der übrigen Einwohner tragen zu dürfen, das Recht, gegen den gebührlichen Zoll Handel und Wandel treiben zu können, sicheres Geleit beim Durchzuge, dem er auch selbst durch Waffen, deren Führung ihm erlaubt war, Nachdruck verschaffen konnte, ferner die Zusage einer unparteiischen Rechtshilfe, wenn ausstehende Forderungen oder die damals öfter von den Regenten beliebte Maßregel der Münzverschlechterung oder willkürliche Zollerhöhung dieselben notwendig machten, ja sogar an bestimmten Örtern eine eigene Gerichtsbarkeit, — kurz solche Privilegien, welche das Monopol des Handels der nordischen Reiche ausschließlich in die Hände der Ostseestädte übergaben und jede Konkurrenz der Eingebornen oder der Fremden verboten.1)

Dieses Handelsmonopol wurde jedoch in den drei Reichen Norwegen, Schweden und Dänemark in verschiedener Weise von den Hansestädten gehandhabt. Den Handel Norwegens beherrschten die Ostseestädte am entschiedensten durch das aus 22 Höfen bestehende Comtoir von Bergen, dem Stapelplatz der norwegischen Fischerei, welches seit 1435 bis zum Ende des XVI. Jahrhunderts bestand. Hier auf der Brücke, wo die genannten 22 Höfe mit den Wohnungen der Meister oder Wirte und ihrer Gesellen und Jungen gegründet waren, übte ein aus 18 Faktoren bestehender Kaufmannsrat unter dem Vorsitz eines oder zweier Altermänner ein strenges Regiment — durfte doch bei Strafe der Ausstoßung aus dem Verband kein Familienband den Contorischen mit dem Eingebornen verbinden — und wachte Über jeden Eingriff, den etwa die Eingebornen oder Fremde in die Privilegien der Hansischen sich erlauben wollten. Ja gestützt auf den Beistand der dort schon seit längerer Zeit angesiedelten deutschen Schuster, vermochten die wohl 3.000 Mann starken Contorischen oft blutige Kämpfe gegen tätliche Angriffe der Eingebornen zu bestehen und dehnten dann im stolzen Selbstgefühl ihrer Übermacht ihren Handel auch über die Grenzen der ihnen bewilligten Privilegien aus, indem sie gegen die Königlichen Verbote auch den Strand jenseits der Brücke zu Niederlassungen benutzten, um auch hier den Klein- und Hausierhandel ganz in ihren Händen zu haben.

In Dänemark beruhte die Übermacht der Hansestädte hauptsächlich auf der Zollfreiheit im Sunde und auf dem Privilegium der Heringsfischerei an der damals zum dänischen Reiche gehörenden Küste von Schoonen. Was den ersten Punkt, die freie Durchfahrt durch den Sund, betrifft, so hatte schon der Frieden von Stralsund (24. Mai 1370), der den Krieg gegen König Waldemar Atterdag beendigte, neben der Bestätigung und Vermehrung ihrer Handelsfreiheiten auch die zollfreie Durchfahrt durch den Sund den Hansestädten gewährt. Freilich versuchte Erich von Pommern, anfänglich der Mitregent, nachher seit 1412 der Nachfolger der Unionskönigin Margaretha, der bis zum Jahre 1439, Recht und Gerechtigkeit verachtend, die Union beherrschte und dann in allen drei Reichen entthront wurde, die hansische Macht teils durch Begünstigung der Seeräubereien , teils besonders dadurch zu brechen, dass er von seiner neu angelegten Feste Orekrog (Helsingör) seit 1425 von seinem Voigte einen Durchgangszoll erheben lies. Allein die 4 wendischen Hansestädte, Lübeck, Hamburg, Lüneburg und Wismar, welche in dem Kriege von 1426 bis 1435 die Anerkennung ihrer alten Handelsfreiheiten zu erzwingen suchten, erreichten in dem am 15. Juli 1435 zu Wordingborg auf Seeland abgeschlossenen Vertrage ihren Zweck und wussten den König in einem besonderen Vertrage zu Calmar, wo sie zugleich seinen Streit mit Schweden beilegten, zur Aufhebung des Sundzolles in Helsingör, freilich nur für sich und mit Ausschließung der von ihnen als Nebenbuhler angesehenen Preußischen Städte, zu bewegen. Diese, von ihren hanseatischen Bundesgenossen im Stich gelassen, erlangten erst 1441 von Erichs Nachfolger, Christoph von Bayern, in einem besonderen zu Kopenhagen abgeschlossenen Vertrage die Zusage, dass alle zur deutschen Hanse gehörenden Städte von dem Sundzolle unter der Bedingung befreit sein sollten, dass jede einzelne Stadt den Nachweis führen könnte, zu den Privilegien des Hansebundes berechtigt zu sein. Diese Bedingung wurde für die Preußischen Städte eine vielfache Beschwerden veranlassende Beschränkung, welche um so mehr von den dänischen Königen nach Willkür angewandt wurde, als die Zusage selbst nur in der Bedrängnis des mit Schweden erfolgten, nunmehr beigelegten Zerwürfnisses gegeben worden war. Während also die Wendischen Städte das Recht der Zollfreiheit sowohl für den Sund, als für die Belte in Anspruch nahmen, finden wir noch am Ende des XV. Jahrhunderts Danzig, namentlich seit dem Abfall vom deutschen Orden, für den der dänische König Partei genommen hatte, von diesem Rechte ausgeschlossen.2)

Mehr noch, als die Befreiung vom Sundzolle, sicherte den Hansischen Städten das Privilegium der Heringsfischerei an der Schonischen Küste das Handelsübergewicht in Dänemark, zumal hier keine Bevorzugung der Wendischen Städte vor den Preußischen Statt fand. Auf der kleinen Landzunge Schonen zwischen den Schlössern Skanör und Falsterbode lagen die sogenannten Vitten, d. h. die von hölzernen Planken umgebenen Fischerlager der einzelnen Städte, auf welchen in der sogenannten Schonenzeit vom Jacobustage (25. Juli) bis zum Martinstage (11. Novbr.) ein reges Leben nicht nur der mit dem Fange, Einsalzen und Verpacken der Heringe Beschäftigten, sondern auch der Kaufleute und der verschiedensten Handwerker herrschte. Denn diese Plätze dienten nicht allein zur Fischerei, sondern sie waren zugleich die Mittelpunkte des ganzen Handels mit Schonen, der hier von deutschen Kaufleuten mit Waren aller Art gegen mäßigen Zoll auch weiter ins Land hinein zur Versorgung der benachbarten Schwedischen Städte getrieben wurde. Nach Erlegung eines nur geringen Schiffsgeldes war den Schonenfahrern die Durchfahrt durch den Sund frei, ja es war ihnen sogar gestattet, zollfrei die Waren des einen Schiffes an Bord eines andern zu verladen, so dass dort ein lebhafter Umtausch der Waren des Ostens und Westens, Südens und Nordens entstand. Die hier ansässigen Kaufleute, Fischer und Handwerker standen unter deutschen Vögten, denen die Gerichtsbarkeit und die Verteidigung der zugestandenen Rechte, auch wohl die Entscheidung über die allen Vitten gemeinsamen Angelegenheiten, von ihrer Stadt anvertraut war. Was speziell die Preußische Vitte auf Schonen betrifft, so war sie den Preußischen Städten vom Könige Albrecht von Schweden, der im Kriege gegen den König Waldemar der Hanseatischen Flotte Hülfe geleistet hatte und dem dafür der Besitz Schonens zugesagt worden war, durch einen Freiheitsbrief, gegeben zu Falsterbode am Jacobustage 1368, 3) als Eigentum zugesprochen und 1370 vom Könige Waldemar selbst, als er während der Friedensunterhandlungen mit der Hanse in Preußen sich aufhielt, bei Gelegenheit eines besonders abgeschlossenen Vertrages gegen ein Geschenk von 500 Ungarischen Gulden bestätigt worden. Sie lag 800 Ellen lang und 290 Ellen breit, zwischen der Kubischen Vitte und den Dänischen Buden und besaß dieselben Rechte, welche die übrigen Hansestädte in Schonen früher erhalten hatten. Die großen Vorteile aber, welche der Besitz und die Benutzung der Vitte den Preußischen Städten gewährten, schwanden zu Anfang des XV. Jahrhunderts auf einige Zeit oder wurden wenigstens bedeutend vermindert, als der Häring aus unbekannten Gründen plötzlich seinen Aufenthalt an der Schonischen Küste verlies und nach der Nordsee seinen Zug nahm, so dass die Höhe des früheren reichen Gewinnes nur noch selten in einigen mehr begünstigten Jahren erreicht wurde. Dazu kamen die drohenden politischen Verhältnisse, das Kriegsunglück des deutschen Ordens gegen Polen und die schon oben erwähnten Bestrebungen des übermütigen Erich, welche bewirkten, dass in der That 14 Jahre lang das Schonenlager bei Falsterbode unbesucht blieb. Nachdem aber die Zwistigkeiten mit Erich beigelegt waren und auch die Wendischen Städte den gewohnten Handel auf ihren Vitten wieder aufgenommen hatten, erwachte auch in den Preußischen Städten wieder der alte Handelstrieb nach Schonen, doch bewirkte nunmehr das Bedürfnis einer mehr einheitlichen Verwaltung der Preußischen Vitte, dass die Preußischen Städte sich alle unter dem Schutz des Danziger Vogtes vereinigten. Dieses seit 1436 von den übrigen Preußischen Städten dem Danziger Rate überlassene Recht ging nach und nach in ein wirkliches Eigentumsrecht Danzigs über und seit 1466 wurde die Preußische Vitte als Danzigs Besitztums angesehen, das jedoch den übrigen Städten des Preußischen Quartiers zur Benutzung geöffnet war.

In Schweden endlich, damals dem ärmsten der Skandinavischen Reiche, welches fast nur auf die Zufuhr aus den Hansestädten angewiesen war, hatte der deutsche Kaufmann sich vollständig einheimisch gemacht. Das schon seit der Mitte des XIII. Jahrhunderts den Lübeckern zugesicherte und dann auch auf die andern Hansestädte ausgedehnte Recht, sich dort niederlassen und unter denselben Gesetzen, wie die Eingebornen leben zu können, führte den schwedischen Städten eine so zahlreiche deutsche Kaufmannschaft zu, dass der einheimische Kaufmann fast ganz vor jener verschwindet. So war Wisby auf Gothland fast durchweg eine deutsche Stadt, und in Stockholm einst die Zahl der Deutschen so überwiegend, dass sie sogar die Hälfte der Ratsstellen mit Deutschen besetzten. Dessen ungeachtet war jede Familienverbindung derselben mit Einheimischen stark verpönt, so dass in der Tat hier die Beherrschung des Handels und der Industrie gewissermaßen despotisch ausgeübt wurde; befand sich doch in ihren Händen der Groß- und Kleinhandel, ja sogar die Ausbeute der metallreichen Orte, wie des Kupferberges bei Falun. Wenn auch der Schwede selbst den Druck dieser Herrschaft gar zu sehr fühlte, so war doch bei den häufigen Kriegen gegen die Unionskönige die Regierung des Landes stets auf die Hilfe der Hansestädte angewiesen, die diese auch bereitwillig leisteten, ohne zu ahnen, dass einst von diesem Reiche die Macht der Hanse am meisten gebrochen werden sollte.