Danziger Segelschlitten.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 8. 1878
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Hansestadt, Danzig, Ostsee, Handelsstadt, Eisschlitten
Die schöne alte Stadt Danzig, weitaus die wichtigste deutsche Handelsstadt an der Ostsee, liegt bekanntlich in weiter Niederung am Einfluss der Mottlau in die Weichsel, eine Meile von der Meeresküste und hat ihren eigentlichen Seehafen bei Neufahrwasser und dem denselben fortifikatorisch deckenden Weichselmünde. Die ganze Niederung zwischen der Weichsel und der Mottlau, welche letztere die Stadt Danzig noch in zwei Armen durchströmt, ist außerordentlich fruchtbar, vortrefflich angebaut und von rührigen, wohlhabenden Bauern bewohnt, welche für alle ihre Erzeugnisse einen stets willigen Markt in dem reichen Danzig finden.

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Da die Mottlau ungemein wasserreich und nebst mehreren ihrer Nebenflüsse schiffbar ist, so dass noch Fahrzeuge von 8—9 Fuß Tiefgang auf ihr bis zu der sogenannten „Speicherstadt“ von Danzig gelangen können, so bringen die Landleute aus der Umgebung alle ihre Erzeugnisse zu Wasser in die Stadt auf den Markt, und beinahe jeder größere Bauer oder Besitzer eines Gehöftes hält sich für diesen Zweck sein eigenes Segelboot. In der schönen Jahreszeit gewährt es daher einen überaus hübschen und belebten Anblick, wenn Hunderte von derartigen Segelbooten auf der Radaune, der Mottlau oder der Weichsel mit Getreide, Gemüse, Butter und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen beladen, zwischen den grünen Wiesen und gelben Getreidefeldern der Stadt zusteuern. Da aber diese Gewässer meist beinahe fünf Monate des Jahres hindurch mit Eis bedeckt sind und der Landmann selbst dann trotz Wind, Sturm, Schnee und Eis und erstarrender Kälte zu Markte fahren muss, so ist zu diesem Behuf längst der Brauch aufgekommen, jene vorhin erwähnten Boote alsdann auf Schlittenläufe zu setzen und sie teils mit Hilfe von Segeln, teils mittelst langer Segelstangen fortzubewegen. Von diesen Eisbooten oder Segelschlitten gibt unser Bild S. 364 einen anschaulichen Begriff. Nicht bloß die Bewohner der Weichsel-Insel, sondern die Landleute des ganzen Danziger Tieflandes bedienen sich im Winter derartiger Eisboote oder Segelschlitten zu ihrem Marktverkehr, was um so leichter ist, als die meisten Wiesen durch Stauwasser im Herbst unter Wasser gesetzt und nach Eintritt des Frostes mit einer starken Eisdecke überzogen sind. Wenn daher der raue Ostwind voll in die Segel bläst, so fliegen diese Schlittenboote rasch über die weite spiegelblanke Eisfläche dahin, gelenkt von stämmigen Bauern mittelst langer Stangen und Bootshaken, während im Boote Weiber und Kinder, in Wolldecken und Schaffelle gehüllt, auf den Getreidesäcken und Körben sitzen und eine lustige Schlittenfahrt mitmachen. Selbst wenn man streckenweise offenes Wasser oder Eisgang treffen sollte, leisten diese Segelschlitten noch treffliche Dienste, denn sie schwimmen flott über das offene Wasser, werden mit den Stangen und Bootshaken vorwärts bewegt, bis inan wieder festes Eis trifft, auf welches man sie an Tauen emporzieht, um dann wieder das Segel vor dem Winde zu entfalten und die ausgiebige Schlittenfahrt fortzusetzen.

Danziger Segelschlitten

Danziger Segelschlitten