DIE SONNE ist an allem schuld. Die Ursache der Unwetterkatastrophen. Sonnenflecke und magnetische Stürme. Atmosphärische Störungen unseres Planeten. Gewitter, Polarlichter, Erdbeben und Vulkanausbrüche.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1929
Autor: Alwin Dreßler, Erscheinungsjahr: 1929

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Enthaltene Themen: Unwetterkatastrophen. Sonnenflecke, magnetische Stürme. Atmosphärische Störungen unseres Planeten. Gewitter, Polarlichter, Erdbeben, Vulkanausbrüche, Naturereignisse, Weltraum, Hochwasser, Starkregen, Sturmfluten
Man hat schon viel von der Sonne gehört und gelesen, aber dennoch können sich nur wenige Menschen eine einigermaßen klare Vorstellung von den gigantischen Vorgängen auf ihr machen; denn sie ist nicht nur der Mittelpunkt und die unumschränkte Beherrscherin unserer Heimat im Weltraum, sondern sie ist auch ein beständiger Schauplatz der großartigsten Naturereignisse, die sich auf ihrer Oberfläche abspielen. Alles, was auf ihr geschieht, ist von so elementarem Einfluss auf unsere Erdverhältnisse, dass jede Stunde unseres Daseins ganz und gar von ihr abhängig ist.

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Wenn wir uns das Größenverhältnis der Sonne zur Erde veranschaulichen (man könnte 300.000 Erdkugeln aus ihr formen), so wird es uns klar, dass die riesigen Umwälzungen auf dem Glutmeer der Sonne nicht ohne Einfluss auf uns bleiben können. Schon ihre auflodernden Feuergarben, Protuberanzen genannt, die zuweilen bis zu 500.000 Kilometer Höhe von ihrer Oberfläche emporschießen, üben auf die Erdatmosphäre und den elektrisch-magnetischen Zustand unseres Planeten einen sehr fühlbaren Einfluss aus. Ganz besonders aber ist es die fleckenbildende Tätigkeit der Sonne, die auf unsere Wetterverhältnisse und — soweit unsere letzten Forschungen vermuten lassen — auch auf die Revolutionen im Erdinnern störend einwirkt und sich Jahre hindurch auf unserem Planeten fühlbar macht. Zuweilen treten Sonnenflecke auf, die das Gebiet der Erdoberfläche an Größe vierzig- bis sechzigmal übertreffen, und selbst die allerkleinsten Poren, die im breiigen Glutmeer der Sonne nicht größer sind wie eine Nadelspitze, haben schon eine Ausdehnung von der Größe Mitteleuropas.

Wir haben den unmittelbaren Zusammenhang irdischer Geschehnisse mit der letzten Sonnenfleckenperiode durch die vielen Unwetterkatastrophen in den letzten beiden Jahren recht deutlich zu fühlen bekommen, und noch scheinen sich die atmosphärischen Störungen unseres Planeten durch gewaltige Stürme, Hoch- und Springfluten, außergewöhnlich heftige Gewitter und sonstige Katastrophen über dem ganzen Erdball bemerkbar zu machen. Es dürfte daher interessieren, Genaueres über Beschaffenheit und Entstehen der Sonnenflecke zu erfahren, obwohl die Meinungen hierüber noch verschieden sind und die wissenschaftlichen Forschungen noch kein positives Ergebnis zeitigten.

Früher galten die Sonnenflecke für riesige Schlackenfelder, für ausgebrannte Teile der Sonnenmasse, die gelegentlich wieder von der flüssigen Glut, auf der sie schwimmen, überflutet werden und verschwinden. Man glaubte, dass der eigentliche Sonnenkern dunkel und von einer leuchtenden Gashülle umgeben sei, dass heftige Wirbelstürme in der Sonnenatmosphäre riesige trichterförmige Löcher in ihre leuchtende Hülle reißen würden, die den dunkeln Sonnenkern bloßlegen und als Sonnenflecke in Erscheinung treten lassen. Die heutige Wissenschaft hingegen sieht die Sonnenflecke für ungeheure Wolkengebilde von Metalldämpfen an, die durch teilweise Erniedrigung der Sonnentemperatur entstehen, über die Sonnenoberfläche Hinwegschweben und starke elektrische Energien enthalten, die auf den magnetischen Zustand unserer Erde einen erheblichen Einfluss ausüben. Man hat beobachtet, dass mit der Entstehung von Sonnenflecken die Gewitter, Hagelfälle und Stürme, die Polarlichter und Magnetnadelschwankungen auf unserer Erde in auffallender Weise Hand in Hand gehen und dass während der Zeit einer großen Sonnenfleckenperiode unser Planet blind wütenden Naturgewalten preisgegeben ist. Diese Sonnenfleckenperioden umfassen einen Zeitraum von etwa elf bis zwölf Jahren. Während dieser Zeit sinkt die fleckenbildende Tätigkeit der Sonne zu einem Minimum herab und steigt wieder zu dem Maximum empor, von dem sie ausging. Man ist der Ansicht, dass der Riesenplanet Jupiter, der die Sonne in Zwölf Jahren einmal umkreist, diese Umwälzungen auf der Sonne durch seine Anziehungskraft hervorruft und umso stärker auf das Glutmeer der Sonne wirkt, je günstiger er ihr gegenübersteht. Aber auch hierüber besteht noch keine Klarheit, und viele andere Theorien wurden aufgestellt, ohne dass es bis heute gelang, das große Sonnenrätsel zu lösen.



Eines aber wissen wir bestimmt, dass die gigantischen Umwälzungen auf der Sonne nicht ohne Einfluss auf unsere Erdverhältnisse bleiben. Die großen Aufstiegsgeschwindigkeiten der Sonnenfackeln, die oft 200 bis 300 Kilometer in der Sekunde betragen, die zyklonartigen Wirbelbewegungen der Sonnenatmosphäre und die vielen anderen Begleiterscheinungen während der gesteigerten Sonnenfleckentätigkeit bilden die Ursache von Elementarkatastrophen ungewöhnlichen Umfangs auf unserer Erde. Es ist sogar mit ziemlicher Genauigkeit festgestellt worden, dass die eruptiven Gewalten der Sonne nicht allein auf die Erdatmosphäre störend einwirken, sondern dass sie auch außergewöhnlich starke Schwankungen des Wasserspiegels hervorrufen und ebenso starke magnetische Einflüsse auf die magnetischen Massen im Erdinnern ausüben, die Erdbeben und Vulkanausbrüche zur Folge haben. Beweise hierfür haben wir in hinreichender Menge: von Mitte bis Ende Dezember 1926 bewegte sich eine große Fleckengruppe über die Sonnenscheibe, am 17. zerstörte ein Tornado Florida, am 18. stürzten Wolkenbrüche über Nebraska und Illinois, am 21. jagte ein Zyklon über Jamaika, am 23. wütete ein Tornado über Sao Paolo, schwere Gewitter, Dauerregen und Überschwemmungen suchten Brasilien, China und die südlichen Länder Europas heim, Tokio und Philippopel wurden zerstört, Korinth vollkommen vernichtet, verheerende Sturmfluten und Orkane rasen über Länder und Meere, und die glühende Lava des Ätnas ergießt sich aus grollender Tiefe über das Land.

Es besteht also kaum ein Zweifel mehr darüber, dass jene gewaltigen Ereignisse auf der Sonne die Ursache der meisten Naturkatastrophen auf der Erde bilden, denn die Sonne ist das pulsierende Herz der Planetenfamilie, sie ist von bestimmendem Einfluss auf das Wohl und Verderben ihrer Kinder, die sich wie die Küken einer Henne um sie scharen. — Haben wir nun diese Wirkungen der Sonneneinflüsse erkannt, so bleibt uns noch die Frage offen, wie diese Wirkungen zustande kommen. Hier stehen wir aber vor einem Forschungsgebiet, das erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit betreten wurde. Wir wissen bis heute nur so viel, dass die sogenannten „kosmischen Einflüsse“, also die Einflüsse fremder Weltkörper, auf unsern Planeten zum überwiegenden Teil auf elektrische Strömungen zurückzuführen sind, die sich mit dem elektrisch-magnetischen Zustand unserer Erde unter revoltierenden Begleiterscheinungen (Polarlichter, Gewitter, Sturmkatastrophen, Störungen im Telegraphenbetrieb und so weiter) vereinigen. Man weiß auch, dass die „kosmischen Strahlen“, die wir uns als unsichtbare, energiehaltige Strahlen vorzustellen haben, die Eigenschaft besitzen, auf die inneren, zum Teil noch glühenden Massen unseres Erdkernes dergestalt einzuwirken, dass sie eine Beunruhigung der inneren Erdströme Hervorrufen, die sich durch Erdbeben und Vulkanausbrüche deutlich bemerkbar machen.

Dass unsere Erde derartigen Fernwirkungen ständig ausgesetzt ist, beweisen uns die vielen Seebeben. Das plötzliche Auftauchen und Wiederverschwinden kleiner Inseln oder heißer Quellen im Meere, das Entstehen rasender Flutwellen von gigantischen Ausmaßen, Stromwirbel und sonstige Erscheinungen auf dem Meer legen Zeugnis davon ab, dass auf dem Meeresgrunde Umwälzungen vor sich gehen, von denen wir nur wenig Ahnung haben.

Eruptive Sonnenprotuberanzen im Größenverhältnis der Erde, die in der Mitte oben sichtbar ist.

Photographische Aufnahme der Sonnenscheibe mit großen Sonnenflecken.

Ein Sonnenfleckwirbel. Aufgenommen von Dr. Strebel in Herrsching.

Die Sonne, Ein Sonnenfleckwirbel

Die Sonne, Ein Sonnenfleckwirbel

Die Sonne, Photographisch Aufnahme der Sonnenscheibe mit großen Sonnenflecken

Die Sonne, Photographisch Aufnahme der Sonnenscheibe mit großen Sonnenflecken

Die Sonne. Eruptive Sonnenprotuberanzen im Größenverhältnis der Erde, die in der Mitte ober sichtbar ist

Die Sonne. Eruptive Sonnenprotuberanzen im Größenverhältnis der Erde, die in der Mitte ober sichtbar ist