Sechster Abschnitt. - Aquila verstand nicht, was er meinte. Bevor er aber noch fragen konnte, hatte der ...
Aquila verstand nicht, was er meinte. Bevor er aber noch fragen konnte, hatte der Soldat das Haupt wieder gesenkt. Ein augenblickliches Schweigen trat ein; dann gewährte Aquila, wie das weiße Gesicht da vor ihm zu erglühen begann, immer tiefer, immer dunkler, wie das Gesicht eines verlegenen Knaben, dessen Seele mannbar wird, und der sich schämt, seine Seele zu enthüllen, das Geheimnis seines Innersten zu verraten, zugleich fühlte er, wie die mächtige Hand, die ihn gefangen hielt, sich fester und immer fester um seine Hand schloß, als wollte sie alle Knochen seiner Hand zermalmen.
»Glaubst Du« – die Stimme des Soldaten klang heiser – »daß Claudia lebt?«
»Claudia?« der Alte fuhr unwillkürlich zurück; die Frage hatte ihn so unerwartet getroffen, daß sie ihm beinah den Atem versetzte.
Jetzt aber griff jener mit beiden Händen nach ihm, als fürchtete er, daß er ihm entrinnen würde. Seine Augen bohrten sich in die Augen ihm gegenüber mit einem verzehrenden Blick, mit einem Blick voller Angst, als würde er Leben oder Tod von seinen Lippen empfangen.
»Kennst Du sie nicht? Du mußt sie kennen! Sie hat mich zu Dir geschickt?«
»Sie hat Dich – zu mir geschickt?« stammelte Aquila.
Die bisherige Ruhe des Soldaten aber war jetzt einer Ungeduld gewichen, die keinen Aufenthalt mehr ertrug. »Lebt Claudia? Lebt Claudia? Lebt Claudia?« Dreimal hintereinander stieß er die leidenschaftliche Frage hervor.
Mit Gewalt riß Aquila seine Hände von ihm los, dann hob er beide Arme empor.
»So wahr ich hier vor Dir stehe, so wahr Du da sitzest – Claudia, die gestern am Brandpfahle starb, ist nicht tot, sie lebt heut' und morgen und ewiglich!«
Ein furchtbarer Laut erschütterte das Gemach. Der Riese war aufgesprungen; mit aufgereckten Armen, mit wogender Brust, mit wild verzücktem Gesicht stand er mitten im Raum. Dann, mit einem Sprunge, war er über Aquila her, den er an beiden Schultern ergriff, so daß die dürftige, alte Gestalt in seinen gewaltigen Armen wankte und schwankte.
»Ich will hin zu ihr!« schrie er ihn an, »zeig mir den Weg! Du kannst ihn mir zeigen. Sie hat es mir gesagt!« Priscilla, die sich vom Boden erhoben hatte, trat erschreckt heran.
»Fremder Mann,« sagte sie, indem sie vorsichtig seinen Arm berührte, »thu' meinem Gatten kein Leid.«
Der Soldat ließ zögernd die Hände von Aquilas Schultern sinken. Die weiche Frauenstimme schien besänftigend auf ihn zu wirken.
»Wir haben Claudia so geliebt,« fuhr Priscilla fort, »sag' uns doch, woher kennst Du sie? Was weißt Du von ihr?«
Der Soldat gab einen dumpfen Laut von sich und trat einen Schritt zurück. Dann fiel er auf den Schemel zurück, auf dem er gesessen hatte. Er warf den Kopf empor und ließ ihn wieder sinken. Man sah, wie die Erinnerung ihn überkam, wie sie den ganzen mächtigen Organismus durchwühlte und durchschütterte. Er setzte zum Sprechen an, aber kopfschüttelnd gab er den Versuch wieder auf; nur ein erstickter Ton, ein tiefes Seufzen, beinah ein Stöhnen rang sich aus seiner Brust. Endlich stemmte er beide Ellbogen auf die Knie, stützte das Haupt auf die Hände und drückte beide geschlossene Fäuste vor die Augen.
Aquila und Priscilla ließen ihn schweigend gewähren, obschon ihre Herzen vor Ungeduld brannten. Offenbar hatte der Mann da gestern abend Claudia gesehen, als sie zum Tode geführt wurde. Mit ehrfürchtiger Scheu beinah betrachteten sie ihn. Seine verworrenen Äußerungen ließen ja erraten, daß er ihr nahe gewesen in ihrem letzten Augenblick, daß sie noch zu ihm gesprochen hatte, daß seine Ohren es gewesen waren, in die sie ihre schwindende Seele, ihren letzten Seufzer gehaucht hatte. Claudia, das süße Licht in den dunklen Katakomben, der Mittelpunkt aller Liebe und Verehrung der Christianergemeinde, die jetzt, da sie gestorben, wie eine Heilige vor ihrer Erinnerung stand. Die aus ihrer Patrizierfamilie herabgestiegen war zu den Armen und Verachteten und gestern ihr schönes, blühendes Leben freiwillig dahin gegeben hatte in den schrecklichen Tod, der all' die Armen und Verachteten verschlang.
Endlich, als er sah, daß der Soldat nicht zu geordnetem Reden zu bringen war, trat Aquila dicht an ihn heran. Vielleicht, daß sich ihm sein Geheimnis durch Fragen entringen ließ. Er legte die Hand auf seine Schulter.
»Du bist von den Leibwächtern des Cäsar,« fing er an, »warst Du gestern abend – dabei?«
Der Soldat richtete das Haupt auf: seine Hände fielen nieder; er nickte.
»Als es – gegen den Abend kam –« seine Worte gingen abgebrochen hervor – »hat man uns hinausgeführt – in die Gärten des Cäsar. Man hat uns gesagt – die Christianer sollten verbrannt werden, weil sie Rom verbrannt hatten.«
Wieder verstummte er.
»Und da hast Du alles mit angesehen?« forschte Aquila weiter.
Der Soldat nickte abermals.
»Man hat uns hingeführt, wo eine Menge Pfähle standen, in einer doppelten Reihe, einer immer dem andern gegenüber, wie ein Baumgang wohl fünfzig Schritte breit. Man hat uns gesagt, zwischen den Pfählen würde der Cäsar auf- und abfahren – während –«
»Während?«
Der Soldat blickte vor sich hin.
»Während die Christianer an den Pfählen brennten.«
»Und da solltet ihr hinter dem Cäsar hergehen,« fragte Aquila, »während er auf- und abfuhr?«
»Nein, wir sollten an die Pfähle treten, ein jeder von uns an einen Pfahl, und dann sollten wir das Reisig womit sie umgeben waren, anzünden.«
»Dazu hat er Euch gebraucht?« fuhr Priscilla unwillkürlich heraus.
Der Soldat blickte sie an, dann zuckte er mit den Achseln.
»Vielleicht, daß er gefürchtet hat, es könnte ihm etwas von den Christianern geschehen – er ist ja so feige.«
Ein Zucken ging um seinen Mund; er warf das Haupt zur Seite.
»Und da haben sie Dich an einen der Pfähle gestellt?« nahm Aquila seine Fragen wieder auf.
Der Soldat behielt das Haupt abgewendet; seine Finger klammerten sich um die Knie, auf denen seine Hände lagen.
»Und nun hatte ich gedacht« – sagte er mit bleiernem Ton – »nach allem, was sie von den Christianern gesagt hatten – sie müßten aussehen wie Räuber und Mörder, und als ich an den Pfahl kam – war an dem Pfahl – ein Weib.«
Totenstille trat in dem Zimmer ein.
Das weltverlorene Träumen stieg wieder in den Augen des Soldaten auf; dann ging etwas wie ein irres Lächeln über sein Gesicht.
»Und daß das keine Mordbrennerin war – das erkannte ich wohl.«
Er senkte die Augen tiefer, als wenn er sich schämte.
»Sie hatten ihr ja beinah alles vom Leibe gerissen; ihr Gewand und ihre Schuhe lagen an der Erde, vor dem Pfahl, und das Gewand und die Schuhe, das alles war so kostbar und so schön und fein, wie es die vornehmen Frauen tragen, wenn sie in den Straßen gehen. Und da erkannte ich, daß es eine vornehme Frau sein mußte – und nun – stand sie so vor mir da.« Lautlos ballten sich seine Hände; er schüttelte das Haupt. »Daß sie so an einem Weibe thun konnten – denn wenn nicht das Reisig gewesen wäre und das Dornengeflecht, das um sie herum gehäuft war, bis an den Hals, und ihren Leib verbarg –«
Er brach ab; die keusche Seele bäumte sich in ihm auf und jagte eine Blutwelle über sein Gesicht.
»Diese Römer,« murmelte er, »was für Menschen das sind!«
»Darauf,« erzählte er weiter, »ist ein römischer Centurio mit einer Fackel gekommen, und die hat er mir in die Hand gegeben, und er hat gesagt: ›Paß auf, wenn's nachher ganz dunkel wird, und der Cäsar in den Garten gefahren kommt, dann wird einer laut rufen: ›Zündet an!‹ Wenn Du das hörst, dann wirst Du die Fackel in die Dornen hineinstoßen, da unten, siehst Du, wo das Pech und das Harz darauf geschüttet ist, damit es rasch aufflammt– verstehst Du?«
»Und das alles,« fuhr der Soldat fort, indem er noch immer wie vor etwas Unbegreiflichem den Kopf schüttelte, »sagte er ganz laut, so daß sie jedes Wort hören und verstehen mußte, was mit ihr geschehen sollte. Und darum, als nun der Centurio gegangen war, und ich zu ihrem Gesicht aufschaute – denn ich hatte sie noch nicht angesehen bis dahin – meinte ich, ich würde in ihrem Gesicht so etwas sehen, wie fürchterliche Angst – und wie ich nun hinsah – und wie sie mich ansah – war es so anders.«
Die letzten Worte verloren sich in einem Flüstern. Er schien wieder verstummen zu wollen. Jetzt aber war die Ungeduld über seine Zuhörer gekommen. Aquila schüttelte ihn an der Schulter, als wollte er ihn wecken.
»Wie war ihr Gesicht? Was sahest Du in ihrem Gesicht?« »Beinah – als wenn sie sich freute,« erwiderte der Gefragte langsam.
Er rieb sich die Stirn. »Ich kann's nicht so beschreiben« – und es war, als suchte er in seiner Unbehilflichkeit den Ausdruck, der all' das Fabelhafte beschreiben sollte, was er erlebt und gesehen hatte. »So etwa – wie ein Kind, wenn es neugierig ist und auf etwas wartet und – ungeduldig darauf ist. Und weil sie mich so immerfort ansah – und – weil sie mir doch so leid that, so sagte ich zu ihr: ›Warum siehst Du mich so an?‹ Und darauf sprach sie« –
Jählings unterbrach er sich. Er konnte nicht weiter sprechen: ein Würgen war in seiner Kehle.
»Die Stimme,« keuchte er vor sich hin.
»Glaubst Du« – die Stimme des Soldaten klang heiser – »daß Claudia lebt?«
»Claudia?« der Alte fuhr unwillkürlich zurück; die Frage hatte ihn so unerwartet getroffen, daß sie ihm beinah den Atem versetzte.
Jetzt aber griff jener mit beiden Händen nach ihm, als fürchtete er, daß er ihm entrinnen würde. Seine Augen bohrten sich in die Augen ihm gegenüber mit einem verzehrenden Blick, mit einem Blick voller Angst, als würde er Leben oder Tod von seinen Lippen empfangen.
»Kennst Du sie nicht? Du mußt sie kennen! Sie hat mich zu Dir geschickt?«
»Sie hat Dich – zu mir geschickt?« stammelte Aquila.
Die bisherige Ruhe des Soldaten aber war jetzt einer Ungeduld gewichen, die keinen Aufenthalt mehr ertrug. »Lebt Claudia? Lebt Claudia? Lebt Claudia?« Dreimal hintereinander stieß er die leidenschaftliche Frage hervor.
Mit Gewalt riß Aquila seine Hände von ihm los, dann hob er beide Arme empor.
»So wahr ich hier vor Dir stehe, so wahr Du da sitzest – Claudia, die gestern am Brandpfahle starb, ist nicht tot, sie lebt heut' und morgen und ewiglich!«
Ein furchtbarer Laut erschütterte das Gemach. Der Riese war aufgesprungen; mit aufgereckten Armen, mit wogender Brust, mit wild verzücktem Gesicht stand er mitten im Raum. Dann, mit einem Sprunge, war er über Aquila her, den er an beiden Schultern ergriff, so daß die dürftige, alte Gestalt in seinen gewaltigen Armen wankte und schwankte.
»Ich will hin zu ihr!« schrie er ihn an, »zeig mir den Weg! Du kannst ihn mir zeigen. Sie hat es mir gesagt!« Priscilla, die sich vom Boden erhoben hatte, trat erschreckt heran.
»Fremder Mann,« sagte sie, indem sie vorsichtig seinen Arm berührte, »thu' meinem Gatten kein Leid.«
Der Soldat ließ zögernd die Hände von Aquilas Schultern sinken. Die weiche Frauenstimme schien besänftigend auf ihn zu wirken.
»Wir haben Claudia so geliebt,« fuhr Priscilla fort, »sag' uns doch, woher kennst Du sie? Was weißt Du von ihr?«
Der Soldat gab einen dumpfen Laut von sich und trat einen Schritt zurück. Dann fiel er auf den Schemel zurück, auf dem er gesessen hatte. Er warf den Kopf empor und ließ ihn wieder sinken. Man sah, wie die Erinnerung ihn überkam, wie sie den ganzen mächtigen Organismus durchwühlte und durchschütterte. Er setzte zum Sprechen an, aber kopfschüttelnd gab er den Versuch wieder auf; nur ein erstickter Ton, ein tiefes Seufzen, beinah ein Stöhnen rang sich aus seiner Brust. Endlich stemmte er beide Ellbogen auf die Knie, stützte das Haupt auf die Hände und drückte beide geschlossene Fäuste vor die Augen.
Aquila und Priscilla ließen ihn schweigend gewähren, obschon ihre Herzen vor Ungeduld brannten. Offenbar hatte der Mann da gestern abend Claudia gesehen, als sie zum Tode geführt wurde. Mit ehrfürchtiger Scheu beinah betrachteten sie ihn. Seine verworrenen Äußerungen ließen ja erraten, daß er ihr nahe gewesen in ihrem letzten Augenblick, daß sie noch zu ihm gesprochen hatte, daß seine Ohren es gewesen waren, in die sie ihre schwindende Seele, ihren letzten Seufzer gehaucht hatte. Claudia, das süße Licht in den dunklen Katakomben, der Mittelpunkt aller Liebe und Verehrung der Christianergemeinde, die jetzt, da sie gestorben, wie eine Heilige vor ihrer Erinnerung stand. Die aus ihrer Patrizierfamilie herabgestiegen war zu den Armen und Verachteten und gestern ihr schönes, blühendes Leben freiwillig dahin gegeben hatte in den schrecklichen Tod, der all' die Armen und Verachteten verschlang.
Endlich, als er sah, daß der Soldat nicht zu geordnetem Reden zu bringen war, trat Aquila dicht an ihn heran. Vielleicht, daß sich ihm sein Geheimnis durch Fragen entringen ließ. Er legte die Hand auf seine Schulter.
»Du bist von den Leibwächtern des Cäsar,« fing er an, »warst Du gestern abend – dabei?«
Der Soldat richtete das Haupt auf: seine Hände fielen nieder; er nickte.
»Als es – gegen den Abend kam –« seine Worte gingen abgebrochen hervor – »hat man uns hinausgeführt – in die Gärten des Cäsar. Man hat uns gesagt – die Christianer sollten verbrannt werden, weil sie Rom verbrannt hatten.«
Wieder verstummte er.
»Und da hast Du alles mit angesehen?« forschte Aquila weiter.
Der Soldat nickte abermals.
»Man hat uns hingeführt, wo eine Menge Pfähle standen, in einer doppelten Reihe, einer immer dem andern gegenüber, wie ein Baumgang wohl fünfzig Schritte breit. Man hat uns gesagt, zwischen den Pfählen würde der Cäsar auf- und abfahren – während –«
»Während?«
Der Soldat blickte vor sich hin.
»Während die Christianer an den Pfählen brennten.«
»Und da solltet ihr hinter dem Cäsar hergehen,« fragte Aquila, »während er auf- und abfuhr?«
»Nein, wir sollten an die Pfähle treten, ein jeder von uns an einen Pfahl, und dann sollten wir das Reisig womit sie umgeben waren, anzünden.«
»Dazu hat er Euch gebraucht?« fuhr Priscilla unwillkürlich heraus.
Der Soldat blickte sie an, dann zuckte er mit den Achseln.
»Vielleicht, daß er gefürchtet hat, es könnte ihm etwas von den Christianern geschehen – er ist ja so feige.«
Ein Zucken ging um seinen Mund; er warf das Haupt zur Seite.
»Und da haben sie Dich an einen der Pfähle gestellt?« nahm Aquila seine Fragen wieder auf.
Der Soldat behielt das Haupt abgewendet; seine Finger klammerten sich um die Knie, auf denen seine Hände lagen.
»Und nun hatte ich gedacht« – sagte er mit bleiernem Ton – »nach allem, was sie von den Christianern gesagt hatten – sie müßten aussehen wie Räuber und Mörder, und als ich an den Pfahl kam – war an dem Pfahl – ein Weib.«
Totenstille trat in dem Zimmer ein.
Das weltverlorene Träumen stieg wieder in den Augen des Soldaten auf; dann ging etwas wie ein irres Lächeln über sein Gesicht.
»Und daß das keine Mordbrennerin war – das erkannte ich wohl.«
Er senkte die Augen tiefer, als wenn er sich schämte.
»Sie hatten ihr ja beinah alles vom Leibe gerissen; ihr Gewand und ihre Schuhe lagen an der Erde, vor dem Pfahl, und das Gewand und die Schuhe, das alles war so kostbar und so schön und fein, wie es die vornehmen Frauen tragen, wenn sie in den Straßen gehen. Und da erkannte ich, daß es eine vornehme Frau sein mußte – und nun – stand sie so vor mir da.« Lautlos ballten sich seine Hände; er schüttelte das Haupt. »Daß sie so an einem Weibe thun konnten – denn wenn nicht das Reisig gewesen wäre und das Dornengeflecht, das um sie herum gehäuft war, bis an den Hals, und ihren Leib verbarg –«
Er brach ab; die keusche Seele bäumte sich in ihm auf und jagte eine Blutwelle über sein Gesicht.
»Diese Römer,« murmelte er, »was für Menschen das sind!«
»Darauf,« erzählte er weiter, »ist ein römischer Centurio mit einer Fackel gekommen, und die hat er mir in die Hand gegeben, und er hat gesagt: ›Paß auf, wenn's nachher ganz dunkel wird, und der Cäsar in den Garten gefahren kommt, dann wird einer laut rufen: ›Zündet an!‹ Wenn Du das hörst, dann wirst Du die Fackel in die Dornen hineinstoßen, da unten, siehst Du, wo das Pech und das Harz darauf geschüttet ist, damit es rasch aufflammt– verstehst Du?«
»Und das alles,« fuhr der Soldat fort, indem er noch immer wie vor etwas Unbegreiflichem den Kopf schüttelte, »sagte er ganz laut, so daß sie jedes Wort hören und verstehen mußte, was mit ihr geschehen sollte. Und darum, als nun der Centurio gegangen war, und ich zu ihrem Gesicht aufschaute – denn ich hatte sie noch nicht angesehen bis dahin – meinte ich, ich würde in ihrem Gesicht so etwas sehen, wie fürchterliche Angst – und wie ich nun hinsah – und wie sie mich ansah – war es so anders.«
Die letzten Worte verloren sich in einem Flüstern. Er schien wieder verstummen zu wollen. Jetzt aber war die Ungeduld über seine Zuhörer gekommen. Aquila schüttelte ihn an der Schulter, als wollte er ihn wecken.
»Wie war ihr Gesicht? Was sahest Du in ihrem Gesicht?« »Beinah – als wenn sie sich freute,« erwiderte der Gefragte langsam.
Er rieb sich die Stirn. »Ich kann's nicht so beschreiben« – und es war, als suchte er in seiner Unbehilflichkeit den Ausdruck, der all' das Fabelhafte beschreiben sollte, was er erlebt und gesehen hatte. »So etwa – wie ein Kind, wenn es neugierig ist und auf etwas wartet und – ungeduldig darauf ist. Und weil sie mich so immerfort ansah – und – weil sie mir doch so leid that, so sagte ich zu ihr: ›Warum siehst Du mich so an?‹ Und darauf sprach sie« –
Jählings unterbrach er sich. Er konnte nicht weiter sprechen: ein Würgen war in seiner Kehle.
»Die Stimme,« keuchte er vor sich hin.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Claudia's Garten - Eine Legende