Herzog Johann Albrecht † 12. Februar 1576

1576 um die Mitte des Januars war Herzog Johann Albrecht noch in Wittenburg gewesen, wo er mit Abgeordneten aus Lüneburg eine Vereinbarung hatte schließen wollen, um den damals sehr bedeutenden Salzhandel dieser Stadt, welcher meist über Lübeck ging, über Schwerin nach Wismar zu leiten, ein Plan, um dessen willen die mecklenburgischen Fürsten so oft und viel an die Verbindung des Schweriner Sees mit der Ostsee dachten. Von Wittenburg zurückgekehrt, wurde er sofort bettlägerig und verlor die Sprache. Er ließ deshalb einen Bruder Ullrich aus Güstrow zu sich bitten, der am 30. Januar in Schwerin anlangte, auf Johann Albrechts Wunsch die Vormundschaft seiner Söhne zu übernehmen versprach und am 1. Februar nach Güstrow zurückkehrte. Die Krankheit des Herzogs nahm aber bald eine so gefährliche Wendung, dass Ulrich schon am 10. Februar durch die herzoglichen Räte wieder erbeten werden musste, und als er Sonntag am 12. bald nach Mittag mit seiner Gemahlin anlangte, war Johann Albrecht eben zwischen 2 und 3 Uhr entschlafen.

Im 51. Jahre seines Lebens starb dieser edelste und hochbegabte Fürst, ein Ruhm seiner Zeit und seines Landes, in der vollen Kraft und Blüte seiner Wirksamkeit. Seine Leiche wurde in der Schlosskapelle ausgestellt und von den Bürgern Schwerins bis zum 29. Februar, dem Tage des Begräbnisses, bewacht. Unter großer Trauer fand letzteres statt; Dr. Johann Caselius hielt die lateinische, Mag. Mathias Bömius die deutsche Gedächtnisrede. Der Herzog wurde in der heiligen Bluts-Kapelle des Domes beigesetzt, wo sein Sohn Johann ihm i. J. 1590 die weiße Marmortafel mit Inschrift aufrichten ließ, welche jetzt in der südlichen Nebenkapelle an der Mittelwand befestigt ist. Die lateinisch abgefasste Inschrift auf dieser Tafel lautet in deutscher Übertragung ungefähr folgendermaßen:


„An diesem Orte hat Herzog Johann Albrecht seine Ruhestätte. Keinen frommeren und gelehrteren Herrn gab es zu seiner Zeit, als ihn. Er vernichtete die päpstliche Lehre und die menschlichen Satzungen in seinem Lande und ließ das reine Gotteswort überall predigen. Ein tapferer Held stritt er im Felde mit seinen treuen Bundesgenossen, den Fürsten von Sachsen und Hessen, für die Freiheit, den Frieden und die ruhige Ausübung des reinen Gotteswortes, welches bisher war unterdrückt gewesen. Die Universität Rostock hat er zur Blüte gebracht, nebst seinem Bruder Herzog Ulrich überall dem weltlichen Gerichte und der Gerechtigkeit Anerkennung verschafft, auch das Kirchenregiment wohl bestellt. Er war in einem ganzen Leben wahrhaftig, gerecht, sanftmütig, mild, fromm, gütig und ein Verehrer des göttlichen Wortes. Darum wurde er auch von Königen und Fürsten geehrt und hochgehalten. Wie er auf dieser Welt geleuchtet, so lange er hier das Ebenbild Gottes getragen, so möge er, den lichten Sternen gleich, droben im Reiche des Himmels leuchten!“

Mit diesem trefflichen Fürsten wurde Schwerins höchste Glanzperiode der früheren Zeit zu Grabe getragen. Zwar was er gewirkt und geschaffen im Staate, in der Kirche und Schule, das lebte nach ihm fort und mancher seiner Einrichtungen erfreuen wir uns noch heute; aber erst die Neuzeit fachte wieder ein solches Leben in Kunst, Wissenschaft und allen höheren Genüssen in der Residenz des Landes an, wie er es um sich sammelte.

Wir haben, soweit es hier tunlich war, gezeigt, wie er Gelehrte und Künstler an einen Hof zog, wie er die Stadt verschönerte und das Schloss neu baute, wie er überall in einer Weise voranging, welche auf die Entwicklung des bürgerlichen Lebens nicht ohne Einfluss sein konnte und diesen gewiss in hervortretendem Maße gezeigt haben würde, wenn nicht bald nach seinem Tode von Außen her Ereignisse eingetreten wären, die alle Entwicklung störten und auf lange Zeit unterdrückten.

Leider hatte Johann Albrecht in seinen Unternehmungen für das Wohl des Landes eine große Schuldenmasse gesammelt, die einzige Schattenseite seiner Regierung, die ihm manch Herzeleid verursacht hatte. Nachdem sein Testament am 1. März d. J. feierlich auf dem Rathause zu Schwerin eröffnet worden, sahen sich die Exekutoren desselben genötigt, mit den Gläubigern zu verhandeln und abzurechnen. Hierzu wurde der 14. Mai bestimmt und ein Tag zu Wismar angesetzt, wo die Abrechnung in Güte vor sich ging, aber ein nicht geringer Teil der herzoglichen Dienerschaft entlassen werden musste.

Johann Albrechts größtes Bauwerk war das Schloss, dem er im Wesentlichen die Gestalt gab, welche es bis zu einem Abbruche und dem Neubau des jetzigen großherzoglichen Residenzschlosses besaß. Wir überblicken dasselbe hier nochmals im Zusammenhange.

1) Auf der nordöstlichen Seite der Schlossinsel lag das „lange Haus“, vor 1503 begonnen, 1553 vollendet. Seewärts davor lag der Zwinger mit den unterirdischen Gefängnissen, dem Burgverließ. In den frühesten Zeiten befand sich oben auf diesem ein kleiner Garten, 1576 war er mit Blei gedeckt, weshalb er „die Bleikammer“ genannt wurde. In dem Zwinger soll der Sage nach vor Zeiten die ... „eiserne Jungfrau“ gestanden haben (s. u.)

2) Neben dem langen Hause südwärts lag das „Bischofshaus“, vor demselben nach dem See hin die Badestube.

3) Auf der südöstlichen Ecke der Burginsel lag das „Gebäude über der Schlossküche“. Dies zerfiel in den östlichen Teil, welcher unten die Hofküche enthielt und in den oberen Räumen zu wirtschaftlichen Zwecken benutzt wurde, und in den südöstlichen Teil, das Eckgebäude, nebst dem folgenden, an der Stelle der ältesten Kapelle und der Wohnungen für die Priester und Chorknaben erbaut. Das erstere Gebäude war bei Johann Albrechts Tode nicht ganz so vollendet, wie es später bestand; das letztere war fertig.

4) An der südlichen Seite, dem Schlossgarten zu, befand sich das „Haus mit der Schlossuhr“, davor der Turm mit der Uhr nach dem Schlosshofe hin, von Herzog Heinrich V. erbaut, um 1576 schon fast baufällig, aber noch von Johann Albrechts Söhnen bewohnt. Dann folgte

5) an der südwestlichen Ecke das „Brau- und Backhaus“; darauf

6) westwärts das „Zeughaus“, schon 1553 vollendet, aber erst später mit Tonverzierungen geschmückt. Ihm folgte

7) die ältere Auffahrt zum Schloss, von welcher der „neue Turm über dem Tore“ von Johann Albrecht um 1576 begonnen, aber erst nach einem Tode vollendet wurde.

8) An der Nordseite der Insel neben der älteren Auffahrt lagen mehrere Gebäude, zunächst das „Häuslein mit dem spitzigen Dache“ und „Herzog Heinrichs altes Haus“ (in der Neuzeit die Küsterwohnung), welche unter dem Herzoge Adolf Friedrich (1608–58) neu gebaut werden sollten. Zwischen beiden Häusern wurde darauf die neuere Auffahrt errichtet, welche bekanntlich, nordwärts gerichtet, in ziemlich scharfer Biegung um die später erbaute Schlosswache in den Schlosshof führte.

9) Die Schlosskirche, von Johann Albrecht ganz neu gebaut, lehnte sich nordöstlich an das lange Haus (1) und schloss den Kreis von Gebäuden, welche die Burginsel umringten und das Schloss bildeten.
Über die „eiserne Jungfrau“, welche sich in dem Zwinger auf der Burg (s. o. sub 1) befunden haben soll, existieren verschiedene Meinungen; nach Einigen soll sie ganz ins Reich der Sage gehören, nach Anderen ein schreckliches Marterinstrument in Form einer mit Schwertern bewaffneten Jungfrau gewesen sein, welche der Verurteilte habe umarmen müssen, wobei ihn dann die Schwerter zerschnitten hätten. Ins Gebiet der Sage kann die Existenz eines solchen Hinrichtungs- oder Marter-Instrumentes nach den neueren Erforschungen indessen nicht verwiesen werden, wenn man auch ganz davon absehen wollte, dass der früher im Volksmunde lebende Ausdruck „die Jungfer küssen“ doch auf etwas hindeutet, was wirklich geschah. Im J. 1839 wurde das Burgverließ untersucht, wobei man 5, jetzt in der großherzoglichen Sammlung aufbewahrte, zweischneidige, sehr scharfe Schwerter von Eisen gefunden hat, welche mit Vorrichtung zum Befestigen in einer Maschine versehen waren, also auch sicherlich in einer solchen gesessen hatten. Das Burgverließ war nun ein unterirdisches Gewölbe in dem an den ältesten Teil des Schlosses angebauten Gefängnisturm. In seiner Mauer fand sich ein starker, beweglicher, eiserner Ring und nicht weit davon ein eisernes Band in Form eines Halbkreises, mit einem Gelenke und zum Vorlegen eines Vorlegeschlosses eingerichtet. Davor lagen auf der Erde die oben erwähnten 5 Schwerter. In der Mitte des Burgverließes hat sich noch bei Menschengedenken ein viereckiges Loch befunden, so groß, dass ein Mensch habe hineinfallen können. Man hat dies in späterer Zeit als ein Wasserloch betrachtet und auch so genannt; alle Wahrscheinlichkeit spricht aber dafür, dass dies Loch zur Hinrichtung der Verurteilten bestimmt und mit der eisernen Jungfrau verbunden gewesen ist. Es war wohl mit einer Falltür bedeckt, auf welche der Verurteilte treten musste, alsdann durch das Loch hinab und unten im Raume des Burgverließes auf die Schwerter stürzte, welche ihn zerschnitten. Vielleicht mag oben neben der Falltür ein Jungfrauenbild gestanden haben, welches der Hinrichtungsmaschine ihren bekannten Namen gab, deren Existenz nicht zu bezweifeln sein wird. Nach einer Sage soll diese Maschine erst auf den Befehl des Großherzogs Friedrich Franz I. vernichtet und das Loch zugeschüttet worden sein, nachdem ein junges Mädchen, jedoch ohne sich zu beschädigen, in dasselbe hinabgestürzt war.

An das Schloss zu Schwerin knüpft sich die Sage von einem Geiste, Petermännchen genannt, einem freundlichen, gutmütigen Zwerge, welcher neckend und wachsam, nur die Bösen strafend, in den Räumen des Schlosses umhergeht. Zu welcher Zeit die Sage von ihm entstanden sei, ist ungewiss; in späterer Zeit, noch im 18. Jahrh. soll der Geist zuweilen von den im Schloss beschäftigten Leuten und von Wache haltenden Soldaten gesehen worden sein. Aus einem darüber i. J. 1747 angestellten Verhöre teilt Lisch (Jahrb. f. meckl. Gesch. V. S. 59) Folgendes mit:

                [siehe dazu Kapitel 30]

Nach Johann Albrechts Tode übernahm Herzog Ulrich von Mecklenburg-Güstrow die vormundschaftliche Regierung über Schwerin. Die fürstliche Witwe Anna Sophia erhielt zu ihrem Leibgedinge die Ämter Rehna, Wittenburg und Lübz; am letzteren Orte nahm sie ihre Wohnung. Herzog Johann kam an den Hof eines Oheims nach Güstrow, von wo er am 18. April 1577 mit seinem Hofmeister Joachim von Bassewitz und seinem Lehrer Hiob Magdeburg (seit 1574 nach des Johann Caselius Abgange) auf die Universität Leipzig gesandt wurde. Der jüngere Herzog Sigismund August kam zu einer Bildung an den Hof des Churfürsten von Sachsen. Bis zum Jahre 1585, wo Johann VII. die Regierung selbst übernahm, befand sich also keine eigentliche fürstliche Hofhaltung dauernd in Schwerin.

Am 19. Mai d. J. wurde Johann Albrechts Fürstenschule (s. d. J. 1553) aufgehoben, und im Juni mit der Stiftsschule verbunden, so dass beide nun die Domschule bildeten. Von der Fürstenschule wurden die Lehrer Bernhard Hederich als Rektor und Andreas Studelius als Unterlehrer an die Domschule hinübergenommen. Der Konrektor hieß Joachim Divack*), der Kantor Thomas Menkin. Herzog Ulrich strebte durch diese Einrichtung, die Gehalte der Lehrer etwas zu verbessern und dadurch der Schule ihre Kräfte zu sichern. Die Aufhebung der blühenden Fürstenschule erregte übrigens in der Bürgerschaft allgemeines Bedauern, welchem Andreas Mylius vergeblich einen Ausdruck verlieh. Auch der Hofprediger Mathias Bömius bittet den Herzog „um Gottes willen“, aber vergeblich, „er möge doch die zerstreute Fürstenschule wiederum in einen fürstlichen Schooß sammeln.“ – Das Gebäude der Fürstenschule, an Stelle des jetzigen Regierungsgebäudes, blieb wohl eine Zeitlang leer stehen; später war in ihm die Justiz Kanzlei angeordnet (s. d. J. 1588) und i. J. 1711 die herzogliche Bibliothek daselbst eingerichtet (s. d. J. 1552). Die Domschule wurde also im früheren Refektorium des Stiftes errichtet, wo jetzt der Betsaal und das physikalische Kabinett des Gymnasiums sich befinden. Hier wurden drei gewölbte Zimmer für die Schule bestimmt; der jetzige Raum des Betsaales war durch eine Mauer, die erst i. J. 1834 eingerissen wurde, in 2 Klassen geheilt.

*) Dieser Divack scheint sich bei den Bürgern sehr verhasst gemacht zu haben. In einem städtischen Urpfehdebuch heißt es vom Jahre 1576, dass ihn auf seinem Wege von der Schule nach Hause (er wohnte auf der Schelfe) mehrere Bürger, an deren Spitze Daniel Warner gestanden, auf freier Gasse überfallen und „mit ihren bei sich habenden Spießen bewegelagert“ hätten. Den Knaben, welcher ihn begleitete und seine Bücher trug, hätten sie beraubt, die Bücher zerrissen und dem Konrektor selbst arg zugesetzt.

In der Person des Mag. Franz Stüler wurde ein neuer Superintendent an Stelle des Mento Gongrevius an den Dom berufen, wo er bis zum Jahre 1585 lebte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin