Geschichte der Stadt Schwerin von 1846 bis 1847

1846. Am Neubau des großherzoglichen Schlosses wurde schon seit dem 13. Januar mit dem Einrammen der Pfähle und der Fassadierung derjenigen älteren Gebäude an der nördlichen und nordwestlichen Seite des Schlosses, welche teilweise erhalten werden sollten, der Anfang gemacht. Der erste Pfahl zum Neubau wurde am 13. Januar eingerammt. Im März wurde auf Anregung des Hofbaurats Demmler eine Unterstützungskasse für Arbeiter, die etwa beim Schlossbau verunglücken würden, gegründet. Das am 30. Januar allerhöchst bestätigte Regulativ stellte diese Kasse unter die Leitung der Schlossbau-Kommission. Über das Maß der zu gewährenden Unterstützungen entschied aber selbstständig ein aus der Zahl der beim Bau beschäftigten Arbeiter frei von ihnen erwähltes Komitee von 8 Personen. Bis zum Rechnungsjahre 1848/49 einschließlich wurde der Stand dieser Kasse bekannt gemacht und zeigte nach dem letzten öffentlichen Abschluss ein bares Vermögen von 1.250 Thaler 6 ßl Crt. In der Stadt wurde i. d. J. der Abbruch des alten, sehr verfallenen Bischofshofes mit einer schmucklosen Umgebung von Ställen und Schuppen begonnen. Am 11. Mai hatte E. Gillmeister den Auftrag erhalten, die Fenster des Altertümersaales mit Glasgemälden zu schmücken (s. d. J. 1853).

Zur Erbauung kam i. d. J. unter des Hofbaurats Demmler Leitung und nach dessen am 11. April genehmigten Plänen das Pulvermagazin (Munitions-Depot) auf der Anhöhe am Faulen See. Diese Anlage besteht aus dem Pulvermagazin, dem Laboratorium, dem Feuerhause und dem Wachhause und hat im Ganzen 9.260 Thaler gekostet. Ferner erbaute Demmler den Bärenzwinger im Schlossgarten für zwei Bären, welche dem Großherzoge von einem Schiffs-Kapitän zum Geschenk gemacht waren. Am 5. Juli fand im Schlossgarten auf den Terrassen (Kaskaden) ein Gesangfest statt, zu welchem sich sämtliche Gesangvereine Schwerins verbunden hatten, das erste Ereignis dieser Art in der dem Kastengeiste nur zu sehr anhängenden Residenz. Jene Gesangvereine waren: 1) die Liedertafel der gebildeten Stände, 2) zwei Handwerkersingvereine, 3) ein Militärsingverein, 4) der Gesangverein der Handlungsdiener. An die hatten sich nun die Sänger des Theaters und mehrere Dilettanten geschlossen, so dass die Gesamtzahl mehr als 250 Personen betrug.


Im August wurden die drei kleinen von E. Gillmeister verfertigten Fenster mit Glasgemälden im hohen Chor des Domes aufgestellt.

Am 29. August weihten die Turner des Gymnasiums den neuen, auf dem Werder gelegenen Turnplatz ein, welchen ihnen der Großherzog hatte anweisen lassen, da der bisherige Turnplatz am Haselholze (s. d. J. 1844) anderweitig benutzt werden sollte. Hier sollte nämlich vom 7. bis 27. September das Übungslager zu den Exerzitien der vereinigten Mecklenburg-Schwerinschen Truppen abgehalten werden.

Am 4. Dezember wurden die bisher abgehaltenen 5 Jahrmärkte auf 3 beschränkt. Der Kirchweihjahrmarkt am 19. September auf der Altstadt und der Jahrmarkt am Tage Philippi und Jakobi (1. Mai) auf der Neustadt gingen ein. Die jetzigen Märkte finden statt: am Donnerstage nach Judica auf der Altstadt, Mittwoch nach Johannis d. T. auf der Paulsstadt und Dienstag nach Gallen auf der Neustadt.

Das Jahr war in Folge der missratenen Kartoffelernte (Kartoffelkrankheit) und einer mittelmäßigen Kornernte für die ärmeren Stände ein sehr drückendes. Obwohl die Bauten ihnen manche Beschäftigung gaben, ließen sich diese doch während des Winters nicht in ganzem Umfange fortsetzen und machte der Umstand, dass sich viele fremde Arbeiter hierher begeben hatten, die Teuerung fühlbarer. Zu diesem Notstande gesellte sich noch eine Blattern-Epidemie, welche, bevor man ihr energisch entgegentreten konnte (das Verdienst gebührt dem verstorbenen Geh. Medizinalrat Sachse), viele Familienväter arbeitsunfähig machte. Durch die reichen Liebesgaben, welche den Magistrat von allen Seiten, angeregt durch den Vorgang der fürstlichen Familie, zuflossen, gelang es bald, die Not zu lindern.

1847. Am 24. Januar wurden zwei Armen-Speise-Anstalten eröffnet, die eine im Schützenhause, die andere im Hintergebäude der früheren Tierarzneischule. Aus diesen Anstalten, von edlen Frauen geleitet, wurden täglich gegen 1.000 Karten unentgeltlich an Arme verteilt, auch Portionen á 2 ßl. an minder Bedürftige verkauft. Die so umsichtig geleitete Sparkasse konnte nicht nur 500 Thaler zum Ankaufe von Kartoffeln für Arme, sondern auch 2.000 Thaler zu jenen Suppen-Anstalten schenken. Die Speisungen währten bis zum Wiederbeginn der Bauzeit, mit welcher sich neuer Verdienst für zahlreiche Familien eröffnete. Am Schloss wurde ohne Unterbrechung gearbeitet. Am 19. März lieferte der Dombaumeister, Regierungs- und Baurat Zwirner in Köln Zeichnungen zum Anbau eines Chors an die Schlosskapelle im altdeutschen Stil. Da der Entwurf Zwirners aber eine gänzliche Umgestaltung der Kirche notwendig gemacht hätte und der Großherzog sich dahin entschied, dass die alte Schlosskirche Johann Albrechts I. in ihrer Gestalt erhalten werden solle, so wurde der Hofbaurat Demmler am 23. Oktober zur Besprechung mit Zwirner nach Köln gesandt (er reiste von dort abermals nach Frankreich, um die Schlösser zu Chambord und Blois, welche in mittelst restauriert waren, wiederholt zu besichtigen). In Folge jener Besprechung entwarf Zwirner neue Pläne, welche er im Februar 1848 einsandte, und nach diesen wurde nun der Anbau des Chores an die Domkirche beschlossen, dessen Fenster demnächst von Gillmeister mit Glasgemälden geschmückt wurden. Am 18/24. April war der Garten-Direktor Linné aus Potsdam in Schwerin und entwarf den Plan zur Bepflanzung des Plateau vor der Terrasse des Hauptturms, worauf die zur Ausführung dieses Plans notwendigen Bauarbeiten begonnen wurden. Vom 13. bis 19. Juni wurde das Dach des Bischofshauses gerichtet. Am 24. Juni traten die ersten Steinmetz Gesellen in Arbeit. Das Material zu ihren Arbeiten war Bremer und Sächsischer Sandstein, letzterer aus den Steinbrüchen zu Oberkirchen und Postelwitz, wo das beste Material im Juli d. J. vom Hofbaurat Demmler selbst ausgewählt worden war. Am 5. August war das Mauerwerk des Hauptturms vollendet und wurde mit dem Richten der Dachspitze begonnen; am 17. besichtigten der König und der Prinz von Preußen den Bau und am 27. August wurde der große 254 Fuß hohe Turm nach der Seeseite hin festlich gerichtet. Nachmittags um 2 Uhr versammelten sich sämtliche Arbeiter beim Schlossbau auf dem Bauplatze, wo Einige von ihnen für besondere Leistungen ein Trinkgeld erhielten. Dann begaben sie sich in Abteilungen auf das Palais der Neustadt, um den Kranz abzuholen, den sie in geordnetem Zuge unter Musik und mit wehenden Fahnen nach dem Schloss brachten, bei welchem angelangt sie mit Kanonenschüssen und einer Rede des Hofbaurats Demmler empfangen wurden. Nun wurde der Kranz auf den Turm gezogen, dort befestigt, von zwei Kanonenschüssen und der Musik begrüßt, worauf der Polier Kipcke die Rede hielt. Hieran schloss sich ein Festmahl für 650 Personen. Am 20. November wurden die Arbeiten für dies Jahr eingestellt.

Am 13. März kam auf der eben fertig gewordenen Hagenow-Schweriner Eisenbahn die erste, festlich mit Blumen, Kränzen und Fahnen geschmückte Lokomotive (Wismar Nr. 2) unter dem lauten Jubel einer zahlreich versammelten Menschenmenge in Schwerin an. Am 25. April fand die erste Probefahrt auf dieser Bahnstrecke, welche zum 1. Mai dem Verkehr übergeben werden sollte, statt. Sieben Wagen, in welchen etwa 300 Personen saßen, unternahmen die erste Fahrt von Schwerin nach Hagenow. Am 28. April folgte eine Inspektionsfahrt, an welcher der Großherzog, Mitglieder der höchsten Landesbehörden, der Magistrat u. A. Teil nahmen.

Zu Michaelis d. J. wurde die bisherige großherzogliche Bürgerschule zu einer Realschule erhoben, welche aus 6 Klassen bestehen und mit dem 18. Oktober eröffnet werden sollte. Der Lehrplan dieser Schule, deren Kursus auf 8 Jahre, nämlich in den 4 unteren Klassen je 1, in den 2 oberen Klassen je 2 Jahre berechnet ist, umfasst folgende Gegenstände: Religion, deutsche, französische, englische und lateinische Sprache, Mathematik und Rechnen, Naturgeschichte, Physik, Chemie, Geographie, Geschichte, Schönschreiben, Zeichnen und Gesang. Es wirken an ihr 10 Lehrer, an deren Spitze ein Direktor steht. Diese Realschule erhielt ihren Sitz in dem neuerbauten Hause der Friedrichstraße (Nr. 5); dadurch wurde das bisherige Gebäude der Bürgerschule in der Schulstraße frei, welches nun zu einer städtischen Bürgerknabenschule angekauft wurde, die, aus 3 Klassen mit 3 Lehrern bestehend, gleichfalls zu Michaelis d. J. eröffnet wurde. Die Frequenz der letzteren Schule stieg bald so sehr, dass 6. Klassen mit 6 Lehrern erforderlich wurden, und da für diese in jenem Hause der Raum zu beschränkt war, so wurde dasselbe verkauft und in der Blücherstraße ein neues Schulhaus erbaut (s. d. J. 1854).

Am 15. und 16. Oktober fand die fünfte allgemeine Bauernversammlung unter der Direktion des Revisionsrates Schuhmacher in Schwerin statt. Es beteiligten sich an derselben gegen 300 Personen, deren Sitzungen im Schauspielhause gehalten wurden. Eine Ausstellung von Sämereien, landwirtschaftlichen Werkzeugen und Gerätschaften befand sich im Saale des Schützenhauses, eine Tierschau auf dem Schießhofe, das Rennen fand am 16. auf der Waslow statt.

Am 2. November reichte die Judenschaft Schwerins eine Petition an den Magistrat ein, in welcher sie um dessen Verwendung auf dem diesjährigen Landtage zum Zwecke der völligen bürgerlichen Gleichstellung der Juden mit den Christen in Mecklenburg nachsuchte. In der Antwort des Magistrats vom 8. d. M. wurde entgegnet, dass derselbe jenes Gesuch nicht nur für billig halte, sondern auch seinen Landtagsdeputierten in diesem Sinne instruiert habe.

Auf diesem Landtage hatte der Gutsbesitzer Pogge auf Roggow am 27. November (2. Dezember) den Antrag eingebracht, dass die ständische Vertretung nach den gegenwärtigen Umständen und Bedürfnissen des Landes abgeändert werden möge. In Folge dessen wurde am 11. Dezember von mehreren hundert Bürgern und Einwohnern Schwerins den Magistrat eine Petition in acht Exemplaren überreicht, worin sie denselben ersuchten, den gedachten Antrag Pogges nach Kräften fördern und für dessen Verwirklichung die geeigneten Schritte tun zu wollen. Hierauf entgegnete der Magistrat noch an demselben Tage, dass er schon am 6. d. M. seinen Landtagsdeputierten mit einer dem beregten Antrage völlig entsprechenden Instruktion versehen und der Landesversammlung hiervon am 10. Kenntnis gegeben habe, weshalb er den Petenten um so mehr die Versicherung geben könne, dass er diese Angelegenheit auf verfassungsmäßigem Wege bestmöglichst fördern werde. Am 28. Dezember eignete sich auch der Bürger-Ausschuss diese Erklärung des Magistrats an und richtete im Namen der Bürgerschaft eine Dank-Adresse an denselben.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin