Geschichte der Stadt Schwerin von 1842 bis 1843
1842. Mit dem Anfange d. J. wurde vom Bürgermeister Strempel der erste Jahrgang eines Schweriner Wohnungsanzeigers herausgegeben, damals zum Preise von 12 ßl. Seitdem ist derselbe, später unter Redaktion der Polizeibehörde, jährlich erschienen, vom zweiten Jahrgange an schon erheblich vermehrt und durch Nachweisung der Behörden usw. verbessert.
Auch erschien jetzt ein Droschkenreglement, da schon seit dem vorigen Jahre die Einrichtung eines Droschkenfuhrwesens beabsichtigt war. Auch diese Einrichtung verdankt die Stadt speziell dem Großherzoge Paul Friedrich. Nach jenem Regulativ war der Preis für eine gewöhnliche Fahrt auf 6 ßl. festgesetzt, Stationsorte für die Droschken sollten der Schelfmarkt, der freie Platz neben der Domkirche, der Platz vor dem Kollegiengebäude und der Platz am ehemaligen Mühlentor sein, ferner sollten jene Abends vor dem Theater halten dürfen. Zu Anfang Februar kam die Einrichtung der Droschken zu Stande.
Am 24. Januar brannten 3 der neuerbauten Häuser in de Alexandrinenstraße (Ecke der Wilhelmstraße) ab, ein Ereignis, welches ohne die angestrengteste Tätigkeit der Helfenden leicht hätte größere Ausdehnung gewinnen können, da der Pfaffenteich mit dickem Eis belegt und die Kälte äußerst streng war. Dieser Brand gab übrigens Veranlassung zur Veröffentlichung der noch jetzt normierenden Feuerlösch-Ordnung vom 15. Februar d. J., welche landesherrlich schon am 23. Dezember 1841 konfirmiert war.
I. d. J. wurde die Überwölbung des Fließgrabens vom Pfaffenteich an bis zum städtischen Kanal bei der Schmiedestraße, welcher kürzlich überwölbt war, unter Leitung des Hofbaurats Demmler auf großherzogliche Kosten vollendet. Der Graben, welcher früher in einem Bogen um den Bischofshof führte und einen breiten Ausfluss in den Pfaffenteich hatte, war 658 Fuß lang und die Überwölbung kostete, mit Einschluss der Holzmaterialien, 5.380 Thaler N 2/3*).
*) Bei dieser Gelegenheit wollen wir erwähnen, dass der Bauverwaltung bis zur Einführung des Staatsgrundgesetzes das Holz zu fürstlichen Bauten unentgeldlich, jedoch gegen Erlegung des Hau- und Sägerlohns geliefert wurde. Der Holzhof war beim Judenkirchhof; nachdem er 1850 eingegangen, musste die Bauverwaltung das Holz selbst ankaufen. Steine und Kalk hatte sie aber stets selbst bezahlt. Unter Paul Friedrich war die Ziegelei auf dem Schelfwerder durch Demmler eingerichtet und der Ziegelbetrieb auf dem Kaninchen- und Ziegelwerder, wo er mehrere Jahre geruht hatte, i. J. 1837 wieder eröffnet worden. – Bei allen unseren Angaben über die Kostenbeträge fürstlicher Bauten ist der Wert der Holzmaterialien auch für die Zeit vor 1850 mit in Anschlag gebracht.
Bei dem eben erwähnten Brande hatte der Großherzog Paul Friedrich, wie es seine Gewohnheit war, stundenlang ausgeharrt und die Löschenden ermuntert. Es war leider das letzte Mal, wo er inmitten seiner Schweriner auftrat, in seinen grauen Militärmantel gehüllt, wie er gewiss noch im Gedächtnis Aller steht. Schon am 24. Februar befiel ihn eine heftige Unterleibsentzündung, welche von Anfang an zu Besorgnissen Veranlassung gab und schon am 7. März Morgens um 5 1/4 Uhr das Leben des im kräftigsten Mannesalter stehenden Fürsten beendigte. Ein schwerer Schlag war dies schnelle Hinscheiden des Herrn, welcher die allgemeinste Liebe genoss, für die Schweriner, deren Trauer eben so ernst, wie tief sich äußerte. Schon am 6. März, als die Kunde sich verbreitete, dass das Hinscheiden des Großherzogs zu erwarten sei, feierte die ganze Stadt in lautloser Stille und zahlreiche Gruppen umstanden das Palais am Alten Garten und die benachbarten Straßen, auf Nachrichten aus jenem harrend. Am 5. März war der Erbgroßherzog, jetzige Großherzog Friedrich Franz von der Universität Bonn angelangt, am 6. März kam die verwitwete Frau Erbgroßherzogin. Im Kreise aller Seinigen verschied in voller Geistesklarheit der unvergessliche Herr, welchen Liebe und Treue der Seinigen unveränderlich zu Teil geworden.
Am Abend des 8. März wurde Paul Friedrichs Leiche auf das alte Schloss gebracht und dort in dem durch Demmler zur Trauerhalle umgewandelten Altertümersaale ausgestellt. Am 9. und 10. März sahen die Eintretenden den Verblichenen im offenen Sarge liegen, am 11. wurde der Sarg geschlossen und mit dem Purpurmantel bedeckt. Sonnabend, den 19. März, um 3 1/2 Uhr Nachmittags, geschah die feierliche Beisetzung in der heiligen Bluts-Kapelle des Domes, deren Renovierung Paul Friedrich schon seit dem vorigen Jahre hatte beginnen lassen, und die nun zur fürstlichen Ruhestätte erweitert und geschmückt wurde (s. d. J. 1845) Am 17. April fand die kirchliche Gedächtnisfeier für den verewigten Großherzog statt.
Friedrich Franz II., geboren am 28. Februar 1823, bestieg sofort den Thron seines Vaters und übernahm (Verordnung vom 21. März) das Vermächtnis, im Sinne und Geiste desselben für Schwerin zu wirken. Ein Zeugnis hierfür gab die sofortige Verlegung der Residenz in das alte ehrwürdige Stammschloss auf der Burginsel.
Was Paul Friedrich für die Stadt Schwerin gewirkt hat, ist im Obigen dargelegt. Soweit es die äußere Gestaltung der Stadt betraf, war allerdings in wenigen Jahren sehr Vieles beschafft worden, manche Pläne aber unterbrach sein früher Tod. Es ist gleichfalls schon erwähnt worden, dass mit der äußeren Gestaltung die innere Entwicklung Hand in Hand gehen musste, sollte das ganze Leben gedeihlich gefördert werden. Auch in dieser Weise hatte Paul Friedrich unablässig fördernd gewirkt, aber, wie überhaupt die innere Umbildung langsamer von Statten geht, als die äußere, so war auch hier noch Manches unvollendet geblieben. Diese Erbschaft trat Friedrich Franz nun an: die Fortsetzung der äußeren Gestaltung und die Beförderung und Festigung der inneren Umbildung Schwerins erscheint als eine Aufgabe. Die Neuzeit, welche wir Alle durchlebt haben, beweist, dass diese Aufgabe stets fest im Auge gehalten wurde.
Die Schöpfungen Paul Friedrichs wurden zu Ende geführt, und als die äußere Gestaltung Schwerins durch die vollendet war, so schloss sich hieran mit Notwendigkeit der Bau eines fürstlichen Residenzschlosses, welchen gleichfalls Paul Friedrich schon beabsichtigt hatte. Dies Schloss bildete den Schlussstein der ganzen Neugestaltung Schwerins überhaupt, als der Residenzstadt des Mecklenburgischen Landes. Dabei wurden denn auch andere Neubauten, wie sie das fortschreitende Bedürfnis erforderte, im Sinne des hohen Verblichenen – nicht das Bedürfnis allein befriedigend, sondern auch zur Verschönerung der Stadt gereichend – unternommen und ausgeführt. Dies sowie Alles, was für die innere Entwicklung des Schweriner Lebens seit dieser Zeit geschehen ist, das wird sich aus unseren ferneren Aufzeichnungen klar in fortschreitender Folge ergeben.
Wenige Tage nach dem Tode Paul Friedrichs, am 12. März d. J., traten etwa 80 Männer Schwerins auf dem Stadthause zusammen und bildeten ein Komitee hiesiger Einwohner zu dem Zwecke, um ihm ein Denkmal in Schwerin zu errichten. Dies sollte allein durch freiwillige Beiträge der Schweriner hergestellt werden, und deshalb hatte man sich anfänglich für eine Bildsäule aus carrarischem Marmor geeinigt, welche einen zum Schutze gegen die Witterung paffenden Überbau erhalten sollte. Da aber die freiwillige Subskription den hohen Betrag von 16.000 Thaler N 2/3 ergeben hatte und auch der Großherzog sowohl wie die Frau Großherzogin Alexandrine den Wunsch ausgesprochen hatten, die Stadt möge ein freistehendes Standbild von Erz wählen, so einigte man sich zu letzterem, zumal auch der Prof. Rauch aus Berlin, welcher, mit der Ausführung beauftragt, im November d. J. selbst nach Schwerin kam, sich entschieden für ein solches ausgesprochen hatte. Wegen des Platzes, an welchem dies Standbild am passendsten aufgestellt werden könne, war man lange zweifelhaft. Da es indessen damals die Absicht des Großherzogs Friedrich Franz war, dass das Palais am Alten Garten abgebrochen und der entstehende freie Platz im Hintergrunde durch ein größeres neues Gebäude abgeschlossen werden solle, so entschied man sich allgemein für die Aufstellung der Statue an diesem Orte und hoffte die Einrichtungen so treffen zu können, dass jene im Laufe des Sommers 1846 würde geschehen dürfen. Die Aufstellung verzögerte sich aber, da Rauch die Bildsäule nicht zu dem gehofften Zeitpunkte liefern konnte. Auch war man wegen des Platzes wieder zweifelhaft geworden, als der Abbruch des Palais nicht zu Stande kam. Von vielen Seiten hörte man damals den Luisenplatz in der Paulsstadt in Vorschlag bringen. Am 25. August 1846 kam erst der Granitblock in Schwerin an, aus welchem das Piedestal der Bildsäule errichtet werden sollte. Dieser Stein war auf dem Felde von Perlin gefunden, von dem Grafen von Bassewitz geschenkt und hatte einen mühevollen Transport mittelst zahlreicher Pferde bis zur hiesigen Schleifmühle erfordert. Um Ostern 1846 hatte Rauch das große Modell des Standbildes in Ton vollendet, während des Sommers wurde es in Gips abgegossen. Im Herbste wurde die Form an die gräflich von Einsiedelsche Gießerei zu Lauchhammer (Provinz Sachsen), wo das Standbild gegossen werden sollte, abgeliefert; am 18. November langte sie dort an. Am Piedestal wurde gleichfalls teils in der großherzoglichen Schleifmühle, teils in einem auf dem Bauplatze am Alten Garten errichteten Schuppen fleißig gearbeitet. An letzterem Orte verfertigte man die größeren Stücke desselben aus freier Hand, am ersteren wurden die 4 Balustern mit Wasserkraft geschliffen. Im Juli d. J. 1848 war der Guss der Statue in Lauchhammer ausgeführt und die Zieselierung begonnen worden. Da aber das Piedestal noch nicht fertig war, so blieb die Statue einstweilen noch in Lauchhammer aufbewahrt (s. d. J. 1848).
Die Schleifung des Piedestals, welche unter der Leitung des Hofbaurats Demmler geschah, kostete 6.200 Thaler N 2/3, wovon 1.700 Thaler aus großherzoglicher Schatulle und 4.500 Thaler aus den Mitteln der Sammlung für das Denkmal hergegeben wurden.
Am 1. Juli wurde die Militär-Bildungs-Anstalt, im restaurierten früheren Domanial-Krankenhause an der Bergstraße eröffnet, welche Paul Friedrich hatte erbauen lassen. Diese Anstalt wurde seit Ostern in der Weise organisiert, dass sie nicht mehr wie bisher Erziehungs-, sondern vorzugsweise Fachunterrichts-Anstalt sein sollte; es wurde deshalb zum Eintritt in sie ein Alter von 17–19 Jahren festgesetzt und eine für die erste Klasse eines Gymnasiums genügende allgemeine Bildung als erforderlich bestimmt.
Am 6. September 1842 wurde ein landesherrlich bestätigtes Regulativ für die Stadt- und Waisenhausschulen vom Magistrate veröffentlicht. Die 3 alten Waisenhausschulen an der Bergstraße, an der Scharfrichterstraße und an der Rostocker Straße, jede mit einem Lehrer, waren bisher allein aus Mitteln der Waisenstiftung erhalten und standen nur unter der Aufsicht der Geistlichkeit. Sie gingen nun unter dem Namen „Stadt- und Waisenhaus Schulen“ unter das Patronat der Stadt über. Die Stadt ließ zunächst zwei neue Schulhäuser an der Lübecker und an der Hospitalstraße erbauen, vermehrte die Zahl der Lehrer auf 6, stellte neben diesen 2 Lehrerinnen an und gab die Leitung aller drei Schulen in die Hand eines Rektors. Der Unterricht, welcher sich auf Religion, Lesen, Gesang, Handarbeit, Rechnen und Schreiben erstreckte, fand für kleine Kinder gemeinschaftlich, für solche, die über 10 Jahre alt, in getrennten Klassen statt. Er war ein dreistündiger und halbtägiger, wechselnd zwischen den Abteilungen für die Vor- und Nachmittagsstunden, jedoch so, dass Kinder, welche von ihren Eltern zu häuslichen Arbeiten während der Tageszeit benutzt wurden, im Winter einen besonderen dreistündigen Abendunterricht erhielten, zu welchem die nötigen Hilfslehrer, jedesmal auf 6 Monate, angenommen werden sollten. Das Schulgeld sollte zwar jährlich 1 Thaler 16 ßl. betragen, doch blieben hiervon die Kinder armer Eltern, sowie die Waisenkinder befreit. Wichtig und ein Fortschritt zum städtischen Gemeinwohle war diese Verordnung besonders dadurch, dass sie den Schulzwang vom vollendeten 6. Lebensjahre der Kinder an einführte und dass nach ihr ein aus Mitgliedern des Magistrats, der Geistlichkeit und der Bürgerschaft bestehender Schulvorstand eingesetzt wurde (s. d. J. 1853.)
Um diese Zeit war der neue Marstall auf der Wadewiese zur Vollendung gelangt; am 11. November wurden die großherzoglichen Wagen und Pferde in ihn übersiedelt. Der Marstall, ein Parallelogramm bildend, liegt dem Gr. Moor gegenüber. In der Mitte des Gebäudes befindet sich das 149 Fuß lange und 75 Fuß breite, mit einer Uhr versehene Reithaus, rechts von ihm Geschäftslokale und der Pferdestall, links Wagenremisen. Diese längste Fronte mit den beiden zu Dienstwohnungen eingerichteten Eckpavillons beträgt 583 Fuß. Die beiden Seitenflügel, deren einer zum Stall für die Kutschpferde, der andere zu Wagenremisen und darüber Dienstwohnungen bestimmt ist, sind 291, die dann folgenden, parallel mit dem Hauptgebäude laufenden Flügel 195 Fuß lang, so dass das ganze Gebäude eine Grundfläche von 66.500 Qu.-Fuß einnimmt. Die gesamten Baukosten, einschließlich der eisernen Befriedigung, der Juventarien-Gegenstände, der Steindämme, der Sanderhöhung, welche 350,000 Kubikfuß betrug, beliefen sich auf 160.000 Thaler N 2/3. Dabei verdient bemerkt zu werden, dass alle Pferdeställe unterwölbt sind und dass, um sie trocken zu erhalten, der ganze unterwölbte Raum hohl gelassen und mit Luftzügen versehen ist.
Begonnen wurde i. d. J. der Neubau eines Amtsgebäudes in der Paulsstadt an der Alexandrinenstraße. Dies Gebäude wurde i. I. 1845 vollendet (s. d. J.)
1843. Durch den Ankauf einer vom Hofrat (Bürgermeister) Kahle, † im April d. J., hinterlassenen oryktognostischen Sammlung von Seiten des Großherzogs, welcher sie an das hiesige Gymnasium schenkte, wurde der Grund zu der nicht unbedeutenden Sammlung gelegt, welche das Gymnasium, durch Geschenke vermehrt, jetzt besitzt.
Im Mai d. J. wurden mehrere neue Straßen mit Namen belegt, auch die Namen einiger älteren Straßen (Schweinetrift in Feld-Viehtrift in Wallstr.) umgeändert.
Vom 7. bis zum 14. Juni fand in Schwerin in weißen Saale des Schlosses ein Konvokationstag statt, in welchem über die Leitung der Berlin-Hamburger Eisenbahn durch Mecklenburg und dessen Beteiligung am Bau beraten wurde. Am 13. geschah die Abstimmung, durch welche mit 145 gegen 17 Stimmen die landesherrliche Proposition genehmigt wurde, nach welcher sich das Land mit 1.500.000 Thaler Cour. Aktien litt. B. an der Eisenbahn beteiligen sollte. Auf mecklenburgischem Gebiete begann der Bau der Eisenbahn zu Anfange des Mai 1844.
Um dieselbe Zeit wurde eine von dem israelitischen Oberrate hierselbst (bestehend aus 2 landesherrlichen Kommissarien, dem Landesrabbiner und 5 aus den Gemeinden erwählten Mitgliedern) eine neue Synagogen-Ordnung erlassen. Diese Ordnung, welcher die für das Kgr. Württemberg gültige zu Grunde gelegt ist, hatte den Zweck, die mannigfachen Missbräuche und Verschiedenheiten zu entfernen, welche sich beim jüdischen Gottesdienste eingeschlichen hatten.
Vom 4. bis 20. September fanden bei Schwerin gemeinschaftliche Exerzitien des gesamten Mecklenburgischen Kontingents statt.
Im Oktober wurde der Sarkophag, welcher für die in Doberan ruhende Leiche des Großherzogs Friedrich Franz I. auf der hiesigen Schleifmühle aus mecklenburgischem Granit geschliffen war, zur Ansicht ausgestellt. Die Zeichnung zu diesem Sarkophage hatte Friedrich Franz I. aus mehreren vom Landbaumeister Demmler entworfenen selbst schon i. J. 1835 ausgewählt und das Werk auf der hiesigen Schleifmühle dem Inspektor Niedt auszuführen befohlen*).
*) Die großherzogliche Schleifmühle war vom Herzog Friedrich eingerichtet worden, auf ihr sind u. A. alle die Tischplatten geschliffen, welche sich in den großherzoglichen Schlössern befinden. Sie stand damals unter dem Hofmarschallamte, wurde aber, als Niedt bald nach dem Beginne des Schlossbaues gestorben war, unter die spezielle Leitung Demmlers gestellt, unter welcher viele der Arbeiten für das neue Residenzschloss dort teils verfertigt, teils begonnen wurden.
Am 3. d. M. erließ der Magistrat die noch jetzt normierende Armenordnung zur Steuerung der Bettelei und des gewerbsmäßigen Bettelns auf dem Lande. Bettler sollen nach derselben mit Polizeistrafen belegt, in Wiederholungsfällen aber ins städtische oder ins Landarbeitshaus geschickt werden. Wer einem Bettler Almosen gibt, hat eine Strafe von 1 Thaler 8 ßl. zu entrichten. Jeder, welcher zum Bürger oder Einwohner aufgenommen wird, hat an außerordentlichem Beitrage zur Armenkasse zu zahlen, wenn er in der Stadt oder deren Armenbezirk heimatberechtigt ist, 1 Thaler 8 ßl., wenn jenes nicht der Fall ist, verheiratet mit Kindern 4 Thaler 32 ßl., verheiratet ohne Kinder (ebenso Witwer oder Witwe mit Kindern) 3 Thaler 24 ßl., unverheiratet 2 Thaler 16 ßl.
Gegen den Schluss dieses Jahres bildete sich, nach dem Vorgange des am 6. November landesherrlich bestätigten Rostocker, auch in Schwerin ein Verein für innere Mission zur Ausübung der christlichen Liebe, zur Abwehr sittlicher Not, vorzugsweise in Schwerin, zur Bewahrung der gefährdeten Jugend, entlassener Sträflinge, armer Kranker, zur sittlichen Bildung der Handwerksgesellen usw.
I. d. J. wurden das bisher nur interimistisch aufgeführte Bollwerk und die gleichfalls nur interimistisch geschehenen Erdaufschüttungen um den Pfaffenteich durch Demmler dauerhaft her gestellt.
An dem Platze neben dem Alten Garten, wo Paul Friedrich die Errichtung eines neuen Schlosses beabsichtigt hatte, waren, wie erwähnt, im Laufe d. J. die Arbeiten eingestellt worden. Die Anhänglichkeit an das alte Schloss seiner Ahnen und die Erwägung von der Notwendigkeit eines völligen Umbaus desselben, notwendig geworden durch eine Baufälligkeit, diese Gründe hatten den regierenden Großherzog wohl hauptsächlich zu dem Entschlusse bestimmt, das alte Schloss zu einer angemessenen fürstlichen Residenz um- und neubauen zu lassen. Der Entschluss stand (s. d. J.) schon i. J. 1842 fest; schon im Juni d. J. hatte Demmler 7 Zeichnungen zum Um- und Neubau vorgelegt. Am 7. Dezember ernannte der Großherzog eine Schlossbau-Kommission, bestehend aus dem Minister von Lützow (welcher am 26. November 1849 austrat, worauf am 22. Dezember der Schlosshauptmann von Lützow ernannt wurde), dem Hofmarschall von Levetzow († 3. Februar 1843, worauf der Hausmarschall von Bülow eintrat), dem Reisemarschall von Sell und dem Hofbaurat Demmler. In einer Konferenz mit dieser Kommission am 16/18. September 1843 hatte der Großherzog die eingereichten Pläne in ihren Grundzügen genehmigt. Sie gingen dahin:
1) das „lange Haus mit dem Portale“ solle ausgebaut und restauriert werden, und zwar im ursprünglichen Style mit Gesimsen und Ornamenten aus Ton;
2) das „Bischofshaus“ solle gleichfalls restauriert und ausgebaut werden;
3) ebenso die Gebäude über der Schlossküche und die Schlosskirche in dem Stil, in welchem Herzog Adolf Friedrich I. nach Piloots Plan das ganze Schloss hatte herstellen lassen wollen; die übrigen Gebäude und Nebengebäude sollten abgebrochen und hier ein Neubau errichtet werden. Bei einer Genehmigung der Demmlerschen Pläne nun bestimmte der Großherzog, dass die Fassaden nicht, wie in den vorgelegten Plänen, im englischen Burgenstyle, sondern mehr im Geiste der Zeichnungen von Evert Piloot sollten ausgeführt werden. Nach diesen Beschluss wurden vom Gartendirektor Lenné in Potsdam und Demmler Pläne entworfen, nach welchen die künftige Umgebung des Schlosses ausgeführt werden solle. Der Großherzog wählte den Demmlerschen Plan und übertrug dem Hofgärtner (Gartendirektor) Klett demnächst die Ausführung. Inmittelst wurden die Vorarbeiten begonnen, der Abbruch der s. g. Bleikammer, die Abtragung der Erdwälle und der Bau der Quais zur Verbindung beider Schlossbrücken. Am 3. November war der Professor Semper aus Dresden nach Schwerin berufen worden, um gleichfalls Baupläne anzufertigen. Er entwarf auch einen Plan und legte ihn am 23. Dezember vor, während auch Demmler gleichzeitig einen nach des Großherzogs Wünschen neu entworfenen Plan vorgelegt hatte. Beide Pläne nahm der Großherzog mit nach Berlin.
Auch erschien jetzt ein Droschkenreglement, da schon seit dem vorigen Jahre die Einrichtung eines Droschkenfuhrwesens beabsichtigt war. Auch diese Einrichtung verdankt die Stadt speziell dem Großherzoge Paul Friedrich. Nach jenem Regulativ war der Preis für eine gewöhnliche Fahrt auf 6 ßl. festgesetzt, Stationsorte für die Droschken sollten der Schelfmarkt, der freie Platz neben der Domkirche, der Platz vor dem Kollegiengebäude und der Platz am ehemaligen Mühlentor sein, ferner sollten jene Abends vor dem Theater halten dürfen. Zu Anfang Februar kam die Einrichtung der Droschken zu Stande.
Am 24. Januar brannten 3 der neuerbauten Häuser in de Alexandrinenstraße (Ecke der Wilhelmstraße) ab, ein Ereignis, welches ohne die angestrengteste Tätigkeit der Helfenden leicht hätte größere Ausdehnung gewinnen können, da der Pfaffenteich mit dickem Eis belegt und die Kälte äußerst streng war. Dieser Brand gab übrigens Veranlassung zur Veröffentlichung der noch jetzt normierenden Feuerlösch-Ordnung vom 15. Februar d. J., welche landesherrlich schon am 23. Dezember 1841 konfirmiert war.
I. d. J. wurde die Überwölbung des Fließgrabens vom Pfaffenteich an bis zum städtischen Kanal bei der Schmiedestraße, welcher kürzlich überwölbt war, unter Leitung des Hofbaurats Demmler auf großherzogliche Kosten vollendet. Der Graben, welcher früher in einem Bogen um den Bischofshof führte und einen breiten Ausfluss in den Pfaffenteich hatte, war 658 Fuß lang und die Überwölbung kostete, mit Einschluss der Holzmaterialien, 5.380 Thaler N 2/3*).
*) Bei dieser Gelegenheit wollen wir erwähnen, dass der Bauverwaltung bis zur Einführung des Staatsgrundgesetzes das Holz zu fürstlichen Bauten unentgeldlich, jedoch gegen Erlegung des Hau- und Sägerlohns geliefert wurde. Der Holzhof war beim Judenkirchhof; nachdem er 1850 eingegangen, musste die Bauverwaltung das Holz selbst ankaufen. Steine und Kalk hatte sie aber stets selbst bezahlt. Unter Paul Friedrich war die Ziegelei auf dem Schelfwerder durch Demmler eingerichtet und der Ziegelbetrieb auf dem Kaninchen- und Ziegelwerder, wo er mehrere Jahre geruht hatte, i. J. 1837 wieder eröffnet worden. – Bei allen unseren Angaben über die Kostenbeträge fürstlicher Bauten ist der Wert der Holzmaterialien auch für die Zeit vor 1850 mit in Anschlag gebracht.
Bei dem eben erwähnten Brande hatte der Großherzog Paul Friedrich, wie es seine Gewohnheit war, stundenlang ausgeharrt und die Löschenden ermuntert. Es war leider das letzte Mal, wo er inmitten seiner Schweriner auftrat, in seinen grauen Militärmantel gehüllt, wie er gewiss noch im Gedächtnis Aller steht. Schon am 24. Februar befiel ihn eine heftige Unterleibsentzündung, welche von Anfang an zu Besorgnissen Veranlassung gab und schon am 7. März Morgens um 5 1/4 Uhr das Leben des im kräftigsten Mannesalter stehenden Fürsten beendigte. Ein schwerer Schlag war dies schnelle Hinscheiden des Herrn, welcher die allgemeinste Liebe genoss, für die Schweriner, deren Trauer eben so ernst, wie tief sich äußerte. Schon am 6. März, als die Kunde sich verbreitete, dass das Hinscheiden des Großherzogs zu erwarten sei, feierte die ganze Stadt in lautloser Stille und zahlreiche Gruppen umstanden das Palais am Alten Garten und die benachbarten Straßen, auf Nachrichten aus jenem harrend. Am 5. März war der Erbgroßherzog, jetzige Großherzog Friedrich Franz von der Universität Bonn angelangt, am 6. März kam die verwitwete Frau Erbgroßherzogin. Im Kreise aller Seinigen verschied in voller Geistesklarheit der unvergessliche Herr, welchen Liebe und Treue der Seinigen unveränderlich zu Teil geworden.
Am Abend des 8. März wurde Paul Friedrichs Leiche auf das alte Schloss gebracht und dort in dem durch Demmler zur Trauerhalle umgewandelten Altertümersaale ausgestellt. Am 9. und 10. März sahen die Eintretenden den Verblichenen im offenen Sarge liegen, am 11. wurde der Sarg geschlossen und mit dem Purpurmantel bedeckt. Sonnabend, den 19. März, um 3 1/2 Uhr Nachmittags, geschah die feierliche Beisetzung in der heiligen Bluts-Kapelle des Domes, deren Renovierung Paul Friedrich schon seit dem vorigen Jahre hatte beginnen lassen, und die nun zur fürstlichen Ruhestätte erweitert und geschmückt wurde (s. d. J. 1845) Am 17. April fand die kirchliche Gedächtnisfeier für den verewigten Großherzog statt.
Friedrich Franz II., geboren am 28. Februar 1823, bestieg sofort den Thron seines Vaters und übernahm (Verordnung vom 21. März) das Vermächtnis, im Sinne und Geiste desselben für Schwerin zu wirken. Ein Zeugnis hierfür gab die sofortige Verlegung der Residenz in das alte ehrwürdige Stammschloss auf der Burginsel.
Was Paul Friedrich für die Stadt Schwerin gewirkt hat, ist im Obigen dargelegt. Soweit es die äußere Gestaltung der Stadt betraf, war allerdings in wenigen Jahren sehr Vieles beschafft worden, manche Pläne aber unterbrach sein früher Tod. Es ist gleichfalls schon erwähnt worden, dass mit der äußeren Gestaltung die innere Entwicklung Hand in Hand gehen musste, sollte das ganze Leben gedeihlich gefördert werden. Auch in dieser Weise hatte Paul Friedrich unablässig fördernd gewirkt, aber, wie überhaupt die innere Umbildung langsamer von Statten geht, als die äußere, so war auch hier noch Manches unvollendet geblieben. Diese Erbschaft trat Friedrich Franz nun an: die Fortsetzung der äußeren Gestaltung und die Beförderung und Festigung der inneren Umbildung Schwerins erscheint als eine Aufgabe. Die Neuzeit, welche wir Alle durchlebt haben, beweist, dass diese Aufgabe stets fest im Auge gehalten wurde.
Die Schöpfungen Paul Friedrichs wurden zu Ende geführt, und als die äußere Gestaltung Schwerins durch die vollendet war, so schloss sich hieran mit Notwendigkeit der Bau eines fürstlichen Residenzschlosses, welchen gleichfalls Paul Friedrich schon beabsichtigt hatte. Dies Schloss bildete den Schlussstein der ganzen Neugestaltung Schwerins überhaupt, als der Residenzstadt des Mecklenburgischen Landes. Dabei wurden denn auch andere Neubauten, wie sie das fortschreitende Bedürfnis erforderte, im Sinne des hohen Verblichenen – nicht das Bedürfnis allein befriedigend, sondern auch zur Verschönerung der Stadt gereichend – unternommen und ausgeführt. Dies sowie Alles, was für die innere Entwicklung des Schweriner Lebens seit dieser Zeit geschehen ist, das wird sich aus unseren ferneren Aufzeichnungen klar in fortschreitender Folge ergeben.
Wenige Tage nach dem Tode Paul Friedrichs, am 12. März d. J., traten etwa 80 Männer Schwerins auf dem Stadthause zusammen und bildeten ein Komitee hiesiger Einwohner zu dem Zwecke, um ihm ein Denkmal in Schwerin zu errichten. Dies sollte allein durch freiwillige Beiträge der Schweriner hergestellt werden, und deshalb hatte man sich anfänglich für eine Bildsäule aus carrarischem Marmor geeinigt, welche einen zum Schutze gegen die Witterung paffenden Überbau erhalten sollte. Da aber die freiwillige Subskription den hohen Betrag von 16.000 Thaler N 2/3 ergeben hatte und auch der Großherzog sowohl wie die Frau Großherzogin Alexandrine den Wunsch ausgesprochen hatten, die Stadt möge ein freistehendes Standbild von Erz wählen, so einigte man sich zu letzterem, zumal auch der Prof. Rauch aus Berlin, welcher, mit der Ausführung beauftragt, im November d. J. selbst nach Schwerin kam, sich entschieden für ein solches ausgesprochen hatte. Wegen des Platzes, an welchem dies Standbild am passendsten aufgestellt werden könne, war man lange zweifelhaft. Da es indessen damals die Absicht des Großherzogs Friedrich Franz war, dass das Palais am Alten Garten abgebrochen und der entstehende freie Platz im Hintergrunde durch ein größeres neues Gebäude abgeschlossen werden solle, so entschied man sich allgemein für die Aufstellung der Statue an diesem Orte und hoffte die Einrichtungen so treffen zu können, dass jene im Laufe des Sommers 1846 würde geschehen dürfen. Die Aufstellung verzögerte sich aber, da Rauch die Bildsäule nicht zu dem gehofften Zeitpunkte liefern konnte. Auch war man wegen des Platzes wieder zweifelhaft geworden, als der Abbruch des Palais nicht zu Stande kam. Von vielen Seiten hörte man damals den Luisenplatz in der Paulsstadt in Vorschlag bringen. Am 25. August 1846 kam erst der Granitblock in Schwerin an, aus welchem das Piedestal der Bildsäule errichtet werden sollte. Dieser Stein war auf dem Felde von Perlin gefunden, von dem Grafen von Bassewitz geschenkt und hatte einen mühevollen Transport mittelst zahlreicher Pferde bis zur hiesigen Schleifmühle erfordert. Um Ostern 1846 hatte Rauch das große Modell des Standbildes in Ton vollendet, während des Sommers wurde es in Gips abgegossen. Im Herbste wurde die Form an die gräflich von Einsiedelsche Gießerei zu Lauchhammer (Provinz Sachsen), wo das Standbild gegossen werden sollte, abgeliefert; am 18. November langte sie dort an. Am Piedestal wurde gleichfalls teils in der großherzoglichen Schleifmühle, teils in einem auf dem Bauplatze am Alten Garten errichteten Schuppen fleißig gearbeitet. An letzterem Orte verfertigte man die größeren Stücke desselben aus freier Hand, am ersteren wurden die 4 Balustern mit Wasserkraft geschliffen. Im Juli d. J. 1848 war der Guss der Statue in Lauchhammer ausgeführt und die Zieselierung begonnen worden. Da aber das Piedestal noch nicht fertig war, so blieb die Statue einstweilen noch in Lauchhammer aufbewahrt (s. d. J. 1848).
Die Schleifung des Piedestals, welche unter der Leitung des Hofbaurats Demmler geschah, kostete 6.200 Thaler N 2/3, wovon 1.700 Thaler aus großherzoglicher Schatulle und 4.500 Thaler aus den Mitteln der Sammlung für das Denkmal hergegeben wurden.
Am 1. Juli wurde die Militär-Bildungs-Anstalt, im restaurierten früheren Domanial-Krankenhause an der Bergstraße eröffnet, welche Paul Friedrich hatte erbauen lassen. Diese Anstalt wurde seit Ostern in der Weise organisiert, dass sie nicht mehr wie bisher Erziehungs-, sondern vorzugsweise Fachunterrichts-Anstalt sein sollte; es wurde deshalb zum Eintritt in sie ein Alter von 17–19 Jahren festgesetzt und eine für die erste Klasse eines Gymnasiums genügende allgemeine Bildung als erforderlich bestimmt.
Am 6. September 1842 wurde ein landesherrlich bestätigtes Regulativ für die Stadt- und Waisenhausschulen vom Magistrate veröffentlicht. Die 3 alten Waisenhausschulen an der Bergstraße, an der Scharfrichterstraße und an der Rostocker Straße, jede mit einem Lehrer, waren bisher allein aus Mitteln der Waisenstiftung erhalten und standen nur unter der Aufsicht der Geistlichkeit. Sie gingen nun unter dem Namen „Stadt- und Waisenhaus Schulen“ unter das Patronat der Stadt über. Die Stadt ließ zunächst zwei neue Schulhäuser an der Lübecker und an der Hospitalstraße erbauen, vermehrte die Zahl der Lehrer auf 6, stellte neben diesen 2 Lehrerinnen an und gab die Leitung aller drei Schulen in die Hand eines Rektors. Der Unterricht, welcher sich auf Religion, Lesen, Gesang, Handarbeit, Rechnen und Schreiben erstreckte, fand für kleine Kinder gemeinschaftlich, für solche, die über 10 Jahre alt, in getrennten Klassen statt. Er war ein dreistündiger und halbtägiger, wechselnd zwischen den Abteilungen für die Vor- und Nachmittagsstunden, jedoch so, dass Kinder, welche von ihren Eltern zu häuslichen Arbeiten während der Tageszeit benutzt wurden, im Winter einen besonderen dreistündigen Abendunterricht erhielten, zu welchem die nötigen Hilfslehrer, jedesmal auf 6 Monate, angenommen werden sollten. Das Schulgeld sollte zwar jährlich 1 Thaler 16 ßl. betragen, doch blieben hiervon die Kinder armer Eltern, sowie die Waisenkinder befreit. Wichtig und ein Fortschritt zum städtischen Gemeinwohle war diese Verordnung besonders dadurch, dass sie den Schulzwang vom vollendeten 6. Lebensjahre der Kinder an einführte und dass nach ihr ein aus Mitgliedern des Magistrats, der Geistlichkeit und der Bürgerschaft bestehender Schulvorstand eingesetzt wurde (s. d. J. 1853.)
Um diese Zeit war der neue Marstall auf der Wadewiese zur Vollendung gelangt; am 11. November wurden die großherzoglichen Wagen und Pferde in ihn übersiedelt. Der Marstall, ein Parallelogramm bildend, liegt dem Gr. Moor gegenüber. In der Mitte des Gebäudes befindet sich das 149 Fuß lange und 75 Fuß breite, mit einer Uhr versehene Reithaus, rechts von ihm Geschäftslokale und der Pferdestall, links Wagenremisen. Diese längste Fronte mit den beiden zu Dienstwohnungen eingerichteten Eckpavillons beträgt 583 Fuß. Die beiden Seitenflügel, deren einer zum Stall für die Kutschpferde, der andere zu Wagenremisen und darüber Dienstwohnungen bestimmt ist, sind 291, die dann folgenden, parallel mit dem Hauptgebäude laufenden Flügel 195 Fuß lang, so dass das ganze Gebäude eine Grundfläche von 66.500 Qu.-Fuß einnimmt. Die gesamten Baukosten, einschließlich der eisernen Befriedigung, der Juventarien-Gegenstände, der Steindämme, der Sanderhöhung, welche 350,000 Kubikfuß betrug, beliefen sich auf 160.000 Thaler N 2/3. Dabei verdient bemerkt zu werden, dass alle Pferdeställe unterwölbt sind und dass, um sie trocken zu erhalten, der ganze unterwölbte Raum hohl gelassen und mit Luftzügen versehen ist.
Begonnen wurde i. d. J. der Neubau eines Amtsgebäudes in der Paulsstadt an der Alexandrinenstraße. Dies Gebäude wurde i. I. 1845 vollendet (s. d. J.)
1843. Durch den Ankauf einer vom Hofrat (Bürgermeister) Kahle, † im April d. J., hinterlassenen oryktognostischen Sammlung von Seiten des Großherzogs, welcher sie an das hiesige Gymnasium schenkte, wurde der Grund zu der nicht unbedeutenden Sammlung gelegt, welche das Gymnasium, durch Geschenke vermehrt, jetzt besitzt.
Im Mai d. J. wurden mehrere neue Straßen mit Namen belegt, auch die Namen einiger älteren Straßen (Schweinetrift in Feld-Viehtrift in Wallstr.) umgeändert.
Vom 7. bis zum 14. Juni fand in Schwerin in weißen Saale des Schlosses ein Konvokationstag statt, in welchem über die Leitung der Berlin-Hamburger Eisenbahn durch Mecklenburg und dessen Beteiligung am Bau beraten wurde. Am 13. geschah die Abstimmung, durch welche mit 145 gegen 17 Stimmen die landesherrliche Proposition genehmigt wurde, nach welcher sich das Land mit 1.500.000 Thaler Cour. Aktien litt. B. an der Eisenbahn beteiligen sollte. Auf mecklenburgischem Gebiete begann der Bau der Eisenbahn zu Anfange des Mai 1844.
Um dieselbe Zeit wurde eine von dem israelitischen Oberrate hierselbst (bestehend aus 2 landesherrlichen Kommissarien, dem Landesrabbiner und 5 aus den Gemeinden erwählten Mitgliedern) eine neue Synagogen-Ordnung erlassen. Diese Ordnung, welcher die für das Kgr. Württemberg gültige zu Grunde gelegt ist, hatte den Zweck, die mannigfachen Missbräuche und Verschiedenheiten zu entfernen, welche sich beim jüdischen Gottesdienste eingeschlichen hatten.
Vom 4. bis 20. September fanden bei Schwerin gemeinschaftliche Exerzitien des gesamten Mecklenburgischen Kontingents statt.
Im Oktober wurde der Sarkophag, welcher für die in Doberan ruhende Leiche des Großherzogs Friedrich Franz I. auf der hiesigen Schleifmühle aus mecklenburgischem Granit geschliffen war, zur Ansicht ausgestellt. Die Zeichnung zu diesem Sarkophage hatte Friedrich Franz I. aus mehreren vom Landbaumeister Demmler entworfenen selbst schon i. J. 1835 ausgewählt und das Werk auf der hiesigen Schleifmühle dem Inspektor Niedt auszuführen befohlen*).
*) Die großherzogliche Schleifmühle war vom Herzog Friedrich eingerichtet worden, auf ihr sind u. A. alle die Tischplatten geschliffen, welche sich in den großherzoglichen Schlössern befinden. Sie stand damals unter dem Hofmarschallamte, wurde aber, als Niedt bald nach dem Beginne des Schlossbaues gestorben war, unter die spezielle Leitung Demmlers gestellt, unter welcher viele der Arbeiten für das neue Residenzschloss dort teils verfertigt, teils begonnen wurden.
Am 3. d. M. erließ der Magistrat die noch jetzt normierende Armenordnung zur Steuerung der Bettelei und des gewerbsmäßigen Bettelns auf dem Lande. Bettler sollen nach derselben mit Polizeistrafen belegt, in Wiederholungsfällen aber ins städtische oder ins Landarbeitshaus geschickt werden. Wer einem Bettler Almosen gibt, hat eine Strafe von 1 Thaler 8 ßl. zu entrichten. Jeder, welcher zum Bürger oder Einwohner aufgenommen wird, hat an außerordentlichem Beitrage zur Armenkasse zu zahlen, wenn er in der Stadt oder deren Armenbezirk heimatberechtigt ist, 1 Thaler 8 ßl., wenn jenes nicht der Fall ist, verheiratet mit Kindern 4 Thaler 32 ßl., verheiratet ohne Kinder (ebenso Witwer oder Witwe mit Kindern) 3 Thaler 24 ßl., unverheiratet 2 Thaler 16 ßl.
Gegen den Schluss dieses Jahres bildete sich, nach dem Vorgange des am 6. November landesherrlich bestätigten Rostocker, auch in Schwerin ein Verein für innere Mission zur Ausübung der christlichen Liebe, zur Abwehr sittlicher Not, vorzugsweise in Schwerin, zur Bewahrung der gefährdeten Jugend, entlassener Sträflinge, armer Kranker, zur sittlichen Bildung der Handwerksgesellen usw.
I. d. J. wurden das bisher nur interimistisch aufgeführte Bollwerk und die gleichfalls nur interimistisch geschehenen Erdaufschüttungen um den Pfaffenteich durch Demmler dauerhaft her gestellt.
An dem Platze neben dem Alten Garten, wo Paul Friedrich die Errichtung eines neuen Schlosses beabsichtigt hatte, waren, wie erwähnt, im Laufe d. J. die Arbeiten eingestellt worden. Die Anhänglichkeit an das alte Schloss seiner Ahnen und die Erwägung von der Notwendigkeit eines völligen Umbaus desselben, notwendig geworden durch eine Baufälligkeit, diese Gründe hatten den regierenden Großherzog wohl hauptsächlich zu dem Entschlusse bestimmt, das alte Schloss zu einer angemessenen fürstlichen Residenz um- und neubauen zu lassen. Der Entschluss stand (s. d. J.) schon i. J. 1842 fest; schon im Juni d. J. hatte Demmler 7 Zeichnungen zum Um- und Neubau vorgelegt. Am 7. Dezember ernannte der Großherzog eine Schlossbau-Kommission, bestehend aus dem Minister von Lützow (welcher am 26. November 1849 austrat, worauf am 22. Dezember der Schlosshauptmann von Lützow ernannt wurde), dem Hofmarschall von Levetzow († 3. Februar 1843, worauf der Hausmarschall von Bülow eintrat), dem Reisemarschall von Sell und dem Hofbaurat Demmler. In einer Konferenz mit dieser Kommission am 16/18. September 1843 hatte der Großherzog die eingereichten Pläne in ihren Grundzügen genehmigt. Sie gingen dahin:
1) das „lange Haus mit dem Portale“ solle ausgebaut und restauriert werden, und zwar im ursprünglichen Style mit Gesimsen und Ornamenten aus Ton;
2) das „Bischofshaus“ solle gleichfalls restauriert und ausgebaut werden;
3) ebenso die Gebäude über der Schlossküche und die Schlosskirche in dem Stil, in welchem Herzog Adolf Friedrich I. nach Piloots Plan das ganze Schloss hatte herstellen lassen wollen; die übrigen Gebäude und Nebengebäude sollten abgebrochen und hier ein Neubau errichtet werden. Bei einer Genehmigung der Demmlerschen Pläne nun bestimmte der Großherzog, dass die Fassaden nicht, wie in den vorgelegten Plänen, im englischen Burgenstyle, sondern mehr im Geiste der Zeichnungen von Evert Piloot sollten ausgeführt werden. Nach diesen Beschluss wurden vom Gartendirektor Lenné in Potsdam und Demmler Pläne entworfen, nach welchen die künftige Umgebung des Schlosses ausgeführt werden solle. Der Großherzog wählte den Demmlerschen Plan und übertrug dem Hofgärtner (Gartendirektor) Klett demnächst die Ausführung. Inmittelst wurden die Vorarbeiten begonnen, der Abbruch der s. g. Bleikammer, die Abtragung der Erdwälle und der Bau der Quais zur Verbindung beider Schlossbrücken. Am 3. November war der Professor Semper aus Dresden nach Schwerin berufen worden, um gleichfalls Baupläne anzufertigen. Er entwarf auch einen Plan und legte ihn am 23. Dezember vor, während auch Demmler gleichzeitig einen nach des Großherzogs Wünschen neu entworfenen Plan vorgelegt hatte. Beide Pläne nahm der Großherzog mit nach Berlin.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin