Geschichte der Stadt Schwerin von 1831 bis 1832

1831. Die Ereignisse des vorigen Jahres hatten immer noch einige Erregung zurückgelassen, welche sich im Januar noch durch das Anschlagen aufrührerischer Proklamationen an die Straßenecken, in denen zu Gewaltschritten aufgefordert wurde, Luft machte. Solche Aufreizungen hatten indessen natürlich keinen Erfolg; im Gegenteil, als am 5. und 6. Januar dieselben in sehr drohender Weise vorbereitet worden, vereinigte sich die Bürgerschaft in großer Zahl und reichte eine Loyalitäts-Adresse beim Großherzoge ein, in welcher sie ihren Unwillen über jene aussprach. Als darauf der Großherzog, welcher inmittelst verfügt hatte, dass fortan alle Abgaben von Holz und Torf am Siechenbaum und den Stadttoren aufhören sollten, im Februar d. J., wie er gewöhnlich tat, eine Winterresidenz in Schwerin nahm, brachte ihm die Bürgerschaft am 20. d. M. einen Fackelzug von 500 Fackeln.

Am 7. und 8. Januar bildete sich aus der Bürgerschaft eine Brandwache zur Rettung und Obhut bei Feuersbrünsten. Zuerst bestand diese aus 2 Kompanien, jede von 50 bis 60 Mann, zu welcher bald noch eine dritte hinzutrat. Die Mannschaft, aus Bürgern und Eximierten ohne Auswahl zusammengesetzt, war mit Infantriegewehren bewaffnet, und jede Kompanie wählte ihren Hauptmann, einen Lieutenant und 4 Unteroffiziere selbst, welche die Mannschaften durch Exerzitien einüben sollten. Um die Verbindung zwischen den einzelnen Kompanien zu unterhalten waren berittene Bürger als Ordonnanzen angestellt. Auch beabsichtigte man die Bildung einer besonderen Kompanie, welcher das Retten von Personen und Sachen bei Feuersbrünsten obliegen sollte. Letztere kam nicht zu Stande, auch von den drei Kompanien der Brandwache löste sich die eine schon im September wieder auf. Die beiden anderen aber bestanden fort und wurden lange Zeit durch ihre Dienste sehr nützlich: Sie wurden gegen Ende d. J. gleichförmig mit Patronentasche, Kaputrock und nummerierter Wachstuchmütze bekleidet. Leider hielt die Energie, welche die Brandwache ins Leben gerufen hatte, nicht lange vor. Die Exerzitien, welche ihr allein die nötige Ausbildung verleihen konnten, wurden nur wenige Jahre hindurch betrieben, der Eifer erkaltete und da ihr auch wohl die rechte Aufmunterung nicht zu Teil wurde, so überlebte sich das Institut selbst. Schon 1836 und 1837 wird darüber geklagt, dass bei Feuersbrünsten so wenige Mitglieder sich zum Löschen einstellten.


Wie sehr man übrigens schon jetzt begann, Alles hervorzusuchen, was lästig und unbequem schien, um auf seine Abhilfe zu dringen, das erkennen wir aus einer Eingabe, welche einige Bürger um diese Zeit dem Magistrat überreichten. Sie verlangten in dieser die Abstellung der Marktsporteln, welche die ersten Magistratspersonen von den Marktverkäufern erhielten, und ähnlicher Naturalabgaben von städtischen Gewerben. Natürlich ließen sich diese uralten Abgaben bei dem damals ohnehin nicht glänzenden Gehalte der Magistratspersonen nicht so ohne Weiteres abstellen, wie sie denn auch keineswegs ungerechtfertigt sind. Für die Armen der Stadt hatte man, wie in früheren Jahren, eine Kollekte umhergehen lassen, welche 300 Thaler und 200 Scheffel Kartoffeln eingebracht. Ein sehr gelinder Winter aber und die reichliche Arbeit, welche der Chausseebau nach Wismar hin gab, hatten die Verteilung dieser Gaben entbehrlich gemacht. Am 8. Februar beschloss man deshalb, das Gesammelte als ersten Fonds zur Stiftung einer Armenschule zurückzulegen. Der Gedanke fand vielfach Unterstützung; vom Gesangvereine veranstaltete Konzerte, deren Erträge jenem Fonds überwiesen wurden, vergrößerten ihn bedeutend, so dass die Schule, welche mit dem Armenhause verbunden wurde, bald eröffnet werden konnte.

Am 22. April hatte man im Schauspielhause zum Benefiz der neu engagierten Schauspielerin Lemcke die Stumme von Portici gegeben, in welchem Stücke der feuerspeiende Vesuv dargestellt wird. In der folgenden Nacht geriet das Gebäude, das erst durch den Baukondukteur Demmler repariert, neudekoriert, mit Heizungseinrichtungen und einer bedeckten Auffahrt versehen war, in Brand, und da man diesen nicht eher gewahrte, als bis er im Innern bedeutend um sich gegriffen hatte, so wurde das ganze Gebäude zerstört und nur mit Mühe konnte man die damals hart an dasselbe anstoßenden Häuser der Armensünder- (Theaer) Straße retten. Der Direktor Krampe musste die Vorstellungen seiner Gesellschaft einstweilen in den Saal des Casinos verlegen. Im Juni d. J. bestimmte der Großherzog, dass ein neues Schauspielhaus an der Stelle des abgebrannten, unter Leitung des Baukondukteurs Demmler erbaut werden solle. Es wurden deshalb, um dem neuen Gebäude eine freie Lage zu sichern, die 7 letzten, schon alten vom Brande verschont gebliebenen Häuser an der Armensünderstraße gekauft, mit deren Abbruch schon am 1. November d. J. begonnen wurde. Bis zur Vollendung des neuen Theaters i. J. 1836 wurden die Vorstellungen in einem großen interimistischen Schauspielhause an der Reitbahn des Alten Gartens, leicht aus Balken und Brettern erbaut, gegeben.

Wie mehrfach erwähnt worden, war die Vereinigung der Alt- und Neustadt, sowie der Domfreiheit, zu Einer Stadt seit Jahren der Wunsch der Schweriner Bürgerschaft. Die Unzuträglichkeit, welche aus der Trennung so eng verbundener Kommunen bestand, war sehr groß. Beispielsweise werde erwähnt, dass es nicht weniger als 7 Gerichte gab, welche später alle durch das aus 3 rechtsgelehrten Magistrats-Mitgliedern bestehende Niedergericht ersetzt wurden, nämlich die beiden Magistratsgerichte, die beiden Stadtgerichte, die beiden Waisengerichte und das Domkapitelgericht. Dazu kam die ungleiche Verteilung der Lasten, die schwierige Ausübung einer energischen Polizei u. A. m. Die Landesregierung war mit den Wünschen der Bürgerschaft schon seit langer Zeit einverstanden gewesen und hatte nun nach vielfachen Erwägungen und Verhandlungen den Entwurf zu einer neuen Stadtverfassung, welchem die Vereinigung der Alt- und Neustadt zu Grunde lag, vollendet. Im April d. J. sandte die ihn an den Magistrat, damit dieser ihn in Verbindung mit den Repräsentanten einer Prüfung unterziehe. Der Magistrat ging von der Ansicht aus, dass für den wichtigen Zweck die Prüfung nicht vielseitig genug sein werde, namentlich der Rat der Eximierten von denen sich keine im Repräsentanten-Kollegium befanden, nicht entbehrt werden können. Er erließ deshalb einen Aufruf an die Eximierten, welche Häuserbesitzer seien, dass sie das Bürgerrecht erwerben und den Bürgereid ableisten möchten. Es solle dann, nachdem die Zahl sämtlicher Bürger festgestellt sei, eine neue Repräsentanten-Wahl stattfinden und die Gewählten mit der Prüfung des Verfassungsentwurfs beauftragt werden. Fast sämtliche Eximierte kamen dem Aufrufe nach. Die Stadt wurde darauf in 5 Wahlbezirke geteilt, von denen jeder 6 Repräsentanten wählen sollte. Wider Erwarten traf hierbei die Wahl nur 4 Eximierte, doch traten nun die 30 neuen mit den 14 älteren, auf Lebenszeit erwählten Repräsentanten zusammen und vollzogen die Prüfung der Vereinigungs-Urkunde.

Am 23. September fand eine gemeinschaftliche Sitzung des Magistrats und der Repräsentanten statt, in der man beschloss, die Abänderung einiger Bestimmungen des Entwurfs zu beantragen, welcher darauf wieder an die Regierung übergeben wurde. Nachdem von letzterer einem Teile der gewünschten Abänderungen beigestimmt worden, wurde der 1. Januar 1832 als der Tag festgesetzt, an welchem die Vereinigung der Alt- und Neustadt vor sich gehen sollte.

Seit dem September d. J. hatte sich die Cholera, welche in den Nachbarländern teilweise sehr bösartig aufgetreten war, der Grenze Mecklenburgs genähert, und überschritt dieselbe bald, indem sie namentlich die Stadt Rostock befiel. Die Furcht vor dieser Krankheit war in Schwerin allgemein, ebenso energisch aber waren auch die Maßregeln, welche man gegen sie ergriff. Zunächst wurde eine Kommission ernannt, welche alle Anstalten überwachen sollte. Diese ließ sofort das neue Militär-Hospital in der Vorstadt zum Cholera-Lazarett einrichten, und als die Krankheit in Hamburg und sehr bösartig in Lübeck auftrat, die ganze Stadt mit einem Cordon von Bürgerwachen umschließen. Jeder Verdächtige musste 5 Kontumaz-Tage im Lazarett aushalten, wer sich aber durch den Cordon zu schleichen suchte, wurde außerdem noch scharf bestraft. Der Kommission flossen viele milde Gaben, besonders an warmen Kleidungsstücken, Leibbinden, Strümpfen u. dgl. für die Armen der Stadt zu; äußerst fürsorgend zeigte sich die Erbgroßherzogin Alexandrine. Schwerin blieb indessen von der Krankheit verschont, die Bürgerwache wurde im Dezember überall eingezogen, zuletzt am 21. d. M. der Posten, welcher am Püsserkruge stationiert war. Die Aufsicht an den Toren und beim Siechenbaume dauerte jedoch während des ganzen Winters fort.

Der neustädtische Kirchhof hatte i. d. J. nochmals erweitert werden müssen und wurde der neue, mit Hecke und Graben umzogene Teil am 28. September durch den Pastor Studemund d. Ä. eingeweiht.

1832. Mit Neujahr d. J. sollte nun die Vereinigung der Alt- und Neustadt beginnen, doch erhielt die desfallsige Urkunde erst am 28. Januar die landesherrliche Bestätigung. Diese Urkunde, welche für das Verwaltungs- und Verfassungs-Wesen Schwerins noch jetzt normiert, können wir ihres beträchtlichen Umfangs wegen nach ihrem Inhalte nur im Allgemeinen hier anführen. Sie zerfällt in 5 Abschnitte: 1) Bestimmungen in Betreff der Gerichtsverwaltung; 2) die Einrichtung der Polizei-Anstalten; 3) von den Stadt-Abgaben; 4) ergänzende Bestimmungen zur Stadtverfassung, und zwar a. von den Bürgern und der Bürgerschaft, b. von den Bürgerrepräsentanten, deren Wahl, Wechsel, Rechte und Verhältnisse, c. vom Magistrat; 5) landesherrliche Leistungen zu Gunsten der Stadt Schwerin und Gegenleistungen der Stadt.

Was nun die Vereinigung beider Städte anbetrifft, so ist dieselbe in Bezug auf die Verwaltung (eine Gemeinde mit vereinigten Vermögen, ein Magistrat), die Polizei- (eine Polizeibehörde) und die Gerichtspflege (ein Gericht mit kollegialischer Verwaltung) durchgeführt, wogegen die Verhältnisse beider Städte in Bezug auf die Landesverfassung die früheren bleiben, wobei jedoch festgesetzt ist, dass auch für die Neustadt in Zukunft von landesherrlicher Seite nur solche Verordnungen und Verfügungen erlassen werden, welche zugleich rücksichtlich der Altstadt zulässig sind.

In Betreff des Magistrates, so übt derselbe die obrigkeitliche Gewalt aus und ist allein die ausführende Behörde. Insbesondere gebührt ihm die Leitung des Gemeindewesens, unter Mitwirkung und Kontrolle der Bürgerrepräsentanten (s. u.) Für jetzt werden die Obrigkeiten beider Städte zu einem gemeinsamen Magistrat vereinigt, in Zukunft soll der Rat aus 9 Mitgliedern bestehen: 2 Bürgermeistern und 7 Senatoren, welche nach ihrem Dienste rangiert und von denen die beiden ersteren und 4 Senatoren die geschäftsführenden sind*). Stadtoffizianten sind ein Stadtsekretär, ein Stadtregistrator, ein Stadtschreiber und ein Stadtkassier. Von den 6 geschäftsführenden Mitgliedern müssen 5 Rechtsgelehrte sein und, mit etwaiger Ausnahme des Polizeimeisters, das Examen eines Niederrichters bestanden haben. **).

*) Nach landesherrlicher Bestätigung vom 26. Februar 1855 wurde die Zahl der geschäftsführenden Mitglieder des Magistrats um ein rechtsgelehrtes Mitglied vermehrt, wogegen die Stelle eines rechtsgelehrten beratenden Senators einging.

**) Die Gehalte der Ratsmitglieder wurden nach landesherrlicher Bestätigung vom 3. Juni 1844 in folgender Weise geordnet: der älteste Bürgermeister 1.500, der jüngste 1.100, der erste Senator 1.300, der zweite und dritte je 1.200, der vierte 1.000, die drei beratenden je 200 Thaler Seit 26. Februar 1855 erhielt der fünfte Senator gleichfalls 1.000 Thaler.


Die Zivil- und Kriminal-Gerichtsbarkeit der ganzen Stadt wird durch eine Deputation des Magistrats, aus 3 rechtsgelehrten Mitgliedern bestehend, (Magistratsgericht mit kollegialischer Verfassung) verwaltet. Diese Deputation bildet:

a) das Gericht erster Instanz für alle diejenigen Einwohner der Stadt, welche keinen privilegierten Gerichtsstand haben, ist

b) für die Fälle der freiwilligen Gerichtsbarkeit, mit Ausnahme des Stadtbuchs, die kompetente Behörde, und versieht

c) die Geschäfte der früheren Waisengerichte. Alle bisherige Real-Exemtion hört auf, mit Ausnahme des Gastwirt Sternchen Hauses, welches bis auf Weiteres unter der Kanzlei-Gerichtsbarkeit bleibt. In Kriminalsachen werden 2 Bürger als Beisitzer verordnet, der Bürgerausschuss schlägt dem Magistrat hierzu 6 unbescholtene Bürger zur Auswahl vor.

Die Ortspolizei-Gewalt des Magistrats erstreckt sich rücksichtlich ihrer geographischen Grenze über die ganze Stadt und deren Weichbild, auch vermöge besonderen, jedoch widerruflichen Auftrags über den Bezirk der Burgfreiheit bis an die stadtwärts gelegene Schlossbrücke. Befreiungen von der Ortspolizei-Gewalt finden überall nicht weiter statt, als dass 1) die bei den höheren Kollegien angestellten wirklichen Räte, 2) die Oberhofchargen und 3) die einheimischen aktiven Militärpersonen in Polizeistrafsachen ihren kompetenten Gerichtsbehörden zur Untersuchung und, nach Befinden, Bestrafung anzuzeigen sind. In Polizei Strafsachen gegen alle übrigen Eximierten werden nach der vom Polizeiamte, und zwar durch den großherzoglichen Kommissarius geführten Untersuchung die Akten an die großherzogliche Justiz-Kanzlei hierselbst zum Erkenntnisse abgegeben. Diese Eximierten können jedoch hierauf verzichten und sich den Strafbestimmungen des Stadtpolizeiamtes sofort unterwerfen. Dienstboten und Fremde werden in Polizeisachen jedoch überall - nicht als Eximierte betrachtet. Zur Ausübung des landesherrlichen Oberaufsichtsrechts und zur Führung der Untersuchungen gegen Eximierte ist ein großherzoglicher Kommissarius bestellt. Das einzurichtende Stadt-Polizeiamt besteht aus einem von der Regierung bestätigten Mitgliede des Magistrats als Polizeiherrn, einem oder zwei Polizeischreibern und den nötigen Unterbedienten (Polizeidiener, Straßenvögte, Nachtwächter.)

Die Stadtgemeinde wird in 5 Distrikte geheilt, deren jeder 6 Repräsentanten*) wählt, neben welchen die bisherigen Repräsentanten auf ihre Lebenszeit Mitglieder des Bürger-Ausschusses sind. Dieser ist zwar dem Magistrat gegenüber der gesetzliche Vertreter aller Einwohner, erhält jedoch von diesen keine Instruktion, legt ihnen auch keine Rechenschaft ab, denn jedes Mitglied handelt und stimmt nur nach seiner eigenen Überzeugung.

*) Am 11. November 1848 wurde landesherrlich genehmigt, dass für jeden der 5 Wahlbezirke statt 6 ferner 9 Repräsentanten gewählt werden sollten.

Die Zustimmung des Bürger-Ausschusses ist erforderlich:

a. zu allen Hauptmaßregeln der Verwaltung, namentlich zu Veräußerungen und neuen Belastungen der Stadtgüter oder sonstigen Stadtgrundstücke, zu neuen Wirtschaftsplänen, außerordentlichen Holzschlägen, zu Erb- und Zeitpacht-Kontrakten, zu Minus-Lizitations- und Lieferungs-Kontrakten, zu Pacht-Remission und Prolongation, zum Ankauf von Grundstücken, zu Neubauten und solchen Reparaturen, die noch nicht in den Etat aufgenommen worden, zu neuen Gehalten und Gehaltszulagen, zu allen Prozessen von Wichtigkeit und Vergleichen jeder Art;

b. zu allen irgend bedeutenden, außerordentlichen, nicht etatmäßigen Ausgaben;

c. zu allen neuen Stadtanlagen, sowohl rücksichtlich der Größe, wie der Aufbringungsart;

d. zu allgemeinen Anordnungen in Kommunalwesen.

Die Bürgerrepräsentanten beraten entweder unter sich oder in Gemeinschaft mit dem Rate oder einer Deputation desselben. Sie geben ihre Erklärung schriftlich ab und haben, wenn der Magistrat ihre Beschlüsse verwirft, das Recht der Beschwerde an die Landesregierung.

Das Stimmrecht zur Repräsentantenwahl steht jedem Bürger zu, der zu den städtischen Lasten beiträgt, mit Ausnahme der Magistrats-Mitglieder und Stadt Offizianten im Amte *), Solcher, die mit ihren Abgaben ein Jahr lang im Rückstande sind, bis zu deren Berichtigung, die unter Vormundschaft stehen, die das Stimmrecht in Folge von Bestrafung verloren, die sich auf die Konstitution vom 31. März 1812 berufen oder Konkurs gemacht und den Gläubigern nicht voll ausbezahlt haben **), die wegen eines ehrenrührigen Verbrechens in Untersuchung gewesen und nicht rein freigesprochen sind, endlich mit Ausnahme der jüdischen Glaubensgenossen ***).

Wahlfähig sind alle mit einem Wohnhause ****) ansässigen, stimmfähigen Bürger. Bürger der Stadt sind Alle, welche das Bürgerrecht besitzen; Eximierte, welche von jetzt an zu Stadtrecht liegende Grundstücke akquirieren, müssen das Bürgerrecht erwerben, exemten Grundbesitzern, die ihren Besitz schon vor dieser Zeit hatten, wird auf ihren Wunsch das Bürgerrecht erteilt. Von den Repräsentanten tritt jährlich der sechste Teil aus, während der ersten fünf Jahre durch Auslosung, demnächst nach dem Dienstalter. Die Wahlen finden im August oder September, der Dienstantritt mit dem 1. Januar statt. Die Wahl geschieht, bei schriftlicher Abstimmung, nach absoluter Stimmenmehrheit. Nur die bisherigen Repräsentanten behalten ihre Emolumente, die neuen verwalten ihr Amt unentgeldlich und wählen unter sich den Vorsteher und dessen Substituten. Bei Beratungen muss, um Beschlüsse fassen zu können, die Hälfte der Repräsentanten anwesend sein, und die Abstimmungen geschehen nach absoluter Stimmenmehrheit.

*) Die Magistrats-Mitglieder und Stadtoffizianten erhielten das Stimmrecht seit 11. November 1848.
**) Diese Personen erhielten durch das Wahlgesetz vom 13. Juli 1848 Stimmrecht, das ihnen aber am 10. April 1849 wieder entzogen wurde.
***) Seit dem 11. November 1818 wurden alle Eximierte, alle sonst rezipierte Einwohner und alle rezipierte Juden stimmberechtigt und wahlfähig.
****) Die passive Wahlfähigkeit ist seit dem 11. November 1848 nicht mehr vom Besitze eines Wohnhauses abhängig.


Von den älteren Stadtabgaben hören mit dem 1. Januar 1832 auf: die Real-Service, das Leuchtengeld, das Karrengeld, das Feuerordnungsgeld, das Brunnengeld, der Schoß, das Schutzgeld (auf der Neustadt), das Nachtwächtergeld, das Schleichwächtergeld, das Straßenpflastergeld, das Pfändergeld und der Ackerzehnten. Dagegen wird zu den Bedürfnissen der Stadt, so weit dazu die Aufkünfte aus den städtischen Gütern nicht reichen, eine Stadt-Anlage vom 1. Januar ab erhoben. Diese wird von allen Einwohnern teils als Grund, teils als Miet-, teils als Nahrungs-Steuer vom Gewerbe erhoben.

Die Grundsteuer beträgt von allen Grundstücken, (jedoch von solchen, die bisher keine Realservice trugen *), mit Abzug von 8 Thaler, für ein volles Haus 18 Thaler **), für eine Scheune à Fach 8 ßl., für einen Garten, nach Größe und Wert, erster Klasse 1 Thaler, zweiter Klasse 32 ßl., dritter Klasse 16 ßl., für einen Morgen Acker 16 ßl. für Wiesen je von 10 Qu.-Ruthen 1 ½ ßl. N 2/3. Herrschaftliche Gärten und unbebaute Plätze, die Grundstücke des Waisenhauses, das Jagdzeughaus in der Vorstadt, die Amtsgerichtsdiener- und Landreiter Gärten sind frei.

*) Durch landesherrliche Verfügung vom 10. Juni 1833 wurden zu Gunsten der Stadtkasse folgende Häuser, welche bisher von der Realservice befreiet waren, zu ihr hingezogen: die frühere Wohnung des Geheimrats-Fouriers Jahn, das Posthaus, das alte Kommandantenhaus, das Hofmarschallamts-Gebäude, die Reluitions-Kommissions-Registratur, das Spritzenhaus nebst Hausvogts- und Stallschreiber-Wohnung, die Kastellans-Wohnung, das Werkhaus und das Hospital. – Befreit blieben zur Förderung der Schulzwecke die Häuser der Dom-, der Nicolai-Kirche und der Waisen-Anstalt; ferner das alte Regierungsgebäude auf dem Bischofshofe, das neue Kollegiengebäude, das großherzogliche Palais und die Münze.
**) Die Grundsteuer für ein volles Haus und für Teilhäuser in gleichem Verhältniss wurde bald auf 25 Thaler Cour, erhöht, welche Summe sie noch jetzt beträgt.


Die Mietsteuer beträgt für Wohnungen bis zu 19 Thaler Miete nichts, von 20–24 Thaler Miete 1 ßl. und von 25 und mehr Miete 2 ßl. N 2/3 pro Thaler.

Für freie Wohnungen werden erlegt: für ein volles Haus 10 Thaler N 2/3 und in gleichem Verhältnisse von ¾, ½, ¼ Haus. Umfasst die freie Wohnung nur Teile eines Hauses, nicht ein volles Haus, so wird sie zu einem billigen Mietansatz veranschlagt und zu Mietsteuer gerechnet.

Die Gewerbe- (Nahrungs-) Steuer wird nach dem Modus der bisherigen Nahrungs-Service von allen steuerpflichtigen Personen, auch von den Bewohnern des bisherigen Domkapitel-Bezirks, erhoben.

Die Befreiung der Eximierten von der Natural-Einquartierung hört auf, wenn sie nach dem 1. Januar ein Haus erwerben. Eximierte, welche vor diesem Zeitpunkte ihr Haus erworben haben, zahlen jährlich von einem vollen Hause 6 Thaler N 2/3.

Die Abgaben werden gegen gedruckte Steuerzettel eingefordert.

Die Wadewiese, die Bahnschmiede und das Schauspielhaus sind von außerordentlichen Lasten frei. Da die Vorstadt teilweise mit Straßen-Pflaster und Erleuchtung, mit öffentlichen Brunnen noch gar nicht versehen ist, so zahlt hier ein volles Haus an Grundsteuer einstweilen nur 14 Thaler N 2/3; bei einer Mietsumme unter 34 Thaler wird die halbe Miet-Steuer entrichtet. Gleiches ist aus denselben Gründen mit den Häusern am Hintenhofe und in der Alleestraße (Werderstr.) der Fall.

Alle Einnahme fließt in die Stadtkasse, für welche jährlich um Michaelis ein Einnahme- und Ausgabe-Etat entworfen, vom Bürgerausschusse geprüft und festgestellt, und sodann bei der Landesregierung eingereicht wird. Die Berechnung wird für jeden einzelnen Zweig der Ausgabe und Einnahme besonders geführt. Zahlungen werden nur im Kassenlokal auf dem Rathaus geleistet und der Kassensturz findet wenigstens alle 2 Monate durch den Magistrat in Beisein eines oder zweier Repräsentanten statt.

Die Stadtrechnungen werden unter Zuziehung einer vom Bürgerausschuss erwählten Deputation von 3 Personen, welche sie zuvor revidiert, vom Magistrat aufgenommen. Ein Bericht über die Jahresverwaltung für sämtliche Kassen wird vom Magistrat veröffentlicht, und die Rechnungen stehen zu einer festgesetzten Zeit jedem Bürger auf dem Rathause zur Einsicht offen.

An den Ratswahlen nimmt der Bürgeranschuss insofern Teil, dass er bei der Wahl eines rechtsgelehrten Ratsherrn diesen aus dreien ihm vom Magistrate Präsentierten wählt, und bei der Wahl eines Camerarius oder beratenden Ratsherrn dem Rate drei geeignete Männer zur Auswahl vorschlägt. Die Wahl geschieht jedesmal mittelst schriftlicher Stimmzettel nach relativer Stimmenmehrheit.

Die Sporteln, Naturalerhebungen und Dienstemolumente der Magistratspersonen und Subalternen werden für die Stadtkasse berechnet, nämlich: die Gerichts- und Stadtbuch-, die Kontraktgebühren jeder Art, der Dienstacker, der Deputatwein, die Bestallungsgebühren jeder Art, die Einschreibe- und Absterbe-Gelder beim Heiligen-Geist-Armenhause, das Hausiergeld, die Leihhausgebühren, das Bürgergeld. Ganz fort fallen die Holz-Deputate und die Fleischabgabe der Schlachter.

Das Personal des neustädtischen Gerichts wird wie bisher aus fürstlichen Kassen besoldet. Der Schelfacker, welcher der Kämmerei der Neustadt pachtweise überlassen war, fällt zur freiesten Disposition eigentümlich an die Stadt. Die von der Altstadt an das Amt bisher erlegte Orbede von jährlich 24 Thaler N 2/3 hört seit Johannis 1831 auf.

Die im Weichbilde der Stadt gelegenen, bisher der Amts-Jurisdiktion unterworfenen Grundstücke werden der Stadt überlassen. Dahin gehören außer einigen Wohnhäusern, Gärten und Ackern, deren Grundsteuer an die Stadt fällt, 1) die zum Werder führende Allee, welche nicht eingehen darf, deren Bäume aber der großherzoglichen Kammer, und die Oberaufsicht dem Amte und Forstamte verbleibt; 2) der neustädtische Kirchhof, welcher, nach Wegfall der bisherigen Grundsteuer, an die Kirche erb- und eigentümlich übergeht, zu dessen Vergrößerung aber die Stadt das erforderliche Land gegen eine von der Kirche zu leistende Grundsteuer von 4 Thaler für jede 100 Qu.-Ruthen hergeben muss; 3) der Judenkirchhof, von dem keine Realsteuer erlegt wird, so lange dort keine neuen Gebäude errichtet werden.

Die Stadt erhält die Jurisdiktion und Polizei über das Jagdzeughaus mit den beiden Gärten, die an die Waisenanstalt verpachteten Acker auf dem Schelffelde, und die Gärten des Amtsgerichtsdieners und der beiden Landreiter, doch bleibt das Eigentumsrecht dieser Grundstücke, von denen keine städtischen Realsteuern geleistet werden, der Kammer.

Das Amt mit Nebengebäuden und die Binnenmühle mit Nebengebäuden und Grundwerken verbleiben der Kammer.

Die Gerichtsbarkeit und Polizei über die beiden holländischen und die Bock-Windmühle gehört der Stadt, in Bezug auf die Kontrakte und den Mahlbetrieb bleiben sie aber beim Amte.

Die Jagd auf dem Schelffelde bleibt der landesherrlichen Bestimmung zuständig.

Die Wadewiese, der Sägeplatz (auf der Neustadt) mit dem Materialienhause und der Wiese, die Wohnung und die beiden Gärten des Seevogts, das Ackerstück Nr. 57 auf dem Schelffelde, dem Sägeplatz gegenüber, und die außerhalb des Siechenbaums auf der Feldmark Ostorf, am Spieltordamm und auf dem Bischof (Bischofsmühle) gelegenen Grundstücke gehören nicht zur Stadt und scheiden aus dem bisher ihnen zu jener angewiesenen Kommunalverbande*).

Die von dem städtischen Beguinen-Armenhause benutzte Fischerei in einem Teile des Burgsees (an der Fischerwehr) wird der Kammer rein abgetreten. – –

(Zusätze zu der Vereinigungs-Urkunde s. u. d. J. 1840 und 1842.)

Am 4. Februar d. J. wurde nun diese Urkunde vom Magistrate den Repräsentanten vorgelesen. Der Stadtsyndikus Hofrat Knaudt hielt eine Rede, nach deren Beendigung die Vereidigung der Repräsentanten vorgenommen wurde. Am 13. März fand ihre erste Sitzung statt, in welcher der damalige Advokat Strempel zum Polizeiherrn erwählt wurde.

*) Nach einer Vereinbarung zwischen dem großherzoglichen Amte und der Stadt vom 23. Mai 1855 gehen zu Stadtrecht über:
1. Das neue Wasser- und Dampfmühlen-Gebäude nebst der Mühlenschreiber-Wohnung auf dem Bischof, mit Ausnahme der Jurisdiktion und oberen Polizei, wobei bestimmt wurde, dass an Stelle des alten, aus dem Medeweger See zum Ziegelsee fließenden Aue-Baches, welcher durch die Eisenbahn-Anlage teilweise zugedämmt war, der neue Aue-Bach in seinem Lauf die Grenze zwischen Amt und Stadt bilden solle.
2. Das Berliner Tor mit Wache- und Torschreiberhäusern nebst Wall- und Staketbefriedigung.
3. Die in den Jahren 1810 und 1811 neu erbaute holländische Windmühle vor dem Wittenburger Tor in der Weise, wie die übrigen Windmühlen.
4. Die Binnenmühle in der Klosterstraße mit Zubehör.
5. Der Sägeplatz, die Seevogtwohnung, der Acker und Garten dazu.
Ebenso die Wadewiese, ein integrierender Teil der Burgfreiheit, nach Bestimmung der Vereinbarungs-Urkunde vom 16. Februar 1842 (s. d. J.)


Am 23. Mai begann, nachdem die Vorarbeiten vollendet waren der Bau eines neuen Schauspielhauses an der Stelle des abgebrannten. Inmittelst wurde auch an den interimistischen Brettergebäude so fleißig gearbeitet, dass es im November vollendet und während des nächsten Winters zu Vorstellungen benutzt werden konnte. Da im August in mehreren Städten des Landes die Cholera wieder aufgetreten war, so hatte man das Militär-Hospital wieder zur Kontumaz-Anstalt eingerichtet. Mehrere gesundheitspolizeiliche Verordnungen, u. A. das Verbot des Verkaufs der s. g. Hundepflaumen, wurden publiziert. Schwerin blieb auch diesmal bis auf einige zweifelhafte Erkrankungen verschont.

Die Freimaurerloge Harpokrates zur Morgenröte hatte für die von ihr i. J. 1830 gegründete Sonntagsschule in der Vorstadt ein neues Gebäude erbauen und einrichten lassen, welches am 12. August eröffnet wurde. Hier wirkten jetzt 24 Lehrer in verschiedenen Fächern und konnten mehr als 140 Schüler eingeschrieben werden, während die Zahl der letzteren bisher nur 50 betragen hatte (s. d. J. 1839). Außer der Freimaurerloge gebührt übrigens dem hiesigen Gesangvereine der Ruhm, durch Konzerte einen großen Teil der erforderlichen Gelder gesammelt zu haben.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin