Geschichte der Stadt Schwerin von 1824 bis 1827

1824. Im Januar d. J. wurde nun das städtische Armenwesen ganz neu geordnet. Das Kollegium soll aus einem großherzoglichen Kommissarius und 12 Mitgliedern, je 3 aus dem Magistrat, der Geistlichkeit, den Eximierten und der Bürgerschaft, bestehen. Es wurden Missiven in Umlauf gesetzt, auf welchen man erhöhte freiwillige Beiträge subskribieren konnte. Diese wurden durch eine Enquotierungs-Kommission, bestehend aus einem Dirigenten und 24 Mitgliedern aus allen Ständen und Gewerben, geprüft. Die Höhe der Beiträge steht in eines Jeden Belieben, doch muss sie mindestens 1 Prozent der Einnahme betragen; darauf hat sie jene Kommission zu prüfen und festzustellen. Wer sich benachteiligt glaubt, kann von ihr an die Revisions-Kommission appellieren, welche aus einem Dirigenten, 3 Eximierten und 3 Personen aus der Bürgerschaft besteht und die Beiträge bestätigen oder vermindern, aber nicht erhöhen darf. Beide Kommissionen werden alle 5 Jahre neu gewählt. Die Beitreibung der Gelder besorgt das Armenkollegium gewöhnlich vierteljährlich, doch nach dem Wunsche des Verpflichteten auch monatlich; es kann auch selbst die Exekution vollstrecken lassen.

Die ganze Stadt ist in 8 Armendistrikte (3 in der Alt, 3 in der Neu- und 2 in der Vorstadt) eingeheilt, deren jeder einen Die strictsvorsteher, gewöhnlich einen Eximierten, hat. Jeder Distrikt wieder zerfällt in 3 Quartiere mit Quartiersvorstehern, gewöhnlich aus der Zahl der Bürgerschaft. Wer Unterstützung wünscht, wendet sich an den Quartiersvorsteher, der die Verhältnisse untersucht und dem Distriktvorsteher Mitteilung macht, der nun dem Armenkollegium die Sache vorträgt. Erfolgt Unterstützung, so soll der Quartiersvorsteher ihre zweckmäßige Verwendung überwachen. – Diese Ordnung ist durch die Armenordnung vom 3. Oktober 1843 modifiziert worden (s. d. J.)


Der Großherzog hatte schon seit längerer Zeit den Entschluss zum Bau eines neuen Regierungsgebäudes gefasst, da das alte Bischofshaus auf dem Bischofshofe, in welchem die Kollegien bisher beschäftigt gewesen, zu eng und zu baufällig war. Man hatte sich über den Platz für ein solches Gebände bisher nicht einigen können. Zuerst wurde an den Bischofshof gedacht, aber da dieser in einer Tiefe von 20–23 Fuß Torf- und Sumpfgrund zeigte, so scheute man die großen Kosten des Rostbaues. Darauf kam der, der Justizkanzlei auf der Neustadt gegenüber liegende Platz zur Sprache, zu gleich auch der Platz gegenüber dem Posthause in der Schlossstraße. Für letzteren entschied sich der Großherzog, welcher inmittelst den vom Oberlandbaumeister Wünsch und dessen Gehilfen, den Baukondukteur Demmler gefertigten Riss im reinen griechischen Stil gebilligt hatte. Hier, wo das Regierungs- oder Kollegiengebäude jetzt steht, lag an der Stelle des ehemaligen Franziskaner-Klosters damals dem Posthause gegenüber ein Stall, das frühere fürstliche Kornhaus, jetzt für die fürstlichen alltäglichen Wagen und Pferde benutzt. Weiterhin, aber etwas zurück, lag die alte Hausvogtei, ein sehr unregelmäßiges Gebäude, dessen mit einer Mauer umgebener Hof der Klosterstraße gegenüber war. Es erstreckte sich jedoch noch weiter hinunter, etwa zur Hälfte des Wasserganges, dann folgte der Garten. An die Hausvogtei nach dem Alten Garten hin angebaut war die Wohnung des Bahnschmiedes, neben welcher, jedoch getrennt von ihr, die Schmiede selbst; die Obstbäume, welche dort noch stehen, gehörten zum Garten des Bahnschmieds.

Die alte Bahnschmiede ließ man noch stehen.

Im Juli nun begann der Abbruch dieser alten Gebäude; eine neue Wohnung für den Hausvogt und Stallschreiber wurde i. J. 1827 hinter dem Klosterhofe errichtet (Klosterstraße 20a) Dann wurde der Platz, welcher vom ehemaligen Kloster her mit einem Gewirre von Mauerwerk durchzogen war, für das Fundament aufgebrochen. Bei dieser Gelegenheit fand man die Spuren eines Brandes, welcher das Kloster kurz vor Peter Pücks Auftreten zerstört hatte. Auch viele menschliche Gerippe von ehemals in der Klosterkirche Beerdigten entdeckte man, welche gesammelt und im Juli 1825 auf den altstädtischen Kirchhof gebracht wurden.

Das Gebäude selbst, ursprünglich nur zum Sitz der Regierung und zu einer Höhe von 2 Etagen bestimmt, erhielt noch im Laufe dieses Jahres eine erweiterte Bestimmung. Es sollte 3 Stockwerke und da der Boden abschüssig ist, nach der Rückseite hin ein Souterrain erhalten, sodann auch das Kammer-Kollegium, die Registratur die Reluitions-Kommission, das Archiv, die Renterei, die Militär-Kasse, die Haupt-Forst-Kasse, das Hypotheken- und das Revisions-Departement aufnehmen.

Von städtischen Bauten und Verbesserungen d. J. haben wir zu bemerken: die Planierung des alten Kirchhofes neben der Nicolaikirche, welcher nach 3 Seiten hin von Stufen eingefasst wurde, wo bei man die östliche Seite der Kirche 1 1/2 Fuß hoch von Erde befreien musste, und die Fortsetzung der neuen Beleuchtung durch hängende Laternen in der Königs- und Schlossstraße vom Markte bis zur Post, später auch in den anderen Straßen.

Der Wassermangel war i. d. J. so groß, dass die städtischen Bäcker und Brauer ihr meistes Korn auswärts mahlen lassen mussten.

Statt des abgebrochenen Stalles in der Schlossstraße wurde i. d. J. ein Marstall in der Klosterstraße hinter der Hausvogtei erbaut. Sodann wurde der Bau des Irrenhauses auf dem Medeweger Felde unter der Leitung des Oberlandbaumeisters Wünsch (s. d. J. 1830) beschlossen, zunächst der Grund geebnet und ein Brunnen gegraben, worüber fast das ganze Jahr verstrich. Die zunächst hinter dem Schlossgarten gelegenen Wege wurden gebessert und breiter gemacht.

1825. Am 29. September fand die feierliche Grundsteinlegung zum Regierungsgebäude durch den Erbgroßherzog Paul Friedrich statt. Der mit Barrieren umgebene Bauplatz war festlich geschmückt, an seinem Eingange und dem Grundstein gegenüber befanden sich Lauben, in welchen die fürstlichen Herrschaften Paul Friedrich, Alexandrine, die verwitwete Erbgroßherzogin Auguste, die Herzogin Marie und der Fürst von Hildburghausen Platz nahmen. Nach einer Rede des Oberlandbaumeisters Wünsch, senkte der Erbgroßherzog die dazu bestimmten Gegenstände in den Stein und tat die drei üblichen Hammerschläge, darauf der OLB. Wünsch vier Schläge mit den Worten: 1) Weisheit gründete den Bau, 2) Stärke führte ihn aus, 3) Schönheit schmücke ihn, 4) Heil unserem allverehrten Großherzog Friedrich Franz! Heil seinem erhabenen Enkel Paul Friedrich Heil dem ganzen fürstlichen Hause! – Die spezielle Leitung des Baues war dem Baukondukteur G. A Demmler übertragen; Zimmermeister waren der Inspektor Christian Joach. Ant. Pommerenke und Lembke, Maurermeister der Bauinspektor Heinr. Conr. Cornel. Barca und Jantzen d. Ä. in Schwerin und Steinmetz G. C. Remé zu Lübeck.

Die Stadt ließ i. d. J. die zum Schelfwerder führende Allee, welche im Winter von Fußgängern häufig nicht passiert werden konnte, bessern und den Weg vom Mühlentor zum Spieltor, welcher hinter dem Pfaffenteich durch einen Hohlweg führte, ebenen, wozu die Bürger freiwillig die Fuhren taten. Sodann wurde der von Spieltor zur Bischofsmühle führende Damm aufgerissen, um makadamisiert (chaussiert) zu werden; auch wurde der bisher gänzlich vernachlässigte, nach Lankow führende Damm durch die Vorstadt neu gelegt und gedämmt.

Weiter wurde verordnet, dass alle Dachrinnen, welche nicht an den Wänden der Häuser herunterliefen, namentlich diejenigen, welche das Wasser oben vom Dache herunter auf die Mitte der Straße leiteten, entfernt werden sollten. Während dieses Jahres hatte man auf dem Lützower Felde einen s. g. Wunderbaum entdeckt, welcher alle diejenigen von den mannigfachsten Krankheiten heilte, welche bei abnehmendem Monde durch eine von seinem doppelten Stamme gebildete Höhlung hindurchkrochen. Zuerst musste dies Hindurchkriechen nackt geschehen, doch kam man bald dahinter, dass der Baum „auch durch die Kleidung wirke.“ Ganze Scharen Erwachsener und Kinder aus Schwerin, aber auch aus Hamburg, Lübeck und den Holsteinischen nahmen die Kraft des Wunderbaums in Anspruch; noch während des Winters zogen Viele zu ihm.

I. d. J. sollen an mehreren Orten Mecklenburgs, u. A. auch bei Schwerin in den Dohnen Siebenschläfer (Myoxus Glis. Illig) gefangen sein.

Der Verein der Ärzte in Schwerin beschloss am 10. Dezember d. J. wöchentlich einmal, an jedem Sonnabend, in seinem neben dem Postgebäude liegenden Versammlungslokale die unentgeldliche Impfung der Schutzblattern vorzunehmen.

1826. Im Januar hatte sich ein Wolf im Steinfelder und Buchholzer Forst sehen lassen, auch eine Menge von Schafen, Rehen und anderen Tieren zerrissen. Es fanden sehr häufige Jagden statt, um ihn zu erlegen, doch glückte dies erst im Frühjahre einem Jäger in der Gadebuscher Gegend, in welche das Tier von hier aus geflüchtet war.

Im März bildete sich eine Aktien-Gesellschaft, um auf der Wasserverbindung der Stör und Elde, welche jetzt für die Schifffahrt hergerichtet wurde, Getreide und andere Landesprodukte nach Hamburg hin zu verschiffen. Sie gab Aktien zu 25 Thaler aus, welche mit 4 Prozent verzinst werden sollte. Die erste Getreidesendung ging am 20. März ab, die Gesellschaft machte jedoch nur schlechte Geschäfte.

Am 13. Mai wurde die fremde schlechtere Scheidemünze, welche vielfach in Mecklenburg kursierte, verboten, und damit sie schneller außer Gebrauch komme, wurden in der großherzoglichen Münze für 10.000 Thaler Vierschillingstücke geschlagen.

1827 wurde am Gymnasium eine vierte Kollaboratorstelle errichtet, so dass das Kollegium jetzt aus zwölf Lehrern in sieben Klassen bestand. Die im vorigen Jahr neu gegründete Schifffahrts-Gesellschaft hielt am 23. Oktober ihre erste Generalversammlung. Sie hatte 99 Aktien zu einem Betrage von 2.325 Thaler ausgegeben und von einem Teil dieses Geldes vier neue Fahrzeuge, jedes im Preise von ca. 300 Thaler teils erbaut, teils angekauft. Zur Aufbewahrung der Utensilien und Unterbringung der Fahrzeuge hatte sie ein Haus in der Vorstadt erworben und einen kleinen Kanal aus dem Burgsee nach demselben hinziehen lassen. Zum Anlegen der Fahrzeuge wurde der Platz neben der Reitbahn auf dem Alten Garten bestimmt und von großherzoglicher Kammer eine Vertiefung des sehr flachen Fahrwassers unter der Schlosshinterbrücke (welche noch keine Zugbrücke hatte) in Aussicht gestellt. Sowie aber die Schifffahrt begann, erlitt die Gesellschaft große Verluste, weil der Wasserstand in der Stör so sehr fiel, dass die Schiffe Wochen, ja Monate lang nicht über die Untiefen gelangen konnten. Dazu kamen Diebstähle und Betrügereien ihrer Leute, welche empfindliche Einbußen verursachten, die trotz der sonst guten Verwaltung schwer drückten. Am 7. Februar schenkte der Großherzog der Gesellschaft die Materialien zu 3 neuen Fahrzeugen und der Betrieb der Schifffahrt nahm neuen Aufschwung, da das Forstkollegium die Fahrzeuge zur Herbeischaffung von Bauholz aus der Teldau benutzte, so dass i. d. J. schon die Verteilung einer kleinen Dividende zur Sprache kam, die freilich zu Gunsten des Fonds einstweilen noch unterblieb (s. d. J. 1834.)
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin