Geschichte der Stadt Schwerin von 1816 bis 1819

1816. In der Umgebung Schwerins waren seit 1813 mehrfach neue Baumpflanzungen angelegt, u. A. eine neue Allee im Schlossgarten und die Allee nach dem Werder hin. Die Bäume wurden hier oft ruchlos zerstört, weshalb am 8. Januar bekannt gemacht wurde, dass ferner jede unvorsichtige Beschädigung derselben mit 2 Thaler, jede mutwillige aber bei dem ersten Male mit 15 bis 30 Röhrchenhieben auf dem öffentlichen Markte, in der Folge mit Zuchthaus bis zu 3 Monaten bestraft werden solle. Denunzianten sollten im ersteren Falle 1, im zweiten Falle 5 Thaler Belohnung erhalten.

Im Februar grassierten die Blattern sehr arg in Schwerin, und wurden deshalb strenge Maßregeln gegen sie ergriffen. Alle Häuser und Stuben, worin Kranke lagen, wurden mit einer Tafel versehen, auf welcher die Worte standen: „Hier Pockenvergiftung.“ Die Kranken sollten von Seiten der Obrigkeit überwacht werden, wobei diese angewiesen wurde, sich „gegen Jurisdiktions-Eximierte gehöriger Bescheidenheit zu befleißigen.“ Kranke durften das Haus nicht verlassen, die Angehörigen sollten allen öffentlichen Verkehr meiden. Die Verstorbenen sollte man nicht ausstellen, die Särge gehörig verpichen, die Beerdigung früh Morgens oder spät Abends still vornehmen und die Kleidungsstücke der Verstorbenen mit eingraben oder verbrennen, die Betten aber 4 Wochen lang in freier Luft stehen lassen.


Am 13. April wurde das Torschreiber- und Wachhaus am Spieltor auf Abbruch öffentlich verkauft.

Zum Andenken an die verstorbene Erbgroßherzogin Caroline Luise († 20. Januar 1816) wurde durch die Vorsteherinnen des schwerinschen Frauenvereins im Arresto’schen Hause am Spieltor eine Anstalt zur Bildung weiblicher Dienstboten gegründet und „Carolinenstift“ genannt. Verlassene Mädchen sollten in diesem Stifte Aufnahme finden und durch christliche Erziehung, sowie durch Unterricht im Handarbeiten zu tüchtigen Dienstboten gebildet werden. Das Stift, gegründet und größtenteils erhalten durch freiwillige Beiträge an Naturalien, Geld oder zur jährlichen Verlosung eingesandte Arbeiten, stand immer unter dem Schutze einer Dame aus dem fürstlichen Hause, seit 1822 unter demjenigen der Frau Erbgroßherzogin (Großherzogin-Mutter) Alexandrine und seit 1849 auch unter demjenigen der hochseeligen Frau Großherzogin Auguste. Es wurde später (1820?) in das Waschhaus des großherzoglichen Palais verlegt und besteht hier noch (Apothekerstraße 37) unter einer Hausmutter und einer Lehrerin. Für die Zöglinge des Stifts besteht eine eigene Mützentracht. 1819 wurde bei der Jahresversammlung des Vorstandes am 15. Januar beschlossen, dass aus dem Stifte hervorgegangene Dienstmädchen, welche ihren ersten oder zweiten Dienst zur Zufriedenheit der Herrschaft 8 Jahre lang versehen haben, als Belohnung ein mit Silber beschlagenes, ihren und den Namen des Stifts tragendes Gesangbuch erhalten sollten. 1822 wurde diese Bestimmung dahin geändert, dass jedes Mädchen, welches sechs Jahre lang bei einer und derselben Herrschaft treu gedient habe, aus einer zu diesem Zwecke gestifteten Kasse eine Belohnung von 12 Thaler, ein solches, welches während sechs Jahren die Herrschaft nicht öfter als dreimal gewechselt, sonst aber treu gedient habe, 6 Thaler und diejenigen, welche die vorgeschriebene Mützentracht beibehalten haben, noch 6 Thaler mehr erhalten sollten.

Am 10. August d. J. wurde die Mecklenburg-Schwerinsche Bibelgesellschaft gestiftet, welche gleichfalls unter dem Protektorate des Großherzogs noch besteht und ihr Direktorium in Schwerin, Zweigvereine aber in Parchim, Gadebusch, Sülz und in der Präpositur Klütz hat.

Am 26. August wurden die Waffen des vormaligen freiwilligen Jägerregiments im großherzoglichen Stallgebäude auf dem Alten Garten öffentlich versteigert.

1817. Am 8. Januar wurde die Domanial-Brand-Versicherungs-Anstalt errichtet. Diese Anstalt, für welche die revidierten Statuten vom 15. Oktober 1855 jetzt grundleglich sind, beschränkt sich auf die Versicherung von Gebäuden in den großherzoglichen Domänen, mit Einschluss der Incamerata, in der Weise, dass die Bauern, Büdner, Häusler usw, auch die aus Domanialangehörigen bestehenden Kirchen, Pfarr- und Schul-Gemeinden zur Versicherung ihrer Gebäude, mit Ausnahme der Kirchen und Kapellen verpflichtet sind. Die Anstalt wird, unter Oberaufsicht des Ministeriums des Innern, von einem Dirigenten, 2 Assessoren aus der Zahl der Versicherten, einem Revisor, einem Rechnungsführer und einem Protokollisten verwaltet; die Versicherten sind in Bezirke, jeder von mindestens 50 Versicherten, geteilt, an deren Spitze 2 Distrikts-Repräsentanten stehen, die Versicherung geschieht zu 3 Klassen, je nachdem die Häuser mit Steinen oder mit Stroh gedeckt sind. Der Geschäftskreis dieser Anstalt umfasste i. J. 1860 eine Versicherungssumme von 18.189.375 Thaler und eine Entschädigungssumme von 55.787 Thaler 27 ßl. Das Jahr begann mit einer sehr großen Teuerung. Zur Linderung der Not bildete sich eine Mehlverteilungs-Anstalt, welche vom 20. Januar bis 27. Juli 18.839 Portionen Mehl, die Portion von 7 Pfund für 6 ßl- verkaufte, während der Marktpreis des Mehls zuerst 10 1/4, später 13 ¾ ßl. für solche Portion betrug. Die freiwilligen Beiträge hierzu hatten 2114 Thaler betragen, wovon die Armenkasse 300 Thaler gegeben. In der letzten Zeit waren 920 arme Personen unterstützt worden. Das Preisverhältnis des Brotes ergibt sich aus Folgendem: Im Januar 1816 sollte der Semmel zu ½ Pfund 7 ½ Lth., feines Roggenbrot zu ½ Pfund 12 Lth., grobes zu 2 Pfund 3 Lth. wiegen. Im Januar 1817 wog zu gleichen Preisen der Semmel 3 1/2 Lth., das feine Roggenbrot 6 Lth., das grobe ½ Pfund, im Oktober d. J. der Semmel 4 1/2 Lth., das feine Roggenbrot 7 Lth., das grobe 1 Pfund 24 Lth.

Am 2. November wurde das dritte Jubelfest der Reformation gefeiert. In den erleuchteten Kirchen fand Frühgottesdienst statt, während dessen die Kanonen auf dem Schlosswalle gelöst wurden, darauf Kirchenparade und in der Domschule Redeactus. Der Magistrat der Neustadt speiste 100 Arme, deren jeder eine Portion Kartoffeln, Fleisch und Brot erhielt.

I. d. J. wurde wie schon zu 1567 erwähnt worden ist, die Sendung des Martensmannes von Seiten der Stadt Lübeck durch eine Vereinbarung aufgehoben.

Die vielfachen Unzuträglichkeiten, welche die getrennte Verwaltung, Justiz- und Polizeipflege der alten und neuen Stadt Schwerin veranlasste, hatten schon seit längerer Zeit den lebhaften Wunsch nach Vereinigung beider Städte erregt. Es geschahen i. d. J. Schritte deshalb, welche jedoch wegen der Verschiedenheit des Kämmerei-Vermögens beider Städte zu keinem Ergebnisse führten; die Neustadt hatte fast gar kein Vermögen (s. d. J. 1832.)

Wie schon früher erwähnt worden, befand sich auf der Wadewiese ein Holzhof unter der Aufsicht des s. g. Wademeisters. Aus jenem wurde für herrschaftliche Rechnung Fadenholz zum Verkauf an die Einwohner der Stadt verabreicht, auch stand hier das für die großherzoglichen Deputatisten bestimmte Holz und ein großes Torfschauer. Im Winter 1817/18 wurde aber den Schwerinern mitgeteilt, dass sie in Zukunft keine Feuerung mehr von der Wadewiese erhalten könnten und sich selbst nach solcher umsehen müssten. Der herrschaftliche Holzhof und ebenso die Niederlage für die zu Deputatfeurung Berechtigten blieben einstweilen jedoch dort.

1818. Am 7. Februar erließ der Magistrat ein Regulativ für die Erhebung des Sperrgeldes an den Toren der Stadt. Die Tore wurden mit Einbruch der Dunkelheit gesperrt und mussten die später einpassierenden Wagen für ihre Öffnung ein Sperrgeld bezahlen. Bei demselben normierte die Anzahl der vor den Wagen befindlichen Pferde; für jedes Pferd wurden 2 ßl. erlegt, eine verhältnismäßig sehr bedeutende Summe, welche demnächst viele Klagen hervorrief, da die Torsperre den Verkehr der Vorstadt mit der Stadt erschwerte. Die sämtlichen Tore brachten zudem an Sperrgeldern nur ca. 250 Thaler jährlich auf. Auf den Antrag des Magistrats wurde deshalb diese Abgabe durch landesherrliche Verfügung vom 25. September 1830 aufgehoben.

Anfang März war der Pavillon im Schlossgarten, erbaut vom Konditor Sadler, vollendet worden und begannen mit dem Juni d. J. die musikalischen Abendunterhaltungen bei demselben.

Am 21. April hielt der Erbgroßherzog Friedrich Ludwig mit seiner jungen (dritten) Gemahlin Auguste Friederike, Landgräfin von Hessen-Homburg (geb. 28. Nov. 1776) von Ostorf aus seinen feierlichen Einzug in Schwerin; es fand Abends ein großer Fackelzug mit Musik statt.

Am 1. Oktober wurde der hiesigen Justiz-Kanzlei ihr Jurisdiktions-Bezirk angewiesen. Als eine naturhistorische Merkwürdigkeit verdient erwähnt zu werden, dass im Herbst d. J. ein Seehund im Schweriner See gefangen wurde.

Die Kanzel in der Domkirche wurde i. d. J. zwei Pfeiler östlich von ihrer früheren an die jetzige Stelle verlegt.

Das wichtigste Ereignis d. J. war aber die Reorganisation der Domschule, welche nach ihrem zweiten Stifter von jetzt an, nämlich seit dem 10. Dezember d. J., zum Gymnasium Fridericianum erhoben wurde. Statt des bisherigen Rektors trat nun ein Direktor an ihre Spitze, der i. J. 1817 berufene verdiente Mag. Johann August Görenz aus Fürstenwalde, welcher bis zum Jahre 1838 wirkte. Mannigfache Beweise fürstlicher Huld und Fürsorge wurden der Anstalt jetzt zu Teil. Die Zahl der Lehrer wurde auf zehn vermehrt, darunter 2 Konrektoren, seit 1819 ein Konrektor und ein Prorektor. Der westliche Kreuzgang wurde i. d. J. zu einen größeren Hörsaal und Festauditorium umgeschaffen und am 10. Dezember, dem Geburtstage des Großherzogs, eingeweiht. Der Großherzog gab hierzu die Baumaterialien her, das Arar der Domkirche 716 Thaler, und die übrigen Kosten des Baues wurden aus einer Sammlung freiwilliger Beiträge der Bürgerschaft bestritten. Schon am 29. Mai d. J. hatte Friedrich Franz der Schule die bis dahin auf dem Schloss aufbewahrte Bibliothek geschenkt.

Im J. 1819 wurde ein elfter Lehrer an dem Gymnasium angestellt, da der Dienst des bisherigen Schreib- und Rechenlehrers getrennt wurde. Es wurde nun auch der frühere große Hörsaal im Osten des Kreuzganges in zwei Klassenzimmer geteilt, deren die Schule jetzt sieben besaß. Zugleich wurde in dem Bodenraume über dem großen Kreuzgange an der Nordseite desselben der Bibliothekensaal gebaut, welcher auch das erst i. J. 1835 eingerichtete Bibliothekenzimmer mit umfasste. Seit dem Jahre 1817 war zum Ankaufe neuer Bücher jährlich die Summe von 50 bis 70 Thaler bewilligt, welche i. J. 1833 auf 100 Thaler jährlich erhöht wurde.

Am 29. Januar Abends zwischen 8 und 9 Uhr entstand durch die Nachlässigkeit eines Feuerwärters, welcher schon zum nächsten Tage den Sitzungssaal des Kammer-Kollegiums geheizt und zugleich eine große Menge Holz zum Trocknen in den Kamin gelegt hatte, ein nicht unbedeutender Brand auf dem großherzoglichen Schloss. Glücklicherweise wurde er rechtzeitig bemerkt und blieb auf das eine Zimmer beschränkt, dessen innere Einrichtung vernichtet wurde.

Dies Jahr brachte einen so milden Winter, dass man schon am 8. Februar Maikäfer im Freien fand. Dagegen brachte der Mai und der Juli, in dessen erster Hälfte ein sehr heller und großer Komet am Himmel stand, harte Nachtfröste, welche dem Korn ungemein schadeten.

Im Juli wurden auf den hiesigen Mühlen zur Kontrolle der Müller und der Steuer Wägeanstalten eingerichtet. Am 21. August zog man in Folge der Verfolgungen, welche die an der burschenschaftlichen Verbindung auf den deutschen Universitäten Beteiligten erlitten, in Schwerin zwei Kandidaten der Theologie ein. Am 3. September wurden sie vor einer von der Landesregierung ernannten Spezial-Kommission verhört, am 25. d. M, da das Verhör nichts Gravierendes ergeben hatte, entlassen.

Am 1. September erschien eine Verordnung über die Reihenfolge, in welcher auf den hiesigen Jahrmärkten die Schusterbuden stehen sollten. Den übrigen Buden der Handelsleute zunächst sollten die Schweriner Schuster sich aufstellen, dann die Hagenower, Krivitzer, Grabower, Rehnaer, Gadebuscher, Wittenburger, Parchimer, Brüeler, immer zuerst die Amts-, zuletzt die Freischuster jeder Stadt. Alle sollten aber nur von 10 Uhr Morgens bis 3 Uhr Nachmittags des ersten Markttages ausstehen dürfen.

Am 27. d. M. wurde auch das Ausstehen fremder Seiler auf den Jahrmärkten dahin geordnet, dass sie zwar nur während des ersten Markttages ihre Buden errichten dürften, aber so früh es ihnen beliebte, und so dass sie bis zum späten Abend stehen bleiben könnten, wenn sie wollten.

Es ging während dieses Jahres sehr unruhig in Schwerin her, da eine große Aufregung gegen die Juden der Stadt bestand, die sich in allerlei Aufrufen zu ihrer Verfolgung und Vertreibung kund gab. Sie kam aus Süddeutschland, wo sie zunächst durch bedeutende Konkurse veranlasst war, und wurde so bedrohlich, dass längere Zeit hindurch die Wachen verstärkt werden und bei Tage wie bei Nacht starke Patrouillen die Stadt durchziehen mussten. In Folge dieser Maßregeln wurde sie unterdrückt, ohne dass es zu Tätlichkeiten kann.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin