Geschichte der Stadt Schwerin von 1809 bis 1812

1809. Mit dem Rheinbunde vereinigt, musste nun das mecklenburgische Militär den franz. Oberbefehlen folgen. Da Napoleon wieder einen Kriegszug gegen Österreich begonnen, so berief er seine im nördlichen Deutschland stehenden Truppencorps zu sich. Das mecklenburgische Kontingent wurde zur Mitbesetzung von Schwedisch-Pommern beordert. Am 13. März zogen die Truppen von Schwerin nach Stralsund, wo sie in Garnison gelegt wurden.

Zur Beratung über die Tilgung der Schulden, welche Mecklenburg während der französischen Besetzung hatte machen müssen, traten im April die herzoglichen Minister mit Deputierten der Ritter- und Landschaft in Schwerin zusammen. Am 21. April wurde die Schuldentilgungs-Kommission vereinbart, welche, obwohl zu anderem Zwecke, noch besteht (s. d. J. 1847); am 19. Juni wurde sie eröffnet.


Eine reiche Ernte hatte in diesem Jahre die Preise der ländlichen Produkte ermäßigt; der Scheffel Weizen kostete 40 ßl. bis 1 Gld. der Hafer 20 bis 24 ßl. Dagegen stiegen, weil die Einfuhr noch immer verboten war, die Preise der Kolonialwaren zu unerhörter Höhe. In Schwerin wurden damals Kaffee und Zucker mit 1 Gld. pro Pfund, ein Anker mittelmäßigen Rotweins mit 20 bis 25 Gld. bezahlt. Gleicherweise stiegen die Arbeiten der Gewerbetreibenden, z. B. kostete ein Paar neuer Stiefeln 6 bis 8, eine Elle mittelfeinen Tuches 5 bis 6 Gld.

1810. Am 4. März wurde zur Aufsicht und Kontrolle über die gesamte Postverwaltung des Landes ein General-Post-Direktorium in Schwerin errichtet. Hiermit stand eine durchgreifende Ordnung des Postwesens in Verbindung, in Folge dessen am 9. Dezember die Oberpostämter Schwerin, Güstrow und Rostock und das Hofpostamt Ludwigslust errichtet, die bisherigen untergeordneten Postcomtoirs der kleineren Städte aber, jedoch mit Ausnahme der Postwärtereien, zu Postämtern erhoben wurden.

Der Andrang von allerlei Leuten, welche in der Residenz Beschäftigung suchten, war sehr groß. Es wurde deshalb die Verordnung erlassen, dass alle Personen, welche sich in Schwerin aufhalten wollten, beim Magistrate gemeldet werden sollten. Zur Kontrolle hierüber wurde am 15. April verordnet, dass alle Hausbesitzer den Um- oder Zuzug ihrer Mietseinwohner sogleich, und zwar ohne Unterschied ihres Standes und ihrer Gerichtsbarkeit, bei einer Strafe von 5 % beim Magistrate anmelden sollten. Am 1. Juni hatte sich der Erbprinz Friedrich Ludwig wieder mit Caroline Luise, Tochter des Großherzogs von Sachsen-Weimar, (geb. 18. Juli 1785, † 20. Januar 1816) vermählt. Am 18. Juli fand der feierliche Einzug in Schwerin statt. Am 2. August starb des Herzogs Friedrich Franz I. Mutter Charlotte Sophie und wurde am 7. d. M. in der fürstlichen Gruft der Nicolaikirche beigesetzt.

1811 nahm der von Napoleon gesandte französische Geschäftsträger Desaugiers seinen Sitz in Schwerin.

Die Freimaurerloge gründete i. d. J. eine Knabenschule, in welcher an arme Knaben wöchentlich zweimal Elementarunterricht erteilt werden sollte. Die Schulanstalten Schwerins für Kinder niederer Stände waren damals überhaupt in einer großen Verwahrlosung; noch lange nach dieser Zeit trieben sich Hunderte von Kindern ohne allen Unterricht herum. Wir kommen hierauf wieder zurück.

Der Sommer und der Herbst waren so mild, dass die Trauben zweimal reiften.

Napoleon hatte nun seinen Kriegszug gegen Russland beschlossen und ließ einen Teil seiner Truppen durch Mecklenburg ihren Weg nach Pommern nehmen. In den letzten Monaten war Schwerin fast immer mit durchziehenden Truppen angefüllt, von denen indessen viele desertierten. Das Oberkommando erließ deshalb unter dem 18. Dezember eine Bekanntmachung, dass Niemand von den französischen Truppen Effekten kaufen, vielmehr die Anzeige davon machen sollte, wenn solche zum Kaufe angeboten würden. Auch durfte nach 6 Uhr Abends den Soldaten kein Bier und Branntwein mehr geschänkt werden. Da aber trotz dieser Verordnung die Desertionen fortdauerten, so wurde am 21. Dezember verfügt, dass Jeder erschossen werden solle, der einen Soldaten durch Ankauf von Effekten oder durch Geschenke und Ausstellung von Legitimationspapieren zur Desertion behilflich sei.

1812. Zum Zuge gegen Russland musste sich auch das Mecklenburgische Kontingent, 1.665 Mann und 49 Offiziere unter den Generalmajor von Fallois, stellen. Diese Truppen wurden zuerst dem unter dem Prinzen von Eckmühl stehenden ersten Armeecorps, und zwar dessen vierter Division unter dem General Desaix zugeteilt; seit dem 4. September kamen sie zum neunten Armeekorps des Marschalls Victor. Zugleich fand im Frühjahre ein großer Remonte Markt für die französische Armee statt, auf welchem viele Pferde gekauft wurden. Das Kaufgeld wurde in Raten bezahlt, deren letzte am Ende September fällig war. Am 1. Oktober fand in der katholischen Kirche wegen der glorreichen Siege der großen Armee und der Einnahme Moskaus ein feierliches Hochamt mit te Deum statt.

Den Truppen, welche das Land durchzogen, waren große Massen von Vagabunden aller Art gefolgt, welche überall im Lande bettelnd und stehlend herumlagen. Indem nun gegen dies Übel die Gensdarmerie gegründet wurde, erging zugleich an alle Gastwirte und Privatpersonen das Verbot, fremde Leute ohne einen Erlaubnisschein (Nachtzettel) bei sich zu beherbergen. Der Kaufmann Mantius errichtete i. d. J. auf der Neustadt eine Tuchfabrik (der jetzige Holzhof vor der Bergstraße)
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin
Die Mecklenburger 1812 im Russlandfeldzug.

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Die Mecklenburger 1812 ... Titelblatt.

Die Mecklenburger 1812 ... Titelblatt.

Mecklenburger Truppen. Eine Originalseite aus dem Werk.

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Generalmajor von Fallois, Führer des mecklenburgischen Regiments im russischen Feldzuge 1812.

Generalmajor von Fallois, Führer des mecklenburgischen Regiments im russischen Feldzuge 1812.

Napoleon Bonaparte I. Kaiser der Franzosen 1769-1821.

Napoleon Bonaparte I. Kaiser der Franzosen 1769-1821.

Das Handwerkszeug eines französischen Soldaten.

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Napoleon 1769-1821 & Alexander I. 1777-1825.

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