Geschichte der Stadt Schwerin von 1788 bis 1795

1788. Der Schelfkirchhof, welcher i. J. 1773 außerhalb der Stadt auf das Schelffeld verlegt war, hatte seit der Zeit seiner Einweihung i. J. 1778 vielfache Unzufriedenheit erregt, weil der Boden auf ihm zum Teil so feucht war, dass die Leichen oft förmlich im Wasser beerdigt werden mussten. Schon früher hatten die Bürger der Schelfe gebeten, dass eine andere Stelle für den Kirchhof erworben werden möge. Da diese Bitte nicht gewährt worden, so petitionierten sie jetzt um die Erlaubnis, ihre Leichen gegen die übliche Gebühr auf dem neuen Domkirchhofe beerdigen lassen zu dürfen. Diese Bitte konnte wegen des Wiederspruchs der Altstädtischen nicht gewährt werden; indessen versuchte man jetzt, die Feuchtigkeit vom Schelfkirchhofe abzuleiten, wahrscheinlich mit Erfolg, denn wir finden keine weiteren Beschwerden der Bürger.

Der Herzog hatte am 5. Mai mit Holland einen s. g. Subsidienvertrag geschlossen, nach welchem er gegen eine jährliche Zahlung von 30.000 Gld. holl. Crt. dem Erbstatthalter Wilhelm V. von Holland ein Corps von 1.000 Mann, meistens geworbener Truppen zustellte. Diese sammelten sich in Schwerin und wurden am 28. Juli, unter dem Kommando des Generalmajors von Glüer, nach Boizenburg geführt und von dort auf der Elbe hinunter und weiter zu Wasser nach Holland gebracht. Erst im Jahre 1796 kehrten sie zurück, nachdem viele von ihnen desertiert waren.


Um diese Zeit befanden sich zwei Apotheker in Schwerin; der eine, Namens Klockmann war Administrator der Apotheke in der Königsstraße, welche dem jungen Wettstein zugehörte, und eben zum herzoglichen Hof-Apotheker ernannt worden. Der andere Apotheker hieß Wilhelm Niedt und wohnte „neben dem Rathause, mit welchem ein Haus durch eine gemeinschaftliche Hauswand verbunden war“ (Das Böhmische Haus am Markte?) Er wünschte jetzt auch einen Titel und wandte sich deshalb an den Magistrat mit der Bitte, sich E. E. Rats Apotheker nennen zu dürfen, da sein Geschäft „wirklich die frühere Ratsapotheke“ gewesen sei. Der Magistrat gestattete sein Gesuch. Auch als Niedt i. Jahre 1793 starb, behielt sein bisheriger Partner Glaudenberg, welcher das Geschäft für sich und die Niedt’schen Erben fortsetzte, jenen Titel bei.

Auf dem Alten Garten ließ der Herzog das ehemalige Ballhaus, damals Reithaus, an Stelle des jetzigen Schauspielhauses, zum Schauspielhause einrichten. Das Gebäude wurde als solches bis zum Jahre 1831 benutzt; am 22./23. April d. J. brannte es bekanntlich gänzlich nieder.

1789. Am 16. Juni erging die Verordnung, dass das Neujahrs-Gratulieren in Schwerin. Allen verboten sein solle, mit Ausnahme der Chorschüler, Stadtmusikanten, Hautboisten, Tambours und Trompeter; die Müllergesellen sollten nur bei Bäckern und Brauern gratulieren dürfen. Der Sitte wurde übrigens durch diese Verordnung nicht abgeholfen; noch in den 30ger Jahren d. f. Jahrh. war sie in vollem Gauge, selbst von Seiten der Gerichtsdiener, Scharfrichterknechte, Schornsteinfeger u. A.

Die Ernte d. J. war sehr reich. Da aber in Frankreich fast eine Hungersnot herrschte und der französische Krieg viel Korn verschlang, so waren die Preise desselben sehr hoch; es wurde viel ausgeführt und kaum konnten die Bürger Schwerins ihren Bedarf kaufen. Deshalb wurde am 22. Oktober den Kornhändlern untersagt, vor den Toren und in der Vorstadt Getreide unter 1/2 Last von den Kornwagen zu kaufen. Auch Kartoffeln sollte keine Familie in größerer Menge kaufen dürfen, als 3 Scheffel zur Zeit.

Am 19. Dezember wurde die Verordnung vom 28. Dezember 1781 und 2. August 1785 erneuert, nach welcher beladene Wagen nicht über die Schlossbrücke fahren, in der wilden Allee des Schlossgartens nur Leute vom Adel und angesehene herzogliche Bedienten spazieren fahren, der Weg um den Rohrteich aber nur von Reitern ohne Mantelsäcke benutzt werden sollte.

1790. Am 21. August d. J. feierte der Rektor der Domschule Joh. Christ. Clemann sein 50jähriges Jubiläum. Eine Beschreibung desselben findet sich in der damaligen Schweriner Zeitung*); wir teilen sie wegen der städtischen Örtlichkeiten, welche sie nennt, hier auszugsweise mit „Der Aufzug der Primaner geschah um 11 Uhr Mittags, unter Vorausgehung der Stadtmusikanten mit Pauken und Trompeten in folgender Ordnung: 1) Ein Schüler mit bloßem Degen; 2) Zwei Marschälle; 3) Ein Schüler, der die Anrede halten sollte (Monsieur Bouchholtz); 4) Zwei Schüler als Chapeau d'honneur, in deren Mitte ein dritter ging, der auf einem blauseidenen Kissen ein auf diese Feier verfertigtes, auf weißen Atlas gedrucktes Carmen trug; 5) Die übrigen Schüler paarweise, begleitet von 2 Schülern als Adjutanten; 6) Ein Schüler mit bloßem Degen zum Beschluss. Der Zug ging von der Bergstraße der Neustadt durch die Steinstraße (der Teil der jetzigen Königsstraße von Minets Hof bis zur Nicolai-Kirche; die letzte Hälfte dieser Straße hieß früher Ritterstraße), am herzoglichen Palais vorbei, zur Altstadt durch die Neue Straße (Friedrichstraße), die Faule Grube, die Mühlen- und Königsstraße zum Domkirchhof nach des Herrn Rektors Behausung. Nach beendigtem Akt (Rede und Gegenrede) begab sich der ganze Zug, unter Vortritt des wegen Alter und Gesichtsschwäche von 2 Schülern geleiteten Rektors und sämtlicher Schullehrer, zum Gasthause des Herrn Küchenmeisters Schenk, „der Prinzenhof“ genannt (Minets Hof?) usw.

*) Die erste privilegierte Zeitung gab mit dem Anfange des Jahres 1757 der Hofbuchdrucker Wilhelm Bärensprung heraus unter dem Titel: „Schwerinsche Zeitungen von den merkwürdigsten Weltgeschichten.“ Sie erschien zweimal wöchentlich, Donnerstags und Sonntags in 4°. Von Ostern 1758 an erschien sie Mittwochs und Sonnabends, ein Anhang Donnerstags und Sonntags. Sie hörte mit dem Schlusse des Jahres 1765 auf, wurde jedoch schon mit Anfang des Jahres 1767 unter dem Titel: „Schwerinsche Zeitung von den merkwürdigsten Staatsgeschichten“ wieder herausgegeben, und zwar Montags und Donnerstags je 1/2, Sonnabends ¼ Bogen in 4°. Seit 1768 erschien sie Montags, Mittwochs und Sonnabends, seit Johannis 1776 brachte jedes Stück als Anhang einen „gelehrten Artikel“ (Rezensionen u. dgl.) Von Johannis 1779 an erschien Mittwochs und Sonnabends das gewöhnliche Stück von je ½ Bogen, Montags und Donnerstags aber ein Nachtrag von je 1/4 Bogen. Seit Ostern 1781 wurden zwei Stücke wöchentlich, Dienstags und Freitags, ausgegeben. 1807 erschien sie in 8°, Montags und Donnerstags, je 1/4 Bogen, jedoch, wenn erforderlich, mit Beilagen.

Die Stadt legte in diesem Jahre am Mühlentore neben den Walle, geradeüber der Wache, an dem Platze, wo früher der Esel gestanden hatte, auf dem die Strafen an Soldaten vollzogen wurden, einen Bauhof an.

1791 legte der neue Rektor der Domschule Joh. Gotth. Schmidt (Clemann war pensioniert worden) das physikalische Kabinett des Gymnasiums an, welches jedoch bis zum Jahre 1840 sehr unvollständig blieb. 1792 wurde die herzogliche Regierungs-Bibliothek zu Schwerin gegründet. Auch wurde jetzt den hier wohnenden Katholiken der Bau einer Kirche mit Turm und Glocke erlaubt und derselbe begonnen. Die katholische Mission, welche unter den Herzogen Christian Louis und Friedrich Wilhelm in Schwerin Fuß gefasst hatte, und von Christian Ludwig II. geduldet worden war, hatte unter dem Herzoge Friedrich 1773 nebst dem von ihr gegründeten Seminar eingehen müssen, weil der Papst Clemens XIV. den Jesuiten-Orden, sowie der Kaiser Josef II. das nordische Missions-Institut zu Linz, von welchem das Schweriner abhing, aufgehoben hatte. Die von jetzt an erbaute katholische Kirche ist nun diejenige, welche noch heute in der Schlossstraße besteht.

Es ereignete sich in diesen Jahre, dass plötzlich eine große Menge von Menschen in Schwerin unter Vergiftungs-Anzeichen erkrankten und mehrere der Erkrankten starben. Die Untersuchung stellte heraus, dass jenes in Folge des Genusses von „barschem Käse“ geschehen sei, welcher vom Hofe Rogahn hereingeschickt war. Es ergab sich, dass die dortige Haushälterin die Käse aus Nachlässigkeit lange in einem kupfernen Kessel hatte stehen lassen, wodurch sie sich mit Grünspan vermischt und so das erwähnte Unglück angerichtet hatten.

1793. Die Eximierten der Altstadt besaßen das Recht, von den Berechnungen derjenigen städtischen Kassen, zu welchen die Beiträge leisten mussten, Kenntnis zu nehmen und nach ihrem Ermessen gegen die Erinnerungen zu machen. Am 12. Januar d. J. wurde ihnen dies Recht ausdrücklich bestätigt, zugleich aber verfügt, dass sie es nur in den zur Rechnungsaufnahme angesetzten und öffentlich vom Magistrate bekannt gemachten Terminen ausüben dürften, mit späteren Erinnerungen aber ausgeschlossen werden sollten.

Es war in diesem Jahre in der Domkirche unter der Orgel ein neues Chor erbaut worden, welches zur Hälfte der Domschule eingeräumt wurde. Nun wurde das alte Schülerchor weggebrochen. Das Chor unter der Orgel wurde erst i. J. 1847 abgebrochen; man konnte nämlich von ihm aus, da die Kanzel i. J. 1818 an ihre jetzige Stelle, d. h. zwei Pfeiler weiter gegen den Altar hin verlegt worden war, die Predigt nicht ordentlich verstehen. Am 20. Dezember d. J. wurde aus einem Vermächtnisse der Herzogin Friederike Luise eine Stiftung zur Erziehung unbemittelter Töchter landesherrlicher Bedienten gegründet. Dieselbe hat ihren Verwaltungssitz zu Schwerin, besteht aus 16 Hebungen, jede von 100 Gld. N 2/3 jährlich und besitzt ein Stiftungsvermögen von 40.000 Gld. N 2/3 zu 4 Prozent. Am 31. März 1794 wurde dies Vermächtnis landesherrlich bestätigt.

1794 beauftragte der Herzog die Hofprediger Martini, Studemund und Passow mit der Zusammenstellung eines neuen Gesangbuches. Martini starb bald und trat der Konsistorialrat Tode in seine Stelle. Das neue Gesangbuch war schnell fertig und wurde noch im selben Jahre veröffentlicht, jedoch nur für die Hofgemeinden in Schwerin und Ludwigslust eingeführt.

Am 1. Mai wurde alle Beschädigung der Wälle und Palisaden bei Karrenstrafe verboten. In diesem Jahre vertauschte die Kammer ein Stück Acker von 366 Q.-Ruthen am Ostorfer Wege, frei von Abgaben aller Art, so wohl von Grundsteuer, wie auch von sonstigen Erlegnissen, gegen ein städtisches Grundstück des Kaufmanns Schönberg. Dieser verkaufte den Acker an den Oberamtmann Herzberg, welcher aus ihm 2 Gärten machte und beide i. J. 1796 wieder an den Regierungsrat Krüger verkaufte. Letzterer vereinigte beide, kaufte im Jahre 1802 den Kirchweg nach Ostorf, welcher um diese Gärten herumgeführt hatte, aber im Jahre 1801 gelegt worden war, dazu und er warb auch die auf der anderen Seite des Weges gelegene s. g. Stange’sche Koppel. Im Jahre 1818 vergrößerte er den Garten noch durch Ankauf von 162 Q.-Ruthen des Ostorfer Feldes und bildete so das Grundstück des jetzigen Malchinischen Gartens zwischen der Chaussee und dem Ostorfer See vor dem Hamburger Tore.

1795. Am 17. Januar wurde verordnet, dass das Sperrgeld, welches die nach Torschluss einpassierenden Wagen an jedem Stadttore erlegen mussten (von jedem Pferde 2 ßl.), nur gegen gedruckte oder mit Buchstaben ausgefüllte Zettel abgegeben werden solle, da sich hierbei mancherlei Missbräuche eingeschlichen hatten.

Am 7. Februar wurde das schnelle Jagen mit leeren Wagen und losen Reitpferden in allen Straßen der Stadt bei strenger Strafe verboten.

Es fand in diesem Jahre ein neuer Bau der großen Brücke vor dem Mühlentore statt. Den ganz massiven Bau führte der Maurermeister Jalaß aus, die eisernen Brückenpfosten waren ein Geschenk des Herzogs, das eiserne Geländer aus Schmiedeeisen verfertigte der Schmiedemeister Joh. Kothmann. Am 11. November d. J. war die neue Brücke vollendet. Der ganze Magistrat versammelte sich an diesem Tage vor derselben; es wurde eine Einweihungsrede gehalten, sodann bestiegen die Mitglieder des Magistrats 2 Kutschen und fuhren feierlich mit Musik über die Brücke, die dem Verkehre damit eröffnend.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin