Geschichte der Stadt Schwerin von 1741 bis 1749

1741 siedelte Carl Leopold von Wismar nach Dömitz über, von wo aus er zwar noch mehrere Versuche machte, seinen Bruder aus Schwerin durch Erregung von Aufruhr zu entfernen, doch gelangen diese nicht und sind für die Geschichte der Stadt nicht weiter wichtig. In diesem Jahre wurde der erste Buchladen in Schwerin errichtet. Der Magistrat hatte zu diesem Zwecke ein Zimmer des Rathauses nach der Straße zu herstellen lassen und verpachtete es zu Michaelis an den Buchführer Wilhelm Brandt, der bisher in Hamburg konditioniert hatte, einen tüchtigen Mann, welcher später Ratsherr und Bürgermeister wurde und sich um die Stadt sehr verdient machte. Bis zum Jahre 1763 zahlte Brandt für den Laden jährlich 20 Gld. Pacht, von dieser Zeit an 24 Gld. Im J. 1774 ging der Laden an die Buchführer Buchenroder und Ridder aus Hamburg für 30 Gld. Jahrespacht über und bestand bis 1780, wo er im Rathause einging.

1742 entstand zwischen der Stadt und der Kammer ein Streit wegen der Fischerei auf dem. Fließgraben. Nach einem Zeugenverhöre gehörte der Stadt früher die Fischerei auf dem Graben vom Bischofhofe an links bis zu dem ebenfalls der Stadt gehörigen „Heller“ oder Fischteich, welcher „früher zwischen dem Rosengarten und dem Reperwall (Reiferwall) gelegen hatte*), jetzt aber von der Stadt mit in den Stadtgraben gezogen war.“ Die Stadt hatte ihre Fischerei nicht selten an Privatpersonen vermietet, z. B. 1721 an den Obermarschall von Löw, nach welchem sie der Oberst von Zülow mietweise besessen hatte, und auch der General von Tilly hatte sie, als er 1703 in Schwerin wohnte, gemietet gehabt. Vom Bischofshofe aus rechts bis zum Pfaffenteiche hin hatte die Fischerei auf dem Fließgraben ursprünglich dem Stifte zugestanden, war also 1648 mit an den Herzog und von ihm an die Kammer gefallen. Auf dem Pfaffenteiche stand die halbe Fischerei, nämlich auf der stadtwärts gelegenen Hälfte, dem Stifte und später der Kammer zu, diejenige aber auf der feldwärts gelegenen Hälfte der Stadt. Die Fischerei wurde durch Körbe und Reusen ausgeübt, so dass jeder Berechtigte leicht auf seinem Gebiete bleiben konnte, so lange das Recht nicht zweifelhaft war.


*) Der Reiferwall wird in den städtischen Akten erst i. J. 1779 wieder genannt, als es sich um die Verlegung des Domkirchhofes vor die Stadt handelte. Damals lag er in der Nähe der jetzigen Reiferbahn hinter dem Kirchhofe. Wenn die Reiferbahn von 1779 identisch ist mit dem Reiferwall von 1742, so muss der Rosengarten in der Nähe des jetzigen Marienplatzes gelegen haben.

Jenseits des Fließgrabens, wo jetzt die Demmler’schen Häuser stehen, bis über das Arsenal hinaus, lag damals eine Wiese hinter dem Garten und Hause des Oberforstmeisters von Crivitz, welches letztere in der Nähe der jetzigen Martinstraße lag. Dieser von Crivitz hatte die Fischerei auf dem Stadtgebiete des Pfaffenteichs gepachtet, welche ihm nun aber die Kammer streitig machte. Es gab eine lange Untersuchung, während welcher sich übrigens die Kammer in den Besitz der Fischerei setzte, indem sie einen Wächter ins Bischofshaus legte, der die Körbe fortnahm, welche von Crivitz durch seine Diener in den See legen ließ, sogar einmal auf sie schoss, als sie damit nicht aufhörten. Aus den vielen Zeugenverhören, welche in dieser Angelegenheit aufgenommen wurden, ergab sich der Sachverhalt, wie er hier dargelegt worden ist, und wurde die Stadt schließlich wieder in den Besitz der ihr zustehenden Fischerei gesetzt.

1743. Der Kaufmann Plötzky hatte seinen Turm an der alten Stadtmauer durch eine Brücke über den Fließgraben mit dem Lande verbinden lassen. Diese Brücke war nur schmal und eigentlich nur für den eigenen Gebrauch bestimmt gewesen; da aber die Bewohner der Faulen Grube sie viel benutzt hatten, so ließ Plötzky sie abbrechen, damit ihm nicht die Verpflichtung entstehe, für alle Zeiten eine solche Brücke halten zu müssen. Den Bürgern dieser Gegend war aber der Abbruch sehr unangenehm; in Massen petitionierten sie beim Magistrate, dass er auf Kosten der Stadt eine neue Brücke für Fußgänger an derselben Stelle erbauen lassen möge. Der Magistrat war nicht abgeneigt; es reichten aber 2 Bürger eine Gegenpetition ein, in der sie darauf aufmerksam machten, dass solche Brücke leicht zum Defraudieren benutzt werden könne. Aus diesem Grunde wurden erstere abgewiesen; erst i. J. 1770 wurde nach neuem Petitionieren der Bau einer 5 Fuß breiten Brücke bewilligt, auf der ein eisernes Kreuz angebracht werden sollte zur Verhinderung des Überreitens und Viehtreibens. Gewiss erinnern sich noch viele Bewohner Schwerins an die kleine Brücke, welche von dem Durchgange der Faulen Grube aus über den Fließgraben führte.

Am 15. Juli d. J. schenkte Christian Ludwig der jüngsten Schützenzunft eine goldene Königskette mit dem Bilde seines jüngsten Sohnes, des Prinzen Ludwig, welcher in diesem Jahre König der Zunft geworden war. Auch die älteste Schützenzunft erhielt an diesem Tage vom Prinzen Ludwig eine goldene Kette mit seinem Bildnis.

Das Rathaus wurde bedeutend erweitert, der Bau währte bis ins folgende Jahr. Der Magistrat erhielt zu ihm eine jährliche Beihilfe von 1.300 Gld. aus der Lotterie. 1744 war der Bau vollendet und wurde nun vom Maler Johann Christian Busch das ganze Rathaus nach der Marktseite hin (nur an dieser) gelb und blau bemalt; die Fensterluchten musste er aschfarben anstreichen.

In diesem Jahre wurde der Bürger und Schneidermeister Johann Hellmut Ladewig auf seine Bitten vom Rate zum „ordentlichen Hochzeits- und Kindtaufsbitter“ ernannt. Früher gab es ein solches Amt nicht; es bestand auch nur bis zum Ende des 18. Jahrh. die letzte Anstellung eines Hochzeitsbitters fand im Jahre 1791 statt.

1746 brach die Rinderpest, welche schon seit zwei Jahren im Lande gewütet hatte, auch in Schwerin aus. Sie war sehr verheerend und dauerte in der Umgegend fast ununterbrochen bis zum Jahre 1760 fort; in der Stadt wurden sehr kräftige Maßregeln gegen die Seuche getroffen, die Jahrmärkte gänzlich eingestellt und ein Cordon um die Stadt gezogen, worauf sie sich in dieser fast gänzlich verlor.

1747 am 28. November starb der Herzog Carl Leopold in Dömitz. Da er keine Kinder hinterließ, so fiel die Herrschaft jetzt an den bisherigen Administrator des Landes, Herzog Christian Ludwig, unter welchem sich nun die Verhältnisse friedlicher gestalteten.

Der neue Herzog begann noch in diesem Jahre den Bau der Gemälde-Galerie auf dem Schloss, eines in Holz gemauerten Gebäudes über dem gewölbten Erdgeschoss der Auffahrt und der Küsterwohnung. 1756 war dieselbe vollendet und wurde von dem kunstliebenden Herzoge mit Gemälden geschmückt, welche er vorzugsweise in den Niederlanden aufkaufen ließ und die noch jetzt eine Zierde der großherzoglichen Sammlungen bilden.

1749 wurde der Garten vor dem Schloss, der i. J. 1708 angelegte Schlossgarten, bedeutend erweitert und verschönert; auch der Alte Garten wurde neu angelegt und in der Mitte mit Springbrunnen geschmückt. Dieser Alte Garten umfasste damals den Raum, welcher jetzt noch unter diesem Namen begriffen wird, bis zu dem Wege, welcher aus der Stadt zum Schloss führt. Er war mit einer Allee von schönen Lindenbäumen umgeben und mit Rasenplätzen und Blumenpartien geschmückt. An der Stelle des jetzigen Schauspielhauses stand damals das im Jahre 1698 erbaute fürstliche Ball- später Reithaus, dasselbe Gebäude, welches i. J. 1788 zum alten Schauspielhause eingerichtet wurde. Auf der südwestlichen Hälfte des Alten Gartens lag das alte Reithaus, der s. g. „lange Stall“ mit der offenen Reitbahn davor, welche erst i. J. 1842 einging. An der Stelle des jetzigen Palais der Frau Großherzogin Mutter Alexandrine standen damals einige alte Buden, welche erst zu Anfange des 19. Jahrh. vom Erbgroßherzog Friedrich Ludwig, dem ältesten Sohn des Großherzogs Friedrich Franz I., angekauft und zum Absteigequartier eingerichtet wurden. Dort, wo jetzt das Regierungsgebäude steht, befanden sich damals die fürstliche Kornscheune, das „Korn- und Wagenhaus“ und das Gebäude der Burgschule (1553–76), in welchem von 1558–1715 die Justiz-Kanzlei, zu dieser gehörig auf dem Boden die Tortur, und im unteren Raume seit 1711 die fürstliche Bibliothek eingerichtet waren. Zwischen diesen Häusern und dem alten Reithause lagen die Hausvogtei und die fürstliche Bahnschmiede.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin