Geschichte der Stadt Schwerin von 1717 bis 1722

1717. Diese Truppen [die 3.300 Mann Peters d. Großen, s. d. J. 1716] nahm Carl Leopold, welcher seit dem Antritt seiner Regierung in dauernden Streite mit seinen Ständen, der Ritterschaft sowohl, wie der Stadt Rostock gestanden hatte, in seinen eigenen Dienst. Die Zwistigkeiten des Herzogs mit jenen hatten um diese Zeit eine solche Höhe erreicht, dass ein großer Teil der Gutsbesitzer aus dem Lande geflüchtet war und der Engere Ausschuss selbst sich (seit 1716) in Ratzeburg niedergelassen hatte, hier geschützt durch den König Georg I. von England. Da nun der Herzog, welcher gerade von sämtlichen Superintendenten Mecklenburgs den Landeskatechismus verfassen ließ, entschlossen war, diesen Zwist mit den Ständen aufs Äußerste zu führen und auf nichts Geringeres ausging, als auf die gänzliche Beseitigung der ständischen Verfassung, so hatte er schon längst eine ansehnliche Truppenmacht gesammelt, welche nach Anwerbung der Russen sich auf 11.550 Mann belaufen haben soll. Das Kommando über sie führte der Generallieutenant Curt von Schwerin (der spätere berühmte Heerführer Friedrichs d. Gr. von Preußen) und ein großer Teil von ihnen war in Schwerin kaserniert. Auch errichtete der Herzog 2 Bataillons Landmiliz, von denen das eine unter dem Obrist Kohlhans in Güstrow, das andere unter dem Obrist Bugenhagen in Schwerin lag. Diese Leute wurden von den Ämtern gestellt, die Offiziere ernannte der Herzog, der auch die Truppen, um sie stets zur Hand zu haben, fortwährend besoldete. Dies war eine neue Einrichtung, da die Truppen bisher nur dann Sold erhielten, wenn sie in Garnison lagen, was selten geschah; gewöhnlich hatten sie bei den Bauern als Knechte arbeiten und ihren Lohn selbst verdienen müssen.

Die Ritterschaft des Landes rüstete sich indessen gleichfalls zum Widerstande gegen den Herzog, indem sie die Streitigkeiten mit demselben vor den Kaiser brachte. Carl Leopold berief die Stände i. d. J. zweimal nach Schwerin, zum 27. Juli und zum 1. Oktober; sie sollten das Geld zur Unterhaltung der herzoglichen Truppen bewilligen. Es erschienen jedoch sehr wenige von ihnen, welche sich natürlich weigerten; der Engere Ausschuss war immer noch in Ratzeburg. Inzwischen hatte der Kaiser den Könige Georg I. als Churfürsten von Hannover und dem Herzoge August Wilhelm von Braunschweig-Wolffenbüttel das Kommissorium erteilt, die Streitsache des Herzogs mit den Ständen zu untersuchen und beizulegen, eventuell den Herzog mit gewaffneter Hand zum Frieden zu zwingen. Hiergegen protestierte Carl Leopold und schloss in Dezember ein Bündnis mit dem Könige Friedrich Wilhelm I. von Preußen.


1718. Jetzt schritt der Herzog immer gewaltsamer gegen die Ritterschaft ein, erklärte die Geflüchteten für Rebellen, zog ihre Güter ein und ließ die von ihnen veröffentlichten Schriften am 25. Juni zu Sternberg, Rostock, Schwerin, Güstrow und Parchim auf offenem Markte durch den Henker verbrennen. Sein gewaltsames Vorgehen machte aber den König von Preußen ihm abgeneigt, welcher am 4. Oktober schriftlich erklärte, dass er sich ganz außer dem Spiele halten wolle, wenn der Herzog nicht einlenke. Diesem lag aber nichts ferner, er mochte wohl von Peter d. Gr. eine tätige Hilfe erwarten. Er ließ deshalb, während Hannover und Braunschweig rüsteten, die Städte des Landes, namentlich Rostock, Schwerin, Dömitz und Güstrow befestigen und machte seine Truppen mobil. Da es ihm für seine Kavallerie an Pferden fehlte, nahm er solche wo er sie finden konnte, von Landleuten und Bürgern ohne Weiteres fort und ließ selbst den Reisenden ihre Pferde vor den Wagen wegnehmen. Am 11. Dezember brachen die Exekutionstruppen gegen Mecklenburg auf.

1719 vom 25.–27. Februar überschritten sie, 12–14.000 Mann stark, unter dem Kommando des hannöverschen Generals von Bülow die Elbe, und trieben die schwächeren, nur 7–8.000 Mann starken herzoglichen Truppen, welchen Carl Leopold den Angriff untersagt hatte, in der Richtung nach Schwerin vor sich her. Bei Walsmühlen kam es in der Nacht vom 5. zum 6. März zu einem Gefechte, in welchem die herzoglichen Truppen einen vollständigen Sieg errangen und darauf ihren Rückzug weiter nach Schwerin hin fortsetzten. Sie hielten sich hier nur einige Tage auf und nahmen am 9. März ihren Weg ins östliche Mecklenburg; jedoch blieb eine Besatzung von 120 Mann unter dem Kommando des Kapitäns Langheim in Schwerin zurück. Inzwischen war auch die Exekutionsarmee vor Schwerin angelangt und hatte in Rogahn Hauptquartier genommen. Später wurden die einzelnen Abteilungen in den umliegenden Dörfern bis nach Pinnow hin verteilt. Am 10. März kam der Train an und am 11. wurde die Stadt zur Übergabe aufgefordert. Da sie sich nicht halten konnte, warf sich der Kapitän Langheim ins Schloss und suchte dies zu verteidigen; aber die Bomben, welche von den Gegnern ins Schloss geschleudert wurden, zwangen ihn bald zur Übergabe. Der General von Bülow hielt sich jedoch gleichfalls nicht lange in Schwerin auf, legte eine Besatzung unter dem Brigadier von Recke in die Stadt und aufs Schloss und zog dann den mecklenburgischen Truppen über Crivitz nach. Die in Schwerin liegenden Kranken und Verwundeten, sowie die im Schloss Gefangenen wurden dem Herzoge ausgeliefert, welcher sich nach Berlin und von dort auf das Kgl. Amt Goldbeck bei Wittstock begab. Seine Truppen räumten Anfangs April das Land, dessen östlichen Teil sie vorher noch tüchtig verheert und ausgeplündert hatten; die Russen zogen in ihre Heimat, die Mecklenburger zerstreuten sich oder traten in preußische Dienste.

Die Exekutions-Armee wurde nun im ganzen Lande in Quartiere gelegt; nach Schwerin kamen 3 Schwadronen Dragoner von den Regimentern St. Laurent, Penz und Wend und ein Bataillon Infanterie vom Regiment Delleur. Das Schloss blieb indessen nicht lange besetzt, sondern wurde für den Fall geräumt, dass der Herzog zurückkehren wollte. Unter Vermittlung der Kommissarien sollten nämlich nun durch Vereinbarung mit den Ständen die Zustände des Landes geordnet werden und man vermutete, dass der Herzog selbst oder durch eine Beamten hieran Teil nehmen würde. Für diesen Fall sollten die Exekutionstruppen Schwerin gänzlich räumen und dem Herzoge übergeben, doch sollte dieser nach kaiserlicher Verfügung nicht mehr als 100 Mann, mit Ausnahme seiner Leibwache zu Pferde, mit in die Stadt nehmen dürfen. Carl Leopold kann aber nicht; er ging von Goldbeck auf einige Zeit nach Demmin und bei gab sich alsdann im September d. J. nach Dömitz, welcher Ort ihm auf ausdrücklichen Befehl des Kaisers gelassen werden sollte.

Die kaiserliche Kommission, bestehend aus den Räten von Spörcke, von Alvensleben, von Heimburg und von Steinberg, waltete nun von Rostock aus unumschränkt im Lande. Überall hatte sie die herzoglichen Kassen mit Beschlag belegen lassen; aus Schwerin waren dem Herzoge durch treue Beamte Gelder nachgesandt, weshalb nun die Kommission, wie Carl Leopold selbst klagt, sich der Postverwaltung bemächtigte und die Postillone durch Soldaten anhalten ließ, so dass sie nicht nach Schwerin zum herzoglichen Postcomtoir fahren konnten. Man hatte unweit Wittenförden in einem vom Herzoge nicht dazu angewiesenen Holze „ein Winkelnest hingesetzt“ in welchem die Posten abladen mussten, wodurch Carl Leopold sich „aufs Äußerste violiret und die Sicherheit der Correspondenz occupiret“ hielt. In den Holzungen um Schwerin wurde Militär angewiesen, das nötige Brennholz zu hauen, der See wurde befischt, wozu man die fürstlichen großen Netze und Waden sich angeeignet hatte, und den herzoglichen Jägern wurde verboten, Wild zu schießen und zu verkaufen. Die fürstlichen Pferde im Marstall vernachlässigte man dagegen gänzlich und verabreichte ihnen weder Futter, noch Stroh, so dass ein Teil von ihnen krepierte und die Stallbedienten flüchteten. Dies Alles geschah, während die kaiserliche Kommission mit der Ritterschaft über die Landesangelegenheiten beriet (die Städte hatten sich, mit Ausnahme Rostocks, bei allen diesen Wirren passiv verhalten, da sie sich schon für sich allein mit dem Herzoge verglichen hatten.)

1721. Die kommissarischen Verhandlungen dauerten noch fort; im Dezember d. J. begab sich aber der Herzog von Dömitz, wo die Besatzung eine Verschwörung gegen ihn angezettelt und ihm den Aufenthalt verleidet hatte, nach Danzig und nahm hier auf längere Zeit seinen Wohnsitz. Kurz vorher hatte ihn der Rektor der Domschule, Johann Wiez, um die Erlaubnis gebeten, im Ballhause auf dem Alten Garten oder auf dem Rathause, nach gnädigter Anleihung einiger noch bei Hofe (von dem früheren Theater her, s. d. J. 1713) vorhandenen Kleider und Maschinen, mit seinen Schülern „biblische und Moral-Komödien üben“ zu dürfen, und solche auch erhalten.

Der Dr. Johann Friedrich Scharf hatte in diesem Jahre den neben seinem Hause in der Grünenstraße gelegenen Garten, welcher bisher nur durch ein Geländer befriedigt war, mit einer Mauer umziehen lassen (welche noch besteht) Hierbei hatte er einen Teil der Straße mit zu seinem Garten genommen und entstand deshalb eine Untersuchung darüber. Er verteidigte sich jedoch damit, dass er die Gartenfronte nur habe gerade legen und dadurch die Straße, welche „eine rechte Cloac-Straße“ sei, bessern wollen. Dem stimmte auch der Magistrat bei und erhielt also der nördliche Teil dieser Straße hierdurch seine jetzige Gestalt.

1722. In der Zwischenzeit hatten die kaiserlichen Kommissarien und die Ritterschaft ein die Landstädte sehr beschwerendes Kontributionsedikt erlassen, gegen welches die „arme Bürgerschaft der Stadt Schwerin“ am 17. Januar remonstrierte. Die Städte sollten nach Hufen und Erben steuern, in Schwerin gäbe es aber keine Erben. Man sage nun zwar, als ein Erbe solle jedes Haus mit einer bürgerlichen Nahrung und einem zugehörigen Acker betrachtet werden. Aber es befände sich kein Haus in der Stadt, zu welchem eine Handbreit Ackers eigentümlich gehöre, folglich könne es nicht von solchem steuern. Der Acker gehöre der Stadt und sei nur von geringem Umfange; das neue Steueredikt „depenpliere die städtischen Schäfereien, welche die Ritterschaft schon seit längerer Zeit gänzlich zu ruinieren“ beabsichtige.

Am 6. Juni starb der eben erwähnte Rektor Johann Wiez. Zu seinem Nachfolger war der Mag. Ludwig Gerhard designiert, gegen welchen aber die Geistlichkeit protestierte, weil er, „obwohl sonst ein Mann von vielen guten Gaben, der verführerischen, höchst ärgerlichen Lehre vom ewigen Evangelium anhängt und glaubt, dass die Teufel mit allen verdammten Gottlosen noch dereinst eine vollkommene Erlösung zu erwarten hätten.“ Die Geistlichkeit setzte nun zwar ihren Wunsch durch, aber das Rektorat blieb bis z. J. 1724 unbesetzt, wo der Mag. Nicolaus Jacob Märk, ein Bützower, berufen wurde, dessen dauernde Kränklichkeit der Schule später sehr nachteilig wurde. Er hatte sich „gleich im ersten Jahre des Rektorats das malum hypochondriacum mit febre lenta scorbutica zugezogen, welches sich allmählich so verschlimmerte, dass böse suiten nicht ausbleiben konnten.“
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin