Geschichte der Stadt Schwerin von 1713 bis 1716

1713. Am 31. Juli starb der Herzog Friedrich Wilhelm zu Mainz, wohin er sich begeben hatte, um das nahe Schlangenbad zu gebrauchen, im Alter von 38 Jahren. Seine Leiche wurde nach Schwerin gebracht und am 13. März 1714 (nach Klüver) in der von ihm erbauten Schelfkirche beigesetzt. Er war mit Sophie Charlotte, des Landgrafen Carl von Hessen-Kassel Tochter vermählt († 30. Mai 1749 zu Bützow), hinterließ aber keine Kinder aus dieser Ehe, weshalb ihm ein ältester Bruder Carl Leopold, geb. am 26. November 1678, welcher bisher zu Doberan residiert hatte, in der Regierung folgte. Am 4. August nahm der Hofintendant Walter die Stadt und die Bürgerschaft Schwerins für den neuen Herzog in Pflicht. Friedrich Wilhelm war ein um Schwerin sehr verdienter Fürst, nicht nur durch eine Vergrößerung der Stadt, durch seine uneigennützige Erweiterung und Verschönerung der Schelfe, sondern auch dadurch, dass er die Hebung der industriellen Tätigkeit in ihr auf mancherlei Weise zu fördern suchte. Die Regelung der städtischen Finanzen und der städtischen Verwaltung überhaupt lag ihm sehr am Herzen und wir haben oben gesehen, dass er seine eigenen Wünsche, selbst seine Lieblingswünsche, dem Wohle der Stadt unterzuordnen vermochte. Alles, was die Handels- und Gewerbetätigkeit des Landes mehren konnte, unterstützte und förderte er, und es ist kein Tadel für ihn, sondern eine Folge anderer Verhältnisse, wenn manche seiner Einrichtungen sich nicht dauernd bewähren konnten. Er ließ im Schweriner See nach Bernstein graben, da man solchen in guten Stücken am Seeufer gefunden hatte, ließ auf der Schelfe an der Amtsstraße i. J. 1705 ein großes Manufakturhaus (die Häuser No. 6–12 der Straße) errichten, Eisenöfen in der Neustädter Gegend anlegen, in denen das dortige Raseneisenerz verarbeitet wurde*) u. A. m. Es leidet keinen Zweifel, dass namentlich der Wohlstand Schwerins durch seine Neubauten auf der Schelfe gehoben wurde, und wir finden während der letzten Jahre seiner Regierung nicht mehr so trübselige Klagen über Armut und Notstand in der Stadt, wie sie unter den vorausgehenden Regierungen häufig erscheinen. Um so mehr ist es zu bedauern, dass unter seinem Nachfolger wieder Zeiten eintraten, die das begonnene Fortschreiten lähmten.

*) In der Eisenhütte zu Neustadt waren z. B. viele der Öfen gegossen, welche im Schloss standen, ebenso das eiserne Geländer, mit welchem die Schlossbrücke um diese Zeit eingefasst wurde.


Am Schloss hatte Friedrich Wilhelm nahe am großen See ein von Palisaden umgebenes Gebäude für die Münze erbauen lassen, sodann in den Jahren 1702–12 ein Komödien- und Gewächshaus an der Südwestseite der Insel, der Hinterbrücke gegenüber, und in derselben Zeit daneben ein neues Laboratorium errichten lassen. Das Gewächs- und Komödienhaus ging nach des Herzogs Tode ein; die Orangerie wurde i. J. 1718 in das Manufakturhaus auf der Neustadt verlegt, wo sie in den bald folgenden stürmischen Zeiten unterging; das Gewächshaus des Schlosses aber wurde zu Wohnungen eingerichtet.

Aus diesen Jahre erfahren wir nun noch, dass der Apotheker in Schwerin (dessen Name nicht erwähnt ist; 1710 hieß der Apotheker Niedt) ermordet und drei Personen, als dieses Mordes verdächtig, waren eingezogen worden. Die herzogliche Justiz-Kanzlei, unter deren Forum diese Angelegenheit gehörte, hatte keine sicheren Gefängnisse, weshalb jene Personen in der Frohnerei gefangen gehalten wurden. (Schon früher und auch noch später häufig mussten die altstädtischen Gefängnisse aushelfen, wenn das Justizkanzleigericht die Verbrecher nicht zu lassen wusste, und selbst bei ganz gewöhnlichen Vergehungen, die auf der Schelfe vorkamen.) Nun war aber die Frohnerei bekanntlich in einem keineswegs sicheren Zustande, zumal sie nur zwei kleine Gefangenlokale hatte, in denen 3 Personen auf bewahrt werden sollten, deren Bewachung wieder dem Frohner und einem Knechte anvertraut war. Mit Rücksicht auf das häufige Ausbrechen Gefangener aus der Frohnerei wünschte deshalb die Justizkanzlei diesmal eine strengere Bewachung der Inhaftierten. Sie wünschte solche durch Soldaten ausüben zu lassen, aber dies wollte der auf seine Rechte eifersüchtige Magistrat nicht. Die Justizkanzlei ersuchte jenen deshalb, wenn er keine Soldaten dort haben wolle, so möge er einige Tagelöhner zur Wache hergeben. Darauf erwiderte aber der Magistrat, „die städtischen Tagelöhner seien Bürger und freie Leute, die sich zu einer solchen affaire nicht hergeben wollten und die er weder zwingen könne noch wolle. Die Kanzlei möge nur, wie es früher in ähnlichen Fällen Gebrauch gewesen sei, die benachbarten Bauern zur Wache erfordern; damit sei er ganz einverstanden.“ Dies geschah denn auch; es wurden 4 herzogliche Bauern aus Ostorf requiriert, welche den einen der Gefangenen richtig entwischen ließen. Was mit den beiden andern geschehen ist, wird leider nicht erwähnt.

1714 entstanden allerlei Grenzstreitigkeiten zwischen der Stadt und dem fürstlichen Amte. Zunächst war es zweifelhaft geworden, wenn der „Zwang“ gehöre, doch bewies die Stadt ihr Anrecht an denselben aus dem alten Wortlaute der Morgensprache und wurde er ihr auch zuerkannt. Größere Weitläufigkeiten verursachten einige Ackerstücke bei Lankow, nämlich die „Hölle am Gadebuscher Wege, eine Heide neben dem hohen Holze nach dem Neumühlen’schen See hin“ und „der Borncamp auf der Hege“ bei Lankow. Über diese Stücke scheint man jetzt gar nicht zum Vergleiche gelangt zu sein, denn noch im Jahre 1787 waren sie streitig.

Friedrich Wilhelm hatte die Fischbänke (s. d. J. 1647), weil sie den sehr kleinen Marktplatz eingeengt hatten, wegnehmen lassen und befohlen, dass die Fischer ihre Ware in Körben auf die Erde stellen sollten. Die Fischer der Altstadt beschwerten sich nun hierüber und Carl Leopold ließ die Bänke wiederherstellen (s. d. J. 1781.) Die Viehseuche war wieder ausgebrochen, grassierte jedoch, wie es scheint, nicht stark und verlor sich bald wieder (s. d. J. 1746)

1715 erhielt das Haus mit der Schlossuhr, ein Gebäude des herzoglichen Residenzschlosses, einen neuen Glockenstuhl. Der Magistrat ließ i. d. J. auf dem Rathause ein Lokal einrichten, in welchem die Ratswaage aufgestellt wurde. Die Waage selbst hatte er schon lange gehabt; Normalgewichte ließ er jetzt in Hamburg ankaufen und nach diesen Ratsgewichte, welche beim Wägen mit der Ratswaage gewöhnlich gebraucht werden sollten, durch den Zinngießer Lorenz Siemerling in Schwerin anfertigen. Die Aufsicht über die Waage wurde dem Ratskellermeister Lüders übergeben (s. d. J. 1763)

1716 ließ Carl Leopold die vom Herzoge Johann Albrecht I. auf dem Walle des Schlosses neben der Bleikammer am südlichen Ende des langen Gebäudes errichtete Badestube neu herstellen. Sie wurde später zur Hofkonditorei benutzt. Auch wurde i. d. J. das Fensterblei in den fürstlichen Gemächern des Schlosses neu vergoldet.

Der Herzog war seit dem 27. Mai 1708 mit Sophie Hedwig, Tochter des Fürsten Heinrich Casimir zu Nassau-Diez vermählt gewesen, doch war diese Ehe, welche kinderlos blieb, am 2. Juni 1710 getrennt worden. Am 19. April d. J. vermählte er sich nun aufs Neue mit Catharina Iwanowna, einer Bruderstochter des Zaren Peters d. Gr. von Russland, und wurde diese Vermählung mit großer Pracht in Danzig gefeiert. Am 9. Mai kehrte der Herzog nach Schwerin zurück und einige Tage später empfing er hier den Besuch des Zaren und seiner Gemahlin, welche die junge Herzogin begleiteten. Zar Peter gefiel der Aufenthalt auf dem Schweriner Schlosse sehr, besonders erfreute ihn die schöne Umgebung des Sees, von welcher er sich eine Zeichnung anfertigen ließ. Es ging damals das Gerücht, dass Peter d. Gr. die Absicht habe, das Herzogtum Lievland gegen Mecklenburg an Carl Leopold zu vertauschen. Dies Gerücht war auch zu dem Könige Georg I. von England, Churfürsten von Hannover, gedrungen, welcher sofort energische Schritte tat, um das Festsetzen der Russen in Mecklenburg, wo sie seit dem nordischen Kriege noch eine ganz bedeutende Truppennacht von 11 bis 120.00 Mann stehen hatten, zu verhindern. In Folge dessen ließ Peter der Große 1717 im Juli den größten Teil seiner Truppen nach Polen zurückgehen, mit Ausnahme jedoch von 3.300 Mann, welche unter dem Oberbefehle der Obristen Wollinsky und Tilly standen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin