Geschichte der Stadt Schwerin von 1706 bis 1712

1706 verbot der Herzog allen Bürgern der Stadt das Umhergehen mit Gewehren und Schießen auf der städtischen Feldmark, indem er sie auf die von ihm erlassene Forst-, Holz-, Jagd- und Wildordnung verwies.

1707 wurde auf der Schelfe das Spieltor erbaut, nachdem der Spielzaun-Damm beendet war, und wurde nun die Landstraße aus der Neustadt über diesen Damm eröffnet. Das Spieltor enthielt eine Wache und ein Arrestlokal.


1708. In den letzten Jahren hatte man viele neue Häuser in der Vorstadt erbaut, wo man teilweise von städtischen Abgaben befreit war. Unter dem 24. Mai d. J. verordnete deshalb der Herzog, dass in der Vorstadt keine Neubauten mehr erlaubt werden sollten; wer bauen wolle, finde auf der Schelfe Platz genug.

Hier hatte der Kammerrat Schulz einen großen Hof erbaut, welchen Friedrich Wilhelm ihm abkaufte und seinem Bruder Christian Ludwig schenkte, nach dem er später Prinz Ludwigshof genannt wurde. Er lag an der Stelle des i. J. 1779 erbauten neustädtischen Palais.

Nachdem die ältere St. Nicolai-Kapelle auf der Schelfe fortgeräumt worden, legte der Herzog am 6. Mai unter großen Feierlichkeiten an der Stelle der Kanzel den Grundstein zum Bau einer neuen, der jetzigen Kirche. Die Leitung des Baues hatte der Ingenieur-Kapitän Renz, welcher überhaupt die Aufsicht über die neuen Bauten auf der Schelfe führte. Die großen Werksteine wurden mit vielen Kosten aus Sachsen herbeigeführt. Der Name des Maurermeisters ist Georg Winkler. Ein Gesell, Hans Johann aus Elbing, stürzte bei der Arbeit vom Kirchenboden herab und büßte das Leben ein. In den Knopf des Turms wurde eine vom Archivar Schulz verfertigte Geschichte der Kirche gelegt. Sie war bis auf die innere Verzierung i. J. 1711 vollendet und wurde dem Gottesdienste übergeben; Renz, welcher kurz vorher gestorben war, wurde mitten in ihr beerdigt. Das kupferne Dach der Kirche ist 70, der Turm mit der Stange ohne den Hahn 197 Fuß hoch.

In diesem Jahre vermählte sich der König Friedrich I. von Preußen mit des Herzogs einziger Schwester Sophie Luise. Die Trauung fand zu Schwerin am 22. August statt, am folgenden Tage die Abreise der Vermählten.

Zur Verschönerung der Stadt ließ der Herzog durch den Ingenieur-Kapitän von Hammerstein neben dem Schloss einen Garten in französischem Geschmack anlegen, den vorderen Teil des jetzigen Schlossgartens.

1709 vergrößerte die Schützenzunft ihren Schießhof. Sie hatte sich um Erlaubnis dazu an den Herzog gewandt, der solche auch erteilt hatte, darauf aber, ohne beim Magistrat anzufragen, ein Stück vom städtischen Weidefelde, 3 Scheffel Aussaat groß, zur Erweiterung des Platzes an sich genommen. Als der Magistrat hiergegen protestierte, erhielt die Stadt eine Entschädigung. Die Erweiterung des Schießplatzes war notwendig, weil die Kugeln oft weit über ihn hinausgeflogen waren (s. d. J. 1647)

In diesem Jahre waren die Schweden bei Pultawa geschlagen und ihre Gegner bereiteten sich nun vor, die schwedischen Besitzungen in Deutschland anzugreifen. Die Dänen rüsteten sich zu einem Zuge gegen Wismar, und Russen, Sachsen und Preußen zogen gegen Vorpommern heran, welches damals gleichfalls zu Schweden gehörte. Da also den mecklenburgischen Ländern durch die Durchzüge fremder Völker wieder große Drangsale drohten, so suchte auch Friedrich Wilhelm, der schon vorher mit dem Könige von Preußen ein Trutz- und Schutzbündnis geschlossen hatte, sich gegen alle Eventualitäten zu rüsten. Am 12. Oktober erging an die Stadt Schwerin der Befehl, dass sie alle Mannschaft im Alter von 18 bis 60 Jahren mustern und in Rotten stellen lasse, „damit sie der herandrohenden Kriegsgefahr entgegentreten könnten.“

1710 erteilte der Herzog dem Geheimen Rate und Oberhauptmann von Löw und dem Oberstallmeister von Bibow, als Vormündern des Friedrich Wilhelm von Mecklenburg, aus besonderer Gnade für dessen in der Königsstraße gelegenes Haus Freiheit von allen städtischen Abgaben und Lasten, sowie Exemtion von der städtischen Gerichtsbarkeit. Dies Haus, welches damals zum Vorteil des minorennen Besitzers zum Gasthofe gemacht werden sollte, war später der bekannte „Stern’sche Gasthof“ in der Königsstraße, jetzt dem Kaufmann und Hofvergolder Freitag gehörig. Die späteren Besitzer hatten wegen jener Befreiung häufige Zwistigkeiten mit dem Magistrate, die jedoch immer zu ihren Gunsten entschieden wurden, namentlich i. J. 1756, wo der Magistrat dem Besitzer sogar Exekution ins Haus gelegt hatte, weil er die Abgaben verweigerte.

In diesem Jahre herrschte die Pest wieder in Mecklenburg, weshalb der Herzog die Einstellung aller Jahrmärkte und die Sperrung der Tore gebot. Solche Gegenstände, welche infiziert sein konnten, durften gar nicht in die Städte gelassen werden, namentlich wurde

1711 die Einfuhr aller Wollwaren, grober Tücher und Zeuge, auch aller Leinenwaren verboten. Als aber die Epidemie noch immer fortdauerte, und

1712 auch im Lager der vor Wismar stehenden Dänen mit verheerender Gewalt ausbrach, wurde aller Verkehr mit den Dänen untersagt. Wer dennoch in das Lager reiste, sollte in 3 Wochen nicht wieder in die Stadt eingelassen werden. Die Pest verlor sich erst mit den Kriegsvölkern, nachdem die Dänen am 20. Dezember bei Gadebusch von dem schwedischen General Steenbock völlig besiegt waren und dieser darauf auch bald die Russen und Sachsen aus Mecklenburg verjagte.

Aus dem dänischen Lager kamen übrigens außer dieser Krankheit auch eine große Teuerung und eine verheerende Viehseuche über das Land, weshalb der Herzog den Landbewohnern die Hälfte, den Städten den sechsten Teil ihrer gewöhnlichen Abgaben erließ.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin