Geschichte der Stadt Schwerin von 1635 bis 1639

1635 vermählte sich der Herzog Adolf Friedrich wieder mit Maria Katharina, einer Tochter des Herzogs Julius Ernst von Braunschweig-Lüneburg, welcher zu Danneberg residierte. Vielleicht aus dieser Veranlassung begann der Herzog wieder am Schloss zu bauen, und zwar an einem neuen Gebäude links neben der Auffahrt, wo er die alten Häuser schon beim Antritte seiner Regierung hatte abbrechen lassen. Es ging aber aus Mangel an Geld und Ruhe mit diesem Bau so langsam, dass noch i. J. 1643 das Fundament nicht fertig geworden war.

Beide Herzoge suchten jetzt die inneren Angelegenheiten des Landes zu ordnen. Sie erließen Verbote der schlechten Münzen, welche während des Krieges geprägt waren und von Holstein und Rostock aus sich im Lande verbreitet hatten, und bemühten sich, ein regelmäßiges Steuerwesen in den Gang zu bringen. Adolf Friedrich verordnete auch, dass zur besseren Heilighaltung der Sonntage hinfort keine Jahrmärkte mehr an Sonntagen abgehalten werden sollten, alle Jahrmärkte, welche bisher auf solche Tage gefallen, sollten in Zukunft an den Montagen beginnen. Endlich hatte auch der Kaiser die Herzoge wieder als Landesfürsten anerkannt und in Hulden und Gnaden aufgenommen (im Frieden zu Prag, 30. Mai) Ruhe sollte dem Lande aber so bald noch nicht werden; denn die Schweden zogen nun, nachdem die Mehrzahl der deutschen Fürsten mit dem Kaiser sich versöhnt hatte, ins nördliche Deutschland zurück, besetzten Mecklenburg und Pommern und zogen Verstärkungen aus Schweden an sich. Sie warteten auf neue Kriegsgelegenheit, die sich ihnen bald eröffnete. Indessen hausten sie jetzt in Mecklenburg plündernd und raubend, während sie früher gute Mannszucht gehalten hatten, und durch sie begann nun des Landes trübseligste Zeit. Die Schweden nämlich waren dem Frieden zu Prag nicht beigetreten und betrachteten deshalb von dieser Zeit an das mecklenburgische Land, dessen Herzoge sich jenem Frieden angeschlossen hatten, als Feindes Land und hatten obendrein nicht Lust, die befestigten Orte Wismar mit der Insel Poel und Warnemünde an die rechtmäßigen Herren zurückzugeben.


Die Stadt Schwerin selbst blieb zwar, als fürstliche Residenz, einstweilen von den schwedischen Truppen verschont, doch lagen diese ziemlich nahe an derselben auf den Dörfern und in den Städten, von wo aus sie nach allen Seiten hin plünderten und raubten.

1636 lag die ganze Umgegend von Schwerin verwüstet; das Dorf Lankow war fast ganz eingeäschert, wenigstens der an die Stadt gehörige Anteil desselben (s. d. J. 1570). Ebenso Göhren, wo die ganze Schäferei nach dem Wortlaute der Akten „weggeführt und aufgefressen“ war, und das Stadtfeld hatte man zwar bestellt, aber der Feinde wegen von der Ernte nichts einbringen können. Weniger unglücklich scheint es Zippendorf ergangen zu sein, wo zwar auch das Vieh geraubt und die Einwohner in die nahe Stadt geflüchtet waren, von wo aber doch über eingeäscherte Gebäude und ermordete Menschen nicht geklagt wird. Armut und Bedrängnis aller Art erfüllte die Stadt, welche gleichwohl vor den übrigen mecklenburgischen Städten noch glücklich war, weil sie eben keine Einquartierung hatte. Dazu hatten sich auch hier, wie überall, manche Personen eingefunden, welche die Kriege mitgemacht hatten und durch sie verwildert waren. Diese störten überall die Ordnung und er regten innerhalb der Bürgerschaft manche Zwistigkeiten. Der Bürgermeister Hermann Hertel litt unter denselben so sehr, dass er sein Amt niederlegte trotz des Widerspruches, welchen eine Kollegen im Rate erhoben, die ihn in solcher unruhigen Zeit ungern entließen. Die Schulen waren gänzlich verwildert; die Lehrer, deren Gehalte zum großen Teile aus den Einkünften von den Landgütern des Stiftes kommen sollten, sahen sich sogar genötigt, Bier und Wein zu schänken, um nur das Notdürftigste zu erwerben.

In dieser trüben Zeit starb der Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg-Güstrow am 23. April und hinterließ nur einen drei jährigen Sohn Gustav Adolf, über welchen, zwar gegen den Willen seiner Mutter, Adolf Friedrich die Vormundschaft übernahm.

1637 am 10. März war Herzog Boguslav 14. von Pommern gestorben und hinterließ sein Land ohne Erben. Den nächsten Anspruch hatte zwar der Churfürst Georg Wilhelm von Brandenburg, es traten aber neben ihm die Schweden als Bewerber auf, und da diese seit längerer Zeit auf solchen Fall gerüstet in Mecklenburg auf der Warte gestanden hatten, so gelang es ihnen, sich des Landes zu bemächtigen, bevor noch der Churfürst seine Truppen gesammelt hatte. Die Schweden zogen somit bis auf einige Besatzungen in den größeren Städten zwar aus Mecklenburg ab; es folgten ihnen aber auf dem Fuße die Kaiserlichen unter dem Grafen Matthias Gallas und nahmen Besitz vom Land. Und nun begann das Plündern und Rauben von Neuem; denn wo die Schweden so große Beute gemacht hatten, dass sie z. B. aus Parchim 370 beladene Wagen voll Geld, Korn, Leinwand und dgl. hatten wegschleppen können, da meinten die Kaiserlichen auch etwas finden zu können. Es kann nur darauf an, wer das Suchen am Besten verstand und darin überbot eine Partei die andere. Hatten die Schweden zu den s. g. schwedischen Tränken als letztes Mittel gegriffen, wobei sie den Menschen stinkendes Mistwasser eintrichterten und dann die Knie auf den „paussenden“ Leib setzten, dass das Wasser zum Munde wieder herausspritzte, so übten die Kaiserlichen die Kunst des „Wrögelns“, wobei sie einen knotigen Strick den Leuten um die Stirn spannten und diesen mit einem Stückchen Holzes allmählich fester drehten, so dass der Schaum vor den Mund und die Augen aus dem Kopfe traten oder sie steckten die Leute in Backöfen und ließen sie langsam braten, um ihnen durch die körperliche Pein das Geheimnis versteckter Gelder abzupressen. So erzwangen sie den letzten Heller von den Besitzenden, ermordeten aber auch manchen armen Mann, und die Kroaten, insgemein Krabaten (daher das Schimpfwort Krabater, welches man noch heute hört) waren bald nicht weniger gehasst und gefürchtet, als die Schweden.

Schwerin selbst litt zwar bisher bedeutend weniger, als das übrige Land und war auch den Landbewohnern der Umgegend, welche zahlreich in die Stadt geflohen waren, ein schützender Zufluchtsort, da Herzog Adolf Friedrich alles ihm Mögliche für die Stadt tat und von den Heerführern im Lande immer gleich Schutztruppen für sie erbat. Zwischen Parchim und Grevesmühlen jedoch schlugen sich mit wechselndem Glücke die Kaiserlichen und die Schweden herum, und mittelbar wuchs dadurch auch in unserer Stadt die Not. Die Umgegend war von herrenlos herumschweifenden Hunden bevölkert, und als der Winter d. J. mit einer ganz außergewöhnlichen Kälte einbrach, so führte er eine so große Menge von Wölfen in die damals noch bedeutenderen Waldungen, dass die Tore der Stadt beständig mussten geschlossen gehalten werden. Wer sich aus denselben hinaus wagte, fiel den Wölfen zur Speise oder den Hunden, welche ebenso wild geworden waren, als jene, und die Einwohner hatten oft den Anblick von wütenden Kämpfen zwischen diesen vom Hunger gepeinigten Bestien.

Obwohl das Rathaus in Schwerin bald nach dieser Zeit (s. d. J. 1651) mit fast sämtlichen Akten abgebrannt ist, so sind deren doch noch manche enthalten, welche auf die Ereignisse in ihr einen ziemlich klaren Blick erlauben. Gräuelszenen und Verwüstungen, wie sie diejenigen Städte erlitten, welche den eigentlichen Schauplatz der Kämpfe bildeten, finden wir nicht erwähnt. Dagegen zieht sich durch alle Akten dieser Zeit die unaufhörliche Klage der Verarmung und des Niederliegens aller Geschäfte neben einzelnen Szenen der Verwilderung und Unordnung, welche, so nachteilig an und für sich, doch im Ganzen von geringem Interesse sind. Wir verweilen deshalb nicht bei der Schilderung von Einzelheiten, zumal dieselben noch mehr hervortreten werden, denn die Zeit der großen Not mit ihren Folgen sollte noch keineswegs vorüber sein.

1638 brach schon für Schwerin ein trübes Jahr herein. Die Gräuel der Verwüstungen hatten überall im Lande eine Hungersnot erregt, welcher eine epidemische Krankheit, die von den südländischen Truppen eingeschleppte Pest, folgte. Die Schweden, welche im Lande standen, sahen sich deshalb genötigt, sich nun auch in die bisher unbesetzten Städte zu ziehen. Als Adolf Friedrich zu Anfange des Oktobers auf einige Tage nach Hamburg verreist war, rückte der Feldmarschall Banner mit seinen Schweden ein, quartierte einen großen Teil derselben in die Bürgerhäuser ein und legte den
Rest in die Umgegend, wo Winterquartiere hergerichtet wurden, so gut es ging. Der Herzog erhielt die Nachricht hiervon auf seiner Rückreise und versuchte sofort, indem er den Major Reden an ihn sandte, den Feldmarschall zum Abzuge zu bewegen. Dieser aber wies darauf hin, dass die Not seiner Soldaten ihn zur Besetzung der bisher verschonten Stadt gezwungen habe, dass er sie deshalb nicht verlegen könne, versprach jedoch, auf das Schloss, wohin sich die herzoglichen Truppen unter dem Oberstlieutenant Lohausen zu rückgezogen hatten, keine Truppen einquartieren, auch in der Stadt gute Mannszucht halten zu wollen. Dies scheint denn auch bis auf die unvermeidlichen Lieferungen geschehen zu sein. Eine bedeutende Kontribution war der Stadt auferlegt worden, die nur durch des Herzogs unermüdliches Bitten endlich auf eine mäßige Summe herabgesetzt wurde. Jedoch plünderten die Schweden. Alles, was ihnen zugänglich war, gründlich aus. Am 31. Dezember und 1. Januar 1639 gaben sich sämtliche schwedische Truppen ein Rendezvous, bei welcher Gelegenheit der General Lennart Torstenson auf dem Jägerhofe logierte. Darauf zogen die südwärts nach Dömitz, Boizenburg und Lauenburg, trieben aber nicht bloß alles Vieh, dessen sie habhaft werden konnten, mit sich fort, sondern nahmen auch aus Bützow und Güstrow die herzoglichen Soldaten mit, die erst wieder entlassen wurden, nachdem Adolf Friedrich versprochen hatte, dass er nicht werben lassen wolle. In einzelnen Städten blieben aber Besatzungen liegen, weil die Kaiserlichen noch die Städte Dömitz und Plau besetzt hatten; Schwerin, Doberan, Rühn, Güstrow und Dargun erhielten Schutztruppen.

Während der Besetzung hatte sich aber die schon vorher ausgebrochene Pest mit großer Gewalt verbreitet und wütete in allen Städten Mecklenburgs um so mehr, je größer die Menschenzahl war, die sich in Folge der Truppendurchmärsche und weil das Landvolk in sie geflüchtet war, dort gesammelt hatte. In Güstrow sollen allein 20.000 Menschen gestorben sein, wie viele in Schwerin, wissen wir nicht; aber auch hier war die Not so groß, dass es an Händen fehlte, die Toten zu beerdigen, welchen zum Schrecken aller Lebenden teils auf den Gassen umherlagen. In dieser schlimmen Zeit machte sich ein Mann aus Schwerin verdient, der auch sonst in den Akten hervorragend bemerklich wird, der damalige Ratsherr Heinrich Scheffuß oder Scheffueß († 1658)*) Dieser versammelte einige gleichgesinnte Bürger in der Domkirche und besprach sich mit ihnen über den Notstand der Stadt. Nachdem er sie aufgefordert, in dieser bösen Zeit sich gegenseitig zu helfen und dafür zu sorgen, dass die Leichen möglichst schnell zur Ruhestätte gebracht würden, vereinigte er sich mit ihnen zu dem feierlichen Versprechen, dass sie zunächst einander diesen Dienst erweisen wollten, wenn der Herr sie abrufe, dann auch Allen, welche bereit sein würden, dieser Vereinigung jetzt oder später beizutreten. Hierüber nahmen sie eine gegenseitige Verschreibung auf, welche sie eidlich bekräftigten. In sehr kurzer Zeit traten dieser Verbindung viele Mitglieder bei, die für die Stadt von nicht geringem Segen wurden. Aus ihr entstand die Schweriner Totenzunft, welche i. J. 1640 (s. d. J.) durch der Herzog konfirmiert und mit dem Königsschusse begnadigt wurde. Aus der Verschreibung, welche die wenigen ersten Mitglieder unter sich errichteten, gingen die Statuten der Totengilde hervor. Übrigens kämpfte man auch schon damals durch eine strenge Absperrung gegen die weitere Einschleppung der Krankheit an. Die Tore der Stadt wurden immer fest geschlossen und bewacht gehalten, und Niemanden ließ man ein. So kam z. B. am 15. August der Landrat Joachim von Lützow vor dem Stadttore an und begehrte Einlass. Da es sich aber auswies, dass er aus dem infizierten Sternberg kam, und zwar aus einem angesteckten Hause, selbst auch schon erkrankt war, so ließ man ihn nicht herein. Er musste in einem Hause der Vorstadt bleiben, wo er ohne Hilfe elend starb.

Zu allem diesen kann nun ein ziemlich strenger Winter. Hatte man auch das Holz in so großer Nähe bei Schwerin, so fehlte es doch an Zugvieh zu seiner Anfuhr, weshalb die feindlichen Truppen zum ersten besten Gegenstande griffen und sogar Häuser demolierten, um sich Brennholz gegen die Kälte zu verschaffen. Es war wohl eine trübselige Zeit, als der Landesherr sich bittend von einem feindlichen Feldherrn an den anderen wenden musste.

*) Wegen der hier und da von uns genannten Persönlichkeiten der Stadt verweisen wir auf die Schlusslieferung, welche möglichst vollständige Verzeichnisse der bedeutenderen Personen Schwerins nach chronologischer Reihenfolge enthalten wird,

1639 am 23. Januar schrieb Adolf Friedrich an den Grafen Gallas, den Oberbefehlshaber der Kaiserlichen, es sei nunmehr mit den armen Leuten dahin geraten, dass diejenigen, welche am Leben geblieben, nicht allein Mäuse, Katzen, Hunde und ganz unnatürliche Sachen zur Stillung des Hungers verzehrten, sondern dass auch an verschiedenen Orten die Eltern ihre Kinder aufgefressen hätten und ein Mensch vor dem anderen nicht mehr sicher sei, wie solches mit vielen Beispielen sich könnte beweisen lassen.

Während der Pestzeit lebte in Schwerin der Arzt Dr. Hadrian von Mynsicht, fürstlicher Rat und Leibmedicus, der sich bedeutenden Ruf erwarb. Nicht nur hatte er einige neue Medikamente erfunden, die später in der Apotheke unter seinem Namen verkauft wurden, sondern er war auch ein gekrönter Poet und kaiserlicher Pfalzgraf Er krönte in diesem Jahre zu Rostock den Poeten Mag. Petrus Meder, einen geborenen Siebenbürger.

Die Ernte d. J. fiel, wo die Aussaat hatte beschafft werden können, sehr gut aus. Leider hatte es fast überall an Saatkorn gemangelt; auch in Holstein, wohin der Herzog Leute gesandt hatte, um solches einzukaufen, hatte dies wegen mangelnder Vorräte nicht geschehen können. In dieser Not nahm sich der König von Dänemark des Herzogs an und schenkte ihm 480 Tonnen Gerste, welche zu Schiffe in Warnemünde anlangten und noch rechtzeitig ausgesät werden konnten. Allerdings war diese Hilfe nur ein Tropfen in dem Meere der Not, aber sie bewirkte doch, dass die herzoglichen Güter in der Umgegend von Schwerin, namentlich Consrade und Ostorf, bestellt werden konnten und dass man auch wieder Leute und Vieh dort anzusiedeln vermochte.

Adolf Friedrich dachte daran, die Holzungen in der Nähe von Schwerin zu verwerten, und dadurch zu dem für die Regierung des Landes und den Unterhalt des Hofes nötigsten Gelde zu kommen. Er ließ deshalb seine Räte Ulrich von Pentz und Dr. Bergmann mit den Bürgern darüber verhandeln, dass sie ein Schifferamt errichten, die Hölzer an sich kaufen und sie zum weiteren Transport auf dem Wasserwege nach Wismar bringen möchten. Es ist ungewiss, woran dies Projekt scheiterte, doch kam es nicht zu Stande. *)

*) Über die in Schwerin bestehenden Handwerksämter (Zünfte) haben wir bisher nur sehr wenige Mitteilungen gebracht, und zwar aus dem Grunde, weil wir die Nachrichten, welche über sie zu erhalten sind, zu einer übersichtlichen Zusammenstellung ordnen wollten. Wir verweisen deshalb auf die Schlusslieferung.

In seinem Tagebuch führt der Herzog an, dass er am 5. November bei Consrade eine wilde Katze gefangen habe.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin