Geschichte der Stadt Schwerin von 1631 bis 1634

1631 zu Anfange des Sommers befanden sich nur noch die Städte Rostock, Wismar, Schwerin und Dömitz in den Händen der Feinde. Nun brach auch Adolf Friedrich von Lübeck auf, vereinigte sich bei Schönberg mit seinen Truppen, 400 Mann zu Fuß, 2 Compagnien leichter Reuter und einer Compagnie Dragoner, welche unter dem Befehle der Obristen Lohhaufen und Dümeny standen, die sie im Auftrage des Herzogs geworben hatten, zog mit ihnen auf Gadebusch und rückte am 19. Juli bis auf eine halbe Meile von Schwerin vor, wo die kaiserlichen Hauptleute Celli und Milatz mit einer Besatzung von 160 Mann lagen. Nachdem sich die schwedischen Obristen Paul und Breitenbach mit 9 Compagnien leichter Reiter und einer Compagnie Dragoner, sowie der Rittmeister Reling aus Parchim mit dem Herzoge vereinigt hatten, wurde ein gemeinschaftlicher Kriegsrat gehalten. Es lag dem Herzoge natürlich daran, die kaiserliche Besatzung ohne langen Kampf zu entfernen, damit die Stadt nicht die traurigen Folgen einer Belagerung und Erstürmung zu dulden habe. Deshalb wurde beschlossen, dass Reling mit seiner Mannschaft über den See nach der Schelfe setzen und von hier aus nach dem Burgplatze vordringen solle, um den Kaiserlichen den Rückzug ins feste Schloss abzuschneiden, während Adolf Friedrich die Stadt von Westen und Süden angreifen wollte. Es geschah auch so, doch entweder verspätete sich Reling, oder die herzoglichen Truppen wurden mit den Kaiserlichen zu früh handgemein. Die Stadt fiel zwar nach kurzer Gegenwehr in die Hände des Herzogs, aber Celli und Milatz behielten Zeit, sich in das Schloss zu werfen. Hier gedeckt, verweigerten sie Anfangs die Übergabe bestimmt. Die Schweden begehrten laut, das Schloss zu stürmen, aber Adolf Friedrich fürchtete mit Recht, dass dies nur zu einem großen Nachteile gereichen würde, und wollte seine Zustimmung nicht geben. Darüber kam der schwedische General Tott mit 600 Mann und 6 Kanonen zu, welche auf dem Ostorfer Berge aufgepflanzt wurden und von hieraus das Schloss beschossen. Jetzt wurden die Kaiserlichen bald anderen Sinnes und kapitulierten am 30. Juli gegen einen freien Abzug. Sie ließen 44, nach Anderen 24 Tote auf dem Platze, und viele Gefangene waren den Schweden in die Hände gefallen, welche einen Verlust von 16, nach Anderen 12 Toten und 20 Verwundeten erlitten hatten.

Adolf Friedrich schlug sofort wieder eine Residenz in Schwerin auf. Die Stadt aber feierte in den Kirchen ein Jubelfest; sie hatte wohl Ursache, sich des Abzugs der Feinde zu freuen, denn nicht nur hatten diese arg in ihr gehaust, sondern auch die rote Ruhr eingeschleppt, welche viele Leute fortgerafft hatte.


Über die Verhältnisse des Heiligen-Geist-(Armen-)Hauses, in der Faulengrube gelegen an der Ecke der zweiten Engestraße, erfahren wir aus einem Inventar-Verzeichnisse d. J. Folgendes: In dem Hause wohnten 16, zuweilen auch 24 Arme, welche in dasselbe eingekauft wurden. Wer eine ganze Kammer kaufte, hatte 20 Thlr. zu erlegen, wovon jeder Bürgermeister 5 Thlr. 40 ßl., der Waisenherr, welcher die Aufsicht über das Haus hatte, 5 Thlrn. 36 ßl, der Hausvorsteher 1 Thlr, jeder Arme des Hauses 4 ßl. und letztere zusammen 12 ßl. Kringelgeld erhielten. Außerdem erhielt der worthabende Bürgermeister ein „Neben-Douceur von 5 bis 6 Thlrn.“, und die Einweisung in die erkaufte Wohnung kostete 16 ßl. Eine halbe Kammer kostete 10 Thlr., welche in gleicher Weise verteilt wurden, ein Neben-Douceur von 4 Thlrn. und 8 ßl. für die Einweisung oder das „Stuhlsetzen.“ Bei Sterbefällen wurden für jeden Insassen 3 Thlr. 24 ßl. bezahlt, nämlich an jeden Bürgermeister 28 ßl., an den Waisenherrn 24 ßl., an den Vorsteher 24 ßl. und an die übrigen Armen zusammen 1 Thlr. 16 ßl. Dies Geld wurde aus der Verlassenschaft der Verstorbenen aufgebracht – Der Unterhalt für die Armen wurde aus dem Vermögen des Hauses, welches 2.388 Mark betrug und aus Legaten bestritten. Der letzteren gab es viele, deren Zinsen meistens dazu bestimmt waren, dass unter die Armen an bestimmten Quartaltagen Brot und Bier ausgeheilt wurde. Diese Austeilung fand Mittwochs in der Kirche, sonst vor dem Rathause durch den Waisenherrn statt; häufig erhielt das Haus auch milde Gaben bei Hochzeits-, Kindtaufs- und anderen Feierlichkeiten, sowie bei den Quartal Versammlungen der Handwerksämter. Auch ging an jedem Mittwoch eine Person aus dem Armenhause mit einem Korbe, und begleitet von dem Armenvogte, welcher eine verschlossene Büchse trug, vor jedem Hause in der Alt- und Neustadt umher und sammelte Almosen, welche alsdann der Waisenherr so verteilte, dass der Armenvogt und die Bettmutter je 2 ßl. und ihren bestimmten Brotanteil voraus erhielten. – Der gesamte Ackerbesitz des Heiligen-Geist-Hauses betrug 8 Morgen und war für 9 Mark 12 Schill. verpachtet. Aus dem fürstlichen Kornhause bekam jeder Arme jährlich 1 Scheffel Roggen und alle zusammen 6 Thlr. zu Fleischgeld, welche das Amt Schwerin zahlte. Wenn den Bäckern zu leicht gebackenes Brot konfisziert wurde, was um diese Zeit sehr häufig geschah, ebenso wenn Butter und Fleisch den Verkäufern konfisziert wurden, erhielt das Armenhaus davon die Hälfte. Im J. 1651 machten die Armen wöchentlich dreimal, je am Sonntage, Dienstage und Donnerstage, einen Rundgang mit Korb und Büchse durch die Stadt. Wenn die Schüler der Domschule die Chorgelder*) einsammelten, was jährlich um Neujahr geschah, so erhielt das Armenhaus eine Spende von 2 Mk.

*) Die Chorgelder, welche in späterer Zeit nicht unbedeutend waren (i. J. 1783 betrugen sie 140 Thlr), wurden unter den Rektor, dem Kantor, den fünften Lehrer und die Chorschüler verteilt. Die Kurrende der Schüler besaß auch zwei Legate, eins von 150 Mark aus dem Testament des Heinrich Pelican und eins von 38 Mark, welches Jacob Rotefahn vermacht hatte. Die Zinsen dieser Gelder wurden jährlich unter die gedachten Personen mit verteilt.

Außer den Bewohnern des Heiligen-Geist-Hauses gab es natürlich noch eine Menge armer Leute in der Stadt, welche zwar an der Austeilung des Brotes, die am Mittwoch vom Vorsteher des Armenkastens in der Kirche geschah, Teil nahmen, nicht aber an den übrigen Benefizien der Insassen des Armenhauses. Jene s. g. Stadtarmen mussten sich beim Magistrat melden, und wenn dieser ihre Armut anerkannt hatte, so erhielten sie das Recht, um Almosen zu bitten. Man erkannte sie an einem Stückchen Zeuge, welches auf ihrer Kleidung befestigt war; nicht Gezeichnete durften überall nicht betteln. Es gab für erstere bestimmte Austeilungen von Geld und Brot, die ebenfalls vom Rathause aus geschahen. Hierzu besaß die Stadt ein Kapital von 1.500 Mk. 24 Sch., von dem die Zinsen in Gelde, und ein solches von 450 Mk, von dem die Zinsen in Brote unter die Stadtarmen verteilt wurden. Diese mussten sich, wenn solches geschah, vor dem Rathause aufstellen, und dies hieß man „die Aufstellung der langen Reihe.“

1631 waren alle kaiserlichen Truppen aus Mecklenburg vertrieben; Wismar war am längsten von ihnen besetzt gehalten, hatte aber am 21. Januar kapituliert. Am 12. Januar schon war ein allgemeines Dankfest in den schwerinschen Kirchen abgehalten, am 13. Februar ließen die Herzoge ein solches im ganzen Lande feiern und bestimmten, dass dieser Tag zum ewigen Gedächtnisse als Festtag gehalten werden solle. Die bald folgende Zeit der schwersten Not, welche Mecklenburg jemals erlitten hatte, brachte diese Verordnung in Vergessenheit. Inzwischen blieben viele schwedische Truppen im Lande stehen, und wie Gustav Adolf selbst sich am 29. Februar von den Herzogen die Stadt Wismar mit der Insel Poel und den Flecken Warnemünde abtreten ließ, mit der Berechtigung, diese Orte nach seinem Belieben befestigen zu dürfen, so beschenkte er, ganz unumschränkt waltend, seine Heerführer mit den Gütern aller solcher mecklenburgischen Edelleute, die in den Verdacht geraten waren, dass sie sich zu leicht unter Wallensteins neues Regiment begeben hätten.

Die vielen fremden Truppen, welche in Mecklenburg gelegen, hatten alle Vorräte aufgezehrt und auch an manchen Orten die Bestellung der Felder gehindert. Wurde aus diesem Grunde die Ernte schön gering, so kam hinzu, dass der Sommer d. J. ein ganz ungewöhnlich nasser und kalter war, so dass ein großer Teil des Korns auf dem Felde verdarb. Zu Ende August hatte man noch nicht mit der Ernte beginnen können, da das Korn noch nicht reif war, und schon am 24. August trat der erste Frost wieder ein und seit diesem Tage fiel beständig Reif auf die Ähren. So entstand denn eine allgemeine Hungersnot, die in Schwerin ganz besonders fühlbar wurde. Hier hatten die Felder nur notdürftig bestellt werden können, Lankow und Göhren waren gänzlich verheert und wüst geworden und Ostorf war bis auf den Grund ausgeplündert. Den übrigen benachbarten Dörfern wird es nicht besser ergangen sein, weshalb denn unzählige Klagen laut wurden und viele Einwohner flüchteten. Dazu kam denn noch, dass immer noch Truppen in der Stadt lagen, welche sehr verwildert waren und um weniger Thaler willen einen Mord nicht scheuten. Wie groß die Not war, kann man daraus abnehmen, dass Schwerin, dessen Bürger schon auf das Wehmütigste klagten, wenn sie gemeinschaftlich 10 Gulden zu einer Notsache aufbringen sollten, jetzt gezwungen war, monatlich 869 Gulden zur Unterhaltung der Schweden im Lande zu entrichten. In gleicher Weise waren alle Städte bedrückt; die schwerinschen mussten zusammen monatlich 6.742 Gulden 20 Schill, die güstrowschen 8.702 Gulden erlegen, und zwar mit Ausschluss von Rostock und Wismar.

Am 7. Dezember d. J. hielt Herzog Adolf Friedrich einen Konvokationstag auf dem Schloss zu Schwerin ab und ließ sich von der Ritterschaft aufs Neue huldigen. Am 29. Dezember traten auch die Abgeordneten der Städte zu gleichen Zwecke auf dem Schloss, im Saale des langen Gebäudes, zusammen. Nachdem der Kanzler Reinking, im Beisein des Geh. Rates Hartwig von Passow und des Kanzlei-Direktors Dr. Bergmann die Anrede gehalten und der herzogliche Sekretär Simon Gabriel zur Nedden die Proposition verlesen hatte, trug der Dr. Joachim Wedemann, damals Syndikus des Domkapitels, später Syndikus der Stadt, eine Beglückwünschungsrede vor, worauf dann der Huldigungseid vom Sekretär verlesen und „von der sämtlichen Bürgerschaft mit auf gereckten Fingern wirklich abgeleistet“ wurde.

1633 war es in Mecklenburg verhältnismäßig ruhig, da die kaiserlichen Truppen aus dem Lande abgezogen und die Schweden auf ihrer Verfolgung begriffen waren. Nur wenige der letzteren waren als Besatzungen in den Städten geblieben. Adolf Friedrich suchte seine Verbindungen mit den schwedischen Heerführern möglichst friedlich zu kräftigen und seine eigenen Truppen für mögliche Kriegsfälle zu rüsten. Solche drohten schon gegen den Schluss des Jahres wieder, indem die Kaiserlichen die befestigten Orte der Churmark Brandenburg eroberten und sich den Grenzen unseres Landes näherten. Deshalb ließ der Herzog am 8. November, als den Tage, an welchem ihm eine Tochter geboren war († 3. Februar 1634), den Befehl ergehen, dass im ganzen Lande drei weitere Buß-, Bet- und Festtage gehalten werden sollten, nämlich am 27. November, am 18. Dezember und am 3. Januar 1634, damit das „gräuliche Kriegslaster und Not Mecklenburg nicht wieder heimsuchen möge.“

1634. Das Jahr begann aber für den Herzog trübe. Schon am 23. Januar erkrankte eine Gemahlin Anna Maria an den Pocken, am 3. Februar starb die kaum geborene Tochter und am 5. folgte ihr die Mutter im Tode nach. „Am 6. Februar bin ich in großer Betrübnis gesessen“, schreibt der Herzog in seinem Tagebuch.

Das Stift Schwerin war mit dem Herzogtum in Wallensteins Besitz gefallen, das Kapitel nach Lübeck geflüchtet. Als nun Wallenstein aus Mecklenburg zog, galten die Güter des Stiftes fast als herrenlos und wurden von dem Könige Gustav Adolf von Schweden freigebig an seine Kriegsoffiziere verschenkt. 1633 war das Kapitel nach Schwerin zurückgekehrt, und da in diesem Jahre der letzte Bischof Ulrich in Schlesien ermordet worden (s. d. J.1627), so suchten die Domherren durch Adolf Friedrichs Vermittlung wieder zu ihren Gütern zu gelangen. Die Königin Christine von Schweden nämlich hatte den Herzog durch ihren Gesandten Johann Adeler Salvius am 17. März in den Besitz der Domkirche und Schelfe zu Schwerin, deren zugehörige Bürger den Handschlag tun mussten, und am 24. März in den Besitz der Stiftsstadt Bützow setzen lassen, wo die Bürger und Edelleute ebenfalls in Eid genommen waren. Nun vereinigte sich das Domkapitel mit dem Herzoge dahin, dass dieser selbst zum jetzigen Administrator des Stiftes erwählt sein und auch ferner die Verwaltung des Stiftes beim fürstlichen Hause Mecklenburg bleiben sollte. Hierfür versprach der Herzog, die verschenkten Kapitelsgüter Rampe und Medewege, auch Warktorf und den Bauhof auf der Schelfe, welchen letzteren Adolf Friedrich selbst an sich genommen hatte, für das Stift wieder zu erwerben resp. ihm zurückzugeben und sich in Allem des Domkapitels anzunehmen. Die fürstlichen Kassen waren übrigens so entleert, dass Adolf Friedrich das Amt Dömitz an den Lübecker Bürger und Handelsherrn Andreas Hundt auf 10 Jahre verpfänden musste, der ihm dafür während der ersten 5 Jahre jährlich 4.000, während der letzten 5 jährlich 5.000 Gulden an Pacht bezahlen sollte.

Am 23. April wurden, unter Beteiligung vieler fremden Fürsten, zu Schwerin die Exequien für die verstorbene Herzogin ausgeführt. Dabei ging es folgendermaßen her: Unter Anführung von neun, in drei Gliedern aufgestellten Edelleuten, versammelte sich die singende Schule auf dem Schlossplatze, begleitet von den Predigern. Nach dem Gesange ordnete sich die Prozession. Gleich auf die Prediger folgten die fürstlichen Leichen, welche vorher auf einem schwarzen Tuche auf dem Schlosshof gestanden hatten, der Sarg der Herzogin getragen von 40 sich ablösenden, derjenige der Prinzessin von acht Edelleuten, welche sich nicht ablösten. Neben und nahe vor den Särgen gingen Trabanten und die Hofdienerschaft; gleich dahinter der Herzog mit seinen zwei Söhnen, die Gesandten und Räte, Abgeordnete der Universität und höhere Beamte, dann die fürstlichen Frauenzimmer, geführt von 9 Marschällen in drei Gliedern, und endlich das übrige Gefolge. In der Domkirche angelangt, hielten die Prediger eine Danksagung und eine Leichenrede, worauf die Särge in die fürstliche Begräbnisstätte eingelassen wurden, und das Gefolge in gleicher Prozession ins Schloss zurückkehrte. Adolf Friedrich ließ die Leichen jedoch nicht im Dome zu Schwerin stehen, sondern geleitete sie am 12. Mai selbst nach Doberan, wo auch er seine Ruhestätte angeordnet hatte. Als die Schweden i. J. 1638 auf das Schrecklichste in Mecklenburg hausten, plünderten sie, wie Franke erzählt, auch die Kirche zu Doberan, von deren Dache sie für 16.000 Thlr. Blei und Kupfer abgerissen haben sollen. Bei dieser Gelegenheit öffneten sie den Sarg dieser Herzogin, in welchem sie wahrscheinlich Kostbarkeiten vermuteten und rissen den Leichnam heraus, den sie auf der Straße liegen ließen, wo ihn die Hunde zerrissen. Die Knochen sammelte der Prediger Eddelin zu Doberan in einem schlechten Kästchen; erst i. J. 1592 wurden sie wieder in einen ordentlichen Sarg gelegt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin