Geschichte der Stadt Schwerin von 1590 bis 1596
1590. Am 4. Mai wurde Herzog Johanns VII. zweiter Sohn geboren, als sich der Herzog mit seiner Gemahlin auf der Rundreise von Stargard nach Schwerin in der Stadt Waren aufhielt. Der junge Prinz wurde an demselben Orte getauft und Johann Albrecht genannt. Der Dompropst Otto Wackerbart bestimmte das Domkapitel, zur Förderung der Domschule jährlich die Summe von 100 Mark lübisch auszusetzen. Hiervon sollten 15 Mark zur Erhöhung der Besoldung eines neu anzustellenden Schreiblehrers bestimmt werden. Als solcher wurde in diesem Jahre Thomas Buchholz berufen. Die noch übrigen 85 Mark sollten in zwei Teile geheilt und jedes mal um Ostern und Michaelis nach dem Schulexamen sollten 43 1/2 Mark an diejenigen Knaben, welche sich vor den übrigen durch ihre Fortschritte ausgezeichnet hatten, nach dem Maße dieser ihrer Fortschritte verheilt werden. Dafür sollten denn zur Erhöhung der Feierlichkeit des Examens und zur Erweisung gebührlicher Dankbarkeit gegen das Domkapitel jedes mal von den Primanern der Schule eine oder zwei lateinische Reden gehalten werden. Zugleich wurde bestimmt, dass beim Schulexamen wenigstens zwei Domherren, das geistliche Ministerium (die Prediger) und einige Ratsherren zugegen sein sollten. Dem ehrwürdigen Ministerium und den Schullehrern ward für die gehabte Bemühung eine Ergötzlichkeit von vier Stübchen Wein jährlich ausgesetzt. Auch versprachen die Kapitelsherren, dass sie in der Folge ein Mehreres für die Schule tun wollten.
Am 24. September d. J. war das Domkapitel nach Bützow berufen, um über die Wahl eines Nachfolgers für den Bischof Herzog Ulrich von Mecklenburg-Güstrow, welcher damals hochbejahrt war, eine Vereinbarung zu treffen. Die Wahl fiel auf den Neffen des Herzogs, den noch minderjährigen Herzog Ulrich von Holstein, Prinzen von Dänemark, welcher auch als demnächstiger Bischof des Stiftes Schwerin postuliert wurde. (Die Intimation geschah am 27. April 1591 zu Boizenburg; 1597 wurde die Kapitulation errichtet und am 19. Februar d. J. der junge Herzog zum Koadjutor Ulrichs von Güstrow bestätigt).
Die Zwistigkeiten, welche sich über den Besitz des Göhrener Fel des (s. d. J. 1282 und 1584) erhoben hatten, wurden jetzt gütlich beigelegt. Herzog Johann VII. bestätigte der Stadt den Besitz dieses Feldes und erneuerte ihr zugleich alle ihre Privilegien und Gerechtsame. Da aber auch die Tore, Brücken und Mauern in einem sehr schadhaften Zustande sich befanden und die ansehnliche Schuldenlast, welche die Stadt hatte, die Besserung derselben ihr unmöglich machte, so verlieh der Herzog ihr den Kornzehnten vom ganzen Schweriner Felde, jedoch mit Ausnahme derjenigen 20 Morgen, welche der Herzog Johann Albrecht I. seinem Rate Andreas Hahn geschenkt hatte, so lange dieser oder eine rechten Erben sie besitzen würden, und bestimmte, dass die Aufkunft desselben zur Abtragung der Schulden, zu notwendigen Bauten und anderen dringenden Erfordernissen angewendet werden sollen. Dagegen entsagte die Stadt allen ihren Ansprüchen an die Dörfer Mueß und Ostorf mit dem Ostorfer See, an das Haselholz und das Buchholz*), ferner an den Vogelheerd (im südlichen Teile des jetzigen Schlossgartens bei der „Terrasse“ auf ehemaligem Ostorfer Gebiete gelegen), an die Wein- und Heideberge, an den Jägerhof und den Propstkrug. Die Stadt nahm nun sogleich den Neubau der sehr baufälligen Tore in Angriff. Man begann mit dem Schmiedetor, dessen Bau im folgenden Jahre (1591) vollendet wurde. Das Tor bestand aus dem gewölbten Durchgang und einer nach der Seite des jetzigen Bärensprung- und Ehlerschen Hauses hin darangebauten kleinen Torwärterwohnung, und war mit einem kleinen Turme geziert, auf welchem sich eine metallene Kugel, aus Glockengut gegossen, befand. Auf der Kugel fand ein gleichfalls aus Glockengut gegossener, schwer geharnischter Ritter zu Pferde, mit der Fahne in der rechten Hand und dem Schilde am linken Arme (das Reiterbild Heinrichs des Löwen von Sachsen im Schweriner Stadtwappen). Als Ende Februar 1821 (s. d. J.) das Schmiedetor abgetragen wurde, fand man auf jener Kugel die Jahreszahl 1573, welche sich nicht sicher deuten lässt. Dem Pferde des Ritters fehlte seit langer Zeit das Hinterteil und die Kugel zeigte mehrere große Beulen und gewaltsame Verletzungen, welche von Kartätschen- oder sehr großen Büchsenkugeln herzurühren schienen. Der Sage nach sollen diese Verletzungen bei einer Beschießung der Stadt während des dreißigjährigen Krieges erfolgt sein, vielleicht i. J. 1631, als die Kaiserlichen aus Schwerin vertrieben wurden. Vom Schmiedetor landwärts führte eine alte Brücke über den Fließgraben.
*) Das Dorf Mueß und die Hälfte des Buchholzes „an unfruchtbaren Bäumen“ hatte die Stadt schon i. J. 1282 mit den Dörfern Zippendorf, Göhren und Ostorf erworben und seitdem ihr Anrecht daran behauptet. (Nachträgliche Bemerkung zum J. 1282)
Herzog Johann VII. war der Stadt Schwerin überhaupt sehr freundlich gesinnt. Nachdem er ihr die gedachte Bestätigung erteilt hatte, verlieh er ihr ein Privilegium dahin:
1) dass die Bürger und Einwohner Schwerins ans den Haselholze und Buchholze soviel Leseholz sammeln dürften, wie ein Jeder auf dem Nacken zu tragen vermöge; dass sie auch die Weidenutzung in diesen Holzungen haben, sich aber alles anderen, als des Leseholzes, gänzlich enthalten sollten;
2) dass sie in Pestzeiten ihre Toten auf „dem Kirchhofe bei St. Jurgen“ sollten begraben dürfen, welcher ihnen zu diesem Zwecke solle so eingeräumt werden, wie er jetzt (1590) sei:
3) dass sie ihre Schafe auf der Göhrener Schäferei vom Göhrener Felde an über die Feldmarken Consrade und „Boldelow“ (Boldela), von da nach dem Zippendorfer Felde und durch das Hasel- und Buchholz sollten treiben dürfen, wogegen sie jedoch die Krebsfördener Feldmark gänzlich vermeiden und den herzoglichen Schäfereien zu Consrade und Boldela die Überweide auf der Göhrener Feldmark zustehen sollte.
Auch der alte Bischofshof wurde in diesem Jahre abgebrochen und der Bau eines neuen bischöflichen Hauses vom Herzoge Ulrich begonnen. Dies Gebäude, welches i. J. 1591 vollendet war, ist dasselbe, welches später die Regierung genannt und erst i. J. 1846 abgebrochen wurde, worauf man denn an derselben Stelle das neue Postgebäude errichtete. Damals stand der Bischofshof am Ausflusse des Fließgrabens (Stadtgrabens) in den Pfaffenteich, also an der Grenze der Stadt; jetzt liegt die neue Post im Mittelpunkte derselben.
In der heiligen Blutskapelle wurde jetzt die weiße Marmortafel (s. d. J. 1576) in die Wand gefügt, welche Herzog Johann VII. den Andenken seines Vaters Johann Albrecht I. widmete.
Johann VII., ein obwohl schwacher, wohlwollender und sparsamer Fürst, litt unter der Bedrängnis, welche die von seinem Vater hinterlassenen Schulden ihm aufbürdeten, so sehr, dass er in die dem Jahre ernstlich daran dachte, die Regierung niederzulegen und ins Ausland zu gehen. Er hatte sich die redlichste Mühe gegeben, die zerrütteten Finanzen in Ordnung zu bringen, und selbst die kleinsten Ausgaben sorgsam verzeichnet, um, wie er selbst zu sagen pflegte, aus den Schulden zu kommen. Da seine ganze disponible Einnahme sich aber nur auf 5–6.000 Gulden jährlich (etwa 30–35.000 Gulden nach jetzigem Kurs) belief, obendrein unredliche Beamte, seine Schwäche benutzend, diese Einkünfte noch schmälerten, so half alle seine Sparsamkeit nicht. Konnte schon aus diesem Grunde von einer so glänzenden Hofhaltung, wie sie Schwerin kurz zuvor unter Johann Albrecht I. gesehen hatte, nicht die Rede sein, so litt andererseits auch die Gemütsverfassung des Herzogs eine solche nicht. Die geschilderten Verhältnisse hatten ihn tief traurig gemacht; er war häufig finster und litt an Anfällen von Schwermut, welche seinen frühen Tod herbeiführte (s. d. J. 1592).
1591. Am 6. Februar zwischen 3 und 4 Uhr Nachmittags starb zu Lübz auf ihrem Witwensitze die Herzogin Anna Sophie, Johann Albrechts I. würdige Gemahlin, und wurde am 17. Februar in der Domkirche zu Schwerin neben ihrem Gemahle beigesetzt, nachdem der Dr. David Chyträus eine lateinische und der Dr. Simon Pauli (beide damals in Rostock wohnhaft) eine deutsche Leichenrede gehalten hatten.
Am 28. April starb der herzogliche Rat und Bürgermeister Andreas Höen oder Hön. Er gehörte zu denjenigen wackeren Männern, welche Johann Albrecht I. beim Antritte seiner Regierung um sich versammelt hatte. Geboren zu Eisleben in der Grafschaft Mansfeld, hatte er dem Herzoge 12 Jahre hindurch als Sekretär gedient und darauf der Stadt 18 Jahre lang als Bürgermeister vorgestanden. Sein Nachfolger war Valentin Rodolf, geb. 1539 zu Schwerin.
Am 19. September wurde dem Herzoge Johann VII. zu Schwerin eine Tochter geboren, am 24. Oktober getauft und Anna Sophia genannt.
Im Oktober d. J. kann die Herzogin-Witwe Anna von Kurland, Schwester des Herzogs Ulrich, mit ihrer Tochter Elisabeth und großem Gefolge zum Besuche nach Mecklenburg. Ihr Sohn Wilhelm studierte damals in Rostock und war gerade Rektor der Universität. Sie war vom 3. bis zum 14. Januar in Schwerin und kehrte erst im Anfange das März 1592 nach Kurland zurück.
1592. Am 4. Februar starb Samuel Fabricius, von dem Hederich sagt, dass er ein Sohn des Reformators von Schwerin, Egidius Faber, gewesen sei. Johann Albrecht I. hatte ihn auf eigene Kosten erziehen und bilden, ihn mehr als 4 Jahre in Italien reisen, die Universitäten Bologna und Florenz besuchen lassen, und ihn bei seiner Rückkehr als Sekretär in seine Kanzlei genommen. Nach Johann Albrechts Tode war er fürstlicher Bibliothekar und erster mecklenburgischer Archivar geworden, als welcher er mit Andreas Mylius das herzogliche Archiv verzeichnet und daneben noch die Geschäfte eines Sekretärs verrichtet hatte.
In diesem Jahre herrschte die Pest überall in Europa, „eine solche geschwinde, erschreckliche Krankheit, dass, wenn die Leute nur einmal haben geprustet, sind sie alsbald umgefallen und gestorben. Daher ist die Gewohnheit bei den Christen aufgekommen, dass man spricht: „Gott helfe dich!“ wenn ein Mensch geprustet.“ (Aus Mag. Conrad Schlüsselburgs Leichenrede auf Herzog Christof von Mecklenburg, 1592).
Der Herzog Christof, Administrator des Bistums Ratzeburg Bruder der Herzoge Johann Albrecht I., Ulrich und Carl, lebte damals zu Tempzin, wo er am 3. März d. J., wahrscheinlich an der herrschenden Pest, starb. Am 15. April wurde eine Leiche nach Schwerin gebracht, zunächst in der Schlosskirche ausgesetzt und am 16. im Dome bestattet, wo ihm David Chyträus eine lateinische und der Superintendent und Hofprediger Andreas Celsius aus Güstrow eine deutsche Leichenrede hielten. Er ruht in der nördlichen Chorkapelle in einem ausgemauerten Begräbnisse, über welchem sich die Bildsäulen von ihm und seiner Gemahlin Elisabeth, Prinzessin von Schweden, befinden, aufgestellt i. J. 1596 (s. d) Das durch einen Tod erledigte Bistum Ratzeburg erhielt der jüngste Bruder Herzog Carl, welcher schon seit dem Jahre 1575 Koadjutor desselben gewesen war.
Die Nachricht von dem Tode seines Oheims erhielt Herzog Johann VII. in Stargard, wo er mit seiner Familie, auf einer Reise begriffen, übernachtete. Erschreckt durch dieselbe, bekam er einen Anfall von Schwermut, in welchem er sich mit einem Messer 7 Wunden beibrachte. Obwohl dieselben nicht tödlich und schon fast wie der geheilt waren, starb er doch schon am 22. März d. J. Am 27. April langte eine Leiche in Schwerin an, wurde in der Schlosskirche ausgestellt und darauf in der heil. Blutskapelle des Doms beigesetzt.
Die beiden jungen Söhne des Herzogs traten wieder unter die Vormundschaft ihres Oheims Ulrich. Aber dieser, schon bejahrt und in seinem eigenen Herzogtum mit Widerwärtigkeiten überhäuft, überließ die Verwaltung des Schweriner Landes den Rentmeister Andreas Meier und dem Detloff Warnstädt, zweien nicht sehr gewissenhaften Männern*). Die Herzogin Witwe Sophia zog auf ihr Leibgedinge Lübz, wo sie erst am 14. November 1634 viel geprüft starb und in der Kirche beigesetzt wurde.
*) Der Rentmeister Meier führte die Verwaltung bis zum Regierungsantritte der jungen Herzoge und da er große Gönner bei Hofe hatte, so gingen ihm alle seine Unrechtfertigkeiten hin. Seit dem Jahre 1607 beantragten die Stände wiederholt, Meier soll zur Rechnungsablage angehalten werden, was aber aus dem gedachten Grunde ohne Folge blieb; i. J. 1609 beantragten sie seine Gefangennahme, weil er „große Summen aus den Landeskassen entnommen und für sich verwandt habe“, konnten aber jene nicht erreichen. Im J. 1610 starb Meier, ohne Rechnung abgelegt zu haben, eines plötzlichen Todes, der, wie die Stände auf dem diesjährigen Landtage zu Güstrow sagten, „ein augenscheinliches Zeichen von Gottes gerechtem Gerichte gewesen sei.“ Die Stadt Schwerin beschwerte sich, dass er ihr die Zufuhr gewehrt habe.
In Schwerin aber hörte mit der Vormundschaft das Hofleben wieder auf; die herzoglichen Prinzen wurden am Hofe zu Güstrow erzogen und die genannten Verwalter des Schweriner Landes taten nur, was ihr eigener Vorteil erheischte.
1594. Am 30. April starb Andreas Mylius, im Alter von 66 Jahren und wurde neben seiner am 28. März 1592 gestorbenen Gattin Margarethe, geb. Rotermund, im Dome beigesetzt. Er hatte dem herzoglichen Hause 45 Jahre lang mit seltener Treue und Aufopferung gedient.
Am 29. August hat ein schreckliches Unwetter die Menschen beängstigt, wie man es seit Menschengedenken nicht erlebt hatte. Es begann, nachdem es mehrere Tage hindurch sehr schwül gewesen war, kurz nach Sonnenuntergang und währte unter unaufhörlichem Blitzen, Donnern und Hageln bis zum nächsten Morgen, einige Stunden nach Sonnenaufgang. Indessen hat dies Unwetter keinen sehr großen Schaden angerichtet, obwohl die Menschen in solche Angst geraten waren, dass die sich am nächsten Tage auf der Straße Begegnenden sich laut über ihre Erhaltung beglückwünscht haben.
Wir finden in den Schweriner Stadtbüchern, welche leider nicht in frühere Zeiten zurückreichen, seit diesem Jahre wiederholt verzeichnet, dass Tagelöhner oder Arbeitsleute, Maurer- und Zimmergesellen als Bürger der Stadt aufgenommen wurden und den Bürgereid abgeleistet haben.
1596 wurde Herzog Christofs Ruhestätte im Dom (s. d. J. 1592) mit dem schönen Marmor-Monumente geziert, welches ihm seine Gemahlin Elisabeth zum Gedächtnisse hatte anfertigen lassen, die knienden Figuren. Beider darstellend. Die Aufstellung und Ordnung desselben leitete der fürstliche Rentmeister Tobias Scopperus, verfertigt hatte es der niederländische Bildhauer Kobert Koppens, nach Zeichnungen von dem Maler Georg Strachen aus Pommern. Die lateinische Inschrift lautet in freier deutscher Übersetzung folgendermaßen:
Eva pflückte einst vom verbotenen Baume die Frucht und gab sie dem Adam zur Speise, an der die Beide verdarben.
Unversehrt warf der Leib des Delphins den Jonas aus:
Wen der Herr beschützt, den kann Niemand verderben.
Der Hort der Auferstehung ist Christi Sieg,
Aus dem uns Ruhm, Leben und Seligkeit kommt.
Unsere Sünden sind, o Christus, in Deinem Grabe begraben,
Unsere Leiber gibst Du uns verherrlicht zurück.
Am 21. März starb der Domprediger Joachim Klockow nach 28jähriger Amtsführung und folgte ihm am 18. Juli Peter Hesse (Hussäus) im Amte nach.
In diesem und dem folgenden Jahre wurde das Mühlentor mit den Rondelen von der Stadt erbaut.
Am 24. September d. J. war das Domkapitel nach Bützow berufen, um über die Wahl eines Nachfolgers für den Bischof Herzog Ulrich von Mecklenburg-Güstrow, welcher damals hochbejahrt war, eine Vereinbarung zu treffen. Die Wahl fiel auf den Neffen des Herzogs, den noch minderjährigen Herzog Ulrich von Holstein, Prinzen von Dänemark, welcher auch als demnächstiger Bischof des Stiftes Schwerin postuliert wurde. (Die Intimation geschah am 27. April 1591 zu Boizenburg; 1597 wurde die Kapitulation errichtet und am 19. Februar d. J. der junge Herzog zum Koadjutor Ulrichs von Güstrow bestätigt).
Die Zwistigkeiten, welche sich über den Besitz des Göhrener Fel des (s. d. J. 1282 und 1584) erhoben hatten, wurden jetzt gütlich beigelegt. Herzog Johann VII. bestätigte der Stadt den Besitz dieses Feldes und erneuerte ihr zugleich alle ihre Privilegien und Gerechtsame. Da aber auch die Tore, Brücken und Mauern in einem sehr schadhaften Zustande sich befanden und die ansehnliche Schuldenlast, welche die Stadt hatte, die Besserung derselben ihr unmöglich machte, so verlieh der Herzog ihr den Kornzehnten vom ganzen Schweriner Felde, jedoch mit Ausnahme derjenigen 20 Morgen, welche der Herzog Johann Albrecht I. seinem Rate Andreas Hahn geschenkt hatte, so lange dieser oder eine rechten Erben sie besitzen würden, und bestimmte, dass die Aufkunft desselben zur Abtragung der Schulden, zu notwendigen Bauten und anderen dringenden Erfordernissen angewendet werden sollen. Dagegen entsagte die Stadt allen ihren Ansprüchen an die Dörfer Mueß und Ostorf mit dem Ostorfer See, an das Haselholz und das Buchholz*), ferner an den Vogelheerd (im südlichen Teile des jetzigen Schlossgartens bei der „Terrasse“ auf ehemaligem Ostorfer Gebiete gelegen), an die Wein- und Heideberge, an den Jägerhof und den Propstkrug. Die Stadt nahm nun sogleich den Neubau der sehr baufälligen Tore in Angriff. Man begann mit dem Schmiedetor, dessen Bau im folgenden Jahre (1591) vollendet wurde. Das Tor bestand aus dem gewölbten Durchgang und einer nach der Seite des jetzigen Bärensprung- und Ehlerschen Hauses hin darangebauten kleinen Torwärterwohnung, und war mit einem kleinen Turme geziert, auf welchem sich eine metallene Kugel, aus Glockengut gegossen, befand. Auf der Kugel fand ein gleichfalls aus Glockengut gegossener, schwer geharnischter Ritter zu Pferde, mit der Fahne in der rechten Hand und dem Schilde am linken Arme (das Reiterbild Heinrichs des Löwen von Sachsen im Schweriner Stadtwappen). Als Ende Februar 1821 (s. d. J.) das Schmiedetor abgetragen wurde, fand man auf jener Kugel die Jahreszahl 1573, welche sich nicht sicher deuten lässt. Dem Pferde des Ritters fehlte seit langer Zeit das Hinterteil und die Kugel zeigte mehrere große Beulen und gewaltsame Verletzungen, welche von Kartätschen- oder sehr großen Büchsenkugeln herzurühren schienen. Der Sage nach sollen diese Verletzungen bei einer Beschießung der Stadt während des dreißigjährigen Krieges erfolgt sein, vielleicht i. J. 1631, als die Kaiserlichen aus Schwerin vertrieben wurden. Vom Schmiedetor landwärts führte eine alte Brücke über den Fließgraben.
*) Das Dorf Mueß und die Hälfte des Buchholzes „an unfruchtbaren Bäumen“ hatte die Stadt schon i. J. 1282 mit den Dörfern Zippendorf, Göhren und Ostorf erworben und seitdem ihr Anrecht daran behauptet. (Nachträgliche Bemerkung zum J. 1282)
Herzog Johann VII. war der Stadt Schwerin überhaupt sehr freundlich gesinnt. Nachdem er ihr die gedachte Bestätigung erteilt hatte, verlieh er ihr ein Privilegium dahin:
1) dass die Bürger und Einwohner Schwerins ans den Haselholze und Buchholze soviel Leseholz sammeln dürften, wie ein Jeder auf dem Nacken zu tragen vermöge; dass sie auch die Weidenutzung in diesen Holzungen haben, sich aber alles anderen, als des Leseholzes, gänzlich enthalten sollten;
2) dass sie in Pestzeiten ihre Toten auf „dem Kirchhofe bei St. Jurgen“ sollten begraben dürfen, welcher ihnen zu diesem Zwecke solle so eingeräumt werden, wie er jetzt (1590) sei:
3) dass sie ihre Schafe auf der Göhrener Schäferei vom Göhrener Felde an über die Feldmarken Consrade und „Boldelow“ (Boldela), von da nach dem Zippendorfer Felde und durch das Hasel- und Buchholz sollten treiben dürfen, wogegen sie jedoch die Krebsfördener Feldmark gänzlich vermeiden und den herzoglichen Schäfereien zu Consrade und Boldela die Überweide auf der Göhrener Feldmark zustehen sollte.
Auch der alte Bischofshof wurde in diesem Jahre abgebrochen und der Bau eines neuen bischöflichen Hauses vom Herzoge Ulrich begonnen. Dies Gebäude, welches i. J. 1591 vollendet war, ist dasselbe, welches später die Regierung genannt und erst i. J. 1846 abgebrochen wurde, worauf man denn an derselben Stelle das neue Postgebäude errichtete. Damals stand der Bischofshof am Ausflusse des Fließgrabens (Stadtgrabens) in den Pfaffenteich, also an der Grenze der Stadt; jetzt liegt die neue Post im Mittelpunkte derselben.
In der heiligen Blutskapelle wurde jetzt die weiße Marmortafel (s. d. J. 1576) in die Wand gefügt, welche Herzog Johann VII. den Andenken seines Vaters Johann Albrecht I. widmete.
Johann VII., ein obwohl schwacher, wohlwollender und sparsamer Fürst, litt unter der Bedrängnis, welche die von seinem Vater hinterlassenen Schulden ihm aufbürdeten, so sehr, dass er in die dem Jahre ernstlich daran dachte, die Regierung niederzulegen und ins Ausland zu gehen. Er hatte sich die redlichste Mühe gegeben, die zerrütteten Finanzen in Ordnung zu bringen, und selbst die kleinsten Ausgaben sorgsam verzeichnet, um, wie er selbst zu sagen pflegte, aus den Schulden zu kommen. Da seine ganze disponible Einnahme sich aber nur auf 5–6.000 Gulden jährlich (etwa 30–35.000 Gulden nach jetzigem Kurs) belief, obendrein unredliche Beamte, seine Schwäche benutzend, diese Einkünfte noch schmälerten, so half alle seine Sparsamkeit nicht. Konnte schon aus diesem Grunde von einer so glänzenden Hofhaltung, wie sie Schwerin kurz zuvor unter Johann Albrecht I. gesehen hatte, nicht die Rede sein, so litt andererseits auch die Gemütsverfassung des Herzogs eine solche nicht. Die geschilderten Verhältnisse hatten ihn tief traurig gemacht; er war häufig finster und litt an Anfällen von Schwermut, welche seinen frühen Tod herbeiführte (s. d. J. 1592).
1591. Am 6. Februar zwischen 3 und 4 Uhr Nachmittags starb zu Lübz auf ihrem Witwensitze die Herzogin Anna Sophie, Johann Albrechts I. würdige Gemahlin, und wurde am 17. Februar in der Domkirche zu Schwerin neben ihrem Gemahle beigesetzt, nachdem der Dr. David Chyträus eine lateinische und der Dr. Simon Pauli (beide damals in Rostock wohnhaft) eine deutsche Leichenrede gehalten hatten.
Am 28. April starb der herzogliche Rat und Bürgermeister Andreas Höen oder Hön. Er gehörte zu denjenigen wackeren Männern, welche Johann Albrecht I. beim Antritte seiner Regierung um sich versammelt hatte. Geboren zu Eisleben in der Grafschaft Mansfeld, hatte er dem Herzoge 12 Jahre hindurch als Sekretär gedient und darauf der Stadt 18 Jahre lang als Bürgermeister vorgestanden. Sein Nachfolger war Valentin Rodolf, geb. 1539 zu Schwerin.
Am 19. September wurde dem Herzoge Johann VII. zu Schwerin eine Tochter geboren, am 24. Oktober getauft und Anna Sophia genannt.
Im Oktober d. J. kann die Herzogin-Witwe Anna von Kurland, Schwester des Herzogs Ulrich, mit ihrer Tochter Elisabeth und großem Gefolge zum Besuche nach Mecklenburg. Ihr Sohn Wilhelm studierte damals in Rostock und war gerade Rektor der Universität. Sie war vom 3. bis zum 14. Januar in Schwerin und kehrte erst im Anfange das März 1592 nach Kurland zurück.
1592. Am 4. Februar starb Samuel Fabricius, von dem Hederich sagt, dass er ein Sohn des Reformators von Schwerin, Egidius Faber, gewesen sei. Johann Albrecht I. hatte ihn auf eigene Kosten erziehen und bilden, ihn mehr als 4 Jahre in Italien reisen, die Universitäten Bologna und Florenz besuchen lassen, und ihn bei seiner Rückkehr als Sekretär in seine Kanzlei genommen. Nach Johann Albrechts Tode war er fürstlicher Bibliothekar und erster mecklenburgischer Archivar geworden, als welcher er mit Andreas Mylius das herzogliche Archiv verzeichnet und daneben noch die Geschäfte eines Sekretärs verrichtet hatte.
In diesem Jahre herrschte die Pest überall in Europa, „eine solche geschwinde, erschreckliche Krankheit, dass, wenn die Leute nur einmal haben geprustet, sind sie alsbald umgefallen und gestorben. Daher ist die Gewohnheit bei den Christen aufgekommen, dass man spricht: „Gott helfe dich!“ wenn ein Mensch geprustet.“ (Aus Mag. Conrad Schlüsselburgs Leichenrede auf Herzog Christof von Mecklenburg, 1592).
Der Herzog Christof, Administrator des Bistums Ratzeburg Bruder der Herzoge Johann Albrecht I., Ulrich und Carl, lebte damals zu Tempzin, wo er am 3. März d. J., wahrscheinlich an der herrschenden Pest, starb. Am 15. April wurde eine Leiche nach Schwerin gebracht, zunächst in der Schlosskirche ausgesetzt und am 16. im Dome bestattet, wo ihm David Chyträus eine lateinische und der Superintendent und Hofprediger Andreas Celsius aus Güstrow eine deutsche Leichenrede hielten. Er ruht in der nördlichen Chorkapelle in einem ausgemauerten Begräbnisse, über welchem sich die Bildsäulen von ihm und seiner Gemahlin Elisabeth, Prinzessin von Schweden, befinden, aufgestellt i. J. 1596 (s. d) Das durch einen Tod erledigte Bistum Ratzeburg erhielt der jüngste Bruder Herzog Carl, welcher schon seit dem Jahre 1575 Koadjutor desselben gewesen war.
Die Nachricht von dem Tode seines Oheims erhielt Herzog Johann VII. in Stargard, wo er mit seiner Familie, auf einer Reise begriffen, übernachtete. Erschreckt durch dieselbe, bekam er einen Anfall von Schwermut, in welchem er sich mit einem Messer 7 Wunden beibrachte. Obwohl dieselben nicht tödlich und schon fast wie der geheilt waren, starb er doch schon am 22. März d. J. Am 27. April langte eine Leiche in Schwerin an, wurde in der Schlosskirche ausgestellt und darauf in der heil. Blutskapelle des Doms beigesetzt.
Die beiden jungen Söhne des Herzogs traten wieder unter die Vormundschaft ihres Oheims Ulrich. Aber dieser, schon bejahrt und in seinem eigenen Herzogtum mit Widerwärtigkeiten überhäuft, überließ die Verwaltung des Schweriner Landes den Rentmeister Andreas Meier und dem Detloff Warnstädt, zweien nicht sehr gewissenhaften Männern*). Die Herzogin Witwe Sophia zog auf ihr Leibgedinge Lübz, wo sie erst am 14. November 1634 viel geprüft starb und in der Kirche beigesetzt wurde.
*) Der Rentmeister Meier führte die Verwaltung bis zum Regierungsantritte der jungen Herzoge und da er große Gönner bei Hofe hatte, so gingen ihm alle seine Unrechtfertigkeiten hin. Seit dem Jahre 1607 beantragten die Stände wiederholt, Meier soll zur Rechnungsablage angehalten werden, was aber aus dem gedachten Grunde ohne Folge blieb; i. J. 1609 beantragten sie seine Gefangennahme, weil er „große Summen aus den Landeskassen entnommen und für sich verwandt habe“, konnten aber jene nicht erreichen. Im J. 1610 starb Meier, ohne Rechnung abgelegt zu haben, eines plötzlichen Todes, der, wie die Stände auf dem diesjährigen Landtage zu Güstrow sagten, „ein augenscheinliches Zeichen von Gottes gerechtem Gerichte gewesen sei.“ Die Stadt Schwerin beschwerte sich, dass er ihr die Zufuhr gewehrt habe.
In Schwerin aber hörte mit der Vormundschaft das Hofleben wieder auf; die herzoglichen Prinzen wurden am Hofe zu Güstrow erzogen und die genannten Verwalter des Schweriner Landes taten nur, was ihr eigener Vorteil erheischte.
1594. Am 30. April starb Andreas Mylius, im Alter von 66 Jahren und wurde neben seiner am 28. März 1592 gestorbenen Gattin Margarethe, geb. Rotermund, im Dome beigesetzt. Er hatte dem herzoglichen Hause 45 Jahre lang mit seltener Treue und Aufopferung gedient.
Am 29. August hat ein schreckliches Unwetter die Menschen beängstigt, wie man es seit Menschengedenken nicht erlebt hatte. Es begann, nachdem es mehrere Tage hindurch sehr schwül gewesen war, kurz nach Sonnenuntergang und währte unter unaufhörlichem Blitzen, Donnern und Hageln bis zum nächsten Morgen, einige Stunden nach Sonnenaufgang. Indessen hat dies Unwetter keinen sehr großen Schaden angerichtet, obwohl die Menschen in solche Angst geraten waren, dass die sich am nächsten Tage auf der Straße Begegnenden sich laut über ihre Erhaltung beglückwünscht haben.
Wir finden in den Schweriner Stadtbüchern, welche leider nicht in frühere Zeiten zurückreichen, seit diesem Jahre wiederholt verzeichnet, dass Tagelöhner oder Arbeitsleute, Maurer- und Zimmergesellen als Bürger der Stadt aufgenommen wurden und den Bürgereid abgeleistet haben.
1596 wurde Herzog Christofs Ruhestätte im Dom (s. d. J. 1592) mit dem schönen Marmor-Monumente geziert, welches ihm seine Gemahlin Elisabeth zum Gedächtnisse hatte anfertigen lassen, die knienden Figuren. Beider darstellend. Die Aufstellung und Ordnung desselben leitete der fürstliche Rentmeister Tobias Scopperus, verfertigt hatte es der niederländische Bildhauer Kobert Koppens, nach Zeichnungen von dem Maler Georg Strachen aus Pommern. Die lateinische Inschrift lautet in freier deutscher Übersetzung folgendermaßen:
Eva pflückte einst vom verbotenen Baume die Frucht und gab sie dem Adam zur Speise, an der die Beide verdarben.
Unversehrt warf der Leib des Delphins den Jonas aus:
Wen der Herr beschützt, den kann Niemand verderben.
Der Hort der Auferstehung ist Christi Sieg,
Aus dem uns Ruhm, Leben und Seligkeit kommt.
Unsere Sünden sind, o Christus, in Deinem Grabe begraben,
Unsere Leiber gibst Du uns verherrlicht zurück.
Am 21. März starb der Domprediger Joachim Klockow nach 28jähriger Amtsführung und folgte ihm am 18. Juli Peter Hesse (Hussäus) im Amte nach.
In diesem und dem folgenden Jahre wurde das Mühlentor mit den Rondelen von der Stadt erbaut.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin