Geschichte der Stadt Schwerin von 1493 bis 1531

1497. Einige Zeit nach dem Himmelfahrtstage wurde, wie Hederich erzählt, der Domherr Henning Nüchterndanz, welcher unter dem Kreuzgange wohnte, samt einem Knaben, der bei ihm lebte, in „nachtschlafender Zeit“ umgebracht und sein sämtliches Geld und Silbergeschirr geraubt. Der Knabe, welcher dem Täter unabsichtlich die Tür geöffnet hatte, ist zuerst mit einem Dolche durch „beide Dünnen“ gestochen, der Domherr auf seinem Ruhebett ermordet. Zum Gedächtnis dieses Frevels wurde letzterem ein Leichenstein aufs Grab gelegt, in welchen eine Abbildung der Tat eingehauen wurde.

1502 ließ Herzog Magnus bei Schwerin einen Amtmann Engelke aufhängen, weil derselbe sich viele Verleumdungen und Diebereien hatte zu Schulden kommen lassen. Der Galgenberg, welcher diesen Namen bis heute bewahrt hat, befand sich an der nordwestlichen Seite vor der Stadt auf dem Höhenzuge links vom Wege nach Lankow neben der s.g. Königsbreite. Ein Gerichtsberg lag zwischen den jetzigen Domkirchhofe und dem Zwange (einer in den Ostorfer See auslaufenden Landzunge), auf den Höhenzuge vor dem heutigen Walltor, auf einem südlichen Hügel der s. g. Schweriner-Schweiz.


1503. Es starben in diesem Jahre Herzog Magnus von Mecklenburg und Bischof Conrad Loste von Schwerin. Letzterer war ein tüchtiger und gewissenhafter Prälat, der durch strenge Verordnungen gegen die Völlerei und Unzucht der niederen Geistlichkeit anzukämpfen sich eifrig bemühte. Sein Nachfolger war Johann II. (Tun).

Auch Herzog Magnus war, wie schon erwähnt wurde, ein tüchtiger Fürst, der nicht nur das Raubwesen im Lande mit Erfolg niederzuhalten bestrebt war, sondern auch durch seine Sparsamkeit die zerrütteten Finanzverhältnisse in Ordnung brachte. Mit ihm begann für Schwerin die Periode des Schlossbaues, welche für die Stadt von großer Bedeutung wurde, indem sie – ebenso wie der i. J. 1843 mit dem Abbruche des älteren Schlosses beginnende Schlossbau der jüngsten Zeit – die Gewerbetätigkeit und den Kunstsinn in ihr anregte und zum Schaffen belebte.

Herzog Magnus führte nämlich den ersten Bau desjenigen herzoglichen Residenzschlosses aus, welches bis zum Jahre 1842 stand und der Vorgänger des neuen Residenzschlosses war.

Wie wir früher gezeigt haben, erbaute an der Stelle der alten heidnischen Burg Graf Guncelin I. eine deutsche Burg. Die Beschaffenheit derselben kennen wir zwar nicht, doch unterschied sie sich wohl nicht von anderen fürstlichen Burgen oder Schlössern jener Zeit, deren einzelne Hallen oder Gemächer, mit etwaiger Ausnahme einiger Wohngemächer, nur ein Stockwerk hoch nebeneinander standen. Erst mit dem Ende des Mittelalters setzte man mehrere Stockwerke über einander, und in dieser Weise ließ auch Herzog Magnus einen Bau am Schloss ausführen. Dies war das „lange Haus mit dem Portale“, früher „das große neue Haus“ genannt, der älteste Teil des vormaligen Schlosses, der nordöstliche Teil desselben, dem großen See gegenüber gelegen. Dies Gebäude enthielt unten (par terre) die „große Hofdornitz“, d. i. der Hof oder Versammlungssaal, und darüber den Tanzsaal nebst den Wohnzimmern des Herzogs Albrecht (Magnus’ Sohn) und seiner Umgebung. Ferner hat der Herzog ein Sommerhaus auf der Burg erbauen lassen, welches entweder an der Stelle der späteren Schlosskirche stand oder der Zwinger, die s. g. Bleikammer, war. Auch an der Kapelle auf der Burg ließ er viel bauen, wie in einer noch erhaltenen Urkunde rühmend angeführt ist. Er gab damit den Impuls zu den großen Bauten, welche seine nächsten Nachfolger ausführten.

Auf dem Herzogstuhle folgten ihm seine Söhne Heinrich V., der Friedfertige, Erich II. und Albrecht VII, der Schöne, welche mit ihrem Oheime Balthasar gemeinschaftlich regierten. Letzterer starb aber schon am 16. März 1507 kinderlos. Erich, welcher in Rostock studiert und in den Jahren 1499 und 1502 Rektor der Universität gewesen war, folgte ihm am 24. Dezember 1508 im Tode nach. Heinrich V. und Albrecht VII. herrschten hierauf einstweilen gemeinschaftlich (bis 1520).

1505 trat Dr. Nicolaus Marschalk († 1525. Juli 12), aus Roßla in Thüringen gebürtig, in den herzoglichen Dienst als Rat und Gesandter. Er wurde später Professor an der Universität zu Rostock und gehört durch eine Reimchronik der mecklenburgischen Fürsten zu den einheimischen Geschichtsschreibern.

Herzog Heinrich V. bemühte sich, den Weinbau in Mecklenburg ein zuführen und im Großen zu betreiben. Er schickte einen „Weinmann“ nach dem Rhein, damit er dort Reben hole, und ließ schon im Frühling d. J. eifrig in den Weingärten arbeiten. Die ersten und größten Weinberge ließ er zu Lübz und Schwerin anlegen, hier auf der Anhöhe am Ostorfer See, an deren nördlicher Abdachung das Dorf Ostorf liegt, zwischen diesem und dem Püsser-Kruge. 1508 gab es auch zu Plau, Grevesmühlen und Stargard Weinberge, und verbreitete sich der Anbau des Weinstocks schnell über das ganze Land. Die Weingärten waren aber auch zugleich Obstgärten und Lustgärten, da man damals Blumengärten und Parks noch nicht hatte. Die Winzer des Herzogs gehörten zur Hofdienerschaft und erhielten jährlich Hofkleider. Überhaupt suchte der Herzog den norddeutschen Weinbau zu befördern. 1517 ließ er für seinen Hof zuerst Gubenschen Wein kaufen, von welchem i. J. 1519 das ganze Fuder nur 12 Gulden kostete. Die Trauben gaben aber in Norddeutschland und besonders in Mecklenburg nur sauren Wein, obgleich sie fast in allen Jahren völlig kelterreif wurden. Man musste deshalb bald für vornehmere Gäste Wein aus der Niederlausitz und vom Rhein kommen lassen; den sauren Wein mochte Niemand mehr trinken und so hörte auch der Weinbau im Großen mit dem Tode Herzog Heinrichs V. (1552) bald wieder auf. Um diese Zeit wurde auch ein Finkenherd auf der Terrasse des jetzigen Schlossgartens angelegt, bis zu welchem hier sich die Weinberge des Herzogs erstreckten.

1506 starb Bischof Johann II, welcher an der Stelle des Fürstenhofes zu Sternberg, wo Peter Däne 1492 die Hostien vergraben, den Bau eines Augustinerklosters und einer Kapelle zum heiligen Grabe begonnen hatte. Ihm folgte Peter (Wolkow), ein sehr angesehener Mann, welcher bisher familiaris des Papstes, litterarum apostolicarum scriptor et abbreviatorin Rom gewesen war.

In diesen Jahr beteiligte sich Herzog Heinrich V. an der Lübecker Fehde, ein für die Sittengeschichte jener Zeit sehr lehrreiches Ereignis. Es hatten sich nämlich i. J. 1505 Lübecker Fischer mit 3 betrunkenen mecklenburgischen Bauern geschlagen; letzteren war ihre Gutsherrschaft, Frau Irmgard von Buchwald auf Volksdorf bei Dassow, zur Hilfe gekommen und hatte die Lübecker Fischer bestraft. Dies nahm die Stadt aber übel auf; es entstand ein Streit, da die Genugtuung verlangte, welche Frau Irmgard verweigerte. Jene rüstete deshalb, diese berief ihre Freunde und Nachbaren, die Schack, die Quitzow, die Parkentine, und bald war eine Fehde im besten Gange. Die Lübecker fielen, 3.000 Mann zu Fuß und 200 Reiter stark, ins Mecklenburgische Land. Nun mischten sich aber auch die Fürsten hinein, Herzog Heinrich, der Churfürst von Brandenburg, der Herzog von Braunschweig u. a., und durch ihren Eifer für gütliche Beilegung des Streites kam es zu einem Kriege, der erst 1508 aufhörte. Die ganze mecklenburgische Truppenmacht war aufgeboten, viele Dörfer waren verwüstet und geplündert, viele Menschen getötet und gefangen.

1507 wurde der Bau des Büchsenhauses (Zeughauses) auf der Burg vollendet, welchen vielleicht schon Herzog Magnus begonnen hatte. Das Haus war zweistöckig; im Erdgeschosse wurde das schwere Geschütz, „die Büchsen“, aufbewahrt, im obersten Teile war die Harnisch-Kammer. – Auch die Schloss-Kapelle wurde in diesem Jahre neu erbaut, eine ältere Kapelle, welche an der Südwestseite des Schlosses nach dem Schlossgarten hin stand. Auf Einladung des Herzogs weihte der Bischof von Ratzeburg (der Schweriner Bischof Peter Wolkow hielt sich als Geschäftsführer der Herzoge in Rom auf) diese Kapelle am St. Laurentiustage 1507 ein, wofür ihm ein Geschenk von 20 Gulden verabreicht wurde. Am Schlusse des Jahres 1508 war die neue Orgel in der Kapelle so weit fertig, dass die Flügel an derselben durch den Maler Meister Heinrich gemalt werden konnten; einzelne Bilder zu ihr lieferte i. J. 1510 der Maler Mauricius. Die Kapelle stand jedoch nur wenige Jahre, da schon 1514 ihr Gewölbe eingestürzt war. Im J. 1508 hatte sie die größere der beiden noch jetzt vorhandenen Glocken erhalten, gegossen vom Stück- und Glockengießer Heinrich von Kampen, welcher zu Gadebuch wohnte. Sie hat um den Helm die Inschrift: Maria, mater gratiae, mater misericordiae, tu nos ab hoste protege, in hora mortis suscipe. An. 1508. Darunter steht auf dem Mantel der Glocke in kleinerer Schrift: Henrick van Campen.

In diesem Jahre trat Nicolaus Baumann als Sekretär in herzoglichen Dienst. Ihm wurde später ein Wohnsitz in Rostock angewiesen, wo er sich sehr für die Buchdruckerei interessierte, auch selbst Handschriften verfasste und lange für den Verfasser des niederdeutschen Reinecke Voß galt. Er wurde 1526 in der Jacobikirche zu Rostock begraben und erhielt ein Epitaphium daselbst, welches aber jetzt verschwunden ist.

1513 am 13. August wurde zu Wismar die Vermählung Herzog Heinrichs V. mit seiner zweiten Gemahlin Helena von der Pfalz vollzogen. Hierzu lieferten die Schweriner die Fische, und fing man am 11. August 5.000 große Brachsen im See, wie sie damals 1 Thlr. das Stück wert waren.

1515 begann ein neuer Kapellenbau auf der Burg; die ältere wurde abgebrochen. Den Bau leitete der Maurermeister Andreas Techel oder Teichel, neben welchem noch der Baumeister Hans genannt wird. Im J. 1520 wird der Neubau vollendet gewesen sein, denn in diesem Jahre wurden die Altartücher gekauft.

1516 starb der Bischof Peter Wolkow. Zu seinem Nachfolger wurde Herzog Heinrichs V. Sohn Magnus postuliert; da dieser aber noch nicht volljährig war (er zählte noch nicht ganz 7 Jahre), so leistete sein Vater für ihn dem Kapitel den Bischofseid und führte die Regierung des Bistums bis zum Jahre 1532. Vielleicht zum Andenken an diese Wahl eines Sohnes stiftete der Herzog in der Nicolaikirche auf der Schelfe eine neue Glocke, die mittlere. Die größere Glocke dieser Kirche ist älter und stammt noch aus dem 15. Jahrh; sie ist ohne Jahreszahl mit der einfachen Inschrift: Help got des ik beghinne, dat it enen ghuden ende winne, in großer gotischer Minuskel. Die mittlere Glocke aber, ebenfalls ohne Datum, ist reich verziert. Sie hat 2 Inschriften; die obere lautet: Baptizando mihi nomen Nicolai dabatur, Chaterinae mihi nomen perdulce dicatur. Vorn steht das halbe Bild eines konsekrierenden Bischofs, unter ihm das fünfschildige herzoglich-mecklenburgische Wappen. Hinten steht das Bild der heiligen Katharine über demselben Wappen und in der Mitte sind zwischen Bildern drei Namen angebracht: Marten Slone, Hinrick van Kampen (s. d. J. 1508), Hinrick Reyneken.

Auf der Burg ließ Herzog Heinrich V. in diesem Jahre ein neues Stockwerk über dem Zeughause (s. d. J. 1503) errichten, welches zunächst zu Wohnungen benutzt ward. Das Gebäude erhielt hierdurch die Gestalt, welche es bis zu seinem Abbruche bewahrte, obwohl auch die Zimmer des dritten Stockwerkes später mit als Rüstkammer benutzt wurden. Im Auftrage des Papstes Leo X. erschien in diesem Jahre der Ablasshändler Johann Angelus Arcimboldus, welcher das nördliche Deutschland bereiste, in Mecklenburg, um zum Bau der Peterskirche in Rom Ablass zu verkaufen. Er lebte hier so verschwenderisch, dass er nicht nur ein prachtvolles Silbergeschirr für eine Tafel hatte, sondern sogar in seiner Küche silberne Kessel und Bratpfannen gebraucht wurden. Er hatte übrigens das Unglück, dass sich König Christian II. von Dänemark 1517 seiner ganzen Kasse bemächtigte, und er war der letzte Ablasshändler, welcher in Mecklenburg bedeutende Geschäfte machte. 1517 fand sich hier zwar noch der päpstliche Legat Dominicus zu gleichen Zwecke ein, doch hatte er wenig Zuspruch und zog bald wieder ab.

1519 wurde ein Ordinarium für das Schweriner Stift erlassen, nach welchem z. B. der Bruch des Keuschheitsgelübdes durch einen Priester mit 10 Gulden bestraft wurde.

1520 wurde auf der Burg „Herzog Heinrichs neues Haus“ neben dem „langen Hause“ begonnen und 1525 vollendet. Dies Haus hieß später „das Haus mit der Schlossuhr“. Es wurde gleich ganz so hergestellt, wie es später war, vorn mit einem Turm (Windelstein), welcher die Schlossuhr enthielt und unter welchen sich der Bierkeller befand. Nach der Sitte damaliger Zeit wurde die schloss-wärts gelegene Fronte schwarz und weiß mit Historien gemalt (gleiche Malereien befanden sich an den fürstlichen Häusern zu Güstrow, Doberan und Lübz). Dies Haus nahm der Herzog zu einer Wohnung; er hatte eben 1520 mit einem Bruder Albrecht VII. das Land geheilt und den westlichen Teil mit der Residenz Schwerin erhalten, der er jetzt große Aufmerksamkeit zuwandte. Früher hatte er in einem neben der jetzigen Schlosskirche stehenden Hause gewohnt, an der Stelle, wo sich nachher die Küsterwohnung und darüber die Bildergalerie befand.

1524 starb Herzog Heinrichs V. zweite Gemahlin, Helena von der Pfalz, und wurde hinter dem Hochaltare der Domkirche zu Schwerin in der heiligen Bluts-Kapelle begraben. Sie war die erste Fürstin aus mecklenburgischem Hause, welche ihre Ruhestätte in Schwerin fand, da die fürstliche Begräbnisstätte sich bisher in der Kirche zu Doberan befunden hatte. Der Herzog ließ ihr von dem berühmten Rotgießer Peter Bischer zu Nürnberg ein Epitaphium gießen, eine große Tafel von Bronze mit dem mecklenburgischen und dem pfälzischen Wappen, welche die Inschrift trägt:

Alta Palatinis Helenam me Norica castris
Duci Obotriteo sors voluere toro.
Quod potui, feci; vetuerunt plurima Parcae;
Prastabunt proles, quaeque negata mihi.
Proles quam juvenem charo commendo marito,
Me gratam Superis, lector amice, face.

Dies Epitaphium ist bemerkenswert als das einzige Werk in Mecklenburg, welches dem berühmten Rothgießer Peter Bischer mit Wahrscheinlichkeit zugeschrieben werden kann, obwohl die Arbeit nicht immer in gleicher Weise edel gehalten ist, wie sie auf anderen Kunstwerken jenes Meisters zu sein pflegt. Die Tafel hing bis 1845 an der Rückwand der Altarmauer, wurde aber 1846 an den südlichen Pfeiler des Umganges über der Pforte befestigt und in das gegenüberstehende Fenster der südlichen Chorkapelle wurde das in Glas gemalte Wappen der Herzogin eingesetzt.

In demselben Jahre am 17. Januar hatte sich Herzog Albrecht VII, der Schöne, zu Berlin mit Anna, des Kurfürsten Joachim von Brandenburg Tochter, vermählt. Beide neigten sich damals der Lehre Luthers zu, ebenso wie auch der Herzog Heinrich V. Albrecht VII. hatte sogar schon 1524 einen evangelischen Hofprediger Heinrich Möllens oder Müller an seinem damaligen Aufenthaltsorte Wismar, wo jener an der St. Georgs-Kirche, welche Hofkirche war, predigte. 1525 richtete der päpstliche Kardinal Campegius ein Schreiben an die Herzöge, worin er sie aufforderte, die evangelische Lehre, „die schändliche Sekte der Lutheraner“, in ihren Ländern zu unterdrücken. Wie es um diese damals in Schwerin stand, ist nicht klar zu erkennen, doch ist es nicht wahrscheinlich, dass in dieser Stadt schon evangelisch gepredigt worden sei, und die Behauptung, dass Heinrich Möllens seit 1524 schon in Schwerin gepredigt habe, ist gewiss irrig.

1526 dagegen berief Herzog Heinrich V. den lutherischen Prädikanten Martin, den Oberländer, aus dem sächsischen Erzgebirge gebürtig, auf Empfehlung Luthers nach Schwerin, damit er hier predigen solle. Da der Herzog aber i. J. 1516 für seinen Sohn Magnus dem Domkapitel Schutz und Hilfe zugeschworen und den Bischofseid abgelegt hatte, so wollte er dasselbe in seinem Bestande nicht stören, vermied in Folge seines friedfertigen Charakters auch gern jeglichen Zwist. Er ließ deshalb dem Prädikanten Martin die Kapelle des St. Georgs-Hospitals vorm Mühlentor einräumen, und da die selbe für die zahlreich sich einfindenden Zuhörer bald zu wenig Raum darbot, unter den Linden des Rosengartens einen hölzernen Predigtstuhl (Kanzel) erbauen, von den herab das Evangelium verkündigt wurde.

1528 ließ der Herzog Heinrich V. einen Stall in der Stadt, in welchem der herzogliche Vogt Henning von Pentz bisher seine Pferde gehabt hatte, abbrechen und an einer Stelle eine Kirche*) errichten, mit welcher zugleich eine lutherische Schule verbunden werden sollte, und nun wurde

1529 der Magister Egidius Faber, Luthers Freund und Schüler, aus Wittenberg zum Hofprediger nach Schwerin berufen. Faber war ein gebürtiger Ungar, hatte in Ofen studiert, nach dem Einfalle der Türken in Ungarn aber diese Stadt verlassen und sich über Augsburg nach Wittenberg begeben, wo er sich dem Schülerkreise Luthers anschloss. Ein feuriger und begabter Redner, an Kraft des Ausdrucks Luther fast erreichend, gewann er in Schwerin bald viele Anhänger, so dass die katholische Geistlichkeit ihm gar aufsätzig und nur durch den ernsten Befehl des Herzogs von Tätlichkeiten zurück, gehalten wurde.

*) Diese lag in der Salzstraße an der linken Ecke beim Eingange aus jener in die Ritterstraße, die Schule und Predigerwohnung in dem gegenüberstehenden Eckhause an der Salz- und Baderstraße. Beide Häuser wurden über der Gasse durch einen gewölbten Gang mit einander verbunden. Der erste Lehrer an der lutherischen Schule war Cornelius Arnemius, welcher vom Herzog Alba seines Glaubens wegen aus Geldern vertrieben, in Schwerin als Prinzenlehrer angestellt gewesen war.

1530 waren beide Herzöge auf dem Reichstage zu Augsburg, jeder mit einem großen Gefolge von Rittern und Edlen. Herzog Heinrich V. hielt sich hier entschieden auf Seiten der Protestanten, obwohl er die Augsburgische Konfession nicht mit unterschrieb. Herzog Albrecht VII. aber, welcher überhaupt der evangelischen Lehre wohl nie von Herzen angehangen hatte, neigte sich auf die Seite ihrer Gegner, der katholischen Fürsten, und versuchte bei seiner Rückkehr nach Mecklenburg sogar, freilich erfolglos, die Predigt des Evangeliums zu unterdrücken. Er gab dies Bestreben auch, da er sich auf weitaussehende Eroberungspläne in Dänemark und Holstein ein ließ, bald auf und gestattete den Bemühungen Heinrichs V. für die Reformation freien Lauf.

Das Jahr war übrigens ein schreckliches. Schon am 2. Januar hatte man in ganz Mecklenburg und Pommern einen langen feurigen Strahl am Himmel gesehen, auch mehrere Kometen erschreckten die Menschen. Der Winter 1528/29 war auffallend warm und gelinde, Frühjahr und Sommer äußerst nass, der Herbst kalt und grau („in dem 29. jare waß nen (kein) winter; men wuste vann nenen froste noch winter tho seggen; sommer vnnd winter was schir anerein, alleine dat idt kolt waß vnd luchtig“). Die Ernte war gering, Krankheiten, welche man dem Genuss erkrankter Fische zuschrieb, waren häufig, selbst die Vögel erkrankten. Die Teuerung war groß; oft überfiel die Menschen ein plötzliches ohnmächtiges Ermatten. Am 25. Juli brach die Schweißsucht in Hamburg aus, ging von dort nach Lübeck und trat in den Ostseestädten sehr verheerend auf, verschonte aber auch die Landstädte nicht, wenngleich sie hier nur gelinde herrschte. Auch Herzog Heinrich V. wurde später wahrscheinlich von dieser Krankheit befallen (1530).

1531 am Jacobitage, dem 25. Juli, zwischen 10 und 2 Uhr Nachts, entstand ein großer Brand, durch welchen innerhalb 4 Stunden fast die ganze Stadt zerstört wurde. Das Feuer kam nach Hederich in einem Hause der Burgstraße auf, welches einem Bürger Wolff Wolkenstein, der aus Freiberg in Meißen gebürtig war, zugehörte und von ihm und seinem Gesinde bewohnt wurde. Da das Feuer während der Nacht ausgebrochen war und schon weit um sich gegriffen hatte, bevor die Leute erwachten, so war an Löschen nicht zu denken. Die Burgstraße brannte an beiden Seiten völlig nieder, ebenso die um den Markt liegenden Häuser nebst dem, damals der Burgstraße näher gelegenen Rathause und die ganze Neustadt, (d. h. die Moore). Verschont blieben allein die Hälfte der rechten Seite der Schusterstraße bis nach der Apotheke*) hin und die Schmiedestraße. Am meisten aber ist für uns zu bedauern, dass mit dem Rathause zugleich das Stadtbuch samt den Registern, Urkunden usw. gänzlich verloren ging.

*) Aus Mitteilungen Hederichs ersehen wir, dass i. J. 1558 schon eine Apotheke in Schwerin war, vielleicht schon früher, da Hederich von der ersten Einrichtung einer Apotheke nichts erwähnt. Von den mecklenburgischen Städten hatten nur Rostock sicher, vielleicht auch Wismar früher Apotheken, die Parchim’sche wurde erst i. J. 1614 gegründet.

B. Latomus erzählt, dass die Entstehung des Brandes ein Werk der Bosheit gewesen sei. Der Ratsherr Joachim Wedemann habe ihm wiederholt erzählt, dass ein Mensch, Namens Parsow, zu Crivitz kurz vor seinem Ende bekannt habe, er sei in dem Hause gewesen, in welchem das Feuer zuerst ausgebrochen, er wisse auch, warum das Feuer angelegt worden, und damit es unbemerkt zugehen möchte, habe er selbst sich gestellt, als helfe er löschen, in der Tat aber habe er das Feuer noch mehr angefacht. Auch die neue Stadtkirche an der Salzstraße war mit abgebrannt, weshalb der protestantische Gottesdienst einstweilen wieder in der St. Georgskapelle abgehalten werden sollte. Man wollte zu diesem Zwecke die nur kleine Kapelle und das Kloster erweitern; ehe man aber dazu gelangte, fiel das ganze Klostergebäude in einer stürmischen Nacht ein. Nur die Kapelle war stehen geblieben. Mit Bewilligung des Herzogs beschloss nun die Stadt, auch diese abzubrechen und die Steine zum Wiederaufbau der Stadtkirche in der Salzstraße zu verwenden. Solches geschah denn auch und wurde während der Zeit des Baues die Kirche des Franziskanerklosters zum protestantischen Gottesdienste mitbenutzt, ohne dass jedoch die Mönche dieses Klosters in ihrem katholischen Gottesdienste behindert wurden. Es scheint aber, als sei ein großer Teil der letzteren schon früh den Protestantismus zugeneigt gewesen (der Pfarrer Johannes Wegener, s. d. J. 1533, hatte dem Kloster angehört), woraus sich das gedachte sonderbare Übereinkommen erklären lässt.

Kurz vor dieser Zeit wird die Erzählung von dem Geiste Pück, welcher in Franziskanerkloster als Knecht gedient haben soll, entstanden sein. Dr. Simon Pauli, welcher 1559–60 Prediger zu Schwerin war, sagt in seinen Aufzeichnungen über diesen Pück, dass er dem Kloster 30 Jahre oder etwas länger gedient habe. Wir schalten des halb hier die gedachte Erzählung nach Paulis Aufzeichnungen ein.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin