Geschichte der Stadt Schwerin von 1432 bis 1491

1432 wurde die theologische Fakultät an der Universität zu Rostock durch Bischof Hermann III. bewilligt und gestiftet. Die Universität blühte in dieser Zeit so schnell empor, dass nicht selten in einem einzigen Semester 200 bis 300 Studenten immatrikuliert wurden. Die Geistlichkeit in Mecklenburg bot während dieser Zeit ein trauriges Bild dar; seit der Mitte des 14. und besonders seit dem Beginne des 15. Jahrh. war sie in argen Verfall geraten. Beispiele hierfür haben wir aus der Geschichte des Bistums, die höhere Geistlichkeit betreffend, schon aufgeführt; bezüglich der niederen Geistlichkeit liegen die vielfachten Zeugnisse vor in den Klagen und Ermahnungen der Bischöfe an ihre Untergebenen, welche namentlich die Bischöfe von Havelberg sehr oft wiederholen. Da die Urkunden des bischöflichen Stiftes zu Schwerin bei der Säkularisation auf die Seite gebracht wurden, so können wir nur aus jenen Klagen der Havelberger Bischöfe auf die Verhältnisse zu Schwerin schließen, aber um so berechtigter, als der Sprengel des Bistums Havelberg in Mecklenburg hineingriff und an den Schweriner Sprengel grenzte. Auch sind die unzweideutigen Bemühungen der Schweriner Bischöfe, Ordnung unter ihren Geistlichen zu stiften, auf andere Weise mehrfach beglaubigt. Es wurde den Priestern vorgeworfen, dass sie, anstatt ein gottgeweihtes und enthaltsames Leben zu führen, die Schänken und Tanzböden besuchten, das Knöchelspiel trieben, an lärmenden Jagden sich beteiligten, öffentliche Schauspiele und Turniere nicht vermieden, sogar während des Gottesdienstes Habichte, Falken, Sperber und dergleichen Vögel (welche zur Jagd gebraucht wurden) auf der Hand trugen, mit Anderen Trunk um Trunk zur Wette zechten, und namentlich – was ein stehendes Kapitel der Beschwerden war – dass sie verdächtige Weibspersonen bei sich unterhielten („gladde, lustige Kökeschen und junge Beddemakerschen“ nennt sie 1593 der protestantische Rostocker, gegen das Papsttum eifernde Prediger Nicolaus Gryse).

Dies Sinken der Moralität unter den höheren Geistlichen sowohl, wie in den Klöstern, war eine der Ursachen, aus welchen die Reformation später so schnell in Mecklenburg Fuß fasste; denn bald fing ein großer Teil der Laien an, die Geistlichkeit wegen ihres schlechten Lebenswandels gründlich zu verachten.


Der Bischof Hermann III. verwaltete die weltlichen Güter der Kirche sehr tüchtig und brachte in die Finanzen des Stiftes wieder Ordnung. Weniger aber gelang ihm dies mit der Zucht unter den Geistlichen; denn als er

1444 starb, fand sein ausgezeichneter Nachfolger Nicolaus I. (Böddeker), ein gebürtiger Wismaraner, Zucht und Ordnung unter den Geistlichen im ärgsten Zustande. Er berief sofort eine Synode nach Bützow, wo er residierte, die auch eine sehr scharfe Lebensordnung für die Geistlichkeit entwarf. Doch war das Unheil schon zu weit eingerissen und schon 1453 musste Nicolaus I. wieder eine strenge Verordnung an die Zisterzienser-Nonnen zum heiligen Kreuz in Rostock zur Wiederherstellung strengerer Zucht erlassen. Daneben bemühte er sich, auch die Verwaltung der weltlichen Güter des Stifts aufs Beste zu regeln, so dass er sein Residenzschloss zu Bützow erweitern, die Stadt befestigen und das bischöfliche Schloss zu Warin restaurieren konnte (1447-1448). Auch errang er sich unter den Schweriner Domherren ein so großes Ansehen, dass sie ihm gestatteten, als er resignieren wollte, seinen Nachfolger selbst zu wählen. Seine Wahl fiel auf den Domherrn Gottfried Lange, Sohn des Bürgermeisters Heinrich Lange zu Lüneburg, welcher, nachdem er persönlich in Rom die Bestätigung seiner Wahl nachgesucht hatte,

1457 als Gottfried II. den bischöflichen Sitz bestieg. Nicolaus I. ging nach seiner Resignation in das Stift zu Lübeck, wo er eine Dompräbende besaß und in der Kapelle des dortigen Domes begraben wurde († 1459 September 3). Einen Gedenkstein auf ihn besitzt auch der Dom zu Schwerin.

1450-1451. In diesen Jahren herrschte die blauschwarze Beulenpest allenthalben in Mecklenburg, die schrecklichste aller Seuchen, welche schon zu Anfange des 14. Jahrh. durch Schiffer aus Indien nach Europa eingeschleppt war. Wie die Chronisten erzählen, spottete diese Krankheit aller Heilversuche; weder Glauben (abergläubische Prozeduren), noch Priester, noch Gebet halfen, sie befiel die mehrten Menschen und hatte fast stets tödlichen Ausgang.

1458. Gottfried starb schon ein Jahr nach seinem Regierungsantritt und wählte das Kapitel zu seinem Nachfolger den Bischof Werner (Wolmers). Unter ihm wurde wieder am Dom zu Schwerin fleißig gebaut.

1460 auf dem Abschied des zu Wien gehaltenen Reichstages wurde dem Bischof von Schwerin bestimmt, dass er zur Reichshilfe 10 Reiter und 24 Fußgänger zu stellen habe. Ebenso im Abschied des 1466 zu Nürnberg gehaltenen Reichstages. Aus dieser Bestimmung suchte man später zu beweisen, dass die Bischöfe zu Schwerin unmittelbare Reichsstände gewesen seien, jedoch mit Unrecht, da sie weder ein Reichslehn vom Kaiser zu Lehn trugen, noch in ihren Besitzungen ursprüngliche landesherrliche Hoheitsrechte ausübten, noch auch Sitz und Stimme auf Reichs- und Kreistagen hatten.

1463 wurde der westliche Teil des Kreuzganges, welcher sich an das nördliche Seitenschiff lehnt und jetzt den Hörsaal des Gymnasiums enthält, erhöht. Zur Vollendung dieses Baues erteilte Bischof Werner dem Domkapitel einen Ablass. In diesem Jahre wurde auch zuerst ein päpstlicher Ablasshandel in Mecklenburg betrieben. Der Papst Sixtus V. hatte denselben seinem Legaten Marinus de Fregeno übertragen, der auch eine gute Ernte gehabt zu haben scheint, die dem Papst jedoch wenig Früchte brachte. Als Fregeno nämlich das Land wieder verlassen wollte, verlor er auf der Reise von Wismar nach Lübeck in der Nähe von Grevesmühlen einen Beutel mit 4.240 Gulden vom Wagen, ohne es zu gewahren. Eine arme Frau fand ihn, eignete ihn sich an und gab einen Teil des Geldes aus. Als die Sache aber ruchbar ward, musste sie den Rest desselben an den Herzog Heinrich IV., den Dicken, ausliefern, der stets geldbedürftig war. Trotz aller späteren Reklamationen des Legaten gab der Herzog das Geld nicht wieder heraus und fertigte ihn mit der Frage ab: „ob er ihm denn seinen Säckel in Verwahrung gegeben habe?“

1464 wurde die kleine Glocke der ältesten Schlosskapelle, über deren Erbauung nichts Näheres bekannt ist, gegossen und auch wohl in derselben aufgehängt. Es ist dieselbe, welche später in die neuere Schlosskirche (erbaut seit 1560) gebracht wurde; sie trägt um den Helm die Inschrift: O rex gloriae Christe veni cum pace, 1464. Auf einer Seite des Mantels in erhabenen Linear umrissen steht Maria, auf der anderen ebenso Johannes der Evangelist. Wahrscheinlich deutet die Jahreszahl dieser Glocke auf einen Bau an der Schlosskapelle hin. Es war dies Jahr wieder ein schlimmes Pestjahr; wie im voraufgehenden (1463) fielen die Menschen „gleich Blättern von den Bäumen“. In den Seestädten, namentlich zu Rostock, fehlte es an Händen, um die Leichen zu beerdigen, weshalb der Rat große Gruben hatte graben lassen, in welche man sie, eingehüllt in Tücher, bei Nachtzeit hinabsenkte. „Durch kein Mittel war die Krankheit zu mildern; sie verschmähte alle Hilfe; es war am besten, sich aller Arzneien zu enthalten, obwohl nur Wenige die Kraft hatten, die Krankheit zu bestehen. Viele hunderttausend (?) Menschen starben an diesem Übel in kurzer Zeit.“

1469 reiste der Ablasskrämer Johann Kannemann, Unterbeamter eines Legaten, in Mecklenburg, um seine Ware in Geld zu einem Kreuzzuge gegen die böhmischen Hussiten umzusetzen. Als derselbe aber nach Wismar kam, nahm der Rat das gelöste Geld an sich, „um es so lange aufzubewahren, bis der Krieg (welcher nicht zu Stande kam) beginnen würde“.

1470 wurden zwei der jetzt vorhandenen Glocken auf den Domturm gebracht, nämlich die zweite der großen und die mittlere. Die erstere, welche bei Halbschulleichen geläutet und als Sturm- und Betglocke gebraucht wird, trägt die Inschrift: Rex gloriae Ihesu Christe veni cum pace. Sancta Maria ora pro nobis. Amen. Anno domini 1470. Am 15. April 1796 zersprang sie beim Läuten zur Beerdigung des Schulzen Johann Friedrich Helms aus Görries, wurde zwar vom Glockengießer J. G. W. Landre zu Lübeck umgegossen, zersprang aber schon wieder 1808 beim Läuten für die Gemahlin Friedrich Franz I., Louise von Sachsen-Gotha-Roda. Die mittlere Glocke hat die Umschrift: Anno domini 1470. Ave regina coelorum, mater regis angelorum, Maria. Unter dem Worte domini steht ein Geistlicher mit unbedecktem lockigen Haupt, in langem Gewande und Mantel, in der Linken einen Kelch, die Rechte konsekrierend vor der Brust, mit einem viereckigen Täfelchen am Gürtel, ohne Heiligenschein, dieselbe Figur, welche Bischof Werner in einem Siegel zu führen pflegte. Unter dem Worte mater steht ein Marienbild und unter diesen das Zeichen des Gießers: ein unciales H mit einem rechts davon liegenden Kreuze.

1473 starb Bischof Werner und folgte ihm Balthasar, Herzog von Mecklenburg, bisher Bischof zu Hildesheim.

1474 war der oben (s. d. J. 1463) erwähnte Legat Martinus de Fregeno schon wieder mit seinem Ablasshandel in Mecklenburg. Seinen Sitz hatte er diesmal in Güstrow, von wo aus er das Land bereiste; der Ertrag des Handels war nach seiner Aussage zum Kriege wider die Türken bestimmt. Da die Türkenfurcht damals in Deutschland und speziell auch in Mecklenburg, so allgemein herrschte, dass man noch 50 Jahre später besondere Kirchengebete gegen die Türken anordnete, so mag der Ablasshändler wohl einträgliche Geschäfte gemacht haben.

1477 starb Herzog Heinrich IV., der Dicke, unter dessen schwacher Herrschaft Fehdezüge, Raub und Mord aufs Schrecklichste um sich gegriffen hatten. Bemerkenswert ist, dass er alle Länder des oft geheilten Herzogtums Mecklenburg in einer Hand vereinigte, da die übrigen fürstlichen Linien ausgestorben waren. Nach seinem Tode begann schon unter seinem Sohn, dem tüchtigen Herzog Magnus II. († 1503) ein würdigeres Regiment und eine neue, glücklichere Zeit blühte für Mecklenburg auf. Mit Magnus gemeinschaftlich regierte, da die anderen beiden Brüder Albrecht VI. schon 1483 und Johann VI. schon 1474 starben, sein Bruder Balthasar, welcher

1479 seinem Bischofssitze zu Schwerin, auf dem ihm Nicolaus II. (von Pentz) folgte, entsagte, sich jedoch wenig um die Landesregierung kümmerte. Bischof Nicolaus II. starb

1482 und hatte zum Nachfolger Conrad (Loste), welcher wieder eifrig an dem Dom zu Schwerin bauen ließ und denselben vollendete. Unter ihm wurden nämlich die beiden schon fertigen Flügel des Kreuzganges durch den nördlichen, überwölbten Straßengang, in dessen oberen Räumen sich jetzt die Bibliothek des Gymnasiums befindet, mit einander verbunden. Es ist zweifelhaft, ob Bischof Conrad diesen Teil neu bauen oder nur ein oberes Geschoss aufsetzen ließ. Lisch scheint das Letztere anzunehmen, da der gewölbte Gang einen zu edlen und hohen Stil habe, als ihn die übrigen Bauwerke Mecklenburgs zeigen, welche dem Ende des 15. Jahrhunderts angehören.

Mit diesem Bau ist der Dom in der Weise vollendet, wie er noch heute, die schönste Zierde der Stadt aus älterer Zeit, vor uns steht. Leider blieb der Turm dieses herrlichen Gebäudes bis auf den heutigen Tag unvollendet.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin