Geschichte der Stadt Schwerin von 1200 bis 1228

1205 entstand deshalb schon wieder ein Streit zwischen ihnen, da Graf Heinrich I. den Johann von Putlitz aus der diesem gehörigen Stadt Grabow eigenmächtig vertrieben hatte, unter dem Vorgeben, dass er von hieraus der Grafschaft Schwerin vielen Schaden zugefügt habe. Waldemar von Dänemark nahm sich des Johann von Putlitz an, und da Heinrich I. Grabow nicht gutwillig wieder herausgeben wollte, so befahl er dem Grafen Albrecht von Orlamünde, Statthalter in Holstein, dass er ihn dazu zwinge. In Folge dessen wurde die Grafschaft Schwerin von Albrecht überzogen und namentlich die Stadt Boizenburg sehr verheert.

1209 und 1211. Auf Ansuchen des Grafen Heinrichs I. von Schwerin bestätigte der deutsche Kaiser Otto IV, Sohn Herzog Heinrichs des Löwen von Sachsen, zu Goslar alle dem Stifte Schwerin von seinen Vorfahren verliehene Privilegien. Den Bürgern der Stadt Schwerin verlieh er „auf ewige Zeiten“ die Gerechtsame, dass sie im Hafen Wismar (die Stadt Wismar stand damals noch nicht, sie wurde wahrscheinlich um das Jahr 1227 gegründet) frei und ungehindert mit 2 großen Schiffen, „Koggen“ genannt, und mit so vielen kleineren, wie sie wollten, Schifffahrt treiben dürften, und im Herzogtum Sachsen, zu welchem auch Mecklenburg damals gehörte, von allen Zöllen und Schatzungen frei sein sollten.


1218 schenkten die Grafen Guncelin II. und Heinrich I. der Domkirche das Dorf Medewege, aus dessen Einkünften die Kapelle, in welcher Guncelin I. begraben, erhalten werden sollte.

1219. Die Kämpfe Heinrichs I. mit dem Könige Waldemar von Dänemark waren mit kurzen Unterbrechungen bis jetzt fortgesetzt, meistens zum Nachteile Schwerins, da Waldemar sich mehr und mehr siegreich in Norddeutschland festsetzte. Heinrich I. sah sich des halb jetzt genötigt, sich jenem zu unterwerfen und ihm zu huldigen, zumal er schon seit längerer Zeit einen Plan hegte, welchen er erst nach erfolgtem Frieden ausführen konnte. Er trat nämlich in diesem Jahre, nachdem er eben noch vom Markgrafen Albrecht II. von Brandenburg mit der festen Burg Lenzen war belehnt worden, eine Kreuzfahrt nach dem heiligen Lande an. Er reiste über Rom und erhielt hier

1220 Juni 29. vom Papste Honorius III. einen Brief für die, „neue Pflanzung“, die „junge Braut Christi“, d. i. die Kirche zu Schwerin, in welcher „das Sakrament unters Herrn Jesu Christi aufbewahrt ward“ (das von Heinrich dem Löwen geschenkte heilige Blut). Dieser Brief verlieh vollkommenen Ablass Allen, welche am Gründonnerstage und Himmelfahrtsfeste die Kirche in frommer Andacht und mit Gaben besuchen würden, Ablass des dritten Teiles Allen, welche am Tage St. Veit, an Feste Mariä Geburt und Johannis des Evangelisten (der Schutzpatrone der Kirche) fromme Andacht in der Kirche verrichten würden, und so fort reichen Ablass für den Besuch derselben an anderen Festtagen. Von Rom setzte Graf Heinrich I. seine Reise nach Palästina fort und gewann hier, nachdem er einem Kreuzzuge gegen die Heiden sich angeschlossen, jedoch mit großen Mühen und Kosten, von dem Kardinal Pelagius, welcher apostolischer Legat in Palästina war, einen kostbaren Jaspis, in welchem ein Tropfen von dem heiligen Blute unseres Herrn eingeschlossen war, unter der Bedingung, dass dies Heiligtum bei einem Konvent von Geistlichen niedergelegt werde, wo es ununterbrochen verehrt werden könne. Der Graf kehrte bald darauf zurück, nachdem schon

1221 sein Bruder Guncelin II. gestorben und neben einem Vater in der Kapelle begraben war, und schenkte aus besonderer Zuneigung zu der letzteren, weil „in ihr sein Vater und seine Brüder begraben lagen“,

1222 am Gründonnerstage der Kirche zu Schwerin ein kostbares Heiligtum. Bischof Brunward nahm es in Empfang, nach dem es in einer feierlichen Prozession eingeholt und in Gegenwart vieler Geistlichen und Laien der Kirche geschenkt war. Es wurde in der heiligen Bluts-Kapelle aufbewahrt an Stelle oder zugleich mit dem älteren Sakramente, welches nun aus der Geschichte derselben verschwindet. Zum Andenken hieran bestimmte Brunward, dass der Gründonnerstag ein allgemeiner Festtag sein und der Jahrmarkt, welcher bisher an diesem Tage stattgefunden, von nun an am Tage vorher abgehalten werden solle. Ferner wurde festgesetzt, dass jährlich am Himmelfahrtstage alle Priester des Landes Schwerin mit ihren Reliquien und Beichtkindern zum Dome nach Schwerin wallfahrten, und dass an jedem Freitage zur Todesstunde des Erlösers, zu welcher Zeit sich das heilige Blut jedes mal in 3 Teile teilte und an den Gläubigen hohe Wunder verrichtete, von Konvent der Kirche eine Messe vom heiligen Kreuze gelesen werden solle. Zu dreien Malen alljährlich wurde das heilige Blut allem Volke gezeigt, am Gründonnerstage, am Himmelfahrtsfeste und am Tage der Kreuzerhöhung. Alle, welche es verehrten und ihm ihre Gaben darbrachten, sollten Ablass erhalten. In Bezug auf die zu erwartenden Gaben wurde festgesetzt, dass je ein Drittel derselben zum Bau eines Klosters in Schwerin, zum Unterhalt der Domherren und für die Bauverwaltung des Doms verwandt werden solle. Das Heiligtum aber gewann bald einen außerordentlichen Ruf und reiche Gaben flossen ihm von allen Seiten zu. Durch dieselben wurde der Fortbau der Kirche wesentlich gefördert, und der Weiterbau der jetzigen Domkirche im Übergangsstil wird nach dem älteren Grundplane etwa um diese Zeit begonnen sein.


Auf alle Weise suchte Graf Heinrich I. das Ansehen des heiligen Blutes zu mehren, und traf alle Einrichtungen, welche nach damaliger Anschauung zu einer vollständigen Begehung der Feier des heiligen Blutes gehörten. So hatte er u. a. auf der letzten Anhöhe der späteren Vorstadt am Ostorfer See (welche sich vom nachherigen Schießhause bis an den See erstreckt) einen „Jerusalemberg“ zur Prozession eingerichtet. Er hatte die Entfernung dieses Berges von der heiligen Bluts-Kapelle selbst ausgemessen, und war dieselbe gleich der Entfernung des Berges Golgatha von der Stadt Jerusalem. Er ließ die Höhe mit Wein bepflanzen, welcher noch i. J. 1531 erhalten war; später stand dort der Jägerhof.

Wir fügen hier zugleich ein, welche Einrichtung die heiligen Bluts-Kapelle in späterer Zeit zeigte. An den beiden Seitenwänden derselben standen acht gemalte, lebensgroße Bildnisse der fürstlichen Wohltäter der Kapelle und des Domes (s. d. J. 1400). Im Hintergrunde an der Mittelwand stand der Altar und auf demselben ein silbernes, vergoldetes Christusbild hinter einer ewigen Lampe, welches die beiden Arme „zum Preise der Auferstehung“ emporstreckte und an der Stelle des Herzens denjenigen Jaspis trug, welcher das heilige Blut enthielt. Neben ihm stand ein Marienbild mit rotem Samtmantel. Zu den Seiten des Altars waren zwei seidene Tücher aufgehängt, auf welche die Weihgeschenke aus edlem Metalle, wie silberne Beine, Arme, Augen, Herzen aufgehängt wurden, Geschenke, welche sich auf die Krankheiten bezogen, die durch die Kraft des Heiligtums geheilt werden sollten. Die Kapelle war mit einem hohen Gitter verschlossen; am Eingange stand der „Block“ für die Opfergaben. Wahrscheinlich war die Umgebung der Kapelle, wie es bei der heiligen Bluts-Kapelle zu Sternberg (s. d. J. 1492) der Fall war, auch mit Krücken und anderen Dingen behängt, welche durch die Kraft des Heiligtums angeblich gesundete Kranke aufzuhängen pflegten. Vier Horisten „mit einem Gesellen“ waren angestellt, um täglich die sieben Zeiten von dem Leiden Christi zu singen. So war die Einrichtung der heiligen Bluts-Kapelle bei dem Beginne der Reformation in Schwerin, wo man von ihr ein Inventar aufgenommen hat, das der obigen Beschreibung zu Grunde liegt.

1223. Die weltlichen Zustände seines Landes hatte Graf Heinrich I. aber bei seiner Rückkehr aus Palästina sehr verwickelt vor gefunden, da sich der König Waldemar II. von Dänemark der halben Grafschaft bemächtigt hatte, unter dem Vorgeben der Erbschaft, weil nämlich ein natürlicher Sohn Nicolaus von Halland mit des verstorbenen Guncelins II. einziger Tochter Ida verheiratet gewesen war. Heinrich I., welcher mit dem mächtigeren und gewalttätigen Waldemar II. keine offene Fehde beginnen konnte, machte den Ansprüchen desselben durch eine kühne Tat ein schnelles Ende, zu welcher ihn außerdem persönliche Rache trieb; denn, wie Chemnitz erzählt, hatte Waldemar II. seiner Gemahlin Gewalt angetan. In der Nacht vom 6/7. Mai überfiel er den König, welcher auf der Insel Lyoe (südwestlich von Fünen) gejagt hatte, als dessen Gefolge berauscht in tiefen Schlafe lag, fesselte ihn und brachte ihn nebst einen ältesten Sohne gefangen nach Schwerin, wo er ihn zwei Jahre lang im Verließ der Burg eingesperrt hielt. Nach anderen Nachrichten wurde Waldemar II. bald nach seiner Gefangennahme auf die Burg Lenzen und endlich nach Dannenberg gebracht. In Folge dieser kühnen Tat des Grafen Heinrich I. entstanden vielfache Verhandlungen über die Befreiung Waldemars II. unter den norddeutschen Fürsten. Lange wollte sich Letzterer den Beschlüssen derselben nicht fügen, weil er seine Befreiung wohl durch eine Verbündeten erwartete. Zu diesen gehörte namentlich der Graf Albrecht von Orlamünde, den Waldemar II. mit dem Herzogtume Holstein belehnt hatte, nachdem er den Grafen Adolph aus dem Besitze desselben vertrieben. Albrecht von Orlamünde ergriff zwar auch die Waffen für die Befreiung des Königs, erlag aber dem Grafen Heinrich I. und dessen Verbündeten, wurde sogar, wie Chemnitz erzählt, von Heinrich I. gefangen genommen und ebenfalls nach Schwerin auf die Burg gebracht. Dies Ereignis machte Waldemar II. nachgiebig; er schloss

1225 einen Vergleich mit Heinrich I., wodurch er sich zu einem Lösegelde von 45.000 Mark Silbers verpflichtete. Nachdem er noch seine drei Söhne als Geißeln gestellt und Urfehde geschworen hatte, ließ Graf Heinrich I. ihn am 21. Dezember frei. Im folgenden Jahre jedoch ließ sich Waldemar II. durch den Papst Honorius eines Schwurs entbinden und griff, um seine Schmach zu rächen, sofort wieder zu den Waffen. Graf Heinrich I. aber trat ihm, verbündet mit den norddeutschen Fürsten und der Stadt Lübeck, entgegen und lieferte ihm

1227 am 22. Juli die siegreiche Schlacht bei Bornhöved in Holstein, welche Waldemars II. Macht brach und Norddeutschland von seinen Ansprüchen auf immer befreite. In dieser Schlacht wurde Herzog Otto von Lüneburg nebst vielen anderen Rittern und Herren gefangen und ebenfalls auf die Burg Schwerin in Verwahrsam gebracht. Graf Heinrich I. aber hatte, bevor er die Schlacht gegen Waldemar II. begann, das Gelübde getan, dass er vor Schwerin eine neue Kirche erbauen wolle, falls ihm der Sieg zu Teil werde. Als er nun aus dem Kampfe siegreich zurückgekehrt war, gedachte er zunächst seiner Verbündeten und erließ eine Verordnung, wonach in seinem Lande der Handel auf ewige Zeiten von Zoll und Ungeld befreit sein solle. Diese Verordnung gereichte besonders der Stadt Lübeck zum Vorteil, weil der Handel dieser Stadt ins Innere von Deutschland die Straße durch das westliche Mecklenburg vorzugsweise aufsuchte*), und Lübeck hatte ihm im Kampfe gegen Waldemar II. kräftige Hilfe geleistet, für welche ihm schon vor dem letzten Kampfe (1226) Zollfreiheit in der Grafschaft Schwerin versprochen war.

*) Vielleicht ist hier der unbekannte Ursprung des Lübecker Martensmannes zu suchen, auf welchen wir später zurückkommen werden.

1228. Auch ein Gelübde hielt Graf Heinrich I. treu und gründete auf der Schelfe vor Schwerin eine dem heiligen Nicolaus geweihte Kapelle (nicht die jetzige Schelfkirche, sondern eine ältere an der gleichen Stelle), deren Vollendung er jedoch nicht erleben sollte, da er noch in demselben Jahre starb. Er ist ebenfalls in der heiligen Bluts-Kapelle begraben. Ihm folgte sein Sohn Guncelin III, welcher bald nach seinem Regierungsantritte den Grafen Albert von Orlamünde seinem Gefängnisse entließ.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin