Geschichte der Stadt Schwerin von 1166 bis 1199

Vom Jahre 1166 an beginnt also die Geschichte der Stadt Schwerin, welche unter der gräflichen Herrschaft bald zu ziemlicher Bedeutung gelangte. Graf Guncelin I. richtete zunächst ein Augenmerk auf die Burg und es unterliegt keinem Zweifel, dass er durch deutsche Baumeister den Ziegelbau in Mecklenburg einführte und seine Burg in deutscher Weise befestigte, wenn auch von den Bauwerken dieses Grafen und seiner Nachfolger in der Grafschaft keine Reste mehr vorhanden sind. Auch die Stadt entwickelte sich und spricht für ihre wachsende Bedeutung der Umstand, dass Bischof Berno, welcher seit 1161 in der Feste Mecklenburg (der früheren obotritischen Hauptfeste, welche dem ganzen Lande den Namen gegeben hat) residiert hatte, 1167 seinen Bischofssitz nach Schwerin verlegte, hier ein Kapitel gründete und zu einer größeren Konzentration sowohl von Geistlichen, wie von städtischen Ansiedlern Veranlassung bot. Dennoch geschah die Entwicklung der städtischen Verhältnisse anfangs gewiss nur langsam, wie auch erst 1171 September 9. das Bistum Schwerin von Heinrich dem Löwen bewidmet wurde. Er verlieh ihm das Land Bützow unter der Bedingung, dass in ihm ein Kloster gegründet werde. Folgende Rechte wurden dem Bistum teils bei einer Gründung, teils später bewilligt: Die Domherren sollen die Zehnten aus ihren Gütern ganz genießen, ohne dem Bischof davon abgeben zu müssen; der Bischof aber muss ihnen von seinen Zehnten den dritten Teil geben. Es sollten 12 Domherren im Stift leben, mit Einschluss des Dechanten und des Propstes; jeder von ihnen sollte jährlich 12 Mark Silber an Einkommen haben, außer dem Ertrage der schwerinschen Pfarre. Die Domherren sollten den Bischof, den Propst und den Dechanten wählen, Einkünfte sammeln und über ihre Ersparnisse testamentarisch verfügen dürfen, auch in Allem den Lübecker Domherren gleich sein. Der Bischof sollte keine Güter ohne Bewilligung des Kapitels veräußern oder zu Lehn fortgeben. Die Dörfer und Bauern des Stiftes sollten von weltlichen Auflagen und Diensten frei sein, jedoch behielt die Landesherrschaft das Halsgericht über sie und das Aufgebotsrecht in Kriegsfällen.

Die Gelegenheit der Stiftung des Bistums benutzte Herzog Heinrich der Löwe zugleich, um, in Anwesenheit vieler Fürsten und Herren geistlichen und weltlichen Standes, den Grundstein zu einer Kirche, dem Dome zu Schwerin, zu legen, welche Christo, der Maria und dem Ev. Johannes geweiht wurde. Daher ward an diesem Tage, dem 9. September, alle Zeiten hindurch das Kirchweihfest zu Schwerin gefeiert, und mit ihm bis zum Jahre 1846 hin ein Jahrmarkt gehalten, wie überall unter dem Namen Kirmess mit den Kirchweihfesten ein solcher verbunden zu werden pflegte. Mit dem Bau der Kirche wurde wohl in der nächsten Zeit gleich begonnen, sie wurde sicherlich im Rundbogenstyle angefangen. Der Bauplan war ganz derselbe, welchen die jetzige Kirche zeigt, doch ging es mit dem Baue, wie gewöhnlich in jener früheren Zeit, nur langsam und vor dem Jahre 1222, von wo an der Bau beschleunigt wurde, kam man wohl nicht weit. Einige Reste dieses ältesten Baues im Rundbogenstyle zeigt noch der Turm des Domes.


Zum Gottesdienste hatte man aber daneben schon bald nach der Gründung der Stadt eine andere, ältere Kirche, welche jedoch sicherlich nur klein war. Wahrscheinlich stand diese in der Nähe des jetzigen Domes, wo alte Fundamente und zum Rundbogenstyle passende Säulenkapitäler oft aufgefunden sind. Vielleicht war jene älteste Kirche die Marien-Kapelle, welche urkundlich auf der Südostseite des Domes (zwischen diesem und dem Markte „auf dem Kirchhofe“, wo um 1600 sich die Fischbänke befanden) stand und i. J. 1693 abgebrochen wurde.

Als Herzog Heinrich der Löwe die Kirche gründete, beschenkte er sie auch mit Reliquien. Dem Grafen Guncelin I. von Schwerin schenkte er die Hälfte des heiligen Blutes Christi, in dessen Besitze er sich befand. Der Graf weihte es ohne Zweifel der neuen Kirche und es ist wahrscheinlich, dass daffelbe in einer besonderen Kapelle aufbewahrt wurde, in welcher der Graf Guncelin, als er (1187) starb, beigesetzt wurde. Eine Nachricht aus dem Jahre 1218 besagt nämlich, dass Graf Guncelin I. in derjenigen Kapelle der Kirche bei gesetzt worden sei, welche urkundlich ganz sicher die spätere heiligen Bluts-Kapelle wurde. Doch ist das von Heinrich dem Löwen geschenkte heilige Blut nicht dasjenige, welches später zu so großer Berühmtheit gelangte und erst 1222 (s. d. J.) den Dome übergeben wurde.

In demselben Jahre (1171) begleiteten Graf Guncelin I. und Fürst Pribislav von Mecklenburg den Herzog Heinrich den Löwen auf einem Kreuzzuge nach Palästina. Sie zogen über Regensburg und Wien, die Donau hinunter durch Ungarn, erlitten aber „an den Scheeren“ der Donau Schiffbruch, wobei Herzog Heinrich und Fürst Pribislav vermittelt eines Kahnes gerettet wurden, Graf Guncelin I. aber ans Land schwimmen musste. Nach manchen weiteren Gefahren gelangten sie wohlbehalten in Jerusalem an, kämpften hier tapfer gegen die Saracenen mit und kehrten dann nach Jahresfrist glücklich heim.

1177 bestätigte Papst Alexander III. das Bistum zu Schwerin durch eine Bulle, in welcher er dem Bischofe das Recht verlieh, in seinem Sprengel Klöster und Kirchen zu gründen. Er bestätigte ferner alle Besitzungen des Stiftes, die gegenwärtigen und die in Zukunft rechtmäßiger Weise erworben würden, befahl, dass Niemand sich an denselben vergreifen solle, die an sich zu bringen oder zu schmälern, doch solle dem päpstlichen Stuhle ein Recht an ihnen ungehindert bleiben. Schließlich bedrohte er. Alle mit dem Banne, welche sich gegen des Stiftes Gerechtsame und Güter vergehen würden.

1181 zog Guncelin dem Herzog Heinrich, welcher vom Kaiser Friedrich I. in die Reichsacht getan war, gegen den Erzbischof Philipp, Churfürsten von Köln, zu Hilfe. Letzterer wurde zwar besiegt, es zog aber nun der Kaiser selbst gegen den Herzog zu Felde und besiegte ihn, worauf Heinrich der Löwe nach England fliehen musste. Guncelin I. hatte Letzterem bis zum Ausgange seiner Sache tätig beigestanden, und sah sich deshalb

1183 genötigt, seine Grafschaft, deren Lehnsherr bisher Heinrich der Löwe gewesen war, vom Kaiser zu Lehn zu nehmen. – In demselben Jahre entstand eine Fehde zwischen den Grafen von Schwerin, dem Grafen von Ratzeburg und dem Grafen Adolf von Holstein einerseits gegen den Fürsten Nicolaus von Mecklenburg an dererseits. Erstere fielen mit einem Heere in das wendische Gebiet ein, überrumpelten auf geheimen Wegen bei Nacht die Burg Ilow (zwischen Wismar und Neubukow nahe dem jetzigen Dorfe gleichen Namens), vertrieben aus derselben die Mutter des Nicolaus, nahmen die übrigen Bewohner gefangen, steckten die Burg in Brand und kehrten mit Beute beladen heim.

1187. Dem Grafen Guncelin I. folgten in der Regierung seine Söhne Guncelin II. und Heinrich I., „der Schwarze“ genannt, gemeinschaftlich. Die Regierung des Letzteren wurde für Schwerin sehr bedeutungsvoll.

1191 am 14. Januar starb auch der Bischof Berno zu Schwerin, ein Mann, welcher für die Ausbreitung des Christentums und der Kultur in Mecklenburg sehr Vieles getan hatte, ja, der als der erste wahre Begründer und Befestiger des Christentums im mecklenburgischen Lande betrachtet werden muss. Auch durch eine Stiftung der Zisterzienser-Klöster Doberan (1170) und Dargun (1172) erwarb er sich große Verdienste, da es zur Regel des Zisterzienser-Ordens gehörte, für den zweckmäßigen Anbau des ihnen benachbarten Landes Sorge zu tragen. Von Berno sagen die älteren Geschichtsschreiber, er habe die Götzen der heidnischen Wenden bis zum Vorgebirge Arkona hinauf gestürzt, die Heiden getauft und den Glauben gepredigt, Kirchen und Klöster gegründet, die Wälder gelichtet und die Kultur eingeführt.

Nach Bernos Tode entstand ein Streit zwischen den Domherren über die Wahl eines Nachfolgers. Das Kapitel der Domherren bestand nämlich einesteils aus solchen, welche aus Sachsen, dem Mutterlande des Stifters, zugezogen waren, den s. g. „sächsischen“ Domherren, und anderenteils aus einheimischen, den s. g. „wendischen“. Erstere hatten den sächsischen Grafen Hermann, letztere den einem vornehmen wendischen Geschlechte entstammten Brunward zum Bischofe gewählt. Der Streit dauerte bis 1195, wo er zu Gunsten des Brunward durch den Bischof von Ratzeburg beigelegt wurde. Der neue Bischof zeigte sich gleichfalls als einen eifrigen Ausbreiter des Christentums und der Kultur, gründete viele Kirchen, das Zisterzienser-Nonnenkloster zu Sonnenkamp (Neukloster), welches aus Parkow dahin verlegt wurde (1219), das Nonnenkloster gleichen Ordens zu Rühn (1233), das Benediktiner-Nonnenkloster zu Dobbertin an Stelle eines dortigen Mönchsklosters (1238), nahm an einem Kreuzzuge gegen die heidnischen Preußen Teil und war auch auf die Förderung der Kirche zu Schwerin eifrig bedacht.

1199 war ein Krieg zwischen dem Grafen Adolf von Holstein und dem Herzoge Waldemar von Schleswig, späteren Könige von Dänemark, entstanden, in welchem die Grafen von Schwerin. Ersterem Hilfe leisteten. Sie wurden aber besiegt, das Heer Waldemars rückte in die Grafschaft ein, besetzte die Städte Schwerin und Boizenburg und plünderte sie aus. Es kam zwar bald zum Vertrage, aber später entstanden noch viele Streitigkeiten, weil Waldemar von nun an immer ein Auge auf die Grafschaft Schwerin gerichtet hielt, für welche er sich, wie Chemnitz erzählt, im Vertrage dieses Jahres von den Grafen hatten huldigen lassen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin