Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1859

1859. Mit dem Beginn d. J. bildete sich ein stenographischer Verein für Mecklenburg mit einem Vorstande in Schwerin, welcher hier demnächst seine Jahres-Zusammenkünfte hielt.

Am 28. Februar stiftete der Großherzog eine Verdienst-Medaille zur öffentlichen ehrenden Anerkennung von Verdiensten um das groß herzogliche Haus und das Land. Sie wird in Gold, Silber oder Bronze verliehen; erstere soll an einem Bande mit den Landesfarben um den Hals, letztere beiden an einem gleichen Bande in Knopfloch getragen werden. Die Medaille zeigt auf dem Avers das nach rechts gekehrte Bild des Großherzogs, auf dem Revers die Inschrift „dem Verdienste“, eingefasst von einem Lorbeerkranz, zwischen dem der Wahlspruch des Großherzogs: „Per aspera ad astra“ (durch Nacht zum Licht) sichtbar ist.


Die Hindernisse, welche die Schifffahrt zwischen Schwerin und Hamburg mittelst Elde, Havel und Stör zu erleiden hatte, bewogen im März d. J. mehrere Schweriner Kaufleute zu dem Gesuche an den Magistrat, sich für deren Beseitigung bei der Landesregierung verwenden zu wollen. Die Vereinbarung des Aktienvereins zur Schiffbarmachung der Elde, Havel und Stör vom 6. Juni 1831 hatte nämlich (§. 2) bestimmt, dass die Flussbahn dieser Flüsse eine Breite von 40 Fuß bei einer Tiefe von mindestens 4 Fuß und zum Zeihen der Schiffe die erforderlichen Leinpfade erhalten solle. Dazu sollten die hindernden Krümmungen abgekürzt, die erforderlichen Schiffs- und Stauschleusen erbaut werden usw, damit später auch größere Schiffe die Bahn gebrauchen könnten, obwohl für jetzt nur Kähne von 108 Fuß meck. (= 100 Fuß rheinl.), etwa 20 Lasten zu 4.000 Pfund tragend, vorausgesetzt waren. Zur Regulierung und Beaufsichtigung dieser Bestimmungen war zu Anfang d. J. 1858 eine landesherrliche Flussbau-Kommission eingesetzt worden. Nun war aber die Stör, zum großen Teile in Folge der Verkrautung der Elde, so leicht, dass sie nur noch mit 4 bis 5 Lasten befrachtete Kähne zu tragen vermochte, wobei die Schiffer noch stellenweise zu Leichterkähnen ihre Zuflucht nehmen mussten, so dass die Reise zwischen Schwerin und Hamburg, welche bei normalem Wasserstand zu Tal 6, zu Berg 8 Tage dauern sollte, jetzt 3 bis 4 Wochen erforderte. Die Kähne waren rücksichtlich der für eine Reise von Schwerin nach Hamburg zu zahlenden Abgaben in 5 Klassen geheilt. Die Abgaben betrugen für das Schiffpfund Normalgüter 30 1/3 ß außer den im Regulativ vom 21. Februar 1853 §. 3. a. b. c. bestimmten Trinkgeldern, die Fracht für das Schiffpfund galt im Sommer 1858 nur 1 Thaler dass die Schifffahrt auf diesem Wasserwege mit Rücksicht auf den Zeit- und Kraftaufwand, welchen die erforderte, gegen den Gütertransport auf der Eisenbahn empfindlich leiden musste. Um Johannis d. J. übernahm das Ministerium des Inneren die Schiffbarmachung der Elde, Havel und Stör selbst, zu welchem Zwecke der Baurat Voß zum ausführenden Commissarius ernannt wurde.

Am 6. April wurden die auf dem Landtage 1857 zum Zwecke einer Reform des Steuer- und Zollwesens beschlossenen kommissarisch deputatischen Verhandlungen im hiesigen Kollegiengebäude eröffnet. Es fanden bis zum 15. d. M. 9 drei- bis vierstündige Sitzungen unter dem Vorsitze des Ministers von Levetzow statt, bei denen es sich zunächst zwar nur um eine allgemeine Verständigung handelte, die Deputierten der Ritterschaft sich jedoch prinzipiell gegen die Einführung eines Grenzzolles für Mecklenburg aussprachen.

Zu Ostern d. J. war das Stadthaus erweitert worden, indem man den bisher an den Kaufmann Mantius vermieteten Laden nach dem Markte zu eingezogen und zu Zimmern eingerichtet hatte.

Am 30. April waren die revidierten Statuten der hiesigen Ersparnis-Anstalt, welche für deren Geschäftsbetrieb noch jetzt normieren, landesherrlich bestätigt worden und wurden demnächst publiziert.

Im Mai wurden, da durch den italienisch-französisch-österreichischen Krieg die deutschen Bundesländer bedroht waren, Deutschland demnach zur Abwehr etwaiger Angriffe rüsten musste, die Beurlaubten und der Train der mecklenburgischen Division zur Herstellung der Kriegsbereitschaft einberufen. Der Großherzog selbst übernahm für den Fall eines Krieges das Kommando der zweiten Division des zehnten Bundesarmeecorps (beide Mecklenburg, Holstein, Lauenburg, Oldenburg, Hamburg, Lübeck und Bremen) Die Beurlaubten trafen am 9. Juli in ihren Garnisonen ein, konnten jedoch, da inmittelt ein Friede zwischen Österreich und Frankreich geschlossen worden, bald wieder entlassen werden. Vom 27. – 29. Juli wurden die zum Zwecke der Kriegsbereitschaft eingestellten Militärpferde auf dem Alten Garten, am Platze der ehemaligen Reitbahn, in öffentlicher Auktion wieder versteigert.

Im Frühling d. J. wurde die Belegung der Trottoirs mit Granitplatten in umfassenderer Weise als bisher aufgenommen und seit dieser Zeit jährlich fortgesetzt. Der Großherzog hatte zu diesem Zwecke 200 Thaler verliehen, die Stadt gleichfalls 200 Thaler hergegeben und die hiesige Ersparnis-Anstalt auf 5 Jahre jährlich 1.000 Thaler bewilligt.

Im Mai war zwischen der großherzoglichen Kammer und dem Magistrat wegen der Einfassung des sehr verfallenen Seeke-Kanals eine Vereinbarung dahin getroffen, dass derselbe im Laufe der nächsten 5 Jahre vollständig mit einer Mauer von Felssteinen eingefasst werden solle. Zu dieser auf eine Gesamtsumme von 3.202 Thaler veranschlagten Einrichtung sollte die Kammer 1.600 Thaler hergeben, während die Stadt den Rest der Kosten tragen sollte, wogegen die Besitzer der an diesen Kanal stoßenden Grundstücke den Bau zu erhalten verpflichtet sein würden.

Auf die vom Ministerium im vorigen Jahre der hiesigen Gewerbehalle in Aussicht gestellte Bewilligung einer Beihilfe zur Errichtung einer Vorschusskasse hatte der Landtag eine Summe von 6.000 Thaler für diesen Zweck angewiesen. Nachdem diese Anweisung die landesherrliche Genehmigung erhalten hatte, konnte mit dem 1. Juli d. J. die Eröffnung jener Anstalt stattfinden. Die hiesige Bank hatte sich bereit erklärt, zur Vereinfachung des Geschäftsganges, mit der Vorschusskasse ein Kontokorrent zu eröffnen.

Am 18. Juni Mittags gegen 12 Uhr brach in Zippendorf eine Feuersbrunst aus, welche fast den ganzen Ort in Asche legte. Das in der Scheune des Erbpächters Howitz aufgekommene Feuer griff bei dem herrschenden starken Nordwestwinde so schnell um sich, dass von den 6 vorhandenen Bauernstellen 5 niederbrannten, wobei eine beträchtliche Menge von Vieh umkam. Auch eine alte Frau verlor dabei ihr Leben, da sie, um zu retten, in ihr schon brennendes Haus zurückgegangen war, dessen Einsturz die begrub. Im Ganzen wurden 19 Gebäude eingeäschert und 62 Personen obdachlos, während 15 Familien fast alle ihre Habe verloren, da von ihnen nicht eine einzige versichert hatte. Auf Veranlassung des Magistrats bildete sich sofort eine Deputation, welche die Abgebrannten einstweilen unterbrachte, viele im Herrenhause, und Sammlungen für die veranstaltete, zugleich aber auch über den Wiederaufbau des Dorfes beraten und die zweckmäßigsten Stellen für die neu anzulegenden Bauergehöfte auswählen sollte. Hierüber wurde später (im Juli) bestimmt, dass die massiv mit Steindach zu erbauenden neuen Häuser in gleicher Straßenlinie, jedoch von der Straße selbst etwas zurücktretend, angelegt werden sollten. Hinter den Häusern, aber seitwärts von diesen, sollten die Scheunen in einer gleichfalls geraden Linie zu einander erbaut werden, und zwar so, dass die Dungplätze wieder hinter den Scheunen zu liegen kommen.

Im Juni hatte der Magistrat zur Verbreiterung des Erdreichs längs der Chaussee über den Spieltordamm nach längeren Verhandlungen eine Fläche von 176 []Rth. erworben, welche jedoch dem Ziegelsee erst allmählich durch Einwerfen von Schutt abgewonnen werden sollte. Zweck dieser Erwerbung war teils, dass der Schutt an einem geeigneten Orte abgelagert werden könne, teils aber auch der Wunsch, hier durch eine zweckmäßige Ablagerung desselben und durch Errichtung eines Boll- und Stockwerks einen Hafen für die Schifffahrt auf dem Ziegelsee zu gründen. Die Kosten für Material zu dieser Anlage wurden zu 1.667 Thaler Cour. veranschlagt. Das Eigentum an dieser zu Stadtrecht übergehenden Fläche sollte dem Großherzoge verbleiben, und das Recht der Stadt an ihr sich auf die Anlage eines Ein- und Ausladeplatzes, sowie eines 24 Fuß breiten Fahrweges beschränken.

Zu gleicher Zeit war auch über die Reinigung des Pfaffenteiches, dessen Zustand die Gesundheit der Stadt ernstlich zu bedrohen begann, nach langen Verhandlungen zwischen dem Magistrat und dem großherzoglichen Amte eine Vereinbarung getroffen. Das Amt über nahm nach derselben, jedoch nur für diesmal und ohne Verbindlichkeiten für die Zukunft, die förmliche Ausbaggerung des Pfaffenteiches, während die Stadt vor den Ausflüssen der Rinnsteine große Schlammkisten anzulegen und sowohl die Reinigung dieser, wie des Seeke-Kanals zu beschaffen haben sollte (s. d. J. 1860.)

In Verbindung mit einer in einigen Domanial-Dorfschaften des Landes (in den Ämtern Dargun, Bützow, Grabow, Hagenow, Lübtheen, Neustadt, Schwerin und Warin) eingeführten neuen Armenordnung war in der am Ziegelsee bei Schwerin gelegenen Ortschaft Wickendorf die Anlage eines Arbeitshauses für Amtsarme aus dem Amte Schwerin beschlossen worden. Diese Anstalt, mit einer Winterziegelei verbunden, sollte von dem Grundsatze ausgehen, ihre Bewohner eine angemessene Beschäftigung für das ganze Jahr zu bieten und sollte zu Michaelis 1860 eröffnet werden, doch kam die Eröffnung erst am 1. Juli 1861 zu Stande, nachdem am 25. Juni die grundleglichen Statuten (Reg. Bl. 23) landesherrlich bestätigt worden. Außer dem eigentlichen Arbeitshause sollte sie eine Wohnung für den Pächter der Ziegelei und die zu letzterer gehörigen Gebäude umfassen; mit dem Bau dieser wurde zu Anfange des August d. J. begonnen.

Am 16. August traf die Leiche des dem Großherzoge am 13. d. M. Morgens 1 Uhr geborenen, aber schon um 8 ¾ Uhr Abends wieder gestorbenen Herzogs Alexander in Schwerin ein und wurde zunächst im Palais auf der Neustadt in eine Rüstkiste gestellt. Am 17. um 4 Uhr Morgens wurde der Sarg, unter Begleitung des Herzogs Wilhelm von Mecklenburg, der Oberchargen, des Offizierscorps und des Hofpredigers, sowie einer Deputation des Magistrats, von 6 Offizieren unter dem Geläute der Glocken zum Dome getragen, hier vor dem Altare eingesegnet und dann in der mit Blumen geschmückten heiligen Blutskapelle neben den Särgen Paul Friedrichs und des gleichfalls in zarter Kindheit entschlafenen Herzogs Nicolaus beigesetzt.

Während des Augusts, Septembers und Oktobers herrschte die Cholera mit unerhörter Wut vorzugsweise in östlichen Teile Mecklenburgs. Die Stadt Schwerin blieb glücklicherweise von ihr verschont und die wenigen, vereinzelten Todesfälle, 6 an der Zahl, welche hier vorkamen, waren Folgen der Ansteckung in auswärtigen infizierten Orten. Zum Besten der zahlreichen, in Folge dieser Epidemie verwaisten Kinder fanden überall im Lande Geldsammlungen statt, aus welchen später ein Cholera-Waisen-Fond gebildet und zu dessen Verwaltung ein Direktorium, bestehend aus dem Geh. Regierungsrat von Bassewitz, Oberkirchenrats-Direktor Kaysel und Hofrat Dr. Dippe, durch Verordnung vom 24. Januar 1860 in Schwerin niedergesetzt wurde.

Vom 23. bis 27. September fanden auf dem Exerzierplatze am Haselholze größere Exerzitien der hiesigen Garnison und einer Schwadron Dragoner aus Ludwigslust statt.

Der Magistrat hatte im Herbst d. J. 13 neue Gartenparzellen auf dem Acker der Stadtwaisenkasse (Windmühlenberg) und 28 auf dem Acker derselben Kasse vor dem Wittenburger Tor (beim schrägen Berge und beim Ackercamp) einrichten lassen. Gleichfalls waren von der Administration der Küetmeyer-Schenke-Steinecke’schen Stiftung in der Nähe des Windmühlenberges 15 und in der Schweinkuhle 32 neue Gärten eingerichtet worden.

Am 25. Oktober bildete sich ein Männer-Turnverein in vier Riegen unter einem aus 5 Personen bestehenden Turnrat. Der Beitritt zu diesem Vereine steht Jedermann frei, der ein Eintrittsgeld von 16 ß und einen Beitrag von 16 ß monatlich erlegt. Die allgemeine deutsche Feier, welche zum 10. November, Friedr. Schillers 100jährigem Geburtstage, veranstaltet war, beschränkte sich in Schwerin auf einen Redeactus im Gymnasium und auf die Aufführung des Festspiels von Fr. Halm „Vor hundert Jahren“, welchem eine szenische Darstellung von Schillers „Lied von der Glocke“ in sieben lebenden Bildern folgte.

Am 17. Dezember feierte die hiesige Freimaurerloge Harpokrates zur Morgenröte das Fest ihres 50jährigen Bestehens, an welchem gegen 60 Deputierte und Gäste fremder Logen Teil nahmen.

In d. J. wurde unter Leitung des Hofbaurats Willebrand von den noch unausgebaut gebliebenen inneren Räumen des Schlosses drei Zimmer in der Festetage neben der Wohnung des Großherzogs, in der Fronte nach dem Marstalle hin, vollendet. Es sind dies die Zimmer, welche nach ihrer Vollendung den Namen „Reußische Kammern“ erhalten haben.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin