Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1857

1857. Aus der Weihnachtsausstellung des vorigen Jahres, welche die Gewerbetreibenden im Vorderhause des Hôtel de Paris arrangiert hatten, bildete sich eine permanente Gewerbeausstellung, welche am 13. Januar eröffnet wurde. Da diese Ausstellung ein sehr günstiges Resultat lieferte, so konnten die Gewerbetreibenden schon am 21. Februar die Gründung einer Gewerbehalle zum Beschlusse erheben, welche zwar während dieses Sommers noch nicht in der beabsichtigten Weise zu Stande kommen konnte, weil vom 22. Mai bis 8. Juli eine Gewerbe-Ausstellung in Schwerin stattfand (s. u.), aber gleich nach dem Schluffe derselben am 20. Juli sich mit einer Zahl von 50 Mitgliedern konstituierte. Sie wurde in dem gedachten Lokale eingerichtet, in welchen sie noch besteht. An ihrer Spitze steht ein Verwaltungsrat aus sieben Mitgliedern, welcher zugleich die Prüfung der eingelieferten Gegenstände vollzieht, während ein seit September d. J. angestellter Buchhalter den eigentlichen Verkauf besorgt.

Im Januar wurde der Fließgrabenstraße gegenüber ein Waschpavillon im Pfaffenteich angelegt. Am 28. Januar fand eine Feier der vor nun 25 Jahren geschehenen Vereinigung der Alt- und Neustadt Schwerin statt. Die städtischen Gebäude waren mit Fahnen geschmückt und wurde vom Balkon des neuen Gebäudes am Markte ein Choral aufgeführt. Um Mittag traten Magistrat und Bürgerausschuss im Saale des Rathauses zusammen, um hier der Feier des Tages einen entsprechenden Ausdruck zu geben, was durch eine Rede des ersten Bürgermeisters Hofrat Strempel geschah, welche der Advokat Wehmeyer, als Vorsitzender des Bürgerausschusses, beantwortete.


Seit dem 16. März erhielt zufolge Allerhöchster Bestimmung die Blücherstraße, welche bisher Gadebuscher Straße hieß, ihren jetzigen Namen.

Vom 15. Mai bis 6. Juli fand in Schwerin die erste Ausstellung von Werken mecklenburgischer Künstler statt, ein von dem Vereine der Künstler und Kunstfreunde ins Leben gerufenes Unternehmen. Die Ausstellung, welche auf die Erzeugnisse lebender, vaterländischer Künstler beschränkt wurde, befand sich in neun Zimmern des ehemaligen von Brandensteinischen, später von Lützowschen Hauses in der Königsstraße. Vorherrschend aus Werken der Malerei bestehend, enthielt sie eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Skulpturen, einige Kupferstiche, Lithographien, Photographien und architektonische Zeichnungen. Der Katalog führte 218 Nummern auf.

Mit dieser Ausstellung zugleich hatte der Gewerbeverein eine Gewerbeausstellung veranlasst, (22. Mai bis 8. Juli), welche sich teils in einem Lokal in der Königstraße, teils am Alten Garten (hier die Wagen, Maschinen und andere größere Gegenstände) befand. Im Laufe dieses Frühlings und Sommers war nun der Bau des großherzoglichen Residenzschlosses, dieser Zierde Schwerins und des Ruhmes unserer Künstler und Handwerker, vollendet worden. Schon im Februar war der ganz fertige und mit Sammlungen geschmückte Waffensaal im früheren Altertumsgebäude (dem von Herzog Magnus gegründeten, vom Herzoge Johann Albrecht I. fort gesetzten und nun auf Grundlage seiner früheren Konstruktion durchgebauten s. g. langen Gebäude) dem Publikum zur Besichtigung geöffnet worden. Die Maler Elster, Th. Fischer und Peters arbeiteten noch an den Fresko-Gemälden des goldenen Saales, der Bildhauer Krebs in Berlin an den Holzschnitzereien des Speisesaales und der Thronsaal mit seinen Umgebungen wurde erst gegen Ende d. J. fertig, während die Dekorierungsarbeiten in den für die großherzoglichen Prinzen bestimmten, nach dem Burgsee hin gelegenen Zimmern erst i. J. 1860 aufhörten. Indessen war doch der Bau, in welchem schon am 10. Mai die Hauptwache ihr Lokal im Vorhofe eingenommen hatte, soweit vollendet, dass am 26. Mai, dem Geburtstage der hochseligen Frau Großherzogin Auguste, der feierliche Einzug der fürstlichen Familie stattfinden konnte.

Am 24. Mai waren schon der König und die Königin, sowie der Prinz von Preußen, die Großherzogin und die Herzogin Caroline von Mecklenburg-Strelitz angelangt und auf dem Bahnhofe festlich empfangen. Abends war großer Zapfenstreich und wurde eine Abendmusik vor dem Palais der Neustadt aufgeführt. Am 25. Mai waren alle Straßen festlich geschmückt, die Häuser mit Fahnen, Teppichen und Kränzen behangen, eine große Ehrenpforte am Stadthause und mehrere andere in der Königs- und Schlossstraße errichtet. Am 26. Mai früh Morgens brachten, nachdem bei Tagesanbruch 101 Kanonenschüsse in der Paulsstadt gelöst waren, die Mitglieder des Schlosschors und darauf die zur Reveille versammelten Militärmusiker der Großherzogin Auguste ihre Grüße. Um 8 Uhr kamen die Handwerker, welche dem Zuge sich anschließen sollten, auf dem neustädtischen Markte zusammen. Um 9 Uhr verheilte der Großherzog an die vor dem Palais aufgereihten Repräsentanten derjenigen hiesigen Gewerke, welche besonders tätig am Schlossbau Teil genommen hatten, elf Fahnen, nämlich an die Drechsler, Glaser, Klempner, Maler, Maurer, Nadler und Gelbgießer, Eisen- und Stahlschmiede, Tischler, Töpfer, Ziegler, Zimmerleute. Es sind Banner von weißer Seide mit Gold gestickt, an einem Stabe perpendikulär hängend und unten in zwei Spitzen auslaufend. Jedes Banner zeigt das schön ausgeführte Bild des Schlosses; über ihm steht der Name des Gewerkes und unter ihm eine Anerkennung seiner Arbeit. Eine herzliche Rede des Großherzogs an die Gewerkmeister weihte die Übergabe der Banner, welche der Hofrat Strempel von jenem in Empfang nahm und sie den einzelnen Gewerken überwies, die sich nun nach dem Schelfmarkte zu an ihre Stelle im Zuge begaben. Mit dem Schlage 10 Uhr, als der erste Kanonenschlag vom Schloss her erschallte, bestiegen der Großherzog, die Großherzogin, der Erbgroßherzog Friedrich Franz, der Herzog Paul Friedrich und die Herzogin Marie die Staatskarosse, gezogen von acht weißgrauen Pferden, gefolgt von den Herrschaften und einem langen Zuge Teilnehmender. Unter dem Geläute aller Glocken, dem Donner der Schlosskanonen und einem endlosen Willkommensrufe der Zuschauenden ging der Zug bis zum Stadthause, wo er durch den Hofrat Strempel im Namen des Magistrats und Bürgerausschusses beglück wünscht wurde. Aus den Fenstern des Palais der Frau Großherzogin-Mutter Alexandrine begrüßten die fremden fürstlichen Personen die großherzogliche Familie. Am Alten Garten hatte sich die gesamte großherzogliche Division im Paradeaufzug kolonnenweise aufgestellt, links die Infanterie, rechts die Kavallerie und Artillerie, von welchen laute Hurrahrufe ertönten.

Im Gartenportale wurden die Allerhöchsten Herrschaften von den beiden Marschällen, Hofmarschall von Bülow und Hofmarschall Baron von Stenglin empfangen. Darauf fand in der Halle vor der Haupttreppe, wo die Hofchargen aufgestellt waren, die Übergabe des Baues Seitens der Schlossbau-Kommission und des Geh. Oberbaurats Stüler statt. Letzterer hielt als jetziger oberster Baumeister des Schlosses eine Anrede, darauf auch der Schlosshauptmann von Lützow, welcher als Mitglied der Kommission die vom Hofbaumeister Willebrand auf einen Kiffen getragenen Schlüssel überreichte. Nachdem der Großherzog mit Worten der Anerkennung und des Dankes entgegnet hatte, reichte er die Schlüssel dem Oberkammerherrn von Plessen; alsdann sprach der Hofprediger Jahn den Segen, worauf sich die großherzogliche Familie über die schwarze Marmortreppe durch das Sagenzimmer in die Gemächer der Frau Großherzogin begab.

Nun erfolgte die feierliche Auffahrt der fürstlichen Gäste: des Königs und der Königin von Preußen, von den Truppen mit lautem Hurrah und dem Aufspielen des preußischen Volksliedes empfangen, des Prinzen von Preußen, des Herzogs von Sachsen-Altenburg, der Großherzogin von Mecklenburg-Strelitz, der Großherzogin-Mutter Alexandrine, der Herzogin-Mutter Marie von Sachsen-Altenburg, der Herzogin Caroline von Mecklenburg-Strelitz, der Herzogin Luise von Mecklenburg-Schwerin, des Prinzen Moritz von Sachsen-Altenburg, der Prinzen Heinrich XII und Heinrich XIII. von Reuß mit zahlreichen Gefolge von Palais der Frau Großherzogin-Mutter aus.

Ihnen folgten als Deputierte des Magistrats der Hofrat Strempel und der Senator Voß, um die Großherzogin zu ihrem Geburtstage zu beglückwünschen. Hierauf fand eine gottesdienstliche Handlung in der Schlosskirche statt, an welcher die Hofgesellschaft, die Adjutanten der fürstlichen Gäste, die Deputation der Universität Rostock u. A. Teil nahmen. Um 2 ½ Uhr fand die Gratulations-Cour, um 4 Uhr die Galatafel für 500 Personen statt. Die großherzogliche Tafel, an welcher die fürstlichen Gäste speisten, war für 130 Personen im goldenen Saale angerichtet; an ihr nahmen das Ministerium, die Landräte und viele Mitglieder der Ritterschaft Teil. Die Toaste erklangen unter Kanonenschlägen.

Abends wurde auf dem Ufer vor dem Kalkwerder, dem Schloss gegenüber, ein Feuerwerk abgebrannt und stellten sich Boote mit farbigen Laternen auf, aus denen Musik und Gesang erscholl. Auch auf dem Alten Garten vor dem Standbilde Paul Friedrichs wurden Musikstücke aufgeführt.

Am 27. Mai um 11 Uhr Morgens wurde von den Truppen, nachdem sie ihre Fahnen auf dem Schloss geholt hatten, eine große Parade auf dem Exerzierplatze beim Haselholze abgehalten. Abends um 6 ¼ Uhr begann die Vorstellung der von Ed. Hobein gedichteten, von F. von Flotow komponierten Festoper „Johann Albrecht.“ Da rauf ein Fackelzug, welchen die Stadt darbrachte, und der sich, vor auf ein Musikcorps und die Liedertafel, in der Mitte nochmals ein Musikcorps, vom Schelfmarkte zum Schlosshofe bewegte, wo er sich vor der Obotritentreppe reihte und der Senator Westphal in einer Rede das Hoch ausbrachte. Schließlich wurde der Schlossgarten illuminiert, und bis nach Mitternacht von einer zahlreichen Menschenmenge durchwogt.
Hiermit waren die öffentlichen Feierlichkeiten der Schlosseinweihung beendigt, welche durchweg in der größten Ruhe und Herzlichkeit verliefen, obgleich sich in Schwerin eine Menschenmasse versammelt hatte, wie die Stadt sie vielleicht noch niemals gesehen hatte, jedenfalls nicht seit den Einzugsfeierlichkeiten des Jahres 1849.

Wir wollen nun bei der Wichtigkeit des Schlossbaues für die Stadt und die Einwohnerschaft hier die Maße der einzelnen Gebäude und anderer Bauteile anfügen.*)

*) Anmk. Bei der großen Wichtigkeit des Schlossbaues an und für sich und speziell für Schwerin, und da unsere Schilderung desselben streng aus den Akten selbst geschöpft ist, berichtigen wir einige Irrtümer, welche sich in anderen über den Schlossbau handelnden Schriften befinden:

1) der Grundplan des Schlosses zeigt nicht 2 rechte Winkel, wie behauptet wird, sondern nur einen, und zwar dort, wo sich die Kirche an das vom Herzog Magnus erbaute s. g. lange Haus schließt. Alle übrigen Winkel sind stumpf und bei dem Neubau noch etwas stumpfer angelegt, als sie bei dem älteren Bau waren.
2) die Burgsee-Fassade enthält in ihrer Breite nicht 10, sondern 11 Fenster.
3) die Fassade gegen den Schlossgarten hin ist von Anfang so projektiert worden, dass sie einen Giebel erhalten sollte, und sind hier bauliche Veränderungen im Entwurf von solcher Bedeutung, wie das Aufsetzen eines Giebels ist, nicht vor gekommen.


Die Vorderfronte nach der Stadtseite zu zwischen den beiden Ecktürmen ist 61' lang, die Fronte, nach dem Burgsee zu 148' nach dem Schlossgarten 140', zwischen den Hauptturm und dem südöstlichen Eckturm 150', zwischen dem Hauptturm und dem kleinen Treppenturm am Kirchenchor 93' und nach dem Marstall zu zwischen dem Glockenturm und dem nördlichen Eckturm der Vorderfronte 165'. Der innere Schlosshof hat in der verlängerten Mittellinie der Einfahrt von der Stadtseite her 153' Länge; die größte Länge zwischen Kirche und Johann-Albrechtsbau beträgt 198'. Der Vorhof hat zwischen den 40 runden sandsteinernen Säulen von 22 ¾ ' Höhe eine Breite von 74' und eine Länge von 64'. Die Haupteinfahrtsöffnung ist 14' breit und 25' hoch. Die beiden Gebäudeteile an der Burgsee- und Schlossgartenseite haben ohne die vorspringenden Partien an der äußern Fronte und ohne die Arkaden an der Hofseite eine Tiefe von 73', während die Durchfahrt nach der Stadtseite 80', der Gebäudeteil neben der Kirche 57', der Johann Albrechtsbau ohne die Glashalle nach der Hofseite 39' tief ist. Der Neubau hat vom Wasserspiegel bis zu der Balustrade über dem Hauptgesims 100', bis zur Spitze des Daches 140' Höhe; bei den alten Gebäudeteilen wechselt die Höhe bis zur Dachspitze von 105–112'. Der Hauptturm hat vom Wasserspiegel bis zur äußersten Spitze eine Höhe von 254'. Die vier Ecktürme haben bei einen äußern Durchmesser von 30 ½ ' sämtlich 180' Höhe, werden also von der 191' hohen Hauptkuppel über der Einfahrt noch über ragt. Der Glockenturm neben der Kirche ist 163', der Turm über der Haupttreppe 171', der über der kleinen Treppe 168' hoch. Kleinere Türme sind, mit Einschluss des Treppenturms am Kirchenchor, noch neun vorhanden. Der Wintergarten ist 107' lang und 44' breit, die beiden durch eine halbkreisförmige Säulenhalle verbundenen Flügel desselben haben eine Länge von 59' und eine Breite von 15'. Der zyklopische Grottenbau führt in einer Länge von 90' aus den Souterrain des Schlosses bis in das Wasser des Schweriner Sees; die in drei Gänge geheilte Breite desselben beträgt 42'. In Verbindung mit dem Wintergarten stehen noch zwei unterirdische, gewölbte Säle, über welchen Gartenanlagen befindlich sind. Der eine vor dem Küchengebäude, 90' lang und 20' breit, ist an den Pilastern mit den alten Tonreliefs verziert, welche von den Giebeln des Johann-Albrechtsbaus abgenommen sind; der andere von 71' Länge und 37 ½ ' Breite wird der Weinlaubsaal genannt, weil die Tonsäulen und Pilaster desselben mit Weinranken usw. ornamentiert sind. Von den inneren Räumen des Schlosses hat der Königssaal in der Bel-Etage eine Länge von 56 ½ ' eine Breite von 38' und eine Höhe von 19 ½ '. Der Thronsaal hält 45 ½ ' im Gevierte bei einer Höhe von 30'. Der große Tanzsaal in der Festetage, genannt der goldene Saal, ist 100' lang, 57 ½ ' breit und 52' hoch. Bei gleicher Höhe hat die Speisegalerie 124' Länge und 42' Breite.

Stellen wir nun noch die Arbeiten der bildenden Künstler am Schloss zusammen, so ist dabei zunächst zu bemerken, dass hinsichtlich der fürstlichen Bildsäulen, mit welchen dasselbe geschmückt wurde, folgende Bestimmung war getroffen worden: Diejenigen Fürsten Mecklenburgs, welche für die Baugeschichte des Schlosses oder für die Landes- und Stadtgeschichte von besonderer Bedeutung sind, haben Bildsäulen in ganzer Figur und kolossaler Größe an hervorragend bemerkbaren Teilen des Gebäudes, die übrigen, soweit sie auf dem Schloss gewohnt haben, Büsten in den Giebeln desselben erhalten. Die bemerkenswertesten Bildnereien sind nun: die vergoldete Statue des Erzengels Michael auf der 191' hohen Kuppel des Mittelbaues. Das mecklenburgische Wappen mit den Schild, haltern in dem Giebel der Vorderwand des Mittelbaues über der Einfahrt; an jeder Seite des Giebels steht ein Trabant mit einer Hellebarde in der Hand. In der offenen Halle unter den Giebel stadtwärts die Reiterstatue des Niclot mit einem Speere in der Hand (Niclot rex) von Gentschow. Hofwärts in dieser Halle steht das Modell von Paul Friedrichs Standbilde auf dem Alten Garten. In den Zwickeln über der Niclotstatue steht der Lindwurm, das Wappentier der Grafen von Schwerin, und der Greif, welchen die wendischen Fürsten im Wappen führten. In den oberen Nischen steht links vom Beschauer Graf Guncelin I. von Schwerin, gerüstet, rechts Graf Heinrich I., ebenfalls gerüstet, beide von Willgohs verfertigt In den unteren Nischen steht links Albrecht II., erster Herzog von Mecklenburg, gerüstet und mit der Herzogskrone, rechts Magnus II, in Turnierrüstung und mit einer Rolle in der Hand, welche die 5 Wappenschilde der Herrschaften Mecklenburg, Rostock, Werle, Stargard und Schwerin zeigt, die er in seiner Hand vereinigte. Beide Bildsäulen hat Gentschow gearbeitet. -

Das Treppenhaus vor dem Altertumssaalgebäude zeigt im oberen Giebel die Relief-Figur der Megalopolis, eine Jungfrau mit einem Stier, von F. Wolf. In der Höhe des zweiten Stockwerks steht die Büste des Großherzogs Friedrich Franz II. über seinem Wappen und seinem Wahlspruche: „Per aspera ad astra“, rechts die Büste der Großherzogin Auguste über ihrem Wappen und ihrem Wahlspruche: „Ich bau auf Gott.“ Dazwischen über dem oberen Fenster die Worte: „Friedericus Franciscus II. D. G. Magnus Dux Megapol. Avorum Sedem Refecit. 1854“ In der Höhe des ersten Stockwerks sind über ihren Wappen die Büsten des Herzogs Albrecht I. und seiner Gemahlin Anna Sophia, unter jener der Wahlspruch: „Premente cruce tollimur“, unter dieser der Wahlspruch: „Alles nach Gottes Willen.“ Unter dem unteren Fenster des Treppenhauses steht Johann Albrechts I. alte Inschrift:

„Joannis Alberti Ducis Megap. industria sumptibusque. 1854“

An jeder Seite des Eingangs steht die Bildsäule eines Obotriten von Alb. Wolf.

Der nach dem Schlossgarten hin gelegene Teil des Neubaus enthält hofwärts 3 Bildsäulen mecklenburgischer Herzöge übereinander. Zu oberst steht Herzog Heinrich V. der Friedfertige, in Haustracht; in der Mitte Johann Albrecht I. in der Hoftracht des 16. Jahrh. mit Buch und Schwert in den Händen; zu unterst steht Adolph Friedrich I. in schwedischer Tracht. Alle drei sind von Willgohs verfertigt.

In einer Scutelle des links neben der Einfahrt befindlichen Giebels steht die Büste des Herzogs Johann, in Scutellen der Hauptgiebel des Neubaus stehen die Herzoge Karl Leopold (nördlich), Friedrich Wilhelm (westlich) und Christian Ludwig II. (südlich)

Die Büsten, welche sich in Scutellen der Giebel des Altertumssaalgebäudes seewärts befinden, sind diejenigen von Baumeistern, Künstlern und Gelehrten, die sich um den Schlossbau verdient gemacht haben. Im mittleren Giebel stehen: Hofbaurat Demmler mitten, Baumeister Behncke rechts, Hofbaurat Willebrand links, Baukondukteur Willebrand d. J. (†) oben, modelliert von dem taubstummen Bildhauer Kalnas von Kalnassi.*) Im Giebel neben dem Hauptturme stehen: Staatsminister von Lützow mitten, Oberhofmarschall von Bülow rechts, Oberhofmeister von Sell links, Schlosshauptmann von Lützow oben. Im Giebel neben dem Kirchenchor stehen: Geh. Oberbaurat Stüler mitten, Archivrat Lisch rechts, Glasmaler Gillmeister links, Baukondukteur Stern oben, von Bildhauer Gentschow modelliert. –

Sämtliche Glasmalereien des Schlosses verfertigte Gillmeister, zunächst die 18 lebensgroßen Bilder mecklenburgischer Fürsten, welche den unteren Saal des langen Hauses schmücken. Die Fenster dieses Saales sind im Lichten 8 Fuß 6 Zoll hoch und 2 Fuß 4 Zoll breit. Sie enthalten folgende Fürsten: 1) Heinrich der Wendenkönig † 1126; 2) Niclot † 1161; 3) Pribislaw † 1178; 4) Borwin I. † 1227; 5) Heinrich I., der Pilger, † 1301; 6) Heinrich II., der Löwe, † 1329; 7) Albrecht I. † 1379; 8) Albrecht II, König von Schweden, † 1412; 9) Magnus II. † 1503; 10) Johann Albrecht I. † 1576; 11) Adolf Friedrich I. † 1658; 12) Christian Louis I. † 1692; 13) Friedrich Wilhelm † 1713; 14) Karl Leopold † 1747; 15) Christian Ludwig II. † 1756; 16) Friedrich † 1785; 17) Friedrich Franz I. † 1837; 18) Paul Friederich † 1842. Die Cartons zu diesen Bildern lieferte Schumacher, daneben zum Bilde Friedrich Franz I. Th. Fischer, zum Bilde Paul Friedrichs Th. Schloepcke einen zweiten Carton.

*) Anmk. Auch die an der Fronte des Altertumssaalgebäudes und am Bischofshaufe in dem Bandgesimse befindlichen Medaillons fürstlicher Personen sind von diesem Künstler modelliert, durch den Töpfermeister Löwitz, Werkmeister der Kunstziegelei am Käterberge, in Ton ausgeführt und während der Jahre 1849 und 1850 angebracht worden. Diese Medaillons sollten nach dem Befehle des Großherzogs Mitglieder des mecklenburgischen Fürstenhauses und diejenigen deutschen und außerdeutschen Regenten darstellen, welche dem Großherzoge persönlich bekannt geworden und von ihm besucht worden waren. Unter ihnen befinden sich deshalb die Medaillons vom Kaiser Nicolaus von Russland, Papst Gregor XVI, Sultan Abdul Medschid u. a.

Die Glasgemälde im neuen Chor der Schlosskirche stellen die Haupttatsachen der christlichen Heilsordnung in zusammenhängender Reihe dar, nämlich das erste den Sündenfall, die Vertreibung aus dem Paradiese und die Verheißung Abrahams in der Predelle, Noahs Opfer, Abrahams Opfer und Moses mit den Gesetztafeln im Mittelteile, den Erzengel Michael in der Rosette; das zweite Josua und Gideon, Jephtha und Simson, Eli und Samuel in der Predelle, David und Salomo, Jeremias und Jesajas, Ezechiel und Daniel in der Mitte, den Erzengel Gabriel in der Rosette; das dritte die Geburt Christi und den zwölfjährigen Christus im Tempel in der Pedrelle, Johannes den Täufer und die Taufe Christi in der Mitte, einen Engel mit den Evangelium in der Rosette; das vierte das Abendmahl des Herrn in der Predelle, die Kreuzigung in der Mitte, die Dreieinigkeit in der Rosette; das fünfte die Grablegung und die drei Marien am Grabe in der Predelle, den auferstandenen Christus und Maria Magdalena in der Mitte und einen Engel mit Spruchband in der Rosette. Zu diesen Glasgemälden lieferte G. Lenthe die Cartons für die figürlichen Darstellungen, die architektonischen zeichnete Gillmeister selbst nach Skizzen von Stüler.

Die Freskogemälde in der Schlosskirche sind von Pfannenschmidt in Berlin. Die Decke des Königssaales malte Peters, die Verbindungsgalerie hinter dem Speisezimmer in der Beletage ist von Schumacher mit Wandgemälden geschmückt. Die Schlössergalerie vor der Ahnengalerie enthält Abbildungen der alten und neuen fürstlichen Schlösser, gemalt von Jentzen, und Darstellungen Mecklenburgischer Volkstrachten, gemalt von Th. Fischer. Die Ahnengalerie enthält die Bildnisse der mecklenburgischen Fürsten von Albrecht II, dem ersten Herzoge, an bis zu Herzog Friedrich, und die Gemahlinnen der Fürsten von Johann Albrecht I. an, alle diese Bildnisse gemalt von Th. Fischer. Altere fürstliche Porträts befinden sich in der kleinen Audienz des Großherzogs und in den erbgroßherzoglichen Zimmern, und eine wertvolle Sammlung schmückt die Wände der Kirchengalerie in der Weise, dass von den Wohngemächern der hoch seligen Großherzogin Auguste aus an der rechten Wand die Bilder der Fürsten aus der Linie Schwerin, an der linken Wand die Bilder der Fürsten aus der Linie Güstrow und Strelitz, und zwar die gleich zeitigen immer einander gegenüber, hängen. Der Thronsaal, in welchen die Ahnengalerie führt, und aus welchem man in die Wohnzimmer des Großherzogs gelangt, im oberen Teile des alten Bischofshauses, dessen ganze Breite er einnimmt, enthält an jeder Wand vier Säulen aus weißem, schwarz geaderten, carrarischen Marmor (pavonazzetto), auf welchen eine Galerie ruht. 14 Säulen tragen Wappenschilde der älteren und neueren Landesteile, während die zwei Säulen neben dem Throne Schilde mit den Namensbuchstaben der regierenden Herrschaften (FF. und A.) tragen; die Galerien sind mit den Wappen der 40 Mecklenburgischen Städte geschmückt, welche von 40 Knabengestalten gehalten werden. Die Wappenschilde zeichnete der Maler Milde in Lübeck, die Malerei verfertigte Trilk in Schwerin. Zwischen den Städtewappen über den 16 Säulen stehen 16 symbolische Statuen, welche die Herrschereigenschaften und Landeseigentümlichkeiten darstellen sollen. Von diesen hat Willgohs 8, Gentschow 4 und Wiese auch 4 verfertigt. Die Stuckarbeit der Decke ist von Dankberg, die Malerei von Peters, beide in Berlin.

Am 26. Mai war die obere technische Leitung des Schlossbaues dem zum Hofbaurate beförderten bisherigen Hofbaumeister Willebrand übertragen worden. Unter ihm wurden nun diejenigen Arbeiten fortgeführt, welche bisher noch nicht zur Vollendung gediehen waren, namentlich Dekorations-Arbeiten in den Festlokalen (Thronsaal, Ahnengalerie, goldene Saal) Diese wurden jedoch größten teils im Laufe d. J. noch fertig und konnte Johannis 1856 die Baurechnung abgeschlossen werden. Spätere innere Bauten fanden in den Jahren 1859 und 1860 statt (s. d. J.)

Zur Erinnerung an den Schlossbau ließ der Großherzog eine Medaille schlagen, welche an die bei demselben Beschäftigten je nach dem Grade ihrer Mitwirkung und ihres Verdienstes in Gold oder in Silber verliehen wurde. Diese vom Medailleur Heinrich Wilck verfertigte Medaille erhielten: 1) in Gold der Hofbaurat Demmler und der Geh. Oberbaurat Stüler; 2) in Silber der Hofbaurat Willebrand, der Baumeister Behncke, die Maler Fischer, Gillmeister, Jentzen, Lenthe und Schlöpke; 3) in Bronze der Baukondukteur Stern, der Architekt Lukow, die Bildhauer Petters, Schiele, Scholimus, die Polierer Glatz, Köpcke, Niemann, Zogmann u. A. Die silberne Medaille erhielten ferner der Advokat Hobein und der Sänger Formes, letzterer in Berlin, die bronzene der Redakteur des „deutschen Kunstblattes“ Dr. Friedr. Eggers in Berlin. – Der König von Preußen dekorierte wegen hervorragender Kunstleistungen mit dem Roten-Adler-Orden IV. Klasse den Hofbaurat Willebrand, Baumeister Behncke, Gartendirektor Klett, Hofmaler Lenthe und die Maler Gillmeister und Pfannenschmidt.

Am 8. Juni wurde für Schwerin und Umgegend ein Lokalverein des Mecklenburgischen Seidenbauvereines gestiftet. Zweck dieses Vereins war zunächst die festere Begründung des noch sehr unerheblichen Seidenbaues durch Anlage von Maulbeerplantagen. Man wandte sich wegen der Überlassung zweckmäßiger Plätze an den Magistrat, welcher auch im Anfange des Novembers die Bepflanzung des äußern Teiles der Kirchhofsmauer und die Anlage von Hecken am Wallgraben gestattete. Außerdem pachtete der Verein vor dem Lübecker Tore ein Gartenstück von 34 []Ruthen, auf welchem eine Maulbeer-Plantage angelegt wurde, die durch ihr gutes Gedeihen erfreute.

Vom 3. bis 5. Juli fand das sechste mecklenburgische Sängerfest hier statt. Am 4. wurde. Vormittags um 11 Uhr im Dom das geistliche Concert aufgeführt, am 5. das weltliche Konzert auf dem Schlosshofe. Abends versammelten musikalische und Gesangsübungen die Gäste im Schlossgarten, welcher am letzten Tage illuminiert wurde.

In diesem Monate hatte der Verwaltungsrat der hiesigen Lebensversicherungs- und Sparbank ein Kapital von 20.000 Thaler zum Bau eines Bankgebäudes an der Ecke der Blücher- und Wismarschen Straße bewilligt (das Lokal der Bank befand sich damals in der Schlossstraße Nr. 12) Der Bau wurde demnächst in Angriff genommen und schon im folgenden Jahre beendigt (s. d. J.)

Am 7. August übersiedelte die hiesige Ersparnis-Anstalt aus den bisher im Rathause innegehabten Räumen in das vom Baumeister Krüger an der Ecke des Schelfkirchhofes und der Königsstraße neuerbaute Haus. Dies mit den Rücksichten auf größtmöglichste Sicherheit und Dauerhaftigkeit erbaute Haus ist äußerlich nach dem Kirchenplatze hin mit den 4 Statuen der Wohltätigkeit, der Arbeitsamkeit, der Sparsamkeit und der Bewahrung des Ersparten, nach der Königsstraße hin mit zwei Bildsäulen, eines ländlichen Arbeiters und eines Handwerkers, alle vom Bildhauer Wiese verfertigt, geschmückt. In der Vorhalle befinden sich drei Sandsteingruppen, ein größeres in der Hinterwand („spare in der Zeit, so hast du in der Not“) und zwei kleinere über den Eingangstüren zu den im Parterre gelegenen Kassenlokalen („bete“ und „arbeite“) In der oberen Etage ist die Wohnung des Vorstehers der Anstalt, Geh. Kanzleirat Faull. Die große Gemeinnützigkeit dieser Anstalt, auf welche schon oft hingedeutet worden, nochmals hervorzuheben, ist hier der rechte Ort. Vom Jahre 1840 bis 1857 hat sie für wohltätige Zwecke zur Linderung der Not ärmerer Volksklassen in Schwerin 6.627. Thlr. Cour. geschenkt, im Februar 1854 ein baufälliges Haus im Werte von 850 Thlr. N 2/3 der städtischen Kommune zur Verbreiterung der Straße (Faule Grube) geschenkt, zu baulichen Zwecken nach und nach 24.840 Thlr. Cour. (zum Krankenhause 10.000, zu Schulhäusern 5.000 Thlr. N2/3 , zum Augustenstift 3.700 Thlr., zum Schulhause 4.000 Thlr. Court) zinsenlos, ferner zur Verbreiterung des Gr. Moors 3.500 und zur Anlage der Blücherstraße 4.000 Thlr. Cour. zinsenlos, letztere beiden Posten aber rückzahlbar, hergegeben, also 39.940 Thlr. Cour. zur Förderung gemeinnütziger Zwecke verwandt. Ferner hat sie in hiesige Häuser ungefähr 700.000 Thlr., davon mehr als 600.000 Thlr. Cour. zu dem billigen Zinsfuß von 3 1/2 PC. verliehen. Die Baukosten des neuen Ersparnis-Kassen-Gebäudes betrugen 18.550 Thlr. Cour. I. J. 1859 bewilligte die Ersparnisanstalt zur Belegung der Trottoirs in den Straßen mit Granitplatten auf 5 Jahre jährlich 1.000 Thlr. Cour.

Am 30. August zogen sämtliche in Schwerin anwesende Maurer- und Zimmergesellen vom Alten Garten aus mit Fahnen und Musik nach Zippendorf und begingen hier mit ihren Familien ein Erinnerungsfest an das vor 10 Jahren (27. Aug. 1847) statt gefundene Richtfest des von Demmler erbauten Schloss-Haupt-Turmes.

In dem an der Schulstraße gelegenen Schulhause der Bürgerknabenschule, welche 6 Klassen zählte, hatte sich schon seit längerer Zeit ein solcher Mangel an Raum fühlbar gemacht, dass die Stadt an der Blücherstraße ein neues Schulhaus hatte erbauen müssen, welches am 10. November d. J. nach vorhergegangener feierlicher Einweihung bezogen wurde. Das dreistöckige, massive Gebäude mit einem Flügel nach dem Hofe hin besitzt hohe, gesunde Räume und ist in jeder Weise zweckmäßig. Das Haus in der Schulstraße sollte ferner zur Aufnahme einer Bürgermädchenschule verwandt werden. Vor dem Wittenburger Tore waren i. d. J. wieder 14 Gartenparzellen errichtet worden. Am Schluss d. J. waren von öffentlichen Gebäuden im Bau begriffen: die Kaserne auf dem Ostorfer Berge, das Gebäude der Sparkasse an der Schelfkirche und das Bankgebäude an der Blücherstraße.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin