Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1856

1856. Die Suppen-Anstalt wurde am 21. Januar eröffnet und wurde täglich, mit Ausnahme der Sonn- und Festtage, eine bestimmte Anzahl (5–600, später 1.000) von Portionen bereit gehalten. Die Küchen befanden sich im Augustenstifte, dem früheren Schützenhause, und in der Werderstraße (No. 27) Das Essen wurde gegen Vorzeigung von Marken à 2 ß gegeben. Die Speiseanstalt wurde am 28. Juni geschlossen; sie hat 108.244 Portionen ausgegeben und 10.429 Thaler 29 ß vereinnahmt, worunter 2.000 Thaler rückzahlbar von der Ersparnis-Anstalt. Dem Magistrate waren aus Landesmitteln 4.448 Thaler Cour. zu billigem Verkaufe von Lebensbedürfnissen überwiesen worden; er hatte 2.326 Achtel Fadenholz, 16.431 Fass Mehl, 11.247 Brote à 9 Pfund und 17.248 Fass Kartoffeln verkauft.

Am 4. Februar wurde das Lagern und Kleinmachen des Holzes auf der Straße bei 1 Thaler und das Fahren mit mehreren bei nur einer Bespannung an einander befestigten Wagen bei 2 Thalern Strafe verboten.


Am 12. Februar wurde beschlossen, dass die Zahl der ordentlichen Lehrer an den Stadtschulen um Einen vermehrt werden solle. Es gab damals, mit Ausschluss des Rektors, 20 Lehrer, worunter 8 ordentliche und 12 außerordentliche oder Hilfslehrer. Das Gehalt der letzteren betrug 200 Thaler, dasjenige der ersteren anfangs 233 $Thaler 16 ß und stieg zweimal, jedesmal nach einer Dienstzeit von 3 Jahren um 29 Thaler 8 ß. – In derselben Sitzung des Bürgerausschusses wurde die Anstellung eines Gerichts-Sekretärs mit 800 Thaler Gehalt beschlossen. Im März d. J. wurde auch wegen der Zippendorfer Schule, da sich die Anstellung eines neuen Lehrers vernotwendigte, Beschluss gefasst. Hiernach sollte der Lehrer in Zukunft freie Wohnung, angemessenes Garten-, gedüngtes Kartoffelland, verschiedene andere Emolumente und ein bares Gehalt von 100 Thaler jährlich beziehen.

Die Ersparnis-Anstalt hatte das Lokal im Rathause, welches sie bis jetzt inne gehabt, zu Johannis 1857 gekündigt und an der Ecke der Königs- und Lindenstraße am Schelfkirchhofe mehrere Häuser erkauft, welche sie auf Abbruch veräußerte, um an ihrer Stelle ein besonderes Sparkassen-Gebäude errichten zu lassen. Auf dem Ostorfer Berge wurden im März d. J. zum Bau einer Artillerie-Kaserne die Voranstalten getroffen.

Im April wurde eine vom Magistrat erlassene und landesherrlich bestätigte, aus 47 Paragraphen bestehende Straßenpolizei-Ordnung für Schwerin an die hiesigen Hauseigentümer verheilt. Zur besseren Aufsicht über die Haltung dieser Verordnung wurden drei besondere Straßenvögte angestellt.

Im Mai wurde der Bau der Hofgärtner-Wohnung am Zippendorfer Wege, dem früheren Pulverturme gegenüber, begonnen. Die Entwürfe sind vom Hofbaumeister Willebrand, welcher zugleich den Bau leitete, während der Hausvogt und Bauaufseher Jantzen die spezielle Leitung hatte. Diese für den mit der Aufsicht über die großherzoglichen Küchengärten betrauten Hofgärtner bestimmte Wohnung sollte möglichst inmitten dieser Gärten liegen, und konnten an dem gewählten Platze zwei alte, gut erhaltene, bisher zu militärischen Zwecken benutzte Gebäude mit verwandt werden. Das Etablissement enthält ein Wohnhaus, mit Schiefer gedeckt, 2.606 []Fuß, ein Wirtschaftsgebäude, 2.500 []Fuß, und einen Stall, 403 []Fuß Fläche einnehmend, und hat 7.600 Thaler Crt. gekostet.

Am 30. Mai genehmigte der Bürger-Ausschuss, dass eine Seite der Trottoirs in der Friedrichs, Königs- und Schlossstraße mit Granitplatten belegt werde. Die Kosten hierfür sollten 1.492 Thaler 42 ß betragen, wozu der Großherzog zwei Jahre hindurch jedesmal 500 Thaler gab; die Platten wurden in Dresden bestellt.

Am 9. Juli wurde der neue Rettungs-Apparat bei Feuerbrünsten auf dem altstädtischen Markte probiert. Dieser Apparat besteht aus langen Leitern, die mittelst eines kleinen zweiräderigen Fuhrwerks fortbewegt werden und an denen zugedrehte Schläuche befestigt sind, in welchen die zu rettenden Personen oder Sachen durch allmähliches Aufdrehen zur Erde gelassen werden. Die zur Handhabung des Apparates angestellten Retter tragen eine graue Blouse und ist ihr Kopf durch eine Pickelhaube mit Stirn- und Nackenschirm geschützt.

Im Oktober d. J. hatte der Magistrat auf dem Schelffelde außerhalb des Walles wieder 95 Gartenparzellen anlegen lassen.

Seit dem 14. Dezember fand eine Weihnachts- (Gewerbe-) Ausstellung von mehr als 60 Gewerbetreibenden im früheren Kasinolokale, der Friedrichstraße gegenüber, statt. Der Absatz der ausgestellten Gegenstände war ein sehr günstiger und machte unter dem Gewerbestande die Anlage einer besonderen Gewerbehalle als immerwährender Niederlage der Erzeugnisse wünschenswert. Am Schloss wurde i. d. J. der innere Ausbau fortgeführt und schritt derselbe seiner Vollendung entgegen. Vollendet wurden von Willgohs die fürstlichen Standbilder aus dem 16. und 17. Jahrhundert, von A. Wolff die Obotriten und die Megalopolis des alten Treppenhauses, von Gillmeister die 3 Fenster mit Glasgemälden (die alttestamentlichen) zu der Schlosskirche; (die Fenster mit Darstellungen aus dem neuen Testamente sind nachträglich aufgestellt worden). An den Wand- und Deckenmalereien der Festsäle und Galerien waren Peters aus Berlin, Elster aus Braunschweig, Th. Fischer, Jentzen und Schumacher von hier, an den Malereien in der Schlosskirche Pfannenschmidt aus Berlin und Fischer beschäftigt, Ornamente lieferte Dankberg in Berlin, Skulpturen verschiedener Art Schieler; die Portraitbüsten, welche in Scutellen an den Giebeln des Altertumsaales angebracht worden, hatten Kalmas von Kalnassi und Genschow modelliert. Zur Beleuchtung des Schlosses mit Gas wurden die Röhren und ein Gasreservoir angelegt. Am 1. November trafen zwei für die Schlosskirche bestimmte, von C. Illies in Waren gegossene Glocken ein. Die größere, Pönitentia genannt, trägt auf einer Seite das Bild des Apostels Petrus, auf der anderen die Inschrift:

„Erforsche mich, Gott, und erfahre mein Herz, prüfe mich und erfahre, wie ich es meine“,

darüber ein Doppel-F, die Jahreszahl und über dieser eine Krone. Die kleinere Glocke heißt Precatio und führt unter der Krone und der Jahreszahl den Spruch:

„Rufe mich an in der Not, so will ich dich erhören und du sollst mich preisen.“

Beide Glocken haben ihren Platz auf dem Turme, links vom Portal.

Besucht wurde das Schloss am 13. Oktober von dem Großherzoge Carl Alexander von Sachsen-Weimar und seiner Gemahlin, am 15. November vom Prinzen von Hessen.

Am 24. Dezember erhielten die am Bau beschäftigten 330 Arbeiter vom Großherzoge eine Christbescherung. Aus dem zum Denkmale für Herzog Friedrich i. J. 1857 gesammelten Fond wurde jetzt eine Stiftung für geistliche Armenpflege und Arbeitgebung gegründet.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin