Geschichte der Stadt Schwerin des Jahres 1854

1854 wurden die Arbeiten am Schloss kräftig fortgesetzt. Ende August entkleidete man die reich vergoldete, 191 Fuß hohe Kuppel über der Haupteinfahrt des Gerüstes. Die Kirche wurde in den Gewölben (blau mit goldenen Sternen an den Kappen, die Rippen rot) fertig; Pfannenschmidt vollendete vier seiner Fresko-Gemälde, Gillmeister setzte zwei bemalte Fenster im Kirchenchor ein. Der Orgelbauer Friese begann den Bau einer neuen Orgel, die zu Johannis 1855 fertig wurde, Genschow arbeitete an der Bildsäule des Niclot für das mittlere Bogenfenster der Vorderfassade. Zu Ende d. J. stand der ganze Bau in einen äußeren Teilen bis auf Weniges vollendet da, auf dem Hofe waren alle Gerüste beseitigt, mit Ausnahme desjenigen am großen Treppenhause, wo noch die obere Kuppel aufzuführen war. Im Inneren wurden die Stuck-, Tischler- und andere Arbeiten eifrig fortgeführt. – Im Herbste d. J. besuchten der Großherzog von Oldenburg und der Erbgroßherzog von Mecklenburg-Strelitz die Baustätte. Im Februar wurde ein neues Katastrierungs-Regulativ für neue oder noch nicht katastrierte Häuser erlassen, nach welchen der Flächeninhalt der Häuser vermessen wird, so dass eine Quadratfläche bis 1.500 [] Fuß ¼ , eine solche von 1.501 bis 2.250 []Fuß 3/8 Haus usw. bildet.

Im Januar war mit dem Rentier Lindemann ein Kontrakt zur Erleuchtung der Stadt mit Röhrengas aus Steinkohlen, gültig auf 35 Jahre, von Michaelis d. J. an, abgeschlossen. Nach diesem Kontrakt sollten einstweilen in der Neustadt: die Waisenstraße, der Hintenhof, die Werderstraße vom Krankenhause bis zum Tor, die Straße am Ziegelsee und Kirchhof, die Hospital, Amts- und Landreiterstraße bis zum Ziegelsee, in der Vorstadt: die Ackertwiete, Reiferbahn, Lübecker Straße jenseits der Eisenbahn und der ganze südliche, südwestliche und westliche Stadtteil vom Oerthlingschen Gasthofe an von dieser Erleuchtung ausgeschlossen bleiben. Eine Ausdehnung der Gaserleuchtung kann die Stadt aber fordern, sobald sich im Anschluss an die Hauptröhrenlegung auf 100 Fuß Straßenlänge 4 Privatflammen zu durchschnittlich 4 Stunden Brennzeit täglich finden. In 5 Jahren, von Michaelis an gerechnet, soll die Erleuchtung völlig in Wirksamkeit sein. Die Brenner der 400 öffentlichen Lampen sollen in Fledermausform sein, die Brennzeit mindestens 800 Stunden jährlich betragen, nach Grundlage eines Beleuchtungs-Kalenders. Jede Flamme der Laternen soll 5 (nach Mitternacht 2 ½ ) Kubikfuß Gas stündlich verzehren, und ihre Lichtstärke der Helle von 12 (n. M. 5) Wachskerzen bester Güte von 13“ Länge, deren 6 Stück 26 Lth. wiegen, gleichkommen. Preis der Flamme 4 (n. M. 3) Pfenn. meckl. Crt. stündlich, 5 Cub. Fuß Gas nach Mitternacht 5 Pfenn. Für die innere Erleuchtung öffentlicher Gebäude 1.000 Kubikfuß Gas 2Thaler, für Privatflammen 2 Thaler 16 ? Crt. Es begann nun die Röhrenlegung und der Bau der Gasanstalt in der Wismarschen Straße, mit 2 wasserdichten Gasometern, 40 Fuß im Durchmesser groß, erbaut vom Ing. Beckmann Oloffsen, und einem sehr zweckmäßig eingerichteten Gashaus mit Dach und Türen von Eisen.


Am 1. März wurde der Staatstelegraph nach Hagenow hin dem Publikum zur Benutzung übergeben, nachdem er schon seit dem 1. Februar zur Beförderung von Staatsdepeschen benutzt worden.

Am 25. April wurde die Domanial-Hypothekenordnung vom 2. Januar d. J. für die einzelnen von der Stadt ausgegebenen Grundstücke (zu Erbpacht, Erbzins-, Büdner, Brinksitzer, Häusler Recht usw.) in den städtischen Kämmereigütern Zippendorf und Göhren eingeführt.

Im Schlossgarten war während des Frühlings ein neuer Weg von der Kalkbrennerei bis zum Zippendorfer Wege hinter der See-Villa angelegt worden. Auch hatte man das Schweizerhäuschen erweitert und hier, wie auf dem Schelfwerder beim Duve’schen Etablissement fanden seit dem Sommer d. J. Harmonien statt.

Am 27. Mai feierten die mecklenburgischen Freimaurer das Jubelfest des hundertjährigen Bestehens der Freimaurerei in Mecklenburg, welcher zuerst der Herzog Christian Ludwig Schutz verliehen hatte. (Die hiesige Loge „Harpokrates zur Morgenröte“ ist jedoch erst i. J. 1809 gestiftet worden)

Die Stadt- und Waisenhaus-Schulen wurden um diese Zeit von etwa 1.000 Kindern besucht, von denen nur 150 Schulgeld zahlten, alle übrigen aber freie Schule hatten. Da hierbei einige Härten unvermeidlich waren, so beschlossen Rat und Bürgerausschuss am 12. September, das Schulgeld in diesen Schulen für einheimische Kinder gänzlich aufzuheben und den entstehenden Ausfall von etwa 300 Thaler aus der Stadtkasse zu decken.

In Fortsetzung seiner Bestrebungen, der ärmeren Volksklasse Gelegenheit zum Kartoffel- und Gemüsebau zu verschaffen, richtete der Magistrat in d. J. 63 Gärten vor dem Feldtore und 29 Gärten in der Nähe des Lankower Tores ein. Auch im nächsten Jahre wurden diese Einrichtungen fortgesetzt und 29 Gärten auf der Königsbreite, sowie 6 an der Sandgrube (am Ende der Sandstraße) angelegt. Und am 7. Dezember 1855 wurde zur Förderung der Gartenkultur beschlossen, dass neu angelegte Gärten während der ersten 12 Jahre statt der zehnfach höheren Garten nur die einfache Ackersteuer erlegen sollten.

Am 3. November wurde wegen der Service-Angelegenheit ein am 14. d. M. landesherrlich bestätigter, für die Zeit vom 1. Januar 1854 bis zum 1. Januar 1866 gültiger Vertrag zwischen dem Ministerium und dem Magistrat abgeschlossen. Nach demselben über nimmt der Großherzog die der Stadt obliegende Garnisonlast, behält sich die Verfügung über die Kasernierung des Militärs vor und befreit die Stadt von ihrem jährlichen Beitrage von 466 Thaler 32 ß zur Erhaltung der Torhäuser. Dagegen zahlt die Stadt jährlich 12.000 in monatlichen Raten, welche Summe sich nur dann erhöht, wenn die nach der Service-Tabelle vom 31. Dezember 1810 berechnete Service-Ausgabe mehr als 18.000 Thaler beträgt, in welchem Falle die Stadt die Hälfte des Mehr entrichtet, jedoch höchstens 1.000 Thaler im Ganzen. Ebenso wird bei einer 4 Monate dauernden Garnisonverminderung der Stadt dasjenige zugeschrieben, was die Service Ausgabe während dieser Zeit weniger als monatlich 1.000 Thaler beträgt. Außerdem ist letztere verpflichtet, den zu militärischen Zwecken auf kurze Zeit hierher kommandierten, sowie durchmarschierenden Militärpersonen und Truppen Naturalquartier zu liefern.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Chronik der Haupt- und Residenzstadt Schwerin